Resch (Hrsg)Neuerungen im Arbeits- und Sozialrecht

Verlag des ÖGB, Wien 2017, 72 Seiten, kartoniert, € 24,90

STEFANKÖCK (WIEN)

Der vorliegende Band der bewährten Reihe „Schriften zum Arbeitsrecht und Sozialrecht“ des ÖGB-Verlages enthält die Publikationsfassungen der Vorträge beim PraktikerInnenseminar der Arbeiterkammer Kärnten an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt im Juni 2016. Drei aktuelle Themen werden behandelt, nämlich die wesentlichen Neuerungen des Arbeitsrechts-Änderungsgesetzes 2015, die Änderungen im Sozialversicherungsbeitragsrecht, und unionsrechtliche Entwicklungen im Urlaubsrecht.

Melzer-Azodanloo nimmt in ihrem Beitrag die durch das Arbeitsrechts-Änderungsgesetz 2015 eingeführten Neuerungen zum Anlass, kurz den jeweiligen Themenbereich zu skizzieren und in der Folge die Neuregelung im Kontext zu erläutern. Speziell behandelt werden stets auch die Inkrafttretens- und Übergangsregelungen. Bei den Neuerungen im Ausbildungskostenrückersatz beschreibt sie die Verkürzung der Standardfrist von fünf auf vier Jahre und die nun in Monaten zu stufende Aliquotierung. Sie wirft dabei ua die These ein, dass auch die Vier-Jahres-Frist im Einzelfall zu lang sein und vom Gericht herabgesetzt werden könnte. Bei den Übergangsbestimmungen behandelt sie die Frage, wann eine „neu abgeschlossene“ Vereinbarung vorliege, wobei sie (mE zu Recht) dafür eintritt, nicht auf das Arbeitsverhältnis, sondern auf die konkrete Vereinbarung betreffend den Ausbildungskostenrückersatz abzustellen. Sie behandelt auch das Detail, dass diesmal – anders als beim Inkrafttreten von § 2d AVRAG – keine Fortwirkungsanordnung für kollektivvertragliche Regelungen vorgesehen wurde. Hinsichtlich der Konkurrenzklausel stellt sie primär die (doppelte) Erhöhung der Einkommensgrenze dar, einerseits durch das Umstellen vom 17-fachen auf das 20-fache der täglichen Höchstbeitragsgrundlage, andererseits durch das ausdrückliche Ausklammern der Sonderzahlungen. Bei der Konventionalstrafe diskutiert sie die neue Obergrenze und äußert sich dabei mE zu Recht kritisch zum verwendeten Begriff des (6-fachen)86„Nettomonatsentgelts“ für den „letzten Monat“, unter ausdrücklicher Außerachtlassung der Sonderzahlungen. Bei den neuen verpflichtenden Entgeltangaben im Dienstzettel rügt Melzer-Azodanloo mE zu Recht die unbeholfene Terminologie von Grundgehalt und Grundlohn (statt Grundentgelt) und schließt sich in der kurzen Diskussion des Themas Löschnigg in der Deutung an, es handle sich dabei um das „laufende“ Entgelt, einschließlich tätigkeitsbezogener Zuschläge und Zulagen. Verdienstvollerweise behandelt sie auch die Transparenzpflicht bei Änderungen der Arbeitsbedingungen. Kurz geht Melzer-Azodanloo auf die nunmehr auch privatrechtlich verpflichtende Abrechnung der Bezüge, auf die verpflichtende Aushändigung der Anmeldung zur SV und die Informationspflicht betreffend freiwerdende Arbeitsplätze ein. Im Detail widmet sie sich auch der Neuregelung betreffend Pauschalentgeltvereinbarungen, wenn die Transparenzregelung beim Grundentgelt missachtet wird. Insgesamt ist die Darstellung gründlich und umfassend; rechtspolitische Wertungen erfolgen nur punktuell.

Matthias Klein behandelt die Änderungen im Beitragsrecht der SV. Voran stellt er dabei übersichtlich die wichtigsten veränderlichen Werte der SV in 2016. In der Folge behandelt er summarisch die durch verschiedene Gesetze vorgenommenen sonstigen Änderungen, und zwar im Meldepflicht-Änderungsgesetz (ua Aufhebung der täglichen Geringfügigkeitsgrenze, Beitragsgrundlagenmeldung, Verzugszinsen), im Steuerreformgesetz 2015/2016 (ua Vereinfachungen im Beitragsrecht der KV, Änderungen im Entgeltbegriff des § 49 ASVG, Änderungen bei den GSVG-Beiträgen), im Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz (ua Maßnahmen gegen Scheinunternehmen und entsprechende Überprüfungsbefugnisse der Krankenversicherungsträger, Maßnahmen gegen den e-card-Missbrauch) und im Sozialrechts-Änderungsgesetz 2015 (Änderungen bei der Versicherungspflicht von nebenberuflichen Notärzten). Sein Beitrag schließt mit einer Geschäftszahlen-Übersicht wesentlicher Rsp ab sowie einer leitsatzartigen Darstellung von Entscheidungen des VwGH und der BVwG zum DN-Begriff. Seine Darstellung ist – der Materie entsprechend – eher technisch-deskriptiv als diskutierend, die Informationsfülle insgesamt erheblich.

Im letzten Beitrag behandelt Kietaibl unionsrechtliche Entwicklungen im Urlaubsrecht, die er unter das Thema „vom kalendarischen zum freistellungsorientierten Urlaubsmodell“ stellt. In der Sache geht es um die bekannte Rsp-Divergenz zwischen OGH und EuGH beim Wechsel zwischen Voll- und Teilzeitbeschäftigung und um die Abgeltung offenen Resturlaubs. Vorweg stellt Kietaibl das als „kalendarisch“ bezeichnete Modell des UrlG dar, wonach primär ein kalendarischer Erholungszeitraum von fünf Wochen sichergestellt wird und das Arbeitszeitausmaß bei Urlaubsentstehung irrelevant ist. Dem stellt er analytisch das „freistellungsorientierte“ Konzept des EuGH gegenüber, wonach ein Wertguthaben erworben werden soll. Er rügt dabei – mE zu Recht – dass sich der EuGH völlig ohne Not in Details der Urlaubsberechnung verstrickt hat, obwohl die Richtlinienvorgabe eigentlich nur rudimentär ist. Er stellt auch pointiert – und auch hier zu Recht – dar, dass die beharrende Position des OGH zumindest seit den EuGH-Entscheidungen in den Rs Brandes und Greenfield nicht mehr aufrecht zu erhalten ist und dass das UrlG eine Umsetzung der EuGH-Rsp erlauben würde. Dementsprechend beschreibt Kietabil zuletzt, was die Umsetzung in Österreich bedeuten würde. Dabei geht er auch auf die selten behandelte Frage der unterjährigen Arbeitszeitänderung ein, hier würde er auf das jahresdurchschnittliche Arbeitszeitausmaß und nicht auf einen Stichtag (zB den Beginn des Urlaubsjahres) abstellen. Kietaibl stellt klar, dass diese Umsetzung in Österreich auch die Entgeltseite betreffen würde, denn nach dem EuGH ist auch die Höhe des Urlaubsentgelts zu erhalten. Dies würde die Urlaubsersatzleistung einschließen. Abschließend behandelt er die bestehende Einschränkung der EuGH-Rsp dahingehend, dass der EuGH seine Sichtweise bislang nur bei Unmöglichkeit des Urlaubsverbrauchs angewendet wissen wollte. Im Ergebnis empfiehlt er angesichts der unterschiedlichen Deutungen dazu die auch von Praktikern bereits gehandhabte Lösung, vor einem Wechsel zwischen Voll- und Teilzeit auf einem Verbrauch des Urlaubs zu beharren. Insgesamt ist sein Beitrag eine scharfsinnige, analytisch präzise und noch dazu gut lesbare Darstellung eines Problems, das der OGH bislang hartnäckig ignoriert hat.

Insgesamt stellen alle drei Teile sowohl aufgrund ihrer Aktualität als auch aufgrund ihrer Gründlichkeit einen wesentlichen Beitrag zur aktuellen arbeits- und sozialrechtlichen Literatur dar. Der wie gewohnt von Resch herausgegebene Band ist damit aufs Neue sowohl ein kurzfristig wesentlicher Helfer für Praktiker als auch eine nachhaltige Fundgrube für die Wissenschaft.87