177

Pauschaler Ausschluss des Fahrtkostenersatzes bei Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe ist verfassungswidrig

MONIKAWEISSENSTEINER

Es ist unsachlich und daher gleichheitswidrig, wenn es der Gesetzgeber – abgesehen von den Fällen gehunfähiger Personen – den Krankenversicherungsträgern völlig freistellt, den Ersatz von Transportkosten zur Erlangung ärztlicher Hilfe entweder nach bestimmten Kriterien zu gewähren oder aber unabhängig von allen sonstigen Begleitumständen voraussetzungslos und schlechthin auszuschließen.

SACHVERHALT

Beim VfGH ist ein Antrag des LG Innsbruck auf Aufhebung des § 43 der Satzung der Tiroler Gebietskrankenkasse (TGKK) anhängig (VfGH 27.6.2017, V 27/2016). Mit dieser Bestimmung wird unter Verweis auf § 135 ASVG normiert, dass die TGKK keine Reise(fahrt)kosten bei Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe ersetzt.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

§ 135 Abs 4 ASVG erster Satz regelt, dass im Fall der Notwendigkeit der Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe der Ersatz der Reise(fahrt)kosten nach Maßgabe der Bestimmungen der Satzung gewährt werden kann. § 43 der Satzung der TGKK lautete: „Die Kasse ersetzt keine Reise(Fahrt)kosten.“ Nur für gehunfähige Versicherte wird in § 44 der Satzung gem § 135 Abs 5 ASVG ein Ersatz der Transportkosten vorgesehen. Das LG Innsbruck hegt Bedenken, dass § 43 der Satzung entgegen den gesetzlichen Determinanten des § 135 Abs 4 ASVG einen Kostenersatz pauschal ausschließt. Der Sozialversicherungsträger sei zur näheren Ausgestaltung und Konkretisierung der Voraussetzungen ermächtigt, jedoch nicht zur gänzlichen pauschalen Versagung dieser Leistung.

Aus Anlass der Verordnungsprüfung leitete der VfGH von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des die gesetzliche Grundlage der angefochtenen Verordnung bildenden § 135 Abs 4 und 5 ASVG ein. Mit dem vorliegenden Erk wird die Wortfolge „nach Maßgabe der Bestimmungen der Satzung“ in § 135 Abs 4 ASVG als verfassungswidrig aufgehoben. Im Übrigen wird § 135 Abs 4 und 5 ASVG nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„[…] Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar. […]

2.1.2. Ein gesetzlicher Anspruch auf Gewährung eines solchen Kostenersatzes dürfte unmittelbar aus dem Gesetz – anders als das antragstellende Gericht offenbar meint – im Hinblick darauf nicht abzuleiten sein, dass der Gesetzgeber es anscheinend bewusst der Satzung überlassen wollte, ob ein solcher Anspruch eingeräumt wird. Darauf deutet die Formulierung hin, dass296gemäß § 135 Abs 4 ASVG ein solcher Ersatz seit dem SRÄG 1996 nur gewährt werden ‚kann‘ und dies nur ‚nach Maßgabe der Bestimmungen der Satzung‘; zudem geht aus den Materialien zum SRÄG 1996 deutlich hervor, dass der Gesetzgeber bewusst den Ersatz von Reise(Fahrt)kosten als Pflichtleistung abschaffen und es den Krankenversicherungsträgern freistellen wollte, ob sie eine solche Leistung erbringen oder nicht, wovon man sich eine beträchtliche Kostenersparnis erwartete. […]

2.2.1. Dem Gesetzgeber kommt zwar bei der Ausgestaltung des Leistungsumfangs der gesetzlichen Krankenversicherung ein weiter rechtspolitischer Spielraum zu; es ist auch insbesondere Sache des Gesetzgebers, bei nicht medizinischen Leistungen wie zB bei den Kosten der Fahrt zum Arzt oder in ein Ambulatorium zu bestimmen, ob und inwieweit diese Leistungen auf Kassenkosten erbracht werden können bzw ob derartige Leistungen vom Krankenversicherungsträger als Sachleistungen im engeren Sinne erbracht werden oder ob dafür Kostenersatz (oder auch angemessene Kostenzuschüsse) vorgesehen werden. […]

2.2.2. Dieser rechtspolitische Spielraum dürfte jedoch […] in jenen Fällen eine Grenze finden, in denen ohne Bedachtnahme auf erforderliche Fahrtkosten die Erreichbarkeit rechtzeitiger und/oder erforderlicher ärztlicher Hilfe gefährdet wäre; denn in solchen Fällen dürfte dadurch der Zugang zur und der Anspruch auf Krankenbehandlung für bestimmte Versicherte und in bestimmten Konstellationen ausgehöhlt werden (so Felten in SV-Komm § 135 Rz 26).

2.2.3. Der Ersatz von Reise(Fahrt)kosten zur Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe dürfte nämlich zumindest in jenen Fällen mit der ärztlichen Hilfe selbst eng verknüpft sein, in denen die versicherte Person, die auf Grund eines regelwidrigen Geistes- oder Körperzustandes zwar ärztlicher Hilfe, aber noch nicht stationärer ärztlicher Behandlung bedarf, weder in der Lage ist, durch ein eigenes (oder zumindest in der Familie zur Verfügung stehendes) Kraftfahrzeug noch durch öffentliche Verkehrsmittel den nächstgelegenen Ort einer solchen Behandlung (oder Diagnosemöglichkeit) mit eigener Kraft zu erreichen, noch über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, die es der Person zumutbar machen würden, private Transportdienste im erforderlichen Ausmaß auf eigene Kosten in Anspruch zu nehmen. […]

2.3. Soweit § 135 Abs 4 ASVG die Gewährung des Ersatzes von Reise(Fahrt)kosten dem Satzungsgeber anscheinend völlig freistellt und für den Fall der Untätigkeit des Satzungsgebers auch für medizinisch unabweisbare und wirtschaftlich bedürftige Fälle einen Rechtsanspruch auf Ersatz für Reise(Fahrt)kosten zur Ermöglichung einer Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung bzw Diagnostik vorbehaltlich anderslautender Regelungen in der Satzung anscheinend generell ausschließt, scheint die in Prüfung gezogene Norm dem Sachlichkeitsgebot des Art 7 Abs 1 B-VG, im Besonderen auch des Art 7 Abs 1 zweiter Satz B-VG, zu widersprechen. […]

4. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie unter Darstellung der Rechtsentwicklung den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes entgegentritt und beantragt, § 135 Abs 4 und 5 ASVG nicht als verfassungswidrig aufzuheben. […]

1.1. § 135 des Bundesgesetzes vom 9. September 1955 über die Allgemeine Sozialversicherung (Allgemeines SozialversicherungsgesetzASVG), BGBl 189/1955 idF BGBl I 162/2015, lautet auszugsweise wie folgt (die in Prüfung gezogenen Teile der Norm, die noch in der Fassung des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1996 [SRÄG 1996], BGBl 411/1996, in Geltung stehen, sind hervorgehoben): […]

(4) Im Falle der Notwendigkeit der Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe kann der Ersatz der Reise( Fahrt)kosten nach Maßgabe der Bestimmungen der Satzung gewährt werden. Bei der Festsetzung des Ausmaßes des Kostenersatzes bzw eines allfälligen Kostenanteiles des Versicherten ist auf die örtlichen Verhältnisse und auf den dem Versicherten für sich bzw. seinen Angehörigen bei Benützung des billigsten öffentlichen Verkehrsmittels erwachsenden Reisekostenaufwand Bedacht zu nehmen; dies gilt auch bei Benützung eines Privatfahrzeuges. Die Satzung kann überdies bestimmen, daß nach diesen Grundsätzen festgestellte Reise(Fahrt)kosten bei Kindern und gebrechlichen Personen auch für eine Begleitperson gewährt werden. Die tatsächliche Inanspruchnahme der Behandlungsstelle ist in jedem Fall nachzuweisen.

(5) Die Satzung bestimmt unter Bedachtnahme auf Abs 4, unter welchen Voraussetzungen für gehunfähig erkrankte Versicherte und Angehörige der Transport mit einem Krankentransportwagen zur Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe sowie der Ersatz der Kosten für die Inanspruchnahme eines Lohnfuhrwerkes bzw. privaten Kraftfahrzeuges gewährt werden können. Die medizinische Notwendigkeit eines solchen Transportes muß ärztlich bescheinigt sein. […]

1.2. Die §§ 43 und 44 Abs 1 der Satzung der Tiroler Gebietskrankenkasse (Neufassung 2011), AVSV 178/2011, lauten wie folgt: […]

§ 43. Die Kasse ersetzt keine Reise(Fahrt)kosten. […]

§ 44. (1) Die Kasse übernimmt Transportkosten, wenn ärztlich bescheinigt wird, dass der/die gehunfähig erkrankte Versicherte oder Angehörige aufgrund seines/ihres körperlichen oder geistigen Zustandes kein öffentliches Verkehrsmittel (auch nicht mit einer Begleitperson) benutzen kann.‘ […]

1.4. Die Erläuterungen zu § 135 Abs 4 idF des SRÄG 1996 (RV 214 BlgNR 20. GP, 44) führen zur297Änderung durch die Ersetzung der Wendung ‚ist […] nach Maßgabe der Bestimmungen der Satzung zu gewähren‘ durch die Wendung ‚kann […] nach Maßgabe der Satzung gewährt werden‘ Folgendes aus:

‚Die satzungsmäßige Pflichtleistung des Ersatzes der Reise- und Fahrtkosten soll in eine freiwillige Leistung umgewandelt werden. […] Zusammen mit den Änderungen des § 189 Abs 2 ASVG bringt diese Maßnahme Einsparungen in der gesamten Krankenversicherung von rund 87 Millionen Schilling (davon: ASVG 62 Millionen Schilling, B-KUVG 18 Millionen Schilling, GSVG und BSVG je rund 4 Millionen Schilling) im Jahre 1996 sowie von 200 Millionen Schilling (davon: ASVG 157 Millionen Schilling, B-KUVG 29 Millionen Schilling, GSVG 6 Millionen Schilling, BSVG 8 Millionen Schilling) im Jahre 1997.‘ […]

Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes konnten im Gesetzesprüfungsverfahren nicht zerstreut werden:

2.1. Dem Bedenken, dass durch die in Prüfung gezogenen Bestimmungen ‚Personen in abgelegenen Gegenden mit geringer Erschließung durch öffentliche Verkehrsmittel‘ – gehunfähigen Personen vergleichbar – in ihrem Zugang zu ärztlicher Hilfe beeinträchtigt sein können, entgegnet die Bundesregierung, dass ‚ein bestimmter Wohn- und Aufenthaltsort [...] niemals eine Behinderung im Sinne des Art 7 Abs 1 zweiter Satz B-VG‘ darstellen könne, weil die ‚Wahl des Wohnsitzes eine private Lebensentscheidung‘ darstellt.

2.2. Dabei übersieht die Bundesregierung zunächst, dass der Verfassungsgerichtshof nicht aus einem entlegenen Wohn- oder Aufenthaltsort eine Beeinträchtigung abgeleitet hat, sondern Fallkonstellationen im Blick hatte, in denen Menschen, die wegen einer Erkrankung ärztlicher Hilfe bedürfen, zB auf Grund eines entlegenen Wohnortes ohne Anschluss an öffentliche Verkehrsmittel eines kostenpflichtigen Transportmittels bedürfen, damit sie die ärztliche Hilfe überhaupt oder jedenfalls zeitgerecht in Anspruch nehmen können. Mit einem System einer flächendeckenden Versorgung durch die gesetzliche Krankenversicherung ist es angesichts des hohen Stellenwertes, welcher der Gesundheit zukommt, nicht vereinbar, bestimmten Versicherten den Zugang zur ärztlichen Versorgung im Vergleich zu anderen Versicherten ohne sachlichen Grund zu erschweren oder gar unmöglich zu machen (VfSlg 15.787/2000). Dies bedeutet nicht, dass der Gesetzgeber Krankentransporte zur Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe oder Kostenersatz für solche Leistungen durch die Krankenversicherungsträger in allen Fällen sicherzustellen hätte: Es bestehen vielmehr grundsätzlich keine Bedenken dagegen, die Transportleistung (wie andere Aufwendungen des täglichen Lebens) in erster Linie in der Finanzierungsverantwortung der versicherten Person zu belassen und daher die Satzung zu ermächtigen, den Anspruch auf Transportkosten nach Maßgabe der finanziellen Leistungsfähigkeit des Krankenversicherungsträgers einzuschränken, ihn insbesondere von der Art und der Schwere der krankheitsbedingten Beeinträchtigung, von der Unmöglichkeit oder der Unzumutbarkeit der Benützung eines eigenen Kraftfahrzeuges und schließlich von wirtschaftlich berücksichtigungswürdigen Umständen in der versicherten Person, die der Kostentragung für die Inanspruchnahme von Fahrtendiensten durch die Patienten selbst im Einzelfall entgegenstehen können, abhängig zu machen.

2.3. Es ist aber nach dem Gesagten im Ergebnis unsachlich und daher verfassungswidrig, wenn es der Gesetzgeber – abgesehen von den Fällen gehunfähiger Personen – den Krankenversicherungsträgern völlig freistellt, den Ersatz von Transportkosten zur Erlangung ärztlicher Hilfe entweder nach bestimmten Kriterien zu gewähren oder aber unabhängig von allen sonstigen Begleitumständen voraussetzungslos und schlechthin auszuschließen. Gerade Letzteres sollte aber – wie die Materialien zeigen und die Bundesregierung gar nicht in Zweifel zieht – dadurch ermöglicht werden, dass nach dem Gesetzeswortlaut Transportkosten nur mehr ‚nach Maßgabe der Bestimmungen der Satzung‘ ersetzt werden.

2.4. Auf Grund des Wortlautes der in Prüfung gezogenen Bestimmungen würde es aber – im Gegensatz zur Regelung des § 135 Abs 5 ASVG für gehunfähige Personen – sogar genügen, wenn in der Satzung überhaupt keine Regelung über die Transportkosten getroffen wird, um den Anspruch auf Ersatz der Transportkosten schlechthin auszuschließen, weil ein solcher Anspruch von der ‚Maßgabe der Satzung‘ abhängt. Es bestätigt sich somit die im Prüfungsbeschluss dargelegte Annahme des Verfassungsgerichtshofes, dass der Sitz der vom antragstellenden Gericht im Verordnungsprüfungsverfahren geltend gemachten Verfassungswidrigkeit bereits das Gesetz ist. […]

2.6. Angesichts der Determinanten des zweiten Satzes des § 135 Abs 4 ASVG genügt es zur Herstellung eines verfassungskonformen Zustandes, die im Spruch genannte Wortfolge aus dem Text des ersten Satzes des § 135 Abs 4 ASVG zu entfernen. Denn damit wird der vom Landesgericht Innsbruck als gesetzwidrig angefochtenen Verordnungsbestimmung die gesetzliche Grundlage entzogen, und der verbleibende Gesetzestext ermöglicht es dem Gericht im Ausgangsverfahren, über den Ersatz von allenfalls notwendigen Transportkosten unter Beachtung der verbleibenden Bestimmungen des § 135 Abs 4 ASVG und unabhängig von einer näheren Regelung in der Satzung nach pflichtgemäßem Ermessen abzusprechen. […]298

IV. Ergebnis

1. Die Wortfolge ‚nach Maßgabe der Bestimmungen der Satzung‘ in § 135 Abs 4 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl 189/1955, in der im Spruch genannten Fassung, ist daher wegen Verstoßes gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz als verfassungswidrig aufzuheben. Im Übrigen sind die in Prüfung gezogenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufzuheben. […]“

ERLÄUTERUNG

Leistungen der KV werden gem § 121 Abs 1 ASVG als Pflichtleistungen oder freiwillige Leistungen gewährt; bei den Pflichtleistungen werden gesetzliche Mindestleistungen und satzungsmäßige Mehrleistungen unterschieden. Auf Pflichtleistungen besteht ein durchsetzbarer individueller Rechtsanspruch, freiwillige Leistungen können vom Versicherungsträger gewährt werden. § 121 Abs 3 ASVG normiert, dass die Versicherungsträger satzungsmäßige Mehrleistungen unter Bedachtnahme auf ihre eigene finanzielle Leistungsfähigkeit und das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten vorsehen können. Diese Bestimmung stellt gewissermaßen eine Verpflichtung zur Berücksichtigung der Interessen sowohl des einzelnen Versicherten als auch der Finanzsituation des Trägers dar. Gem § 455 Abs 2 ASVG hat der Hauptverband eine Mustersatzung für den Bereich der KV zu erlassen, wobei die Möglichkeit besteht, einzelne Bestimmungen für verbindlich zu erklären. Zum Ersatz der Fahrtkosten gibt es in der Mustersatzung des Hauptverbandes weder in der Fassung von 2011 noch in der aktuellen Mustersatzung 2016 eine verbindliche Bestimmung.

Das LG Innsbruck stellte in einem Verfahren wegen Ersatz von Fahrtkosten zur Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe den Antrag an den VfGH, § 43 der Satzung der TGKK als gesetzwidrig aufzuheben, weil die GKK entgegen den gesetzlichen Determinanten des § 135 Abs 4 ASVG einen Kostenersatz pauschal ausschließt. Der VfGH leitete sodann von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren ein. Nicht (nur) die angefochtene Verordnung, sondern die gesetzliche Grundlage selbst sei verfassungswidrig. Der Gesetzgeber wollte es offenbar bewusst der Satzung überlassen, ob ein solcher Anspruch eingeräumt werde. Der VfGH prüfte im Verfahren, ob die Regelung des § 135 Abs 4 ASVG idF des SRÄG 1996 dem Sachlichkeitsgebot des Gleichheitssatzes des Art 7 Abs 1 B-VG, insb auch des zweiten Satzes („Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“), entspricht.

Der VfGH führt in seiner Begründung aus, dass zwar grundsätzlich keine Bedenken dagegen bestehen, dass die Transportkosten in erster Linie von den Versicherten selbst zu tragen sind und daher die Satzung zu ermächtigen, den Ersatz nach der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kasse auch einzuschränken. Eine Berücksichtigung der Art und Schwere der Erkrankung, der Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit der Benützung eines eigenen Kfz und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Versicherten müssen aber bedacht werden. Es ist unsachlich und daher gleichheitswidrig, wenn es der Gesetzgeber (außer bei gehunfähigen Versicherten gem Abs 5) den Kassen völlig freistellt, ob überhaupt ein Kostenersatz gewährt wird. Es ist nicht zulässig, bestimmten Versicherten, die etwa auf Grund eines entlegenen Wohnortes ohne Anschluss an öffentliche Verkehrsmittel, den Zugang zu rechtzeitiger ärztlicher Behandlung nur auf eigene Kosten zu ermöglichen und sie dadurch gegenüber anderen Versicherten ohne sachlichen Grund zu benachteiligen.

Die Verfassungswidrigkeit wird durch die Aufhebung der Wortfolge „nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen“ im ersten Satz des § 135 Abs 4 ASVG beseitigt. Damit wird der Verordnung (Satzung) die gesetzliche Grundlage entzogen. Auch ohne eine neue Satzungsbestimmung kann das Gericht bzw die Krankenkasse im Einzelfall einen Fahrtkostenersatz zusprechen, weil der zweite verbleibende Satz des § 135 Abs 4 ASVG jene Kriterien enthält, auf die Bedacht zu nehmen ist (Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse, Reisekostenaufwand bei Benützung des billigsten öffentlichen Verkehrsmittels).

ANMERKUNG DER BEARBEITERIN:
Mit Erk VfGH 27.6.2017, V 27/2016 vom selben Tag hob der VfGH auch § 43 der Satzung der TGKK als gesetzwidrig auf, weil sie ohne die aufgehobene Gesetzesbestimmung so zu beurteilen ist, als ob sie ohne gesetzliche Grundlage und somit im Widerspruch zu Art 18 B-VG erlassen worden wäre.