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Kollektivvertrag darf Kündigungsmöglichkeit nicht vom Abschluss eines Sozialplans abhängig machen

ELIASFELTEN (LINZ/SALZBURG)
§ 2 Abs 2 Z 2, § 2 Abs 2 Z 5, § 97 Abs 1 Z 4, § 109 ArbVG; § 25 KollV für die Angestellten der österreichischen Landes- Hypothekenbanken; § 54 Abs 2 ASGG
  1. Handelt es sich um eine Materie, die ihrer Art nach die Voraussetzungen für eine Inhaltsnorm erfüllt, sind die Kollektivvertragsparteien nicht auf „typische Ausgestaltungen“ dieser Materie beschränkt, vielmehr sind auch neuartige, atypische oder unübliche Regelungen zulässig.

  2. Mitwirkungsrechte, die durch die den Kollektivvertragsparteien erteilte Normsetzungsbefugnis nicht gedeckt sind, verstoßen gegen absolut zwingende Normen des ArbVG.

  3. Die in der kollektivvertraglichen Regelung vorgesehene Abhängigkeit der Kündigungsmöglichkeit des AG vom Vorliegen eines Sozialplans und der Zustimmung des BR zu diesem Sozialplan ist wegen Verstoßes gegen zwingende Bestimmungen des ArbVG nichtig.

Beschluss

[...]

Es wird festgestellt, dass die vom Geltungsbereich des KollV für die Angestellten der österreichischen Landes-Hypothekenbanken erfassten AG im Anwendungsbereich der Bestandschutzregel des § 25 des KollV die Kündigung bei Vorliegen betriebsbedingter Gründe iSd § 25 Z 1 des KollV unabhängig davon wirksam aussprechen können, ob ein Sozialplan erstellt wurde und der BR dem Sozialplan zugestimmt hat.

Begründung

Die Kollektivvertragsfähigkeit der Parteien ergibt sich aus § 4 Abs 2 ArbVG. Beide sind daher iSd § 54 Abs 2 erster Satz ASGG als Parteien des besonderen Feststellungsverfahrens legitimiert.

Unstrittig sind vom Gegenstand des Rechtsstreits auf AG-Seite und auf AN-Seite jeweils zumindest drei Personen betroffen.

§ 25 des Kollektivvertrags für die Angestellten der österreichischen Landes-Hypothekenbanken (im Folgenden: KollV) lautet:

„ ‚Erweiterter Kündigungsschutz‘ Dienstnehmer, die nicht in ein unkündbares Dienstverhältnis übernommen wurden und deren Dienstverhältnis durch Kündigung seitens der Bank zu einem Zeitpunkt enden würde, an dem sie das 45. Lebensjahr vollendet und bereits 18 Jahre in der Bank verbracht haben, können nur schriftlich und mit Angabe eines der nachstehenden Kündigungsgründe gekündigt werden:
  1. Aus betriebsbedingten Gründen, wie Rationalisierungsmaßnahmen, Fusion, Ausgliederung, Umorganisation, Änderung des Arbeitsumfanges oder der Arbeitsbedingungen ist eine Kündigung dann möglich, wenn ein Sozialplan erstellt wurde und der Betriebsrat dem Sozialplan zugestimmt hat. [...]“

Der Antragsteller begehrt die Feststellung, dass die vom Geltungsbereich des KollV erfassten AG im Anwendungsbereich der Bestandschutzregel des § 25 des KollV die Kündigung bei Vorliegen betriebsbe-152dingter Gründe iSd § 25 Z 1 des KollV unabhängig davon wirksam aussprechen können, ob ein Sozialplan erstellt wurde und der BR dem Sozialplan zugestimmt hat. Er bringt vor, § 25 Z 1 des KollV sei mangels entsprechender Regelungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien nichtig. § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG erlaube den Kollektivvertragsparteien die Regelung der gegenseitigen, aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten der AG und AN. Davon umfasst seien jedoch nur jene Inhalte, die typischerweise in Arbeitsverträgen enthalten seien. [...] Zwar seien Beendigungsfragen und Bestandschutzregeln typischer Arbeitsvertragsinhalt, dies treffe jedoch auf die Ausgestaltung der konkreten Regelung, dass eine Kündigung nur möglich sei, wenn zuvor ein Sozialplan vereinbart worden sei, nicht zu.

Darüber hinaus seien die betriebsfassungsrechtlichen Befugnisse des BR im ArbVG abschließend geregelt. § 25 Z 1 des KollV enthalte eine unzulässige und damit unwirksame Ausweitung dieser Befugnisse, weil der BR durch Nichtzustimmung zum Sozialplan betriebsbedingte Kündigungen verhindern könne. [...]

Der Antragsgegner bestritt und brachte vor, dass gem § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG nach der Judikatur jedenfalls das geregelt werden könne, was zum typischen, wesentlichen und regelmäßig wiederkehrenden Inhalt eines Arbeitsverhältnisses gehöre. Eine Erweiterung des Kündigungsschutzes für spezifische AN-Gruppen sei daher ein zulässiger und rechtskonform gestalteter Inhalt eines KollV. Aus § 25 Z 1 KollV ergebe sich, dass sich die Kollektivvertragsparteien am Tatbestandskatalog des § 109 Abs 1 ArbVG orientiert hätten. Es müsse sich daher um entsprechend weitreichende Maßnahmen handeln, die auch den Abschluss eines Sozialplans rechtfertigten. § 2 Abs 2 Z 5 ArbVG ermögliche weiters die Regelung von Mitwirkungsbefugnissen von AN bei der Durchführung von Sozialplänen durch KollV. Gerade die Auflösung von Dienstverhältnissen älterer AN stelle den Kernbereich von Sozialplanregelungen dar. [...] Die konkret zu beurteilende Regelung sei daher durch das ArbVG gedeckt.

Rechtliche Beurteilung

Der vorliegende Antrag ist zulässig und berechtigt:

1. Der zulässige Inhalt eines KollV ergibt sich aus § 2 ArbVG.

1.1. Die Regelungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien gem § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG bezüglich der gegenseitigen aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten der AG und AN umfasst als zulässigen Inhalt kollektivvertraglicher Normen nach stRsp nur den typischen, wesentlichen oder regelmäßig wiederkehrenden Inhalt eines Arbeitsvertrags (RIS-Justiz RS0033579), wozu auch Regelungen über die Beendigung von Dienstverhältnissen gehören (RIS-Justiz RS0050933; Mosler/Felten in

Gahleitner/Mosler
, Arbeitsverfassungsrecht 25 [2015] § 2 Rz 52; Marhold/Mayer-Maly, Österreichisches Arbeitsrecht II2, 60; Schrammel, Die Sozialpartner als Normsetzer, in FS Raschauer 521 ua).

Auf die in der Literatur gelegentlich geäußerte Kritik an dieser von der Rsp verwendeten einschränkenden Formulierung muss hier nicht eingegangen werden, da auch nach den von diesen Autoren vertretenen Definitionen Beendigungs- und Bestandschutzregeln jedenfalls von der Regelungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien umfasst sind. So gehen Mosler/Felten (in

Gahleitner/Mosler
, Arbeitsverfassungsrecht 25 [2015] § 2 Rz 49) davon aus, dass die Regelungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien dort endet, wo kein spezielles Bedürfnis nach einer verbindlichen Festlegung von Mindestarbeitsbedingungen mehr besteht. Nach Strasser (in
Strasser/Jabornegg/Resch
, Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz, § 2 Rz 30) ist der typische Inhalt des Arbeitsverhältnisses gemeint, also genau das, was nach der Verkehrsauffassung, der übereinstimmenden Auffassung der beteiligten Verkehrskreise, kurz der Übung des redlichen Verkehrs in der betreffenden Branche, regelmäßig unter den gegenseitigen aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Rechten und Pflichten der AG und der AN verstanden wird.

1.2. Handelt es sich aber um eine Materie, die ihrer Art nach die Voraussetzungen für eine Inhaltsnorm erfüllt, sind die Kollektivvertragsparteien entgegen der Ansicht des Antragstellers inhaltlich nicht auf „typische Ausgestaltungen“ dieser Materie beschränkt, vielmehr sind auch neuartige, atypische oder unübliche Regelungen zulässig (vgl Firlei, Mitbestimmung durch Inhaltsnormen?, FS Floretta 476), da sonst den Kollektivvertragsparteien die Möglichkeit genommen wäre, auf Veränderungen oder Notwendigkeiten der Arbeitswelt durch entsprechende, einzelvertraglich noch nicht übliche Regelungen zu reagieren und damit auf die Vertragsverhältnisse der von ihnen vertretenen Parteien gestalterisch einzuwirken.

2. Zu prüfen ist allerdings, ob in der hier zu beurteilenden Kollektivvertragsnorm eine grundsätzlich zulässige Inhaltsnorm unzulässig mit einer Erweiterung betrieblicher Mitbestimmungs- oder Mitwirkungsmöglichkeiten verknüpft wird.

2.1. Der OGH geht in stRsp davon aus, dass die Bestimmungen des ArbVG im Allgemeinen zwingenden, und zwar regelmäßig absolut (zweiseitig) zwingenden Charakter haben und daher durch kollektive oder privatautonome Rechtsgestaltung nicht abgeändert werden können (vgl die umfassende Darstellung der diesbezüglichen Literatur und Judikatur in 8 ObA 12/04d; weiters Jabornegg in FS Strasser [1983], Absolut zwingendes Arbeitsverfassungsrecht 367 f mwN; ders, Grenzen kollektivvertraglicher Rechtssetzung und richterliche Kontrolle, JBl 1990, 205 ff). Das hat insb für die Mitbestimmungsrechte der Belegschaft in den Bestimmungen des ArbVG über die Betriebsverfassung zu gelten. Es muss nämlich davon ausgegangen werden, dass das ArbVG, das die Belegschaftsbefugnisse derart speziell, fein differenziert und je nach Materie besonders abgestuft geregelt hat, eine endgültige, durch autonome Regelung grundsätzlich nicht abänderbare Ordnung schaffen wollte (9 ObA 31/04f mwN). Es stellt eine grundsätzliche Wertung des Gesetzgebers dar, welche Mitverantwortung er einem vom Gesetz in spezifischer Weise gerade im Hinblick auf die übertragenen Aufgabenstellungen konstituierten Organ – dem BR – bei der Gestaltung des Betriebsgeschehens überantwortet und mit welchen Verantwortungen er dieses Organ nicht belasten will. Ist doch als153Kehrseite zusätzlicher Mitbestimmungsrechte auch die Frage nach der Pflichtbindung bei der Ausübung dieser Rechte und die Verantwortlichkeit dafür zu stellen und stehen die Organisation und die übertragenen Aufgabenstellungen regelmäßig in einer Wechselbeziehung (8 ObA 12/04d).

2.2. Selbst unter Zugrundelegung des Doppelcharakters kollektivvertraglicher Regelungen in Personalangelegenheiten, die einerseits die wechselseitigen Rechte und Pflichten des AG und des AN und andererseits die Mitwirkungsrechte des BR betreffen, wird in den zweiseitig zwingenden Charakter der Normen des ArbVG eingegriffen. Bei den Normen über die Rechtssetzungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien handelt es sich um einheitliche, unteilbare Normen, sodass nicht nur ein Teil (nämlich die Inhaltsnorm), sondern ihr gesamter Inhalt durch die den Kollektivvertragsparteien verliehene Rechtssetzungsbefugnis derart gedeckt sein muss, dass sie sich widerspruchsfrei in das System der Regelung der Mitwirkungsrechte des BR einfügen lassen (9 ObA 606/92 mwN). Mitwirkungsrechte, die durch die den Kollektivvertragsparteien erteilte Normsetzungsbefugnis nicht gedeckt sind, verstoßen gegen absolut zwingende Normen des ArbVG. Sie sind daher nichtig. So wurden bereits wiederholt in Kollektivverträgen vorgesehene Zustimmungen bzw Anhörungsrechte des BR zu Kündigungen als unwirksam erachtet (9 ObA 606/92; 8 ObA 276/94; 9 ObA 110/95; 8 ObA 269/95; 9 ObA 133/95; 8 ObA 290/95). Auch in Betriebsvereinbarungen vorgesehene Zustimmungsrechte des BR zu Kündigungen bzw der Verzicht auf das Recht, eine Kündigung anzufechten, wurden als nichtig angesehen (8 ObA 338/99k; 8 ObA 79/03p).

Allgemein ist davon auszugehen, dass Regelungen in Kollektivverträgen oder Betriebsvereinbarungen, nach denen eine gesetzlich vorgesehene Stellungnahme des BR arbeitsvertragsrechtlich stärkere Wirkung entfalten soll, als das Gesetz selbst dies vorsieht, dann, wenn diese Ausweitung der Rechte des BR vom Gesetz nicht gedeckt ist, gegen die zwingenden Normen des ArbVG verstoßen.

2.3. Im vorliegenden Fall wird in § 25 Z 1 KollV die Zulässigkeit der Kündigung der dort genannten AN vom Vorliegen eines Sozialplans abhängig gemacht, dem „der Betriebsrat zugestimmt hat“. Auch wenn nach der Formulierung dieser Bestimmung das Vorliegen des Sozialplans scheinbar nur eine objektive Tatbestandsvoraussetzung darstellt, bewirkt dies mittelbar eine Erweiterung der Rechte des BR, die sich aus § 97 Abs 1 Z 4 iVm § 109 ArbVG in Zusammenhang mit dem Abschluss von Sozialplänen ergeben. Zwar sieht § 109 Abs 3 ausdrücklich vor, dass bei Betriebsänderungen, die mit der Kündigung von AN verbunden ist, die BV auf die Interessen älterer AN besonders Bedacht zu nehmen hat. Daraus ergibt sich aber kein Sperrrecht des BR gegen Kündigungen älterer AN durch Verweigerung des Abschlusses eines Sozialplanes. Selbst wenn man die Regelung im KollV dahin interpretiert, dass keine Zustimmung des BR vorausgesetzt wird, sondern Kündigungen auch nach einer erzwungenen BV durch Entscheidung der Schlichtungsstelle zulässig sind, ermöglicht die Regelung durch Verweigerung einer Zustimmung zum Sozialplan durch den BR diesem eine zeitliche Verzögerung des Kündigungsrechts des AG, was ebenfalls keine Deckung im ArbVG findet.

2.4. Soweit der Antragsgegner auf § 2 Abs 2 Z 5 ArbVG verweist, wonach Kollektivverträge Art und Umfang der Mitwirkungsbefugnisse der Arbeitnehmerschaft bei Durchführung von Maßnahmen gem Z 4 und von Maßnahmen iSd § 97 Abs 1 Z 9 ArbVG, daher bei Durchführung von Sozialplänen einräumt, lässt sich auch daraus eine Zulässigkeit der hier zu beurteilenden Kollektivvertragsbestimmung nicht ableiten. Mit „Art“ ist die Intensität (Information, Anhörung, Beratung, minderheitliche Mitentscheidung, gleichberechtigte Mitentscheidung) und mit „Umfang“ sind die Fragenbereiche des Sozialplans gemeint, auf die sich die Mitwirkung beziehen soll. „Bei der Durchführung“ heißt, dass in Bezug auf alle oder auf einige der im jeweiligen Sozialplan vorgesehenen Maßnahmen Beteiligungsrechte der Belegschaftsorgane vorgesehen werden können (Strasser in

Strasser/Jabornegg/Resch
, Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz [2002], § 2 Rz 46). § 25 Z 1 KollV ermöglicht den Betriebsparteien aber nicht, in der BV weitergehende Mitwirkungsbefugnisse oder Rechte zu vereinbaren, sondern macht die Zulässigkeit der Kündigung durch den AG vielmehr vom Vorliegen einer BV nach § 97 Abs 1 Z 4 ArbVG abhängig. Damit bietet auch § 2 Abs 2 Z 5 ArbVG keine Grundlage für die Erweiterung der dem BR durch diese Bestimmung eingeräumten Befugnisse.

2.5. Die in der kollektivvertraglichen Regelung vorgesehene Abhängigkeit der Kündigungsmöglichkeit des AG vom Vorliegen eines Sozialplans und der Zustimmung des BR zu diesem Sozialplan ist daher wegen Verstoßes gegen zwingende Bestimmungen des ArbVG nichtig.

3.1. Ist eine (kollektiv-)vertragliche Regelung gesetzwidrig, so ist primär der Schutzzweck der Verbotsnorm dafür maßgebend, ob die gesamte Regelung nichtig ist oder von der Restgültigkeit der übrigen Bestimmung auszugehen ist (vgl 9 ObA 2264/96y).

[...]

3.3. [...] Die Regelung des § 25 KollV sieht für ältere, langjährig im Betrieb beschäftigte AN eine Kündigungsmöglichkeit für den AG nur unter den dort genannten Kündigungsgründen, darunter auch aus betriebsbedingten Gründen, vor. Auch im vorliegenden Fall kann davon ausgegangen werden, dass der AG dem erweiterten Kündigungsschutz nur unter Einräumung dieser – ohnehin sehr eingeschränkten – Kündigungsmöglichkeiten zugestimmt hätte. Andererseits entspricht es den Interessen der AN, diesen Kündigungsschutz unter Einräumung bestimmter Kündigungsgründe auch ohne erweiterte Mitwirkung des BR aufrecht zu erhalten.

4. Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, dass Kündigungen von DN, die nicht in ein unkündbares Dienstverhältnis übernommen wurden und deren Dienstverhältnis durch Kündigung seitens der Bank zu einem Zeitpunkt enden würde, an dem sie das 45. Lebensjahr vollendet und bereits 18 Jahre in der Bank verbracht haben, aus den im KollV genannten betriebsbedingten Gründen unabhängig davon möglich sind, ob ein Sozialplan erstellt wurde und der BR dem Sozialplan zugestimmt hat. [...]154

ANMERKUNG

Der gegenständliche Beschluss geht auf einen Feststellungsantrag gem § 54 Abs 2 ASGG einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft iSd § 4 Abs 2 ArbVG zurück. Der OGH war aufgerufen, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob im Anwendungsbereich des KollV für die Angestellten der österreichischen Landes-Hypothekenbanken (im weiteren kurz Hypo-KollV) betriebsbedingte Kündigungen auch dann ausgesprochen werden können, wenn kein Sozialplan abgeschlossen wurde. Die Kollektivvertragsparteien hatten sich auf einen „erweiterten Kündigungsschutz“ geeinigt. Die Kündigung von Mitarbeitern eines bestimmten Alters und mit einer bestimmten Anzahl von Vordienstzeiten sollte aus betriebsbedingten Gründen, wie Umstrukturierungen oder Rationalisierungen, nur noch dann möglich sein, wenn zuvor ein Sozialplan ausverhandelt wurde, dem der BR seine Zustimmung erteilt hat. Der Zweck dieser Regelung liegt offenkundig darin, dass dieser Personengruppe, die auf Grund ihres Alters kaum mehr Chancen am Arbeitsmarkt hat, spezielle Unterstützungen gewährt werden sollen, um die nachteiligen Folgen der Kündigung abzufedern. Aus diesem Grund war die Regelung auch so formuliert, dass das Vorliegen eines Sozialplans Wirksamkeitsvoraussetzung für den Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung sein sollte.

Ob eine derartige Verknüpfung des Kündigungsrechts mit dem Abschluss eines Sozialplans zulässigerweise von den Kollektivvertragsparteien vereinbart werden kann, sollte der OGH im Rahmen des besonderen Feststellungsverfahrens gem § 54 Abs 2 ASGG klären. Im Kern geht es also letztlich um die Reichweite der Regelungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien. Vor diesem Hintergrund mutet es freilich einigermaßen befremdlich an, dass gerade eine der beiden kollektivvertragsschließenden Parteien den Feststellungsantrag eingebracht hat. Denn das bedeutet nichts anderes, als dass jene Partei, die ursprünglich die fragliche Vereinbarung ausverhandelt und ihr zugestimmt hat, nunmehr vom OGH festgestellt bekommen will, dass dies eigentlich rechtswidrig war. Nach dem Wortlaut des § 54 Abs 2 ASGG ist das zwar zweifelsfrei möglich. Ob das tatsächlich Sinn und Zweck des besonderen Feststellungsverfahrens ist, darf aber dahingestellt bleiben.

Inhaltlich hatte sich der OGH im Wesentlichen mit drei Fragen auseinanderzusetzen: (1.) Kann die Vereinbarung eines derartigen „erweiterten Kündigungsschutzes“ noch als typischer bzw regelmäßig wiederkehrender Inhalt eines KollV qualifiziert werden? Bisher hatte nämlich der OGH mit Hilfe der „Typizität“ die Regelungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien in Bezug auf Inhaltsnormen eingegrenzt. (2.) Können die Kollektivvertragsparteien die Wirksamkeit betriebsbedingter Kündigungen von der Zustimmung des BR zu einem Sozialplan abhängig machen? Nach den Regelungen des ArbVG kann zwar der BR einer geplanten Kündigung seine Zustimmung verweigern. Dies hat aber lediglich Auswirkungen auf die Anfechtbarkeit der Kündigung, nicht hingegen auf ihre Wirksamkeit. Im konkreten Fall war jedoch von den Kollektivvertragsparteien gewollt, dass ohne Sozialplan betriebsbedingte Kündigungen „nicht möglich sein sollen“. (3.) Welche Auswirkungen hat es auf den vereinbarten „erweiterten Kündigungsschutz“, wenn mangels entsprechender Regelungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien auch betriebsbedingte Kündigungen ohne Sozialplan zulässig sein sollten?

Zur Beantwortung letzterer Frage konnte der OGH im Wesentlichen auf bestehende Rsp zurückgreifen. Für die ersten beiden Aspekte trifft das hingegen nicht im selben Ausmaß zu. Deshalb sollen diese auch im Mittelpunkt der nachfolgenden Überlegungen stehen.

1.
„Typizität“ von Inhaltsnormen als Maßstab der Regelungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien

Bemerkenswert, weil überraschend, sind die Ausführungen des OGH zur Frage, ob die Regelungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien sich nur auf „typische, wesentliche und regelmäßig wiederkehrende“ Inhalte von Arbeitsverträgen bezieht. Darauf hatte sich im konkreten Fall der Antragsteller berufen. Er hatte vorgebracht, dass die rechtliche Verschränkung des Kündigungsrechts mit dem Abschluss eines Sozialplans nicht mehr als „typischer“ Regelungsgegenstand bezeichnet werden kann. Zwar genießen die Kollektivvertragsparteien gem § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG sogenannte „Kollektivvertragsautonomie“. Dh, sie können frei darüber entscheiden, ob sie überhaupt einen KollV abschließen wollen und welche Inhalte Gegenstand der Vereinbarung sein sollen. Dennoch ist der OGH der Meinung, dass die Kollektivvertragsautonomie nicht deckungsgleich mit der Privatautonomie sei. Nicht alles, was in einem Arbeitsvertrag vereinbart werden kann, darf auch in einem KollV geregelt werden. Vielmehr seien die Kollektivvertragsparteien auf Grundlage des § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG auf jene Regelungsgegenstände beschränkt, die „typischer, wesentlicher oder regelmäßig wiederkehrender Inhalt eines Arbeitsverhältnisses“ sind (OGH4 Ob 108/81ZAS 1983, 101 [Geppert] =

[Wachter]
; seither stRsp, vgl bloß RIS-Justiz RS0033579). An dieser Einschränkung wurde seit jeher berechtigte Kritik geübt (Firlei, Mitbestimmung durch Inhaltsnormen? in FS Floretta [1983] 469 ff; Wachter, Regelungsbefugnis der KollV-Parteien,  ff); zum einen, weil sie einer rechtlichen Grundlage entbehrt (Strasser in
Jabornegg/Resch/Strasser
, ArbVG § 2 Rz 30), zum anderen, weil sie schlichtweg nicht praktikabel ist. Soll es wirklich darauf ankommen, wie häufig eine bestimmte Regelung in einem Arbeitsvertrag vereinbart wurde? Woran macht man fest, ob eine Regelung „typisch“ ist? Letzteres wird man ebenfalls nur anhand eines quantitativen Maßstabs beurteilen können. In diesem Fall fragt man sich aber, worin der Unterschied zwischen einem „typischen“ und einem „regelmäßig wiederkehrenden“ Inhalt besteht. Darüber hinaus bleibt offen, wer darüber entscheidet, ob ein bestimmter Inhalt „typisch“ ist (krit deshalb bereits Mosler/Felten in
Gahleitner/Mosler
[Hrsg], ArbVG 25 [2015] § 2 Rz 48). Das155zuständige Gericht wird das idR nur schwer selbst beurteilen können. Die Kollektivvertragsparteien sind mit Sicherheit näher am Problem dran und hätten den erforderlichen Sachverstand. Vor diesem Hintergrund ist es beinahe absurd, den Kollektivvertragsparteien die Regelungsbefugnis mit dem Hinweis absprechen zu wollen, sie hätten einen „atypischen“ Regelungsinhalt vereinbart.

Folglich ist es zu begrüßen, dass der OGH mit der gegenständlichen E endlich von seiner bisherigen Rsp abzugehen scheint (idS ebenso Grillberger, wbl 2017, 651). Zwar spricht er dies nicht ausdrücklich aus. Ganz im Gegenteil! Der OGH zitiert sogar seine bisherige Rsp. Allerdings hält er in weiterer Folge unter Berufung auf Firlei fest, dass die Kollektivvertragsparteien nicht auf die „typischen Ausgestaltungen“ von Inhaltsnormen beschränkt sind, sondern auch „neuartige, atypische oder unübliche Regelungen“ vereinbaren können. Der Gerichtshof begründet diesen Sinneswandel damit, dass „sonst den Kollektivvertragsparteien die Möglichkeit genommen wäre, auf Veränderungen oder Notwendigkeiten der Arbeitswelt durch entsprechende, einzelvertraglich noch nicht übliche Regelungen zu reagieren und damit auf die Vertragsverhältnisse der von ihnen vertretenen Parteien gestalterisch einzuwirken“. In diesem Punkt ist dem OGH vollinhaltlich Recht zu geben. Für die Regelungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien kann es nicht darauf ankommen, ob ein bestimmter Inhalt „typisch“ ist. Entscheidend ist vielmehr, ob ein entsprechendes (Schutz-)Bedürfnis nach normativ wirkenden, kollektiven Mindeststandards besteht (Mosler/Felten in

Gahleitner/Mosler
[Hrsg], ArbVG 25 § 2 Rz 49).

Im Ergebnis hat der OGH mit der vorliegenden E den Gestaltungsspielraum der Kollektivvertragsparteien erheblich ausgedehnt und ihnen die Möglichkeit gegeben, auf aktuelle Entwicklungen reagieren zu können. In einer Zeit, die von einer rapiden Technologisierung und Digitalisierung geprägt ist, erscheint dies als zentrale Weichenstellung, um adäquate Antworten auf neue, sich stellende Herausforderungen zu finden. In diesem Punkt kann also die Bedeutung der gegenständlichen E gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

2.
Unzulässige Vereinbarung zusätzlicher Mitbestimmungsrechte des BR

Wenig überraschend sind hingegen die Ausführungen des OGH zu der Frage, ob die Kollektivvertragsparteien vereinbaren können, dass die Möglichkeit betriebsbedingter Kündigungen nur dann bestehen soll, wenn zuvor ein Sozialplan abgeschlossen wurde (so auch Grillberger, wbl 2017, 651). Der Gerichtshof verneint dies mit Verweis auf die zweiseitig zwingende Wirkung des Betriebsverfassungsrechts. Er ist der Ansicht, dass die streitgegenständliche Vereinbarung zu einer unzulässigen Erweiterung der Mitbestimmungsrechte des BR führt. De facto werde nämlich dem BR die Entscheidungsgewalt über die Frage eingeräumt, ob es eine betriebsbedingte Kündigung geben soll oder nicht. Der AG kann nur dann eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen, wenn zuvor der BR seine Zustimmung zu einem Sozialplan gegeben hat. Auf den Punkt gebracht: Ohne Zustimmung zum Sozialplan keine Kündigung. Die Regelung des § 25 Z 1 Hypo-KollV läuft also letztlich auf die Einräumung einer notwendigen Mitbestimmung bei betriebsbedingten Kündigungen hinaus. Eine solche ist aber im ArbVG nicht vorgesehen. Zwar kann der BR im Rahmen des betriebsverfassungsrechtlichen Vorverfahrens gem § 105 ArbVG einer geplanten Kündigung seine Zustimmung verweigern. Das ändert jedoch nichts an der Rechtswirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung, sondern schafft lediglich die Voraussetzung zu ihrer Anfechtung. Vor diesem Hintergrund ist also die Ansicht des OGH nicht nur vertretbar, sondern auch konsequent.

Das setzt freilich voraus, dass man die Ansicht teilt, dass die Mitwirkungsrechte des BR nicht zur Disposition der Kollektivvertragsparteien stehen. In diese Richtung weist tatsächlich die Regelung des § 2 Abs 2 ArbVG. Lediglich im schmalen Anwendungsbereich der Z 5 können „Art und Umfang der Mitwirkungsbefugnisse der Arbeitnehmerschaft“ durch KollV geregelt werden. Darin wird zumeist ein gewichtiges Argument für die Richtigkeit der These von der zweiseitig zwingenden Wirkung des ArbVG gesehen. Diese geht im Wesentlichen auf Jabornegg zurück, der den Nachweis geführt hat, dass die Regelungen des ArbVG abschließend zu verstehen sind (Absolut zwingendes Arbeitsverfassungsrecht, in FS Strasser [1983] 367 ff). Der OGH beruft sich in der gegenständlichen E sogar auf ein zentrales Argument Jaborneggs. Da der Gesetzgeber des ArbVG die Mitwirkungsrechte des BR in einer derart speziellen, fein ausdifferenzierten und je nach Materie besonders abgestuften Form geregelt hat, ist davon auszugehen, dass er damit eine „endgültige, durch autonome Regelung grundsätzlich nicht abänderbare Ordnung schaffen wollte“ (Jabornegg, Absolut zwingendes Arbeitsverfassungsrecht, in FS Strasser 381).

Diese Überlegungen haben vieles für sich. Ihre Richtigkeit hängt aber letztlich davon ab, ob der Gesetzgeber des ArbVG tatsächlich „eine abgeschlossene“ Ordnung geschaffen hat. Dafür, dass die Einzelvertragsparteien die Mitwirkungsrechte im Rahmen ihrer Privatautonomie abändern können sollen, gibt es in der Tat keinerlei Anhaltspunkt (siehe dazu Jabornegg, Absolut zwingendes Arbeitsverfassungsrecht, in FS Strasser 382 f). Dasselbe gilt für die Betriebsparteien selbst. Denn dadurch wäre die Vorrangstellung des KollV in Frage gestellt. Weniger eindeutig ist hingegen der Gestaltungsspielraum der Kollektivvertragsparteien. Ganz im Gegenteil! Es entspricht nicht nur der hM, sondern ist direkt im ArbVG grundgelegt, dass die Kollektivvertragsparteien die Befugnisse des BR erweitern können. Aus § 29 ArbVG ergibt sich klar, dass die Betriebsparteien Betriebsvereinbarungen über alle Angelegenheiten abschließen dürfen, „deren Regelung durch Gesetz oder Kollektivvertrag der Betriebsvereinbarung vorbehalten ist“. MaW, die Kollektivvertragsparteien können die Betriebsparteien zur Regelung bestimmter Angelegenheiten mittels BV ermächtigen und zwar auch in Bezug auf Regelungsinhalte, die nicht bereits vom Betriebs-156verfassungsrecht erfasst sind. Oder anders ausgedrückt, die Kollektivvertragsparteien können die Regelungsbefugnis der BV über die Angelegenheiten der §§ 96-97 ArbVG hinaus erweitern. So steht bspw außer Streit, dass auf diese Weise eine – vom ArbVG grundsätzlich nicht vorgesehene – Befugnis des BR geschaffen werden kann, Entgeltregelungen zu treffen (vgl bloß Pfeil in

Gahleitner/Mosler
[Hrsg], ArbVG 25 § 29 Rz 40 mwN). Die einzige Grenze, die in diesem Zusammenhang besteht, ist, dass es sich um Angelegenheiten handeln muss, die der KollV selbst auch regeln darf (OGH9 ObA 606/92
[Jabornegg]
; RIS-Justiz RS0050863). Die Kollektivvertragsparteien können also lediglich ihre eigene Regelungsbefugnis an die Betriebsparteien delegieren. Da aber die Kollektivvertragsparteien Kollektivvertragsautonomie genießen, bedeutet dies im Ergebnis eine erhebliche Ausdehnung der Regelungsbefugnis der Betriebsparteien im Vergleich zum gesetzlichen Modell des ArbVG (ebenso Kietaibl in
Tomandl
[Hrsg], ArbVG § 29 Rz 23). Es ist daher auch in der Lehre unbestritten, dass § 29 ArbVG eine Durchbrechung des Grundsatzes bedeutet, dass die Befugnisse der Arbeitnehmerschaft durch KollV nicht erweitert werden können (Pfeil in
Gahleitner/Mosler
[Hrsg], ArbVG 25 § 29 Rz 40; Kietaibl, Arbeitsrecht I9 [2015] 270). Damit steht aber fest, dass die Betriebsverfassung gerade keine unabänderbare Ordnung ist.

Diese Feststellung ist deshalb von Bedeutung, da, wie der OGH selbst festhält, kein Zweifel besteht, dass die Kollektivvertragsparteien sowohl zur Regelung eines erweiterten Kündigungsschutzes als auch von Sozialplänen befugt sind. Ersteres ergibt sich aus § 2 Abs 2 Z 2, letzteres aus § 2 Abs 2 Z 5 ArbVG. Demnach sind die Kollektivvertragsparteien auch berechtigt, beide Angelegenheiten zur Regelung an die Betriebsvereinbarungsparteien zu delegieren. Es kann demnach außer Streit gestellt werden, dass es zulässig gewesen wäre, hätten die Kollektivvertragsparteien vereinbart, dass die nähere Ausgestaltung des erweiterten Kündigungsschutzes durch die Betriebsparteien mittels BV vorgenommen werden soll. Auf diese Weise kann der gesetzliche Gestaltungsspielraum der Betriebsparteien über § 97 Abs 1 Z 22 ArbVG hinaus ausgedehnt werden. Auch das ist im Ergebnis nichts anderes als eine Erweiterung der gesetzlichen Mitwirkungsrechte des BR bei Kündigungen. Der Verweis auf die zwingende Wirkung des ArbVG erweist sich also im gegebenen Zusammenhang letztlich als wenig überzeugend, wenn man die fragliche Kollektivvertragsbestimmung als bloße Delegation einer Regelungsbefugnis interpretiert.

Das eigentliche Problem scheint für den OGH freilich die Verknüpfung des Kündigungsrechts mit dem Abschluss eines Sozialplans zu sein. Es stellt sich die Frage, ob darin tatsächlich ein „aliud“ zu einer bloßen Delegation der Regelungsbefugnis zu sehen ist. Ein Argument dafür könnte sein, dass auf diese Weise nicht mehr bloß – wie im Falle einer Delegation – eine fakultative, sondern de facto eine notwendige Mitbestimmung des BR geschaffen wird (idS wohl Kietaibl in

Tomandl
[Hrsg], ArbVG § 29 Rz 25). Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass die fragliche Bestimmung auch so ausgelegt werden kann, dass dem BR gar kein echtes Sperrrecht zukommt, da ja die Möglichkeit besteht, den Abschluss eines Sozialplans und damit auch das Kündigungsrecht zu erzwingen. Von einer notwendigen Mitbestimmung kann also keine Rede sein. Das sieht auch der OGH. Allerdings ist er der Auffassung, dass bereits der bloße Umstand, dass der BR durch Verweigerung seiner Zustimmung zum Sozialplan die Ausübung des Kündigungsrechts des AG verzögern kann, die Unzulässigkeit der Regelung bewirkt, da diese Verzögerungsmöglichkeit keine Deckung im ArbVG findet. Das ist freilich eine denkbar strenge Lesart der These von der zweiseitig zwingenden Wirkung des ArbVG. Grillberger hat bereits darauf hingewiesen, dass der Betriebsinhaber auf diese Weise keineswegs zu einem Tun oder Unterlassen gezwungen wird (wbl 2017, 652). Die Regelung des § 25 Z 1 Hypo-KollV hat primär Auswirkungen auf den zeitlichen Ablauf der geplanten Kündigung. De facto wird nur die Intensität des gesetzlichen Mitwirkungsrechts verändert, nicht hingegen dieses selbst. Es ist daher fraglich, ob überhaupt von einer „Erweiterung“ der Mitwirkungsrechte des BR die Rede sein kann.

3.
Fazit

Die vorliegende E des OGH ist bedeutsam. Auch wenn das vom OGH nicht ausdrücklich ausgesprochen wird, stellt sie einen der wenigen Fälle einer Judikaturänderung dar. Es spricht vieles dafür, dass der Gerichtshof gewillt ist, seine restriktive Rsp zur Auslegung des § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG aufzugeben und in Zukunft die Grenzen der Regelungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien nicht mehr mit Hilfe der „Typizität“ der betreffenden Angelegenheit zu bestimmen. Damit eröffnet er den Kollektivvertragsparteien wichtige, neue Gestaltungsmöglichkeiten, die insb vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung unumgänglich erscheinen. Die Kollektivvertragsparteien werden zunehmend mit der Situation konfrontiert sein, Antworten auf neue, atypische Phänomene zu finden. Die rechtlichen Grundlagen dafür hat der OGH mit der gegenständlichen E geschaffen.

Denkbar restriktiv sind im Gegensatz dazu seine Ausführungen zur Möglichkeit der Koppelung des Kündigungsrechts des AG mit dem Abschluss eines Sozialplans. Der OGH hat unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er zusätzlichen Mitwirkungsrechten des BR bei Kündigungen grundsätzlich ablehnend gegenübersteht, selbst wenn sie, wie im konkreten Fall, im Ergebnis bloß darauf hinauslaufen, dass der BR die Kündigung zeitlich verzögern kann. Das wird mit der zweiseitig zwingenden Wirkung des ArbVG begründet. Diese Rechtsauffassung des OGH ist zwar stringent, aber keineswegs zwingend. Denn die Befugnisse des BR sind kein unabänderliches Ordnungssystem. Vielmehr hat der Gesetzgeber den Kollektivvertragsparteien diesbezüglich de lege lata weitreichende Gestaltungsspielräume eingeräumt.157