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Bereinigungswirkung eines Vergleichs bezieht sich auf alle gegenseitigen Forderungen

MANFREDTINHOF

Zwischen den Arbeitsvertragsparteien wurde anlässlich der Beendigung des Dienstverhältnisses ein Vergleich abgeschlossen „um eine gerichtliche Auseinandersetzung, die für beide Parteien langwierig und aufwändig wäre, zu vermeiden“ (Pkt 5 des Vergleichs). Dem Vergleich war ein Forderungsschreiben der Arbeiterkammer vorausgegangen, welches neben konkreten Entgeltforderungen einen Vorbehalt zur Geltendmachung weiterer Forderungen enthielt. Der AN holte noch vor Vergleichsabschluss ein Gutachten über seinen Gesundheitszustand wegen der von ihm als belastend empfundenen Arbeitssituation ein. Mit der gegenständlichen Klage machte er – im Vergleich nicht thematisierte – Schadenersatzansprüche wegen Mobbings geltend.

Die Vorinstanzen waren zum Ergebnis gekommen, dass der zwischen den Streitteilen abgeschlossene Vergleich auch für die nun eingeklagten Schadenersatzansprüche des Kl wegen Mobbings Bereinigungswirkung entfaltete. Der OGH wies die dagegen erhobene außerordentliche Revision des AN zurück. Die Vorinstanzen hätten mit der Abweisung der Klage den Rahmen der höchstgerichtlichen Rsp nicht verlassen, so dass ein Korrekturbedarf nicht bestehe.

Ein Vergleich anlässlich der Auflösung eines Dauervertragsverhältnisses wirkt im Zweifel bezüglich aller daraus entspringenden gegenseitigen Forderungen. Die Bereinigungswirkung tritt selbst dann ein, wenn in den Vergleich keine Generalklausel aufgenommen wurde; sie umfasst, wie ein Umkehrschluss aus dem zweiten Satz des § 1389 ABGB ergibt, auch solche Ansprüche, an welche die Parteien im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses zwar nicht gedacht haben, an die sie aber denken konnten. Ob dies zutrifft, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden.