170Kollektivvertragliche Bindung betriebsbedingter Kündigungen an das Zustandekommen eines Sozialplans ist unzulässig
Kollektivvertragliche Bindung betriebsbedingter Kündigungen an das Zustandekommen eines Sozialplans ist unzulässig
Im gegenständlichen Fall brachte der Verband der österreichischen Landes-Hypothekenbanken einen Feststellungsantrag nach § 54 Abs 2 ASGG zur Bestandschutzregel des § 25 KollV für die Angestellten der österreichischen Landes-Hypothekenbanken (KollV) ein. § 25 des KollV regelt einen erweiterten Kündigungsschutz und lautet wie folgt:
„Dienstnehmer, die nicht in ein unkündbares Dienstverhältnis übernommen wurden und deren Dienstverhältnis durch Kündigung seitens der Bank zu einem Zeitpunkt enden würde, an dem sie das 45. Lebensjahr vollendet und bereits 18 Jahre in der Bank verbracht haben, können nur schriftlich und mit Angabe eines der nachstehenden Kündigungsgründe gekündigt werden:
1. Aus betriebsbedingten Gründen, wie Rationalisierungsmaßnahmen, Fusion, Ausgliederung, Umorganisation, Änderung des Arbeitsumfanges oder der Arbeitsbedingungen ist eine Kündigung dann möglich, wenn ein Sozialplan erstellt wurde und der Betriebsrat dem Sozialplan zugestimmt hat.“
Der Antragsteller begehrt nun die Feststellung, dass die vom Geltungsbereich des KollV erfassten AG im Anwendungsbereich der Bestandschutzregel des § 25 KollV die Kündigung bei Vorliegen betriebsbedingter Gründe iSd § 25 Z 1 KollV unabhängig davon wirksam aussprechen können, ob ein Sozialplan erstellt wurde und der BR dem Sozialplan zugestimmt hat; § 25 Z 1 KollV sei mangels entsprechender Regelungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien nichtig.
Nach dem OGH ist der vorliegende Antrag zulässig und berechtigt. Zwar ergibt sich die Regelungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien aus § 2 ArbVG und umfasst jedenfalls Beendigungs- und Bestandschutzregeln; zu prüfen ist allerdings, ob in der hier zu beurteilenden Kollektivvertragsnorm eine grundsätzlich zulässige Inhaltsnorm unzulässig mit einer Erweiterung betrieblicher Mitbestimmungs- oder Mitwirkungsmöglichkeiten verknüpft wird. Der OGH geht in stRsp davon aus, dass die Bestimmungen des ArbVG im Allgemeinen zwingenden, und zwar regelmäßig absolut (zweiseitig) zwingenden Charakter haben und daher durch kollektive oder privatautonome Rechtsgestaltung nicht abgeändert werden können. So wurden bereits wiederholt in Kollektivverträgen vorgesehene Zustimmungen bzw Anhörungsrechte des BR zu Kündigungen als unwirksam erachtet.
Im gegenständlichen Fall wird in § 25 Z 1 KollV die Zulässigkeit der Kündigung der dort genannten AN vom Vorliegen eines Sozialplans abhängig gemacht, dem „der Betriebsrat zugestimmt hat“. Auch wenn nach der Formulierung dieser Bestimmung das Vorliegen des Sozialplans scheinbar nur eine objektive Tatbestandsvoraussetzung darstellt, bewirkt dies mittelbar eine Erweiterung der Rechte des BR, die sich aus § 97 Abs 1 Z 4 iVm § 109 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) in Zusammenhang mit dem Abschluss von Sozialplänen ergeben. Zwar sieht § 109 Abs 3 ausdrücklich vor, dass bei Betriebsänderungen, die mit der Kündigung von AN verbunden ist, die BV auf die Interessen älterer AN besonders Bedacht zu nehmen hat. Daraus ergibt sich aber kein Sperrrecht des BR gegen Kündigungen älterer AN durch Verweigerung des Abschlusses eines Sozialplanes. Selbst wenn man die Regelung im KollV dahin interpretiert, dass keine Zustimmung des BR vorausgesetzt wird, sondern Kündigungen auch nach einer erzwungenen BV durch Entscheidung der Schlichtungsstelle zulässig sind, ermöglicht die Regelung durch Verweigerung einer Zustimmung zum Sozialplan durch den BR diesem eine zeitliche Verzögerung des Kündigungsrechts des AG, was ebenfalls keine Deckung im ArbVG findet.
Die in der kollektivvertraglichen Regelung vorgesehene Abhängigkeit der Kündigungsmöglichkeit des AG vom Vorliegen eines Sozialplans und der Zustimmung des BR zu diesem Sozialplan ist daher wegen Verstoßes gegen zwingende Bestimmungen des ArbVG nichtig.288