Crowdwork und Sozialversicherungsschutz
Crowdwork und Sozialversicherungsschutz
Die österreichische Sozialrechtsordnung sieht als Folge der „Erwerbstätigenversicherung“* vollen Sozialversicherungsschutz für CrowdworkerInnen vor. Crowdwork, wie es hier verstanden wird, weist folgende Charakteristika auf:
- Es ist eine neue Form der Arbeitserbringung und Arbeitsorganisation mit dem Ziel einer höheren Flexibilität der Arbeit;* die Wertschöpfung erfolgt über intermediäre Online-Plattformen.
- Im Unterschied zu im Betrieb erbrachten oder an externe Dienstleister „outgesourcten“ Arbeitsleistungen wird Crowdwork über Internet-Plattformen an eine rasch zur Verfügung stehende Crowd vermittelt und dadurch dezentralisiert, wobei zwischen internen (Crowd ist die unternehmenseigene Belegschaft) und externen (Crowd sind Personen außerhalb des Betriebes) Plattformen zu unterscheiden ist.
- Die Plattform wendet sich an Personen, die auf dieser Plattform gegen Entgelt zeitnah („just in time“) für andere Leistungen erbringen („Gig economy“), bereit sind, sich einer Bewertungskonkurrenz zu stellen und an dauerhaften Arbeitsbeziehungen interessiert sind. Wer sich nicht aktiv genug auf der Plattform betätigt, läuft Gefahr, keine Aufträge mehr zu bekommen.*
- Die Plattform garantiert den KundInnen (in Hinkunft Kunden) verlässlich das Vorhandensein einer möglichst großen und rasch aktivierbaren Crowd, um deren Nachfrage befriedigen zu können.
- Crowdwork hat für die Beschäftigten sowohl positive Seiten (Zusatzeinkommen, Zeitsouveränität, Berufseinstieg) wie Nachteile (ua niedrige Entgelte, prekäre Arbeitsbedingungen, „digitale Reputation“, die aufgrund von Kundenbewertungen zur Zuteilung von mehr oder weniger Aufträgen führt). Die Bewertungen sind jedoch nicht nachvollziehbar, weil sie den CrowdworkerInnen schlichtweg nicht zugänglich sind.
CrowdworkerInnen sind DN und nach dem ASVG zu versichern, wenn sie gegen Entgelt überwiegend in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit beschäftigt sind.* Ihnen gleichgestellt sind freie DN, wenn sie Dienstleistungen wesentlich persönlich erbringen und über keine wesentlichen Betriebsmittel verfügen.* Arbeiten sie jedoch selbständig außerhalb einer Gewerbeberechtigung, sind sie als neue Selbständige nach dem GSVG* versichert.
Arbeitsrecht wie Sozialversicherungsrecht sehen das Charakteristikum des Arbeitsvertrages/Dienstvertrages in der persönlichen Abhängigkeit des zur Arbeitsleistung Verpflichteten von seinem AG/DG. Nach § 539a ASVG hat die Abgrenzung in der SV allerdings in wirtschaftlicher Betrachtungsweise (nach dem „wahren wirtschaftlichen Gehalt“) zu erfolgen; es kommt also auf die tatsächlich gelebten Verhältnisse und nicht auf die „äußere Erscheinungsform des Sachverhalts“ an. Die wirtschaftliche Abhängigkeit wird von der Rsp nur in Zweifelsfällen herange-309zogen.*,* Der VwGH nimmt das Vorliegen eines Dienstverhältnisses dann an, wenn folgende „unterscheidungskräftige Merkmale“ gemeinsam vorliegen:
Bindung der Beschäftigung an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit und das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehende Weisungs- und Kontrollbefugnis und
persönliche Leistungspflicht; sie fehlt bei einem tatsächlich genutzten generellen Vertretungsrecht, wenn der Beschäftigte also die Leistung bereits übernommener Dienste jederzeit nach Gutdünken ganz oder teilweise sanktionslos ablehnen kann.*
Liegen diese Merkmale nicht zur Gänze vor, bezieht der VwGH in einer Gesamtbetrachtung auch andere Gesichtspunkte „von maßgeblicher Bedeutung“ in die Abgrenzung ein.* Zu diesen „Hilfskriterien“ zählen ua Konkurrenzverbote oder die Dauer der Beschäftigung. Hier wird nicht näher auf die Unterschiede zwischen DN und freien DN eingegangen,* was aber nicht heißt, dass im Einzelfall diese Unterscheidung nicht schlagend werden kann.
Wie die Beschäftigungsverhältnisse von CrowdworkerInnen gestaltet sind, soll nun an Hand von drei Kriterien am Beispiel einiger Plattformen untersucht werden.
Uber vermittelt Personentransporte: Kunden geben einen Fahrtwunsch bekannt. Sobald FahrerInnen mittels App die Bereitschaft erklärt haben, Transporte zu übernehmen, findet die Vermittlung statt. Wird das Angebot angenommen, erfahren die Kunden den Standort der FahrerInnen und erhalten die Information, wann diese eintreffen werden. Am Ende der Fahrt wird die Bezahlung über die Kreditkarte abgewickelt.
Uber legt fest, wo wer mit welchem Fahrzeug tätig werden darf. Der Personentransport an sich wird durch die App gesteuert, die von Uber gestaltet wird. Nach erbrachter Arbeitsleistung erfolgt die Bezahlung durch Uber. Die Arbeitsleistung wird bewertet; davon hängen weitere Einsätze ab.
Die von Uber angedrohte Sanktion bei Nichtannahme von Aufträgen besteht im Verlust des Zugangs. Eine freie Vertretung ist nicht möglich, weil bei einer Zusage eine namentliche (Vorname, Familienname) Zuweisung an die Kunden erfolgt.
In dieser Plattform werden Reinigungs- und Reparaturarbeiten für Wohnungen, Geschäftsräumen etc angeboten. Die Arbeitskräfte melden sich bei der Plattform an und bekommen Aufträge namentlich zugeteilt. Nach Ende der Reinigung erfolgt eine Bewertung der Arbeit.
Sowohl die Auswahl der Arbeitskräfte als auch die gesamte Geschäftsabwicklung wird durch „Book a Tiger“ vorgegeben. Das betrifft vor allem Zeit, Ort und Dauer des Arbeitseinsatzes.
Die Reinigungskräfte verpflichten sich, die zugesagten Tätigkeiten durchzuführen. „Reputationsverluste“ sorgen dafür, dass diese Arbeiten regelmäßig übernommen werden und führen so gemeinsam mit der namentlichen Zuteilung der Aufträge zum Ausschluss eines freien Vertretungsrechts.
Foodora stellt Fahrradbotendienste in Form von Essenszustellungen von Restaurants zum Verbraucher bereit. Die „Rider“ werden als (freie) DN be-310schäftigt, zum Teil besitzen sie einen Gewerbeschein.
Es besteht ein Weisungsrecht hinsichtlich der Arbeitszeit (Schichtsystem), des Arbeitsortes und der Arbeitsabläufe (beides durch eine App), was auf eine Einbindung in die Betriebsorganisation und auf eine („echte“) DN-Eigenschaft hinweist. Dazu kommen umfassende Kontrollmöglichkeiten (zB bezüglich des Zustelltempos) durch die Plattform.
Wichtigster Anhaltspunkt für die persönliche Arbeitspflicht ist eine vertragliche Mindestarbeitsverpflichtung.
Nach der Eintragung erstellen die Plattformen sogenannte HITS (Human Intelligence Tasks). Es sind jedoch zumeist einfache Aufgaben, die den CrowdworkerInnen angeboten werden.
Sämtliche Kriterien, die den Ablauf der Arbeit bis hin zur Höhe der Bezahlung bestimmen, werden von der Plattform festgelegt; sie gewähren keinen eigenen wirtschaftlichen Spielraum. Auch die Entscheidung darüber, welche der eingereichten Lösungen akzeptiert und bezahlt wird, liegt bei Amazon Mechanical Turks. Die Tätigkeit ist dauerhaft angelegt, was sich aus dem Bewertungssystem und der daraus resultierenden „digitalen Reputation“ ergibt.* Die Arbeitsleistung erfolgt über einen digitalen Arbeitsplatz, der von der Plattform zur Verfügung gestellt wird; diese wird ständig bewertet.* Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), denen sich die CrowdworkerInnen unterwerfen, können von der Plattform einseitig bestimmt und geändert werden.
Die persönliche Arbeitspflicht ist in den AGB vorgegeben:* CrowdworkerInnen müssen die Arbeit selbst ausführen und dürfen keine anderen Personen anstellen.
Die Tätigkeit bei Clickwork besteht aus kleinsten Aufgaben („Microjobs“), beispielsweise in der Texterstellung oder in der Adressenrecherche.* Komplexere Projekte werden über die Plattform in einfache Aufgaben zerlegt und koordiniert.
Verträge mit „Clickworker“ werden unbefristet geschlossen. Die Microtasks werden in Heimarbeit erfüllt; die entsprechenden Vorgaben sind präzise und gewähren keinen eigenen wirtschaftlichen Spielraum. Nach der Homepage arbeiten die CrowdworkerInnen unabhängig und zeitlich flexibel von ihrem eigenen Computer aus. Über eine Standard-Webbrowser-Benutzeroberfläche arbeiten sie auf Honorarbasis in sich abgeschlossene Aufgaben ab. Die CrowdworkerInnen erklären bei ihrer Registrierung, die angebotenen Tasks zu übernehmen. Die erbrachte Arbeitsleistung wird laufend überprüft und beurteilt. Bei ungenügender Beteiligung erhalten CrowdworkerInnen keine Aufträge mehr, zudem sind genaue Maßregeln bei schlechten Bewertungen vorgesehen. Die AGB, denen sich die CrowdworkerInnen unterwerfen, können von der Plattform einseitig bestimmt und geändert werden.
Nach den AGB ist es grundsätzlich weder zulässig, ein Benutzerkonto für einen Dritten anzumelden noch mehrere Benutzerkonten zu unterhalten. Die einzelnen Mitarbeiter müssen für Clickworker eindeutig identifizierbar bleiben. Die Auftragserteilung erfolgt ausschließlich gegenüber CrowdworkerInnen, die das entsprechende Angebot abgegeben haben; die Weitergabe des Projektes und die Bearbeitung durch Dritte sind ausdrücklich untersagt.
Betrachtet man die Arbeitsbeziehungen in Crowdwork nach ihrem „wahren wirtschaftlichen Gehalt“, dann zeigen sich vielfach Überlappungen311von selbständigen und unselbständigen Elementen. Zumeist überwiegen jedoch, wie eben dargestellt, bei den geprüften Betrieben die Merkmale einer unselbständigen Beschäftigung.*
Die Art der Arbeitsleistungen wird zeitlich, inhaltlich und mitunter auch örtlich vorgegeben.* Die Arbeitsleistung wird auf verschiedenen Ebenen kontrolliert und bewertet; entspricht sie nicht den Vorgaben, kommt es zu Disziplinierungen (insb durch Verweigerung weiterer Aufträge). Auch der Preis wird von der Plattform bestimmt und aus deren Einnahmen ausbezahlt. Bei praktisch allen Plattformen werden unbefristete Verträge unter Anwendung von AGB geschlossen. Daher wird in aller Regel von einer DN-Eigenschaft auszugehen sein.
Nach der Rsp des VwGH* kann allerdings bei einfachen manuellen Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten in einem Betrieb, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und auf die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum des DN erlauben, in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit „ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden“. Das trifft bei Crowdwork bei den meisten Tätigkeiten zu. Dabei ist es gleichgültig, ob Waren oder Personen transportiert, gereinigt oder Clickwork-Tasks erledigt werden. Der einzige Unterschied zu der E über „Gipskartonverspachtler“ ergibt sich aus deren Eingliederung in den Betrieb. Doch ist das nur auf den ersten Blick relevant, weil auch bei Crowdwork eine Anwesenheit im Haushalt oder Büro zur Ausübung der Tätigkeit erforderlich ist. Nur bei komplizierteren, intellektuell herausfordernden Arbeiten könnte allenfalls auch ein Werkvertrag in Betracht kommen. Die Plattform müsste individualisierte und gewährleistungstaugliche Werke als Aufträge vergeben, eine Weitergabe des Auftrages in Teilen oder als Ganzes gestatten und einen Einfluss auf die Höhe des Werkentgeltes einräumen. Allerdings würden zumeist „Werkvertragsketten“ vorliegen, die in einen Kettenarbeitsvertrag münden können,* vor allem wenn CrowdworkerInnen über längere Zeiträume tageweise beschäftigt werden.*
Innerhalb der externen Plattformen könnten idealtypisch Vermittlungsplattformen von Dienstleistungsplattformen unterschieden werden. Bei Vermittlungsplattformen (zB Uber, Foodora) bietet der Betreiber die Lösung von Aufgaben an, die dann für Kunden abgearbeitet werden. Dienstleistungsplattformen legen hingegen die Tasks fest, bestimmen den Preis und gelten schließlich die erbrachte Leistung ab. Rechtlich und sprachlich muss wohl klar jeweils zwischen der Plattform und dem Betreiber der Plattform unterschieden werden. Die Plattform ist ein Rechtsobjekt und kann daher keine DG sein. DG ist oder sind vielmehr die BetreiberInnen der Plattform.
Bei BetreiberInnen von Vermittlungsplattformen könnte uU die Auffassung vertreten werden, sie würden als DG ausscheiden, weil sie mit den CrowdworkerInnen keinen Dienst-, sondern lediglich einen Rahmenvertrag und mit den „Requestern“ einen Werkvertrag abgeschlossen haben. Anders ist das bei Dienstleistungsplattformen, bei denen das Vertragsverhältnis zwischen CrowdworkerInnen und Plattform abgeschlossen wird. Hier treten die eigentlichen Auftraggeber überhaupt nicht in Erscheinung; Arbeitsinhalt, Arbeitsort und Arbeitszeit werden von der Plattform vorgegeben, das Entgelt wird nach den AGB festgelegt. Die Plattform nimmt Bewertungen vor, kann durch Ausschluss disziplinieren, was im Gesamtbild der Beschäftigung auf eine zumindest überwiegende persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit hinweist.
Es sind daher für die DG-Eigenschaft von BetreiberInnen von Plattformen die Eigentumsverhältnisse und die rechtlichen Einflussmöglichkeiten zu prüfen. Das mag kompliziert klingen, evident ist aber, dass Plattformen im Netz auftreten, um „Geschäfte“ zu machen und für diese Zwecke Personen zu beschäftigen. Das reicht an sich für das Vorliegen der DG-Eigenschaft aus, zumal ihre BetreiberInnen dadurch auch über die geforderten „rechtlichen Einflussmöglichkeiten“ auf den Betrieb verfügen. Für alle Betriebe, egal wie sie konstruiert sind, gilt ohnehin, dass Scheinverträge oder Umgehungsverträge im Zusammenhang mit der Frage des Bestehens einer Pflichtversicherung keine Bedeutung haben.
Zudem betont der VwGH,* dass sich an der DG-Eigenschaft der Person, die das Risiko des Betriebes im Gesamten unmittelbar trifft, nichts ändert, „wenn sie den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn an Stelle des Entgelts ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter verweist … oder ein (mit ihrem Wissen und Willen den Betrieb führender) Dritter bei einzelnen betrieblichen Geschäften, so auch bei der Indienstnahme und Beschäftigung einer Person im und für den Betrieb, einschließlich Weisungserteilung und tatsächlicher Entgeltszahlung als Mittelsperson nach außen im eigenen Namen auftritt
“.312
Diese E schließt aus, dass etwa „Requester“ bei Vermittlungsplattformen (zB Fahrgäste bei Uber) als DG qualifiziert werden können. Auch wenn diese als „Mittelspersonen“ auftreten, bleiben die Plattformen DG iSd § 35 ASVG.
Österreichisches Sozialversicherungsrecht ist auch nach den in Betracht kommenden EU-Verordnungen und Sozialversicherungsabkommen* immer dann anzuwenden, wenn Personen eine selbständige oder unselbständige Tätigkeit in Österreich ausüben.* Das gilt auch dann, wenn sie über Plattformen beschäftigt werden, deren Sitz außerhalb Österreichs gelegen ist. Im Inland beschäftigte DN sind vom DG zur SV anzumelden, der auch Beitragsschuldner ist. Hat der DG seinen Betrieb im Ausland, wird der DN aber im Inland beschäftigt und hat er hier auch seinen Wohnort, besteht Pflichtversicherung in Österreich.* Unterliegen DN jedoch einem System der sozialen Sicherheit im Ausland, bleiben sie in Österreich versicherungsfrei, auch wenn sie in Österreich ihren Wohnsitz haben.* Das gilt auch dann, wenn der DG seinen Sitz in der EU oder in einem Staat hat, mit dem Österreich ein entsprechendes Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen hat.* Über die allgemeine Sachverhaltsgleichstellung des Art 5 der VO 883/2004 trifft jedoch die DG in einem anderen Mitgliedstaat die Melde- und Beitragspflicht. DG und DN können allerdings vereinbaren, dass der DN diese Pflichten wahrnimmt, die auch die Übernahme des DG-Beitrags umfasst.* Solange solche CrowdworkerInnen selbst melde- und beitragspflichtig sind, werden sie allerdings kaum Interesse an einer SV als DN haben, zumal sie als Selbständige niedrigere Beiträge hätten. Ein Meldemotiv könnte allerdings das Arbeitsrecht sein, wogegen die Plattformen bestrebt sein werden, ihre CrowdworkerInnen möglichst selbständig zu beschäftigen. Daher könnte sich Scheinselbständigkeit verbreiten. Ob neue Selbständige ihrer Meldepflicht tatsächlich nachkommen werden, wird vor allem davon abhängen, ob es sich bei ihnen um ihre hauptberufliche oder nur um eine nebenberufliche Tätigkeit handelt.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie BetreiberInnen von Plattformen – wenn sie DG-Pflichten zu übernehmen haben – damit umgehen, dass sie DN beschäftigen, die in verschiedenen Mitgliedstaaten der EU oder Drittländern leben. Innerhalb der EU müsste dann das Sozialversicherungssystem des jeweiligen Wohnortes gelten. Weiß die Plattform aber überhaupt, wo ihre „MitarbeiterInnen“ leben? Da DG unterschiedliche nationale Sozialrechte aus administrativen Gründen höchst ungern anwenden, könnten sie DN dazu zwingen, eine Art 21-Vereinbarung abzuschließen. Sie haften dann aber weiter für die Beiträge. Das könnte in der Praxis dazu führen, dass CrowdworkerInnen tendenziell nur aus einem einzigen Mitgliedstaat beschäftigt werden.
Es wäre zweckmäßig, die arbeits- wie die sozialversicherungsrechtlichen Probleme gesetzlich zu regeln. Vorbild könnte das AÜG sein, das die „Zurverfügungstellung“* von Arbeitskräften zur Arbeitsleistung an Dritte regelt. Wie bei der Arbeitskräfteüberlassung könnte bei Arbeitsleistungen im Rahmen einer Internet-Plattform normiert werden, dass CrowdworkerInnen als (freie) DN und die Plattform als melde- und beitragspflichtiger DG gelten, da die Praxis erwiesen hat, dass die Umstände ihrer Tätigkeit mehr auf eine DN-Eigenschaft denn auf eine selbständige Beschäftigung hinweisen. Plattformen, die in Österreich ihre Dienste anbieten (also nicht nur ihren Sitz im Inland haben), könnten verpflichtet werden, sich registrieren zu lassen, um überprüfen zu können, ob sämtliche CrowdworkerInnen angemeldet worden sind. Da viele CrowdworkerInnen geringfügig beschäftigt sein werden, könnte nach dem Muster des DAG an eine pauschalierte DG-Abgabe von der Lohnsumme gedacht werden.* Das Gesetz könnte auch die arbeitsrechtlichen Belange regeln (Dienstnehmerhaftpflichtgesetz [DHG], ASchG, GlBG, UrlG etc). Auch eine Regelung eines amtswegigen Prüfungsverfahrens zur Feststellung der Sozialversicherungszugehörigkeit der CrowdworkerInnen wäre denkbar. Diese könnte bei „Clickwork“-Plattformen schon anhand der in den AGB festgelegten Formen der Arbeitsausübung und der enthaltenen Bestimmungen zur persönlichen Abhängigkeit vorgenommen werden. Zusätzlich könnte vor allem bei Dienstleistungsplattformen die konkrete Ausübung der Tätigkeit durch Prüfungen an Ort und Stelle und Zeugenaussagen festgestellt werden.313
Auch wenn es grundsätzlich deutliche Hinweise auf (freie) DN-Eigenschaft gibt, wird der konkrete Versichertenstatus von CrowdworkerInnen erst nach Prüfung im Einzelfall festgestellt werden können. Rechtsklarheit ließe sich jedoch durch ein eigenes Crowdwork-Gesetz herstellen. Crowdwork soll nicht verboten, sondern durch entsprechende arbeits- und sozialrechtliche Regelungen in die österreichische Rechtsordnung integriert werden. Dabei sollten auch Wettbewerbsvorteile, die Plattformen gegenüber anderen Betrieben haben, verringert werden.
Auch ohne ein solches Gesetz sind BetreiberInnen von Plattformen mit Sitz in Österreich jedoch grundsätzlich als DG zu betrachten und in der SV melde- und beitragspflichtig. Das gilt auch dann, wenn der Sitz der Plattform innerhalb der EU liegt, es sei denn, es lägen gegenteilige Vereinbarungen zwischen dem DN und der Plattform vor.