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Kein Unfallversicherungsschutz bei Reparatur einer Satellitenanlage durch Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr

FRANJOMARKOVIC

Die Reparatur einer Satellitenanlage zur Förderung des Gemeinschaftsgefühls der Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr ist keine „Umgebungstätigkeit“ iSd § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG und genießt keinen Unfallversicherungsschutz. Die zu § 175 Abs 2 Z 3 ASVG ergangene Rsp ist nicht auf Sachverhalte des § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG übertragbar.

SACHVERHALT

Als der Kl, ein gelernter Elektrotechniker, mit anderen Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr im Schulungsraum des Feuerwehrhauses fernsah, stellte er fest, dass das TV-Gerät flimmerte. Im Auftrag des Feuerwehrkommandanten kletterte er auf das Dach des Feuerwehrhauses, um die Satellitenanlage zu reparieren. Dabei stürzte er und wurde schwer verletzt.

Zum Unfallzeitpunkt war der Schulungsraum neben dem TV-Gerät mit einem DVD- und Videorecorder ausgestattet. Darauf wurden zu Schulungszwecken vom Bezirks- oder Landesfeuerwehrkommando zur Verfügung gestellte DVDs abgespielt. Schulungsthemen wurden auch auf dem zur Verfügung stehenden Computer vorbereitet und über einen Beamer vorgeführt. Die Satellitenanlage wurde zum Anschauen von Schulungsprogrammen nicht benötigt und auch nicht verwendet. Fallweise verfolgten die Mitglieder der Feuerwehr gemeinsam am TV-Gerät über die Satellitenanlage Fußballspiele oder andere Sportereignisse, wodurch das Gemeinschaftsgefühl und die Kameradschaft unter ihnen gefördert wurde. Die Satellitenanlage wurde weiters dazu verwendet, dass Kinder der Jugendgruppe der Freiwilligen Feuerwehr zu Unterhaltungszwecken Kindersendungen ansehen. Zudem waren eine Internetverbindung sowie die Möglichkeit für einen Radioempfang mittels eines handelsüblichen Radiogeräts vorhanden. Im Einsatzfall der Feuerwehr erfolgte die Kommunikation über Funk.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Die bekl Allgemeine Unfallversicherungsanstalt erkannte den Unfall nicht als Arbeitsunfall an, weil die Satellitenanlage in keinem Zusammenhang mit dem DVD- und Videogerät stehe, das (samt Beamer) zu Schulungszwecken der Feuerwehr benötigt werde. In seiner dagegen eingebrachten Klage argumentierte der Kl damit, dass der Empfang von Fernsehsendern im Feuerwehrhaus unter dem Aspekt des Zivilschutzes sinnvoll sei, weil insb bei regional übergreifenden Katastrophen (wie Verstrahlungen) eine dauernde nachrichtentechnische Information notwendig sei, um den aktuellen Informationsstand zu gewährleisten.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es ging davon aus, dass eine Satellitenanlage für die Einsatzbereitschaft und die Schlagkraft der Feuerwehr nicht erforderlich sei; die Verwendung eines handelsüblichen Radiogeräts sei ausreichend, um den Zivilschutz zu gewährleisten. Das Berufungsgericht hob das erstinstanzliche Urteil auf und ließ den Rekurs an den OGH zu. Zu klären sei, ob die Existenz einer funktionsfähigen Satellitenanlage für die Erfüllung der Aufgaben der Freiwilligen Feuerwehr aufgrund der geltenden Normen, insb § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG iVm §§ 15 Abs 3 und 24 Abs 2 Oö Feuerwehr-Ausrüstungs- und Planungsverordnung, geboten sei. Zwecks Grenzziehung, welche Tätigkeiten in den versicherten Bereich fallen, sei auf die zu § 175 ASVG ergangene Rsp zurückzugreifen. Nach dieser sei eine von einem DN aufgrund einer arbeitsvertraglich unzulässigen, aber mit einem Dienstverhältnis in einem inneren Zusammenhang stehenden Weisung ausgeübte Tätigkeit – insb wenn der Versicherte die Erfüllung der unzulässigen Weisung aufgrund seiner persönli-300chen Abhängigkeit nicht ablehnen könne – als Teil der geschützten Beschäftigung zu qualifizieren. Der Rekurs an den OGH sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rsp zur Frage der Übertragbarkeit der zum § 175 Abs 2 Z 3 ASVG entwickelten Rsp auf eine Tätigkeit nach § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG fehle.

Der OGH gab dem Rekurs der Bekl Folge und stellte das Ersturteil wieder her.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„1.2 Durch § 176 ASVG werden im Sinn des sozialen Grundgedankens der gesetzlichen Sozialversicherung bei bestimmten – besonders schützenswerten – Tätigkeiten eintretende Unfälle den Arbeitsunfällen gleichgestellt.

1.3 § 176 Abs 1 Z 7 ASVG betrifft Tätigkeiten in Zivilschutzorganisationen und stellt den Arbeitsunfällen Unfälle gleich, die sich a) in Ausübung der den Mitgliedern von freiwilligen Feuerwehren ... im Rahmen der Ausbildung, der Übungen und des Einsatzfalls obliegenden Pflichten ... ereignen, sowie b) bei Tätigkeiten, die die Mitglieder der in lit a genannten Organisationen darüber hinaus im Rahmen ihres gesetzlichen oder satzungsmäßigen Wirkungsbereich ausüben, wenn sie für diese Tätigkeiten keine Bezüge erhalten, in die Zusatzversicherung in der Unfallversicherung einbezogen sind und einen Antrag gemäß § 22a Abs 4 erster Satz stellen.

1.4 Der Zweck […] des § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG liegt darin, weitere Tätigkeiten in den Unfallversicherungsschutz einzubeziehen, die zuvor nicht geschützt gewesen waren, weil sie nicht unter ‚Ausbildung‘, ‚Übung‘ oder ‚Einsatz‘ subsumierbar sind, sondern im Rahmen der institutionalisierten Gefahrenhilfe diesen Verrichtungen vorangehen oder nachfolgen. Nach den Gesetzesmaterialien zur 55. ASVG-Novelle (ErläutRV 1234 BlgNR 20. GP 30; RIS-Justiz RS0109066) soll sich zukünftig der erweiterte Unfallversicherungsschutz auf alle Tätigkeiten im Rahmen des gesetzlichen oder satzungsmäßigen Wirkungsbereichs der einschlägigen Organisationen erstrecken. In diesem Sinn sollen die Mitglieder dieser Organisationen etwa auch in Ausübung von Aktivitäten, die in den jeweiligen Satzungen (Statuten) usw festgeschrieben sind und der Aufbringung der Mittel zur Erfüllung ihrer altruistischen Aufgaben dienen (‚Umgebungstätigkeiten‘), Versicherungsschutz genießen. Geschützt sind somit nur Tätigkeiten, die in einem Zusammenhang mit der Verwirklichung des (auf der Grundlage von Gesetz oder Satzung erfolgenden) gemeinnützigen Tätigwerdens stehen. Es sind dies jedenfalls die Öffentlichkeitsarbeit, aber auch Hilfstätigkeiten, wenn sie der Lukrierung von Spenden zur Finanzierung der betreffenden Organisation dienen, wie zB die Beteiligung an ortsüblichen Festtagsmärkten, die Veranstaltung eines Feuerwehrfests oder eines Feuerwehrheurigen. Betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen ehrenamtlicher Mitglieder solcher Organisationen sind hingegen generell nicht versichert, weil eben nur bestimmte Tätigkeiten genannt sind (Müller in SV-Komm [162. Lfg] § 176 Rz 125).

2.1 Bereits aus der unter Bezugnahme auf § 176 Abs 1 Z 7 ASVG idF der 9. Novelle zum ASVG BGBl 1962/13 ergangenen Entscheidung 10 ObS 312/97y ergibt sich, dass die Anordnung einer bestimmten Tätigkeit durch den Feuerwehrkommandanten für sich allein nicht ausreicht, um Unfallversicherungsschutz nach § 176 Abs 1 Z 7 (aF) ASVG zu begründen. Der Entscheidung lag zugrunde, dass der Kläger als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr vom Feuerwehrkommandanten den Auftrag erhielt, ‚im Rahmen einer Übung‘ Äste eines auf einem Privatgrundstück befindlichen Baums, die weder auf die Straße noch auf öffentliche Grundstücke ragten, zurückzuschneiden, wobei er einen Unfall erlitt. Der Umstand, dass der Kläger bei sonstiger Disziplinarfolge verpflichtet war, dem Befehl des Kommandanten nachzukommen, begründe allein noch keinen Versicherungsschutz, wenn die Voraussetzungen einer Übung im Sinn des § 176 Abs 1 Z 7 (aF) ASVG fehlen. Dienstrechtliche Verpflichtungen führten nur dann zum Unfallversicherungsschutz, wenn sie den Voraussetzungen des § 176 Abs 1 Z 7 (aF) ASVG entsprechen.

2.2 Auch in der Entscheidung 10 ObS 70/12k, SSV-NF 26/41, wurde daran festgehalten, dass es einer Hilfsorganisation nicht möglich ist, den Versicherungsschutz ihrer Mitglieder nach § 176 Abs 1 Z 7 ASVG durch entsprechende Aufträge an ihre Mitglieder über ihren gesetzlichen oder satzungsmäßigen Wirkungsbereich hinaus auszudehnen. Selbst wenn dem Kläger vom Ortsstellenleiter des Roten Kreuzes der Auftrag erteilt worden war, bei einem Schiausflug einer Jugendgruppe des Roten Kreuzes als Begleit- bzw Aufsichtsperson zu fungieren, bestehe kein Unfallversicherungsschutz nach § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG, wenn dieser Schiausflug nur der Förderung des Zusammengehörigkeitsgefühls und des sozialen Gefüges der Gruppe, nicht aber der Öffentlichkeitsarbeit, der Beschaffung von Geldmitteln für die Tätigkeit der Hilfsorganisation oder der Gewinnung von Mitgliedern gedient habe.

3.1 Die vom Berufungsgericht herangezogene Entscheidung 10 ObS 98/05t (SSV-NF 19/66 = DRdA 2007/1, 26 [R. Müller]; RIS-Justiz RS0084668 [T2]; RS0120308) erging zu § 175 Abs 1 und Abs 2 Z 3 ASVG. Nach § 175 Abs 2 Z 3 ASVG sind Arbeitsunfälle auch Unfälle, die sich bei häuslichen und anderen Tätigkeiten ereignen, zu denen der Versicherte durch den Dienstgeber oder dessen Beauftragten herangezogen wird. Der Schutzbereich dieser Bestimmung ist auf Dienstnehmer zugeschnitten und berücksichtigt, dass diese aufgrund ihrer persönlichen301und wirtschaftlichen Abhängigkeit in der Regel nicht in der Lage sind, sich vertragswidrigen Anordnungen des Dienstgebers zu widersetzen. Der Dienstnehmer wird als Opfer einer missbräuchlichen Ausübung des Weisungsrechts des Dienstgebers für private Zwecke über die äußersten Grenzen des Dienstvertrags hinaus geschützt.

3.2 […] Wie die Rekurswerberin aufzeigt, hat ein Dienstnehmer bei Zuwiderhandeln den Verlust seines Arbeitsplatzes und damit seiner Existenzgrundlage zu befürchten, während die persönliche Abhängigkeit des Mitglieds einer Freiwilligen Feuerwehr allenfalls zu einem Ausschluss aus der freiwilligen Organisation führen kann, ohne dass es zur Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz kommt. Die zu § 175 Abs 2 Z 3 ASVG ergangene Rechtsprechung ist auf Fälle des § 176 Abs 2 Z 7 ASVG demnach nicht übertragbar. Vielmehr ist daran festzuhalten, dass es einer Hilfsorganisation nicht möglich ist, den nach § 176 Abs 2 Z 7 ASVG gegebenen Versicherungsschutz ihrer Mitglieder durch Erteilung entsprechender Aufträge an ihre Mitglieder über den gesetzlichen oder satzungsmäßigen Wirkungsbereich hinaus auszudehnen.

4. […] Erfolgte die Reparatur der Satellitenanlage lediglich zum Zweck des gemeinsamen Fernsehens der Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr zur Stärkung des Gemeinschaftsgefühls und nicht aus Gründen, die sich unmittelbar aus den gesetzlichen oder satzungsmäßigen Zwecken der Freiwilligen Feuerwehr M* ergab, stellt sie keine vom Versicherungsschutz umfasste ‚Umgebungstätigkeit‘ dar, wie sie etwa die Aufbringung von Mitteln für die Feuerwehrtätigkeit oder die Öffentlichkeitsarbeit charakteristisch ist. Die Ansicht eines Funktionärs des Landesfeuerwehrkommandos, die Reparatur der Satellitenanlage sei dennoch nötig bzw sinnvoll gewesen, ändert nichts daran, dass der erforderliche unmittelbare Zusammenhang mit dem gesetzlichen oder satzungsgemäßen Wirkungsbereich der Freiwilligen Feuerwehr M* nicht besteht.“

ERLÄUTERUNG

In der gegenständlichen E hatte der OGH darüber zu entscheiden, ob die Reparatur einer Satellitenanlage eines Feuerwehrhauses sich im Rahmen des gesetzlichen oder satzungsmäßigen Wirkungsbereiches der Freiwilligen Feuerwehr iSd § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG befindet sowie, ob die zu § 175 ASVG ergangene Rsp auf Sachverhalte der genannten Norm anwendbar ist.

Der Unfallversicherungsschutz des § 176 Abs 1 Z 7 ASVG umfasst neben Tätigkeiten im Rahmen der Ausbildung, Übung und Einsatz auch sonstige Tätigkeiten, die in einem Zusammenhang mit der Verwirklichung des auf der Grundlage von Gesetz oder Satzung erfolgenden gemeinnützigen Tätigwerdens stehen („Umgebungstätigkeiten“). Dazu zählen insb die Öffentlichkeitsarbeit, aber auch Hilfstätigkeiten, wenn sie der Lukrierung von Spenden zur Finanzierung der betreffenden Organisation dienen. Im konkreten Fall war die Satellitenanlage nicht etwa für Schulungszwecke erforderlich. Sie diente lediglich dem Zweck des gemeinsamen Fernsehens der Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr zur Stärkung des Gemeinschaftsgefühls. Erfolgt die Tätigkeit nicht aus Gründen, die sich unmittelbar aus den gesetzlichen oder satzungsmäßigen Zwecken der Freiwilligen Feuerwehr ergeben, handelt es sich nicht um Umgebungstätigkeiten iSd § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG und ist somit der Schutz der gesetzlichen UV zu versagen.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist allerdings, da der Versicherte auf Weisung des Feuerwehrkommandanten handelte, in diesem Fall auf die zu § 175 ASVG ergangene Rsp zurückzugreifen, wonach eine vom DN aufgrund einer Weisung des DG ausgeübte, aber an sich mit der betrieblichen Tätigkeit nicht in innerem Zusammenhang stehende Tätigkeit als Teil der geschützten Beschäftigung zu qualifizieren ist, da der Versicherte die Erfüllung der unzulässigen Weisung aufgrund seiner persönlichen Abhängigkeit nicht ablehnen könne. Dem entgegnet der OGH, dass der Versicherungsschutz des § 176 ASVG durch unzulässige Weisung des Kommandanten nicht über den gesetzlichen oder satzungsmäßigen Wirkungsbereich hinaus ausgedehnt werden kann. Weiters betont der OGH, dass die Rsp zu § 175 Abs 2 Z 3 ASVG auf DN zugeschnitten ist. Ein DN hat bei Zuwiderhandeln den Verlust seines Arbeitsplatzes und damit seiner Existenzgrundlage zu befürchten, während die persönliche Abhängigkeit des Mitglieds einer Freiwilligen Feuerwehr allenfalls zu einem Ausschluss aus der freiwilligen Organisation führen kann, ohne dass es zur Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz kommt. Eine Anwendung der zu § 175 ASVG ergangenen Rsp auf Fälle des § 176 Abs 1 Z 7 ASVG ist daher ausgeschlossen.302