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Verfall des Abfertigungsanspruches mangels rechtzeitiger Geltendmachung nach Beendigung

MANFREDTINHOF
KollV für Bauindustrie und Baugewerbe

Ein seit 17.7.1989 beschäftigter Arbeiter vereinbarte am 1.4.2010 aufgrund von Veränderungen im Bereich der betrieblichen Aktivitäten mit seiner AG, dass ab diesem Tag das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (BUAG) sowie der KollV für Arbeiter in der Bauindustrie und im Baugewerbe (in der Folge: KollV) anstatt des bisher geltenden KollV für Steinarbeiter Anwendung finden sollten. Ferner wurde vereinbart, dass der AN weiterhin dem System „Abfertigung alt“ unterliegt und demnach die bis zum 31.3.2010 gegenüber der AG erworbenen Abfertigungsansprüche erhalten bleiben. Hingegen erwerbe der AN ab 1.4.2010 Abfertigungsansprüche ausschließlich nur noch gegenüber der BUAK.

In einem Vorprozess einigte sich der am 1.9.2014 entlassene AN mit seiner AG vergleichsweise auf einen bestimmten Betrag, der die Weihnachtsremuneration, eine Kündigungsentschädigung und eine Zinsenpauschale enthielt. Eine Abfertigung wurde weder außergerichtlich geltend gemacht, noch im Vorprozess thematisiert, weil der AN irrtümlich davon ausging, dass die Abfertigung für das gesamte Dienstverhältnis von der BUAK übernommen werde. Diese teilte dem AN am 17.9.2015 schriftlich mit – nachdem ihr als Auflösungsgrund „Dienstgeberkündigung“ gemeldet worden war –, dass er von ihr € 4.703,85 brutto an Abfertigung erhalte. Daraufhin forderte der AN die AG am 7.10.2015 erstmalig schriftlich auf, ihm die für den Zeitraum 1989 bis 2009 von der AG zu leistende Abfertigung zu überweisen und klagte den sich daraus ergebenden Betrag daraufhin ein. Der AG wandte Verfall ein und verwies auf § 14 Abs 3 Satz 1 des KollV, gemäß dem nach Lösung des Arbeitsverhältnisses Forderungen jeglicher Art spätestens binnen drei Monaten, gerechnet vom Zeitpunkt der Lösung bei sonstigem Erlöschen, beim AG geltend zu machen sind.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen Verfalls ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung des AN Folge und dem Klagebegehren statt. Aus dem anzuwendenden KollV ergebe sich, dass alle Abfertigungsansprüche, die sich direkt gegen den AG richten, der dreijährigen Verjährungsfrist ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses unterlägen. Diese Frist habe der AN eingehalten. Der OGH gab der Revision der AG Folge und stellte das Ersturteil wieder her.

Nach Ansicht des OGH lässt der Wortlaut des § 14 Abs 3 KollV klar erkennen, dass die Kollektivvertragsparteien in dessen Satz 1 (als eigenen Absatz) festlegen wollten, dass grundsätzlich alle Forderungen (arg „jeglicher Art“) des AN gegenüber dem AG binnen drei Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend zu machen sind, andernfalls diese erlöschen.

In Satz 2 wird von dieser Grundregel eine Ausnahme gemacht: Für einen Abfertigungsanspruch gegenüber dem AG aufgrund „von Einzelvereinbarungen, Arbeitsordnungen oder Betriebsvereinbarungen, der durch das BUAG nicht erfasst ist“, soll eine Verjährungsfrist von drei Jahren ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses gelten. Damit ist aber lediglich ein Mehranspruch gegenüber dem gesetzlichen Anspruch gemeint, der im vorliegenden Fall aber nicht besteht. Hätten die Kollektivvertragsparteien gewollt, sämtliche, gegenüber dem AG bestehenden Abfertigungsansprüche, also auch die gesetzlichen, von der Grundregel des § 14 Abs 3 Satz 1 KollV auszunehmen, so hätte es des Beisatzes „auf Grund von Einzelvereinbarungen, Arbeitsordnungen oder Betriebsvereinbarungen, der durch das BUAG nicht erfasst ist (Mehranspruch gegenüber dem gesetzlichen Anspruch)“ nicht bedurft. Der AN hat somit seinen gegenüber der AG behaupteten gesetzlichen Abfertigungsanspruch nicht iSd § 14 Abs 3 Satz 1 KollV rechtzeitig geltend gemacht.