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KollV für Gebäudereiniger: Keine Sonderzahlungen mangels Entgelts im für deren Berechnung maßgeblichen Beobachtungszeitraum

MANFREDTINHOF
KollV für Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger

Nach § 13 des KollV für Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger berechnet sich ein dem Grunde nach zustehender Anspruch auf Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration im Betrag von jeweils 4,33 Wochenentgelten oder einem Monatsentgelt der Höhe nach auf Grundlage des Durchschnitts der vom AN in den letzten 13 Wochen oder den letzten drei Kalendermonaten vor der jeweiligen Fälligkeit der Sonderzahlungen bezogenen Wochen- bzw Monatsentgelte. Hatte der AN in diesen Zeiträumen keinen Entgelt-(fortzahlungs-)anspruch, dann289hat er der Höhe nach auch keinen Anspruch auf die kollektivvertraglichen Sonderzahlungen.

SACHVERHALT

Die seit 14.9.2015 als Reinigungskraft beschäftigte Kl wurde von der Bekl zum 5.7.2016 gekündigt. Ab 15.12.2015 befand sich die Kl durchgehend bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Krankenstand. Die Bekl leistete im hier maßgeblichen Kalenderjahr von 1.1.2016 bis 25.1.2016 Entgeltfortzahlung in voller und von 26.1.2016 bis 22.2.2016 in halber Höhe. Danach gebührte der Kl keine Entgeltfortzahlung mehr. Sie begehrte die Zahlung aliquoter Sonderzahlungen für die Zeit der Entgeltfortzahlung von 1.1.2016 bis 22.2.2016. Für den restlichen Zeitraum des Dienstverhältnisses wurden keine Sonderzahlungen verlangt, weil der anzuwendende KollV vorsieht, dass diese für entgeltfreie Zeiten nicht gebühren. Die bekl AG wandte ein, dass sich der kollektivvertragliche Sonderzahlungsanspruch auf Grundlage des Durchschnitts der Wochenentgelte der letzten dreizehn Wochen vor der jeweiligen Fälligkeit der Sonderzahlungen berechne. In diesen Zeiträumen habe die Kl aber keine Entgeltfortzahlung mehr erhalten.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt. Der OGH ließ die Revision der AG zu und wies die Klage der AN ab.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„4.1. Für das Kalenderjahr 2016 hat die Klägerin nach § 13 Abs 1 KollV grundsätzlich Anspruch auf Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration; und zwar nach § 13 Abs 5 KollV auf den jeweils aliquoten Teil entsprechend ihrer im Kalenderjahr 2016 zurückgelegten Beschäftigung (1.1.2016 bis 5.7.2016). Da die Klägerin aber bereits ab 23.2.2016 kein Entgelt mehr bezog, gebühren ihr gemäß § 13 Abs 8 KollV jedenfalls ab diesem Zeitpunkt keine Sonderzahlungen mehr.

4.2. Strittig ist daher hier nur die Höhe der der Klägerin dem Grunde nach zustehenden Sonderzahlungen für die Zeit von 1.1.2016 bis 22.2.2016. Die Höhe der kollektivvertraglichen Sonderzahlungen regelt § 13 Abs 2 KollV. Satz 1 dieser Bestimmung legt fest, dass die Höhe des Urlaubszuschusses und der Weihnachtsremuneration, unabhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit, jeweils entweder 4,33 Wochenentgelte oder ein Monatsentgelt beträgt. Satz 2 definiert nun, wie sich dieses Wochen- bzw Monatsentgelt berechnet. Der KollV sieht dafür eine Berechnung auf Grundlage des Durchschnitts der Wochenentgelte der letzten 13 Wochen oder der Monatsentgelte der letzten 3 Kalendermonate vor der jeweiligen Fälligkeit vor. Die Fälligkeit der kollektivvertraglichen Sonderzahlungen bestimmt wiederum § 13 Abs 3 KollV. Danach ist der Urlaubszuschuss mit der Mailohnauszahlung (spätestens 15.6.), die Weihnachtsremuneration mit der Oktoberlohnauszahlung (spätestens 15.11.) auszuzahlen.

4.3. Mit dieser Durchschnittsberechnung – im Gegensatz zu einer der Höhe nach fixen Sonderzahlung – beabsichtigt der Kollektivvertrag erkennbar die Höhe des Urlaubszuschusses und der Weihnachtsremuneration von der durchschnittlichen Höhe des vom Arbeitnehmer in den letzten 13 Wochen vor der Mailohnauszahlung (spätestens 15.6.) bzw Oktoberlohnauszahlung (spätestens 15.11.) bezogenen Entgelts abhängig zu machen. Damit nehmen die Kollektivvertragsparteien bewusst in Kauf, dass ein in diesem Zeitraum hoher Entgeltbezug auch zu einer entsprechend hohen Sonderzahlung, ein geringer Entgeltbezug hingegen zu einer entsprechend geringen Sonderzahlung führt. Diese Regelung hat zwangsläufig zur Folge, dass ein dem Grunde nach bestehender Anspruch auf Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration der Höhe nach aber auch Null sein kann, wenn in den jeweils angeführten Zeiträumen des § 13 Abs 2 Satz 2 KollV kein Entgelt (Lohn/Gehalt oder im Falle der Krankheit Fortzahlung des Lohns/Gehalts) bezogen wird. Dies ist hier der Fall, weil die Klägerin infolge Ausschöpfung des Entgeltfortzahlungsanspruchs im Fall der Krankheit gemäß § 14 KollV iVm § 2 Abs 1 EFZG in den letzten 13 Wochen vor dem 15.6.2016 bzw 5.7.2016 (Ende des Arbeitsverhältnisses) keinen Entgeltfortzahlungsanspruch mehr hatte.“

ERLÄUTERUNG

Die für den nicht öffentlichen Bereich geltenden arbeitsrechtlichen Gesetze enthalten im Regelfall keine Bestimmungen über den Anspruch und die Höhe von Sonderzahlungen. Die Regelung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld ist den Kollektiv- und Einzelarbeitsverträgen vorbehalten. Unterlassen es die Parteien, klare und unmissverständliche Formulierungen zu treffen, so sind die Gerichte gefordert, den Willen der Kollektivvertrags- bzw Arbeitsvertragspartner durch Auslegung zu erforschen.

Die in Rede stehende Bestimmung des § 13 Abs 2 Satz 2 KollV für Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger soll wohl in erster Linie dem in diesem Gewerbe nicht unüblichen wechselnden Arbeitszeitausmaß Rechnung tragen. Die Vorinstanzen legten diese Bestimmung somit dahingehend aus, dass für die Berechnung der Höhe des Sonderzahlungsanspruchs auf Zeiten abzustellen sei, in denen noch ein Entgeltfortzahlungsanspruch bestanden habe, auch wenn im dreimonatigen Beobachtungszeitraum vor Fälligkeit der Sonderzahlungen kein Entgeltanspruch mehr290vorhanden war. Diese Interpretation entspricht auch der bisherigen Linie der oberstgerichtlichen Rsp. Gerade bei zur Ermittlung der Höhe eines bestimmten Anspruchs vorgesehenen Durchschnittsberechnungen ging der OGH bislang davon aus, dass entgeltfortzahlungsfreie Zeiten keine Berücksichtigung finden sollten, weil dies auch dem Willen des Gesetzgebers entspreche, der Benachteiligungen aufgrund von langen Krankenständen vermeiden möchte. Ein Beispiel hierfür stellt die Judikatur zur Ermittlung der Höhe der gesetzlichen „Abfertigung alt“ dar: Der Gesetzgeber verlangt die Berechnung auf Basis des „für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Entgeltes“. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass die Abfertigung zusteht, auch wenn im letzten Monat kein Entgeltanspruch besteht (zB OGH8 ObA 279/94infas 1995 A 45). Der OGH geht darüber hinaus in seinen diesbezüglichen Judikaten von der Notwendigkeit einer Durchschnittsberechnung – sollten etwa Überstunden, Provisionen uä in unterschiedlichem Ausmaß zur Auszahlung gelangt sein – aus dem Verdienst der letzten zwölf Monate unter Außerachtlassung entgeltfreier Zeiten aus (zB OGH9 ObA 324/89infas 1990 A 68). Er hält dies für die vernünftigste, am meisten zweckentsprechende und offensichtlich gerechteste Lösung.

Im vorliegenden Fall verlässt der OGH diese Linie und spricht dem AN mangels Entgelts im für die Berechnung maßgeblichen Zeitraum vor Fälligkeit weder Urlaubs- (fällig spätestens am 15.6.2016) noch Weihnachtsgeld (fällig am 5.7.2016) zu. Aufgrund der oben zitierten kollektivvertraglichen Regelung sei der Anspruch zwar dem Grunde nach, nicht aber der Höhe nach vorhanden. Die Kollektivvertragsparteien hätten dies aufgrund der von ihnen gewählten Formulierung bewusst in Kauf genommen. Daraus ist zu schließen, dass der OGH davon ausgeht, dass sie somit auch in Kauf genommen hätten, dass – wäre im gegenständlichen Fall das Arbeitsverhältnis nicht beendet und die AN wieder arbeitsfähig geworden – für das gesamte Kalenderjahr 2016 kein Urlaubsgeld zu bezahlen wäre. Sie hätten auch massive Sonderzahlungs-Einbußen in Kauf genommen, die von der zufälligen Lage des Krankenstandes abhängen. So könnte etwa die Situation eintreten, dass bei einem von Jänner bis Mai eines Kalenderjahres andauernden Krankenstand gar kein Urlaubszuschuss zu bezahlen wäre, bei einem Krankenstand von April bis Juli aber aufgrund des vorhandenen Entgeltanspruchs in den Beobachtungszeiträumen vor Fälligkeit der beiden Sonderzahlungen volles Urlaubs- und Weihnachtsgeld (mit Ausnahme entgeltfreier Zeiten).

Indem der OGH im ersten Satz des Pkt 4.3. seiner rechtlichen Beurteilung (siehe Auszug aus den Originalzitaten) die Durchschnittsberechnung der Sonderzahlungen einer der Höhe nach fixen Sonderzahlung gegenüberstellt, ist wohl davon auszugehen, dass eine – in zahlreichen anderen Kollektivverträgen enthaltene – Bezugnahme auf einen (bestimmten) Monatsverdienst als Basis für die Sonderzahlung auch mangels Entgeltfortzahlung im Zeitpunkt der Fälligkeit der Sonderzahlung nicht zu deren Schmälerung führen kann.