Zum Gedenken an Robert Rebhahn

RUDOLFMOSLER (SALZBURG)

Die österreichische Rechtswissenschaft hat einen schweren Verlust erlitten. Robert Rebhahn ist am 30.1.2018, noch nicht einmal 64 Jahre alt, an den Folgen seiner schweren Erkrankung gestorben. Seine Tätigkeit kann man kurz mit „Volljurist auf höchstem Niveau“ umschreiben. Es hat kaum ein Rechtsgebiet gegeben, mit dem sich Robert Rebhahn nicht näher beschäftigt hat. Neben dem Arbeitsrecht und dem Sozialrecht gilt das vor allem auch für das Bürgerliche Recht, das Öffentliche Recht, das Europarecht und die Rechtsvergleichung. Gerade die Rechtsvergleichung hat er so betrieben, wie sie spannend und ertragreich ist, nämlich indem er die jeweiligen Rechtsstrukturen analysiert und dann tatsächlich miteinander verglichen und nicht bloß gegenübergestellt hat. Dazu hat er sogar Sprachen gelernt, um Dokumente und Literatur in der Originalsprache lesen zu können. Das hat es ihm auch ermöglicht, international in verschiedenen Sprachen in renommierten Fachzeitschriften und Kommentaren zu publizieren.

Trotz (oder wegen?) seines unglaublichen Wissens hat er sich davor gehütet, vorschnelle Schlüsse zu ziehen. Er war ein Denker und Nachdenker, ein kritischer Geist, der gerne die „herrschende Meinung“, sei es im Recht, sei es in der Politik, in Frage gestellt hat. Sein Widerspruchsgeist war allerdings weder Rechthaberei noch Besserwisserei, sondern der Suche nach einer Lösung geschuldet, die die überzeugendsten Argumente für sich hat. Legendär sind seine Ausführungen zur Unterscheidung von Rechtskunde und Rechtsdogmatik (Zu den Rahmenbedingungen von Rechtsdogmatik, in FS Koziol [2010] 1461 ff). Erstere sammle Vorhandenes und habe durchaus eine wichtige Funktion, nur letztere sei aber Wissenschaft, weil sie auch versuche, hinter die Worte des Gesetzes und der Urteile zu blicken und Zusammenhänge zu erkennen. Freilich hat sich Robert Rebhahn nicht mit rechtsdogmatischen Analysen von Einzelproblemen zufrieden gegeben, er hat das „Allgemeine im Besonderen“ gesucht. Seine weltanschauliche Offenheit war sein Markenzeichen. Er wollte nicht – wie in Österreich gerne üblich – zugeordnet werden, weder politisch noch zu einer juristischen Schule oder Richtung. Seine Unabhängigkeit als Wissenschaftler war ihm wichtig, er hat sie auch tatsächlich gelebt. Seine Erkenntnisse und Gedanken hat er gerne mit Kollegen und Kolleginnen, Freunden und Freundinnen geteilt. Gespräche mit ihm haben immer zum Nachdenken angeregt. Oft ist es mir danach so gegangen, dass ich nicht mehr ganz sicher war, ob die von mir vorher vehement vertretene Meinung tatsächlich der Weisheit letzter Schluss ist.

Unserer Zeitschrift war Robert Rebhahn als Autor sehr verbunden. Er hat unzählige Beiträge geschrieben, Abhandlungen wie Entscheidungs- und Buchbesprechungen. Zwei für ihn ganz typische Beiträge seien besonders hervorgehoben: In DRdA 2012, 131 ff, hat er einen Aufsatz zu „Kündigungsregelungen und ‚Menschenbild‘ “ verfasst. Es ist eine selten gestellte Frage, von welchem Menschenbild das – oder ein bestimmtes – Recht ausgeht. Wie der Beitrag von Rebhahn zeigt, lohnt es sich aber durchaus, darüber nachzudenken, welche Facetten des Menschenbildes etwa dem Kündigungsschutz zugrunde liegen und in welchem Verhältnis bzw Mischungsverhältnis sie auftreten. So setzt etwa die Möglichkeit der verhaltensbedingten Kündigung voraus, dass diese Sanktion verhaltenssteuernd wirkt, Menschen sich also generell oder jedenfalls zT von Sanktionen zu einem bestimmten Verhalten leiten lassen. Es ist auch eine Frage des Menschenbildes, inwieweit in diesem Rahmen kleinere Ordnungswidrigkeiten toleriert werden, dabei allenfalls auch das bisherige Verhalten mitberücksichtigt wird oder sofort die volle Strenge des Gesetzes eintritt (Rebhahn, DRdA 2012, 137). Ebenso besteht ein Zusammenhang mit dem Verhältnis von Individuum und Kollektiv. Auch hier überzeugt die tiefschürfende Analyse von Rebhahn, wenn er etwa das Spannungsverhältnis des zT kollektivrechtlich konzipierten allgemeinen Kündigungsschutzes (insb Sperrrecht des BR und Sozialvergleich) mit dem Unionsrecht beschreibt, das vom Leitbild des zu schützenden Individuums als Marktteilnehmer ausgeht.

Auch der letzte Beitrag, den Robert Rebhahn für DRdA (Heft 6/2017) verfasst hat, spricht ein sehr grundsätzliches Thema an: Bedürftigkeitsabhängige Sozialleis tungen – Bedingungen, Pauschalierungen, Differenzierungen. Diese Schriftfassung eines Vortrags bei der Zeller Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Arbeitsrecht und Sozialrecht 2017 beschäftigt sich mit Unterschieden und Gemeinsamkeiten von Mindestsicherung, Ausgleichszulage und Notstandshilfe. Dabei überrascht wenig, dass es sich um eine gründliche, kluge und ausgewogene Analyse dieser so komplexen wie rechtspolitisch umstrittenen Materien handelt. Zwei Mahnungen in der Schlussbetrachtung (DRdA 2017, 445) sind wohl „typisch Rebhahn“: Die Verbindung der Diskussionen über die Ausgestaltung der Mindestsicherung mit dem Zustrom von MigrantInnen und Flüchtlingen sei nicht hilfreich. Generell müsse man gerade bei diesen sensiblen Themen rechtliche Beurteilung und sozialpolitische Bewertung trennen. Und die Komplexheit der Mindestsicherung vergleicht er mit der bei der Haftung des Staates für AnleihegläubigerInnen (HETA). Die Überfrachtung mit „überstaatlichen“ Kontrollnormen und Vorgaben sei für eine demokratische Politik bedenklich, weil Gerichte fast alles als Inhalt des geltenden Rechts ausgeben könnten und demokratisch legitimierte Politik ihren Bewegungsspielraum verliere.

Robert Rebhahn wird uns als Autor solcher und ähnlicher Arbeiten fehlen. Wir beklagen den viel zu frühen Tod eines großen Rechtswissenschaftlers, eines klugen und gebildeten Diskussionspartners, für manche auch eines lieben Freundes. Wir werden ihn sehr vermissen.91