160

Keine Mitabgeltung kollektivvertraglicher Sonn- und Feiertagszuschläge durch überkollektivvertragliches Bereitschaftsentgelt

MARTINACHLESTIL
§ 9 Abs 1 ARG; § 10 AZG; KollV für die Arbeiter der chemischen Industrie

Bei der bekl AG besteht eine BV, die iZm der Ausdehnung der 38-Stunden-Woche auf eine 45-Stunden-Woche und einem 12-Stunden-Schichtmodell auch die Abgeltung der über die 38. Wochenstunde hinausgehenden Arbeitszeit regelt: Zur Abgeltung der Arbeitsbereitschaft ab der 39. bis 45. Wochenstunde erhalten die AN zusätzlich zum bisherigen Monatsgehalt bzw -lohn eine Bereitschaftsabgeltung iHv 40 % der Grundvergütung. Zusätzlich zur BV wurde mit Aktenvermerk eine Schichtpauschale vereinbart, die ua Zuschläge für Sonntagsarbeit mit 23,7 Stunden und für Feiertagsarbeit mit 10,5 Stunden abdeckt. Zudem enthält die Schichtpauschale für den 45-Stunden-Schichtplan noch eine Bereitschaftsdienstzulage mit 11,83 Stunden.

Der kl BR begehrte die Feststellung, dass den AN ein zusätzlicher Anspruch auf einen 100 %-igen Zuschlag für die Sonntagsarbeit und auf Abgeltung der Feiertagsarbeit gemäß KollV zusteht, soweit monatlich mehr als 23,7 Sonntagsstunden bzw mehr als 5,25 Feiertagsstunden geleistet werden. Die bekl AG bestritt das Klagebegehren und wandte ein, dass es sich bei der Arbeitszeit von der 39. bis 45. Wochenstunde um Arbeitsbereitschaft handle, für die ein geringeres Entgelt vereinbart werden könne. Sämtliche Sonn- und Feiertagsstunden seien durch die Bereitschaftsabgeltung iHv 40 % der Grundvergütung pauschal abgegolten.

Die Erstinstanz folgte dem Standpunkt der bekl AG und wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung des kl BR Folge und stellte die Verpflichtung der bekl AG zur Leistung eines 100 %-igen Zuschlags für die Sonntagsarbeit und einer Abgeltung der Feiertagsarbeit gemäß KollV fest: Die Abgeltung der Sonn- und Feiertagszuschläge durch die Bereitschaftsdienstzulage würde bedeuten, dass durch eine über dem Mindestansatz des KollV liegende Entgeltvereinbarung eine Abgeltung von Sonn- und Feiertagsentgelten vorgesehen werden könnte. Dies sei jedoch unter Bezugnahme auf die Rsp zum Urlaubsgesetz (UrlG) zu verneinen; so dürfe auch die gem § 12 UrlG zwingende Regelung des Urlaubsentgelts in § 6 UrlG nicht dadurch unterlaufen werden, dass das Urlaubsentgelt unabhängig vom Verbrauch des Urlaubs mit einem erhöhten laufenden Entgelt oder auch mit einem Zuschlag zu diesem Entgelt ab-279gegolten werden soll. Nichts anderes könne für das Feiertagsentgelt und die Zuschläge für Sonntagsarbeit gelten. Der Inhalt des Aktenvermerks verstoße daher gegen die zwingenden Regelungen des KollV; die BV sehe zwar zulässigerweise eine geringere Entlohnung des Bereitschaftsdienstes vor, ihr sei aber nicht zu entnehmen, dass damit auch Sonn- und Feiertagszuschläge abgegolten sein sollten.

Die Revision an den OGH wurde zugelassen, um die Frage zu klären, ob im Fall eines überkollektivvertraglichen Bereitschaftsentgelts allfällige Sonn- und Feiertagszuschläge als mitabgegolten gelten. Der OGH setzte sich mit dieser Frage allerdings nicht auseinander: Ob die Rsp zum UrlG auf die Leistung von Sonn- und Feiertagsarbeit übertragbar ist, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben. Zwar ist der Schichtpauschale zu entnehmen, dass sie der Abgeltung von Sonntagsarbeit im Ausmaß von 23,7 Stunden und von Feiertagsarbeit im Ausmaß von 10,5 Stunden dient. Dagegen geht aus der in der BV vorgesehenen Abgeltung der Arbeitsbereitschaft für die 39. bis 45. Wochenstunde (Bereitschaftsabgeltung) nicht hervor, dass damit auch Bereitschaftsdienste an Sonn- und Feiertagen abgegolten sein sollen. Selbst wenn man der bekl AG darin folgt, dass Sonntagszuschläge und Feiertagsentgelt wertungsmäßig dem – grundsätzlich pauschalierbaren – Überstundenentgelt gleichzuhalten seien, wäre für einen AN damit aber nicht klar erkennbar, dass mit der Bereitschaftsabgeltung unter Berücksichtigung der kollektivvertraglichen Zuschläge auch Sonn- und Feiertagsarbeit, soweit sie über monatlich 23,7 bzw 10,5 Stunden hinausgeht, abgegolten werden soll.

Da damit nicht davon auszugehen ist, dass mit der Bereitschaftsdienstzulage auch die Zuschläge für Sonn- und Feiertagsentgelt, soweit monatlich mehr als 23,7 Sonntagsstunden bzw mehr als 5,25 Feiertagsstunden geleistet werden, abgegolten sind, sind die Rechtsmittel der bekl AG nicht berechtigt.