8EFZG durch KollV abdingbar?
EFZG durch KollV abdingbar?
Den Kollektivvertragsparteien ist es grundsätzlich unbenommen, das Entstehen des Anspruchs auf Sonderzahlungen, auf die kein gesetzlicher Anspruch besteht, an bestimmte Bedingungen zu knüpfen.
Da den Kollektivvertragsparteien grundsätzlich unterstellt werden darf, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten, ist bei mehreren an sich in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten, wenn alle anderen Auslegungsgrundsätze versagen, jener der Vorzug zu geben, die diesen Anforderungen am meisten entspricht.
Die Kl war bei der Bekl von 14.9.2015 bis 5.7.2016 als Reinigungskraft beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung der Bekl. Ab 15.12.2015 war die Kl durchgehend bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Krankenstand. Die Bekl leistete von 1.1.2016 bis 25.1.2016 Entgeltfortzahlung in voller und von 26.1.2016 bis 22.2.2016 in halber Höhe. Danach gebührte der Kl keine Entgeltfortzahlung mehr. Auf das Arbeitsverhältnis war der Kollektivvertrag für Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger (kurz: KollV) anzuwenden.
Die Kl begehrt die Zahlung aliquoter Sonderzahlungen von 157,08 € brutto sA für die Zeit der Entgeltfortzahlung von 1.1.2016 bis 22.2.2016. Bemessungsgrundlage sei die in dieser Zeit bezogene Entgeltfortzahlung als durchschnittliches Entgelt.
Die Bekl bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass sich der kollektivvertragliche Sonderzahlungsanspruch auf Grundlage des Durchschnitts der Wochenentgelte der letzten dreizehn Wochen vor der jeweiligen Fälligkeit der Sonderzahlungen berechne. In diesen Zeiträumen habe die Kl aber keine Entgeltfortzahlung mehr erhalten.
Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren (mit Ausnahme eines Teils des Zinsenbegehrens, das das Erstgericht rechtskräftig abwies) statt. Der KollV sehe einen generellen, in bestimmten Fällen aliquoten, Anspruch auf Sonderzahlungen vor. Die normierte Berechnung der Höhe dieses Anspruchs könne nicht dazu führen, dass ein dem Grunde nach bestehender aliquoter Sonderzahlungsanspruch wieder beseitigt werde. Der KollV sei daher so auszulegen, dass für die Berechnung der Höhe des Sonderzahlungsanspruchs auf Zeiten abzustellen sei, in denen noch ein Entgelt(fortzahlungs)anspruch bestanden habe.
In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Bekl die Abänderung des Berufungsurteils iS einer Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Kl beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision der Bekl zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Bekl ist zulässig und berechtigt.
1. Den Kollektivvertragsparteien ist es grundsätzlich unbenommen, das Entstehen des Anspruchs auf Sonderzahlungen, auf die kein gesetzlicher Anspruch besteht, an bestimmte Bedingungen zu knüpfen (RIS-Justiz RS0048332). Strittige Fragen hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen, der Anspruchshöhe und der Anspruchsdauer sind daher durch Auslegung der jeweiligen kollektivvertraglichen Bestimmungen zu lösen (9 ObA 85/10f).
2. Der normative Teil eines KollV ist gem den §§ 6 und 7 ABGB nach seinem objektiven Inhalt auszulegen; maßgeblich ist, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Text entnehmen kann (RIS-Justiz RS0010088). In erster Linie ist dabei der Wortsinn – auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen – zu erforschen und die sich aus dem Text des KollV ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen (RISJustiz RS0010089). Da den Kollektivvertragsparteien grundsätzlich unterstellt werden darf, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten, ist bei mehreren an sich in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten, wenn alle anderen Auslegungsgrundsätze versagen, jener der Vorzug zu geben, die diesen Anforderungen am meisten entspricht (RIS-Justiz RS0008828; RS0008897).
3. § 13 des KollV für Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger lautet auszugsweise wie folgt:
„(1) Alle Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer haben einmal in jedem Kalenderjahr einen Anspruch auf58einen Urlaubszuschuss sowie eine Weihnachtsremuneration.(2) Die Höhe des Urlaubszuschusses und der Weihnachtsremuneration beträgt jeweils, ohne Rücksicht auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, entweder 4,33 Wochenentgelte oder ein Monatsentgelt.Das Wochen- bzw. Monatsentgelt wird berechnet auf Grundlage des Durchschnittes der Wochenentgelte der letzten 13 Wochen oder der Monatsentgelte der letzten 3 Kalendermonate vor der jeweiligen Fälligkeit.Reiseaufwandsentschädigungen (Zehrgeld, Trennungszulage, Fahrtkostenvergütung) sind nicht miteinzubeziehen.(3) Der Urlaubszuschuss ist mit der Mailohnauszahlung (spätestens 15. Juni) auszuzahlen, die Weihnachtsremuneration mit der Oktoberlohnauszahlung (spätestens 15. November) auszubezahlen.(4) Im ersten Kalenderjahr des Eintrittes in ein Arbeitsverhältnis gilt abweichend vom ersten Absatz, dass der aliquote Teil des Urlaubszuschusses, gerechnet vom Eintrittstag bis zum 31. Mai, mit der Mailohnzahlung auszubezahlen ist. Der restliche aliquote Teil des Urlaubszuschusses, der bis zum 31. Oktober entstanden ist, ist mit der Oktoberlohnauszahlung und der übrige aliquote Teil des Urlaubszuschusses bis zum Ende des Kalenderjahres mit der Dezemberlohnauszahlung auszubezahlen. Der aliquote Teil der Weihnachtsremuneration, gerechnet vom Eintrittstag bis zum 31. Oktober, ist mit der Oktoberlohnauszahlung, der restliche Teil der Weihnachtsremuneration mit der Dezemberlohnauszahlung auszubezahlen.(5) Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer, die während des Kalenderjahres ausscheiden, erhalten den aliquoten Teil des Urlaubszuschusses und der Weihnachtsremuneration entsprechend der im Kalenderjahr zurückgelegten Beschäftigung.Dieser Anspruch entfällt jedoch, wenn die/der Arbeitnehmerin/Arbeitnehmer gemäß § 82 GewO 1859 (§ 15 BAG) berechtigt entlassen wird oder wenn sie bzw. er ohne wichtigen Grund gemäß § 82a GewO 1859 (§ 15 BAG) vorzeitig austritt.(6) Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer, die den Urlaubszuschuss für das laufende Kalenderjahr bereits erhalten haben, aber noch vor Ablauf des Kalenderjahres ausscheiden, haben den erhaltenen Urlaubszuschuss nur dann zurückzuzahlen, wenn sie nach § 82 GewO 1859 (§ 15 BAG) berechtigt entlassen werden oder ohne wichtigen Grund gem. § 82a GewO 1859 (§ 15 BAG) vorzeitig austreten.Bei Kündigung durch die/den Arbeitnehmerin/Arbeitnehmer ist nur der auf den Rest des Kalenderjahres entfallende und verhältnismäßig zu viel bezahlte Anteil zurückzubezahlen.(7) Bei gewerblichen Lehrlingen [...](8) Für entgeltfreie Zeiten gebühren kein Urlaubszuschuss und keine Weihnachtsremuneration.“
4.1. Für das Kalenderjahr 2016 hat die Kl nach § 13 Abs 1 KollV grundsätzlich Anspruch auf Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration; und zwar nach § 13 Abs 5 KollV auf den jeweils aliquoten Teil entsprechend ihrer im Kalenderjahr 2016 zurückgelegten Beschäftigung (1.1.2016 bis 5.7.2016). Da die Kl aber bereits ab 23.2.2016 kein Entgelt mehr bezog, gebühren ihr gem § 13 Abs 8 KollV jedenfalls ab diesem Zeitpunkt keine Sonderzahlungen mehr.
4.2. Strittig ist daher hier nur die Höhe der der Kl dem Grunde nach zustehenden Sonderzahlungen für die Zeit von 1.1.2016 bis 22.2.2016. Die Höhe der kollektivvertraglichen Sonderzahlungen regelt § 13 Abs 2 KollV. Satz 1 dieser Bestimmung legt fest, dass die Höhe des Urlaubszuschusses und der Weihnachtsremuneration, unabhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit, jeweils entweder 4,33 Wochenentgelte oder ein Monatsentgelt beträgt. Satz 2 definiert nun, wie sich dieses Wochen- bzw Monatsentgelt berechnet. Der KollV sieht dafür eine Berechnung auf Grundlage des Durchschnitts der Wochenentgelte der letzten 13 Wochen oder der Monatsentgelte der letzten drei Kalendermonate vor der jeweiligen Fälligkeit vor. Die Fälligkeit der kollektivvertraglichen Sonderzahlungen bestimmt wiederum § 13 Abs 3 KollV. Danach ist der Urlaubszuschuss mit der Mailohnauszahlung (spätestens 15.6.), die Weihnachtsremuneration mit der Oktoberlohnauszahlung (spätestens 15.11.) auszuzahlen.
4.3. Mit dieser Durchschnittsberechnung – im Gegensatz zu einer der Höhe nach fixen Sonderzahlung – beabsichtigt der KollV erkennbar die Höhe des Urlaubszuschusses und der Weihnachtsremuneration von der durchschnittlichen Höhe des vom AN in den letzten 13 Wochen vor der Mailohnauszahlung (spätestens 15.6.) bzw Oktoberlohnauszahlung (spätestens 15.11.) bezogenen Entgelts abhängig zu machen. Damit nehmen die Kollektivvertragsparteien bewusst in Kauf, dass ein in diesem Zeitraum hoher Entgeltbezug auch zu einer entsprechend hohen Sonderzahlung, ein geringer Entgeltbezug hingegen zu einer entsprechend geringen Sonderzahlung führt. Diese Regelung hat zwangsläufig zur Folge, dass ein dem Grunde nach bestehender Anspruch auf Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration der Höhe nach aber auch Null sein kann, wenn in den jeweils angeführten Zeiträumen des § 13 Abs 2 Satz 2 KollV kein Entgelt (Lohn/Gehalt oder im Falle der Krankheit Fortzahlung des Lohns/Gehalts) bezogen wird. Dies ist hier der Fall, weil die Kl infolge Ausschöpfung des Entgeltfortzahlungsanspruchs im Fall der Krankheit gem § 14 KollV iVm § 2 Abs 1 EFZG in den letzten 13 Wochen vor dem 15.6.2016 bzw 5.7.2016 (Ende des Arbeitsverhältnisses) keinen Entgeltfortzahlungsanspruch mehr hatte.
4.4. Aus § 13 Abs 8 KollV ist für den Standpunkt der Kl nichts zu gewinnen. Die Frage, ob nur für entgeltfreie und daher nicht auch für entgeltfortzahlungsfreie Zeiten keine Sonderzahlungen gebühren – so die Behauptung der Kl – stellt sich hier nicht. Für den Zeitraum ab 23.2.2016, in dem die Kl keine Entgeltfortzahlung mehr erhielt, macht sie keinen Anspruch geltend.
5. Zusammengefasst berechnet sich nach § 13 des KollV für Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger ein dem Grunde nach zustehender Anspruch59auf Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration im Betrag von jeweils 4,33 Wochenentgelten oder einem Monatsentgelt der Höhe nach auf Grundlage des Durchschnitts der vom AN in den letzten 13 Wochen oder den letzten drei Kalendermonaten vor der jeweiligen Fälligkeit des Urlaubszuschusses (Mailohnauszahlung, spätestens 15.6.) und der Weihnachtsremuneration (Oktoberlohnauszahlung, spätestens 15.11.) bezogenen Wochen- bzw Monats entgelte. Hatte der AN in diesen Zeiträumen keinen Entgelt(fortzahlungs)anspruch, dann hat er der Höhe nach auch keinen Anspruch auf die kollektivvertraglichen Sonderzahlungen. [...]
Vorliegendes Urteil bringt, wenn man die Prämissen, die der Senat in den Z 1 und 2 wiedergegeben hat, liest, wohl keine neuen Erkenntnisse. Fraglich ist aber, ob die vom OGH eingenommene Rechtsansicht das einzig mögliche Auslegungsergebnis ist, und ob nicht auch unter den vom Höchstgericht vorgegebenen Prämissen eine andere, stimmigere Auslegungsvariante denkbar ist.
Im Folgenden sollen die für die gegenständliche E relevanten Normen des KollV aufgrund des ihnen inhärenten Zweckes in ein System eingeordnet werden. Demnach stellen jene Regeln, die den grundsätzlichen Anspruch auf Sonderzahlungen normieren, die Basis des Regelungswerkes dar. Danach kommen jene Normen, die das zeitliche Ausmaß der Sonderzahlungsansprüche regeln und schließlich die Berechnungsregeln für die Höhe der Ansprüche; die Normen, welche die (vorgezogenen) Fälligkeiten regeln, können überwiegend außer Betracht bleiben.
§ 13 Abs 1 KollV regelt demnach den grundsätzlichen Anspruch auf zwei Sonderzahlungen im Kalenderjahr. Dieser Anspruch entfällt bei berechtigter Entlassung und unberechtigtem vorzeitigen Austritt dem Grunde nach (§ 13 Abs 5 letzter Absatz). Weitere Gründe für einen (teilweisen) Entfall der Ansprüche auf Sonderzahlungen sieht der KollV nur noch in folgenden Fällen vor:
Ist der jeweilige AN nicht ein ganzes Kalenderjahr beim AG beschäftigt, so ist der grundsätzliche Sonderzahlungsanspruch, der sich auf ein ganzes Kalenderjahr richtet, entsprechend zu aliquotieren (§ 13 Abs 5). Ebenfalls kein Anspruch besteht für Zeiten ohne Entgeltfortzahlungsverpflichtung des AG (§ 13 Abs 8). Die Rechtsfolge dieser Bestimmung ist daher auch die entsprechende Aliquotierung des Sonderzahlungsanspruches.
Der KollV stellt in § 13 Abs 2 den Grundsatz auf, dass die Höhe jeder der zwei Sonderzahlungen ein Monatsentgelt (bzw 4,33 Wochenentgelte) beträgt. Im Folgenden definiert er die Art der Berechnung der Sonderzahlung, nämlich den Durchschnittsverdienst der letzten drei Monate, 13 Wochen vor Fälligkeit. Weiters stellt der KollV klar, dass Reisediäten nicht zum weiten arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff zu zählen sind.
Aus dieser Struktur geht mE hervor, dass nur Normen iS von Pkt 1.1. und 1.2. den grundsätzlichen Anspruch und dessen Reichweite regeln. Die Berechnungsregeln von Pkt 1.3. definiert lediglich den Berechnungsweg für die genaue Anspruchshöhe. Die von den Kollektivvertragspartnern getroffene Regelung ist insofern lückenhaft, als dass sie für den Fall der Entgeltfortzahlung keine Lösung vorsieht, und deshalb auch Zeiten eines reduzierten Entgeltfortzahlungsanspruchs oder des gänzlichen Entfalls desselben nicht berücksichtigt. Da § 13 Abs 2 KollV nur die Berechnung der Höhe des Anspruches regelt, § 13 Abs 8 aber grundsätzlich bereits den Anspruchsentfall für entgeltfreie Zeiten vorsieht, führt die vom OGH gewählte Auslegung dazu, dass bei fehlender Entgeltfortzahlung im Berechnungszeitraum die Rechnung null Euro ergibt, sodass der Berechnungsnorm somit jedenfalls anspruchsvernichtende Funktion zugewiesen wird.
Eine anspruchsvernichtende Normenfunktion findet sich aber lediglich in den Regelungen von § 13 Abs 5 und 8. Es spricht nichts dafür, dass die Kollektivvertragsparteien quasi in einem nachgesetzten zweiten Prüfungsschritt eine zusätzlichen Kürzung bzw Entfall des Grundanspruches normieren wollten:
Zum einen kürzen entgeltfreie Zeiten bereits aufgrund § 13 Abs 8 überhaupt den Grundanspruch. Liegen diese dann auch im Zeitraum der Durchschnittsberechnung, wird laut OGH zusätzlich die Berechnungsgrundlage für die Höhe des Anspruchs bis auf null herabgesetzt.
Geht man weiters davon aus, dass die Kollektivvertragspartner, wie der OGH in stRsp judiziert, vernünftige, zweckentsprechende, praktikable und auf Sozialausgleich bedachte Regelungen treffen wollen, ist es schwer vorstellbar, dass diese ein Normensystem aufgestellt haben, welches selbst für aktive Leistungszeiten die Möglichkeit des Sonderzahlungsentfalls vorsehen soll, wenn im Beobachtungszeitraum für die Berechnung der Höhe der Sonderzahlung keine Entgeltfortzahlungspflicht existiert.
Vielmehr spricht das System von § 13 KollV dafür, dass Anspruchsbegründung und Anspruchsvernichtung neben dem Grundsatz von Abs 1 lediglich in den Abs 5 und 8 geregelt wurde. Außerdem lässt die Auslegung des OGH den General-KollV über den Begriff des Entgelts gem § 3 EFZG60(General-KollV) unbeachtet (siehe Pkt 3.2.). Diese, bereits in den vom OGH gekürzt wiedergegebenen von den Vorinstanzen vorgenommenen, Überlegungen zur Normenfunktion werden vom OGH, ohne gewichtige Argumente anzuführen, nicht weiter verfolgt.
Geht man von der Zulässigkeit der Vereinbarung von Bedarfsarbeitsverträgen – die sogenannte Beschäftigung auf Abruf – aus, dann wäre der Auslegung des OGH durchaus etwas abzugewinnen, weil die Übertragung des Risikos des Ausmaßes der Beschäftigung bei solchen Verträgen einseitig beim AN liegt und diese Risikoverteilung sich in der Sonderzahlungsberechnung lediglich fortsetzen würde. Gerade diese Möglichkeit bietet aber die österreichische Rechtsordnung selbst beim sogenannten „Bedarf – Konsensprinzip“ nicht, wie der OGH eindeutig geklärt hat (Löschnigg, Arbeitsrecht12 [2015]; OGH 8.8.2002, 8 ObA 277/01w; Mosler in
Das Arbeitsausmaß ist daher im Arbeitsvertrag festzulegen. Änderungen des Arbeitszeitausmaßes benötigen bei Teilzeitvereinbarungen neben der Willenseinigung der Arbeitsvertragsparteien für die Gültigkeit das erhöhte Formerfordernis der Schriftform (Mosler in
Unter diesem Gesichtspunkt muss nun die Höhenberechnungsnorm von § 13 Abs 2 KollV gesehen werden, da der Grundlohn aufgrund der Mindestlohntabelle und dem fixen Arbeitszeitausmaß festgelegt ist. Aufgrund dieser Konstanten ist es auch unerheblich, ob wöchentliche Entlohnung oder monatliche Entlohnung vereinbart wurde, da die Grundgrößen immer gleich sind, das Ergebnis dementsprechend immer konstant ist. Die Anordnung der Durchschnittsberechnung trifft also lediglich zwei Fälle – jenen der Änderung der Arbeitszeitausmaßänderung im Beobachtungszeitraum und jenen der variablen Entgelte. Nicht außer Betracht gelassen werden darf aber, dass eine Vertragsänderung (zu der eine Änderung der grundsätzlich geschuldeten Arbeitszeit gehört) jedenfalls einen Durchrechnungszeitraum beendet, da die Ausgangsbasis, auf die der Beobachtungszeitraum aufbaut, verändert wurde. Erster Fall kann also für die die Rechtfertigung des Auslegungsergebnisses des Höchstgerichtes bereits grundsätzlich nicht herangezogen werden.
Lediglich zweiter Fall ist daher im Zusammenhang mit gegenständlichen Sachverhalt aufgrund des regeltypischen Vorkommens für diese Betrachtung maßgebend, da das Argument des OGH, dass ein Berechnungsvorteil auch einen Berechnungsnachteil, der bis zum vollständigen Berechnungsentfall gehen kann, seine Rechtsfolgen daher ausschließlich im Bereich variabler Entgelte entfaltet. Hier ist aber bereits bei der Beurteilung der Auslegung der Berechnungsformel zu beachten, dass aufgrund der Wertung des Gesetzgebers nur ein fixes, durch Arbeitsvertrag festgelegtes Normalarbeitszeitausmaß zuzulassen lediglich unregelmäßige Zulagen und Zuschläge, die nur bei tatsächlicher Leistung einen Vergütungsanspruch darstellen, den Sonderzahlungsanspruch verändern. Aus einem Umkehrschluss ergibt sich, dass diese im Rahmen einer Durchschnittsbetrachtung somit bis auf die Höhe des Grundlohnanspruches ersatzlos entfallen können. Nicht außer Acht gelassen werden darf ein weiteres, mE viel grundlegenderes Argument: Die Erwirtschaftungsmöglichkeit von variablen Entgelten, insb Mehrleistungsvergütungen, hängt regeltypisch von Anordnungen des AG ab und liegt nicht in der grundsätzlichen Entscheidungssphäre von AN. Der AG hat es daher im gegenständlichen Fall durch seine Weisungen in der Hand, ob ein Ausgleich des Entfalls der ersten Sonderzahlung überhaupt grundsätzlich stattfinden könnte.
Im Rahmen der Zielsetzung der gegenständlichen Normen wäre jedenfalls kollektivvertragssystemkonform ein Monatsgrundlohn bzw 4,33 Wochenlöhne der Berechnung des Sonderzahlungsanspruches zu Grunde zu legen gewesen. Es kann in diesem Zusammenhang auch auf den Regelungsbereich der Norm abgestellt werden, der aufgrund der Grundlohnkonstanten nur darüber hinausgehende variable Entgelte umfassen kann. Diese Betrachtung ist jedoch isoliert und bindet nicht die Ansprüche gem § 3 EFZG ein.
Aufgrund § 2 EFZG ist dem AN vom 1.1. bis 22.2.2016 Entgeltfortzahlung zugestanden. Unter Entgelt ist der weite arbeitsrechtliche Entgeltbegriff, also inklusive der Sonderzahlungen, zu verstehen (Drs in
Die Regelungen des EFZG sind einseitig dispositiv, günstigere Regeln des KollV bezüglich der Entgeltfortzahlung sind daher rechtlich möglich und wirksam. Die Auslegung des OGH muss also einem Günstigkeitsvergleich mit den in § 3 EFZG gewährten Ansprüchen standhalten, ansonsten würde diese Rechtsansicht zur Nichtigkeit der betreffenden Kollektivvertragsnormen führen.
Sich dieser Tatsache bewusst, führt der entscheidende Senat zwar keinen Günstigkeitsvergleich durch, sondern behauptet pauschal eine Günstigkeit, indem er behauptet, dass als Ausgleich für den faktischen Entfall eines Sonderzahlungsanspruches beim zweiten Sonderzahlungsanspruch die Möglichkeit besteht, einen Ausgleich zu erwirtschaften. Die Rechtfertigung der Auslegung durch die Maxime „Guter Tropfen, schlechter Tropfen
“ drängt sich hier dem Verfasser auf. Weiters baut diese Günstigkeitsannahme eher auf eine diffuse Hoffnung als auf reale Ausgleichsmöglichkeiten auf, wie bereits aufgezeigt wurde.
Zurückgehend zur notwendigen Vornahme des Günstigkeitsvergleichs stellt sich die Frage, wie der Vergleich vorzunehmen wäre.
Durch die grundsätzliche Schaffung eines Sonderzahlungsanspruches durch die Kollektivvertragsparteien ist der Ausgangspunkt für die Berechnung des Ausfallsentgeltes gem § 3 EFZG definiert. Eine generelle Ausnahme von Sonderzahlungen im Entgeltfortzahlungsfall widerspricht dem EFZG, da Kollektivverträge nur Günstigeres regeln dürfen. Die Kollektivvertragsparteien haben auch in diesem Zusammenhang rechtskonform klargestellt, dass der Anspruch auf Sonderzahlungen nur in entgeltfortzahlungspflichtfreien Zeiten entfällt. Damit sind jedenfalls Sonderzahlungsansprüche im Rahmen des Ausfallsprinzips zu berücksichtigen.
Es sind daher die Rechtsfolgen der Berechnungsarten nach EFZG/General-KollV und jene nach der Kollektivvertragsauslegung des OGH gegenüberzustellen.
Nach EFZG/General-KollV wäre in der entgeltfortzahlungspflichtigen Zeit zumindest der feststellbare Grundlohn als Basis für die Sonderzahlung zu beachten gewesen, wenn man die Festlegung des Berechnungszeitraums für variable Entgelte in der grundsätzlichen Betrachtung zunächst außer Acht lässt. Ließe nun die Kollektivvertragsbestimmung eine Unterschreitung dieses Niveaus zu, muss im Rahmen des Günstigkeitsvergleiches ein ausreichender Ausgleich bei sachlich zusammenhängender Normen für die Zeiten der Entgeltfortzahlung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegeben sein. In gegenständlichem Fall muss die realistische Verdiensterwartung für die zweite Sonderzahlung so hoch sein, dass die Unterschreitung bei der ersten Sonderzahlung zumindest kompensiert sein wird.
Worin besteht aber die Möglichkeit, ausgleichend mehr zu verdienen? Diese besteht lediglich im Bereich von variablen Entgelten, nicht aber im Grundlohnbereich. Mathematisch gesehen ist daher die Verlustmöglichkeit des Grundlohns, durch einen vermehrten Verdienst im Bereich der variablen Entgelte die in gegenständlichen Kollektivverträgen neben Lagezuschlägen ausschließlich im Bereich von Arbeit über dem vereinbarten Arbeitszeitausmaß liegen, regelmäßig nicht zu kompensieren. Überdies sehen die Normen über die Sonderzahlungen keine Ausgleichsrechnung vor. Da man den Kollektivvertragspartnern in stRsp zumisst, dass sie vernünftige, zweckentsprechende und durchführbare Regelungen treffen (wollen), erscheint eine Regelungsabsicht, die, ohne dass dies im Text festgehalten ist, einen Beobachtungszeitraum von zwei jährlichen Sonderzahlungen auslöst, doch zweifelhaft, da die Normierung von lediglich jeweils 13 Wochen Berechnungszeitraum für jede Sonderzahlung kompliziert und praxisfern anmutet, wenn am Schluss dann doch durch den AG eine Jahresbetrachtung durchgeführt werden muss. Dies würde gerade in Entgeltfortzahlungsfällen die Abrechnungskomplexität unnötig erhöhen. Ein solcher Ausgleich wäre zusätzlich auch nur dann regelmäßig möglich, wenn in der von diesem KollV geregelten Branche typischerweise eine geringe Personalfluktuation herrschen würde, wo rauf sich in der Entscheidung des Höchstgerichtes kein Hinweis findet. Vielmehr war in gegenständlichem Sachverhalt kein Ausgleich möglich, da der AG das Arbeitsverhältnis beendete und beide Sonderzahlungen das gleiche Berechnungsschicksal erlitten.
Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, dass dem Ergebnis des vom OGH vorgenommenen kursorischen Günstigkeitsvergleichs nicht gefolgt werden kann und somit die Auslegung des erkennenden Senats, die zusätzlich aus Sicht der Kollektivvertragspartner keine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung darstellen würde, eine Gesetzeswidrigkeit des KollV gegenüber der Bestimmung des § 3 EFZG begründete, da dann die Kollektivvertragsnormen ungünstiger als der gesetzlich gewährte Anspruch wären. Letztlich ist auch nicht einleuchtend, warum eine de facto-Einschränkung der gesetzlich zugestandenen Entgeltfortzahlung einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen soll.
§ 14 MSchG, § 2 VKG, § 3 GlBG, diskriminierende Auslegung?
Die vom OGH getroffene Auslegung muss auch mit der Anordnung der Weiterzahlung des Arbeitsentgeltes gem § 14 Abs 2 MSchG in Einklang gebracht werden. Diese Norm regelt die Entgeltfortzahlung von werdenden Müttern, die aufgrund eines Beschäftigungsverbotes des MSchG und mangelnder Beschäftigungsmöglichkeit im Betrieb nicht eingesetzt werden dürfen. Fällt ein Zeitraum ohne Entgeltfortzahlungspflicht iSd MSchG, etwa die Karenz gem § 15 MSchG, in den Durchschnittsberechnungszeitraum einer Sonderzahlung, entfiele der Sonderzahlungsanspruch auch für Zeiträume von § 14 Abs 2 MSchG, wenn der Karenzantritt zumindest 13 Wochen vor Fälligkeit der Sonderzah-62lungen erfolgt. Da es sich bei dieser Bestimmung um absolut zwingendes Recht handelt (Wolfsgruber in
Gleich liegt die durch gegenständliche Auslegung erzeugte Rechtswidrigkeit der Kollektivvertragsnormen im Falle der Inanspruchnahme einer Väterkarenz gem § 2 VKG. Hier würde der Sonderzahlungsanspruch trotz erbrachter Arbeitsleistung ebenfalls gänzlich entfallen, wenn mindestens 13 Wochen vor Fälligkeit der Sonderzahlung die Elternkarenz angetreten wird. Diese benachteiligenden Folgen gegenständlicher Auslegung sind jedenfalls als mittelbare Diskriminierung aufgrund des Familienstandes gem § 3 GlBG anzusehen.
Conclusio
§ 13 Abs 2 KollV für Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger erscheint auslegungsbedürftig. Dem Grundsatz, dass eine Norm solange konform mit höherrangigem Recht auszulegen ist, solange dies mit dem Wortsinn vereinbar ist (Kodek in
Inwieweit der Durchrechnungszeitraum des KollV hinsichtlich der variablen Entgeltbestandteile angepasst werden kann und muss, finden sich Ansatzpunkte in § 14 Abs 1 MSchG oder in der stRsp über die Durchschnittsberechnung von Abfertigung alt, ohne dass in diesem Beitrag auf dieses Thema näher eingegangen werden kann.
Zusammenfassung
Der vom erkennenden Senat getroffenen Auslegung kann aufgrund der Invalidation der betroffenen Kollektivvertragsnormen gegenüber zwingendem Gesetzesrecht und des Normensystems des KollV nicht gefolgt werden. Ein Entfall des Sonderzahlungsanspruches, da keine Entgeltfortzahlungspflicht im Berechnungszeitraum derselben besteht, ist durch den KollV daher nicht normiert. Die durch Auslegung zu schließende Lücke besteht aber hinsichtlich des Teiles variabler Entgelte darin, wie der Durchrechnungszeitraum anzupassen wäre.63