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Kollektivvertragsangehörigkeit bei unrichtiger Eingruppierung eines Arbeitgebers durch die Wirtschaftskammer

MICHAELFRIEDRICH (GRAZ)
  1. Die Frage der Mitgliedschaft des AG zu einer bestimmten Fachgruppe im Rahmen seiner Wirtschaftskammer-Mitgliedschaft und damit jene nach dem anzuwendenden KollV unterliegt im Hinblick auf die Ausschließlichkeitskompetenz der Selbstverwaltung der Kammer nicht der Beurteilung durch das Gericht.

  2. Für die Kollektivvertragsunterworfenheit ist die im § 8 Z 1 ArbVG erwähnte Mitgliedschaft in der Form maßgeblich, wie sie faktisch gehandhabt wird, also durch Zuordnung durch die Kammer zu einem bestimmten Fachverband oder eine Innung.

  3. Nach § 2 Abs 13 GewO 1994 haben Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, die für Arbeitsverhältnisse zu AG gelten, welche ihre Tätigkeiten aufgrund von Gewerbeberechtigungen ausüben, auch für Arbeitsverhältnisse zu jenen AG Geltung, welche diese Tätigkeiten ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung ausüben. Für diese Bestimmung macht es keinen Unterschied, ob der AG hinsichtlich seiner Tätigkeit eine nicht einschlägige oder gar keine Gewerbeberechtigung hat.

Der Kl war bei der Bekl vom 9.9. bis 30.11.2014 als Messemonteur mit einem Bruttomonatslohn von 1.963,01 € beschäftigt. Im Arbeitsvertrag wurde festgehalten, dass „aufgrund der Zugehörigkeit des AG zu Fachgruppe/Innung/Gremium ‚Zusammenbau von Kabinen und Standbauelementen aus vorgefertigten Teilen‘“ kein KollV zur Anwendung kommt. Das Arbeitsverhältnis wurde einvernehmlich aufgelöst.

Die Bekl übt seit 14.4.2005 das freie Gewerbe „Zusammenbau von Kabinen und Standbauelementen aus vorgefertigten Teilen“ aus. Ab 27.5.2005 gehörte sie der Fachgruppe 151/16 (gewerbliche Dienstleister) an, die im Jahr 2010 eine neue Nummer (126/9900) erhielt. Am 5.11.2014 wurde von der Wirtschaftskammer fälschlicherweise eine Umreihung der Bekl von der Fachgruppe 126/9900 (gewerbliche Dienstleister) in die Fachgruppe 110/0800 (Metalltechnik) vorgenommen. Diese falsche Umreihung wurde am 22.6.2016 rückwirkend korrigiert und der Bekl mitgeteilt, dass sie somit seit jeher der Fachgruppe der gewerblichen Dienstleister zugeordnet sei. Die Bekl war zu keinem Zeitpunkt im Rahmen der Landesinnung der Metalltechniker tätig.

Die vom Kl mit der vorliegenden Klage begehrte Urlaubsersatzleistung wurde ihm rechtskräftig teilweise zugesprochen und im Umfang des Mehrbegehrens abgewiesen. Revisionsgegenständlich sind nur mehr die von ihm auf die Geltung des KollV für Arbeiter im eisen- und metallverarbeitenden Gewerbe gestützten Sonderzahlungen, die er für 83 Tage (9.9.-30.11.2014) mit 892,77 € brutto bezifferte. Nach Ansicht des Kl könne die möglicherweise falsche Einreihung der Bekl nicht zu seinen Lasten gehen.

Die Bekl bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte die Unanwendbarkeit des KollV ein.

Das Erstgericht wies diesen Teil des Klagebegehrens ab. Die Bekl sei zu keinem Zeitpunkt Mitglied der Landesinnung der Metalltechniker gewesen und unterliege somit nicht dem fachlichen Geltungsbereich des KollV für Arbeiter im eisen- und metallverarbeitenden Gewerbe. Der Kl könne aus der fälschlichen Ummeldung keine Ansprüche ableiten, weil im Arbeitsvertrag (richtig) darauf hingewiesen worden sei, dass das Arbeitsverhältnis keinem KollV unterliege. Er habe kein schutzwürdiges Vertrauen auf die Anwendbarkeit eines bestimmten KollV.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl nicht Folge. Die angestrebte Anwendbarkeit des KollV setze die Kollektivvertragsangehörigkeit der Bekl iSd § 8 Z 1 ArbVG voraus, sohin dass die Bekl zur Zeit des Abschlusses des KollV Mitglied einer am KollV auf Arbeitgeberseite beteiligten Interessenvertretung gewesen oder später geworden sei. Diese Mitgliedschaft sei in der Form maßgeblich, wie sie faktisch gehandhabt werde, also durch die Zuordnung durch die Kammer zu einem bestimmten Fachverband. Aufgrund des Zwangscharakters der Wirtschaftskammermitgliedschaft und der Zuordnung zu einer bestimmten Fachgruppe seien Mitgliedschaftsfragen ausschließlich Angelegenheiten der Selbstverwaltung der Wirtschaftskammerorganisation. Die Frage der (materiell-rechtlichen) Richtigkeit der Zuordnung zu einer Fachgruppe sei somit der Prüfung durch die Gerichte entzogen. Aus denselben Gründen müsse auch die Beurteilung der (formell-rechtlichen) Zulässigkeit der im Zusammenhang mit der Zuordnung durch die Wirtschaftskammern gesetzten Rechtsakte der gerichtlichen Kontrolle entzogen sein. Zu diesem Aspekt sei die Revision zulässig.

In seiner dagegen gerichteten Revision beantragt der Kl die Abänderung des Berufungsurteils iS einer Klagsstattgabe; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Bekl beantragt, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

1. Der Kl stützt seinen Anspruch auf die Geltung des KollV für Arbeiter im eisen- und metallverarbeitenden Gewerbe, der arbeitgeberseitig – soweit hier von Relevanz – ua von der Bundesinnung der Metalltechniker abgeschlossen wurde. Dass die Bekl über eine der Metalltechnik entsprechende Gewerbeberechtigung verfügt hätte, wurde weder behauptet noch festgestellt. Sie war vielmehr zur Ausübung eines freien Gewerbes („Zusammenbau von Kabinen und Standbauelementen aus vorgefertigten Teilen“) berechtigt.

2. Die Geltung eines KollV ergibt sich primär aus der Kollektivvertragsangehörigkeit durch Mitgliedschaft bei der den KollV abschließenden Organisation:158Gem § 8 Z 1 ArbVG sind, sofern der KollV nichts anderes bestimmt, die AG und die AN kollektivvertragsangehörig, die zur Zeit des Abschlusses des KollV Mitglieder der am KollV beteiligten Parteien waren oder später werden.

Die Mitgliedschaft in der Bundeskammer, in den Landeskammern und in den Fachorganisationen wird ex lege begründet (siehe § 2 Abs 5 WKG). Die Mitgliedschaft bei einem Fachverband oder bei mehreren Fachverbänden wird durch eine (Gewerbe-)Berechtigung, welche die Kammermitgliedschaft begründet, herbeigeführt (§ 47 Abs 2 WKG). Die Mitgliedschaft zu einer Fachgruppe wird durch die Fachorganisationsordnung (FOO) bestimmt (§ 43 Abs 5 WKG). Nach § 12 FOO ist jeder Inhaber von Berechtigungen, die in den Wirkungsbereich eines Fachverbands (einer Fachgruppe) fallen, deren Mitglied.

3. Es fällt in die dem Handelskammer-(nun Wirtschaftskammer-) Gesetz zugrunde liegende Selbstverwaltung der Kammern, die gesetzlichen Bestimmungen über die Mitgliedschaft der AG zu den in Betracht kommenden Kammerorganisationen im Einzelfall zu konkretisieren, also den einzelnen AG der nach dem Gesetz für ihn in Betracht kommenden Organisation zuzuordnen (siehe schon 14 Ob 147/86 unter Berufung auf Schrank, ZAS 1978, 129 ff). § 44 Abs 1 WKG sieht dazu für die Fachgruppenzuordnung vor, dass die Zuordnung eines Unternehmens gem § 2 zu einer oder mehreren Fachgruppe(n) durch die Landeskammer durch die Eintragung in das Mitgliederverzeichnis erfolgt. Diese Eintragung hat zufolge der Erläuterungen zum WKG (RV 1155 BlgNR XX. GP 64) deklaratorische Wirkung.

4. Für den Fall einer strittigen Fachgruppenzuordnung enthalten die Abs 7 bis 11 des § 44 WKG Anordnungen für die Durchführung eines (Verwaltungs-)Verfahrens. Ua sieht Abs 11 leg cit vor, dass Rechtswirkungen einer entsprechenden Entscheidung über die Änderung der Fachgruppenzugehörigkeit eines Mitglieds mit Beginn des auf die Rechtskraft der Entscheidung folgenden Jahres eintreten. Ein solches Verfahren wurde hier jedoch nicht durchgeführt und ist auch nicht weiter entscheidungsrelevant.

5. Nach stRsp unterliegt die Frage der Mitgliedschaft des AG zu einer bestimmten Fachgruppe im Rahmen seiner Wirtschaftskammer-Mitgliedschaft und damit jene nach dem anzuwendenden KollV im Hinblick auf die Ausschließlichkeitskompetenz der Selbstverwaltung der Kammer nicht der Beurteilung durch das Gericht (RIS-Justiz RS0050862, zuletzt 8 ObA 35/13z). Für die Kollektivvertragsunterworfenheit ist die im § 8 Z 1 ArbVG erwähnte Mitgliedschaft in der Form maßgeblich, wie sie faktisch gehandhabt wird, also durch Zuordnung durch die Kammer zu einem bestimmten Fachverband oder eine Innung (RIS-Justiz RS0050871, zuletzt 9 ObA 11/14d). Auch zur Klärung der Frage, ob für AN eines Unternehmens der KollV für Angestellte der Industrie oder des Gewerbes anzuwenden ist, ist ausschließlich auf die die Gerichte bindende Zuordnung durch die Kammer abzustellen. Es liegt nicht in der Hand des einzelnen AN, mittels Klage die Geltung eines anderen KollV zu erzwingen, als jenes, in dessen von den Kollektivvertragsparteien autonom festgelegten Geltungsbereich der jeweilige AG fällt (RIS-Justiz RS0102117).

6. Teile der Lehre befürworten die gerichtliche Überprüfbarkeit der Zuordnung des AG innerhalb der Wirtschaftskammer (Strasser in

Strasser/Jabornegg/Resch
, ArbVG § 8 Rz 14 ff mwN; Pfeil in
Gahleitner/Mosler
, Arbeitsverfassungsrecht5 Bd 2 [2015] § 8 Rz 17 ff mwN; Mosler, Ist das Arbeitsrecht noch aktuell? – Kollektive Rechtsgestaltung, DRdA 2014, 519 mwN; der Rsp folgend Reissner in ZellKomm ArbVG II2 § 8 Rz 10 mwN; Runggaldier in
Tomandl
, Arbeitsverfassungsgesetz [2015] § 8 Rz 5).

7. Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, von der bisherigen Rsp abzuweichen. Den bisher entschiedenen Fällen lagen Konstellationen zugrunde, in denen die „faktische Handhabung“ einer Mitgliedschaft in einer Kammerorganisation der genannten Konkretisierung der gesetzlichen Mitgliedschaft dienen sollte und vom entsprechenden Willen der Kammer getragen war (zB 8 ObA 210/96: Bescheid). Hier lag eine zunächst korrekte Zuordnung der Bekl vor. Es erfolgte eine auch aus der Sicht der Kammer unrichtige Umreihung („fälschlicherweise“), die von der Kammer in der Folge richtiggestellt wurde und offenkundig auch zu keiner weiteren „faktischen“ Handhabung einer Fachgruppenzugehörigkeit geführt hatte (vgl ihr Schreiben Beil ./2: „Die [Bekl] ist somit seit jeher der Fachgruppe der Gewerblichen Dienstleister zugeordnet und war zu keinem Zeitpunkt im Rahmen der Landesinnung der Metalltechnik tätig.“). Bedenkt man, dass die für die Kollektivvertragsunterworfenheit maßgebliche Kammerorganisationszugehörigkeit (Mitgliedschaft) des AG schon von Gesetzes wegen erworben wird, der Eintrag im Mitgliederverzeichnis nach dem gesetzlichen Konzept diese Zugehörigkeit zwar konkretisieren, nicht aber – im Widerspruch zur auf die (Gewerbe-)Berechtigung aufbauenden Mitgliedschaft – begründen soll und die Kammer mit ihrer Korrektur nur die Richtigkeit der Eintragung wiederherzustellen bestrebt war, so besteht kein Grund, sich gerichtlich über die Selbstverwaltungstätigkeit der Kammer hinwegzusetzen. Dass hier bezüglich der Fehlzuordnung ein weiterer Schutzbedarf gegenüber der Bekl bestünde, ist nicht ersichtlich.

8. Der Kl kann auch nicht die – zur Anwendbarkeit des „richtigen“ KollV iSd § 2 Z 13 GewO 1994 ergangene – Rsp für seinen Standpunkt ins Treffen führen:

Nach § 2 Abs 13 GewO 1994 haben Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, die für Arbeitsverhältnisse zu AG gelten, welche ihre Tätigkeiten aufgrund von Gewerbeberechtigungen ausüben, auch für Arbeitsverhältnisse zu jenen AG Geltung, welche diese Tätigkeiten ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung ausüben. Für diese Bestimmung macht es keinen Unterschied, ob der AG hinsichtlich seiner Tätigkeit eine nicht einschlägige oder gar keine Gewerbeberechtigung hat (Reissner in ZellKomm II2 § 8 Rz 24 mwN), ob also die entsprechende Berechtigung fehlt oder der Tätigkeit159nicht entspricht (siehe 8 ObA 62/07m). Diese Bestimmung ist als besonderer Fall der Kollektivvertragsangehörigkeit zu sehen, weil § 8 ArbVG nur zur Anwendbarkeit jenes KollV führen kann, der der vorhandenen Berechtigung entspricht. In einem Fall, in dem die Gewerbeberechtigung mit der ausgeübten Tätigkeit offensichtlich nichts zu tun hat, hat das Gericht die Anwendung des „richtigen“ KollV selbst zu beurteilen. Eine Bindung des Gerichts an die durch die Kammer getroffene Zuordnung kann notwendigerweise nicht bestehen, weil eine derartige Zuordnung für die vom Gericht aufgrund der Norm des § 2 Z 13 GewO 1994 zu ermittelnde „richtige“ Gewerbeberechtigung nicht besteht (8 ObA 192/01w).

9. Im vorliegenden Fall ist § 2 Abs 13 GewO 1994 nicht anwendbar, weil keine Konstellation vorliegt, in der der Tätigkeit der Bekl keine oder eine nicht einschlägige Gewerbeberechtigung zugrunde liegt. Vielmehr entspricht ihre Berechtigung für das freie Gewerbe „Zusammenbau von Kabinen und Standbauelementen aus vorgefertigten Teilen“ auch der von ihr ausgeübten Tätigkeit.

Soweit der Bestimmung und der dazu ergangenen Rsp zumindest die Wertung entnommen werden kann, dass die Anwendung des „richtigen“, dh der erforderlichen Gewerbeberechtigung entsprechenden KollV sichergestellt werden soll, ist für den Kl nichts gewonnen, weil selbst eine solche Prüfung hier nur zur Unanwendbarkeit des KollV für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe führen würde: Die Bekl hat stets ein freies Gewerbe ausgeübt, mit dem sie keinem KollV unterworfen war.

10. Insgesamt besteht damit kein Grund, von der bisherigen Rsp, wonach die Mitgliedschaft eines AG zu einer bestimmten Fachgruppe im Hinblick auf die Ausschließlichkeitskompetenz der Selbstverwaltung der Kammer nicht der Beurteilung durch das Gericht unterliegt, in einem Fall wie dem vorliegenden abzuweichen, in dem die Wirtschaftskammer zur Herstellung der Konkordanz von Gewerbeberechtigung und Fachgruppenzugehörigkeit lediglich eine Korrektur im Mitgliederverzeichnis vornahm.

11. Ob bei einem auf das Bestehen eines Anspruchs entstandenen Vertrauens anders zu urteilen wäre, ist hier nicht zu prüfen, weil im Arbeitsvertrag des Kl korrekt ausgewiesen war, dass er keinem KollV unterlag und er auf nichts anderes vertraut hat.

[...]

ANMERKUNG

Die hier zu besprechende E des OGH betraf eine Sachverhaltskonstellation, die – nach nachhaltiger Recherche meiner Meinung nach – noch nie durch ein Höchstgericht in diesen Detailfragen zu entscheiden war. Ein AG hatte das freie Gewerbe „Zusammenbau von Kabinen und Standbauelementen aus vorgefertigten Teilen“. Für dieses freie Gewerbe gab es keinen kraft Mitgliedschaft zu einer Unterorganisation der Wirtschaftskammer gem § 8 Z 1 ArbVG anzuwendenden KollV. Nach den Ausführungen des OGH wurde der AG in die Fachgruppe Metalltechnik der Wirtschaftskammer umgruppiert. Diese Fachgruppe hatte einen KollV abgeschlossen. Der AG hat jedoch niemals eine Tätigkeit ausgeübt, aufgrund derer eine solche Eingruppierung gerechtfertigt gewesen wäre, weshalb die Wirtschaftskammer die Umgruppierung rückwirkend wieder aufhob. Wie es zu dieser fälschlichen Umgruppierung innerhalb der Wirtschaftskammer kam, ob der AG Kenntnis von dieser Umgruppierung hatte und ob eine rückwirkende Rückgängigmachung der fälschlichen Umgruppierung möglich ist, lässt sich den Ausführungen des OGH leider nicht entnehmen.

Diese E des OGH erscheint aus einem ersten Anschein heraus vom Ergebnis her richtig, bei genauerem Hinschauen wären jedoch auf Sachverhaltsebene wie auf Begründungsebene weitere Ausführungen wünschenswert gewesen, da die rechtlichen Ausführungen nicht immer Rückhalt im wiedergegebenen Sachverhalt finden und auch die zur Begründung der E herangezogenen vorangegangenen E Sachverhaltskonstellationen betrafen, die mit dem hier beurteilten Sachverhalt kaum vergleichbar waren.

Der vom Kl geltend gemachte Anspruch wäre gegeben gewesen, wenn durch die fälschliche Umgruppierung der Bekl in eine andere Fachgruppe der Wirtschaftskammer, die einen KollV abgeschlossen hatte, zumindest vorübergehend zur Mitgliedschaft zu diesem Fachverband geführt hätte und daher aufgrund dieser Mitgliedschaft der KollV gem § 8 Z 1 ArbVG zur Anwendung zu bringen gewesen wäre. Der OGH stützt sein Ergebnis, dass sich der Kl nicht auf den KollV des von der Fachgruppe Metalltechnik abgeschlossenen KollV berufen kann, auf seine bisherige Rsp zur fehlerhaften Eingruppierung innerhalb der Wirtschaftskammer. Diese betraf zumeist Sachverhalte, in denen ein AG über eine Gewerbeberechtigung für das Gewerbe verfügte, er tatsächlich aber ein Industrieunternehmen betrieb. Hier ist schon auf wesentliche Unterschiede in den Sachverhalten hinzuweisen. In den bisherig entschiedenen Fällen entsprach die Gewerbeberechtigung dem Gewerbe, für das der AG um die Gewerbeberechtigung angesucht hatte, obwohl das tatsächlich ausgeübte Gewerbe nicht oder aufgrund einer Änderung der Fertigungsweise nicht mehr der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit entsprach. Hingegen erfolgte im vorliegenden Fall die Umgruppierung des AG scheinbar ohne einen entsprechenden Antrag des AG aufgrund eines Versehens aufgrund der zeitgleich erfolgten Umnummerierung der Fachgruppen innerhalb der Wirtschaftskammerorganisation.

In ständiger, wenn nicht unumstrittener (zur Kritik an der Rsp vgl statt vieler nur Strasser in

Strasser/Jabornegg/Resch
, ArbVG § 8 Rn 14; Pfeil in
Gahleitner/Mosler
, ArbVG § 8 Rn 21; B. Schwarz, Zur Kollektivvertragsangehörigkeit von Arbeitgebern als Mitglieder der gesetzlichen Interessenvertretungen, uvm) Rsp und in Widerspruch zur Rsp des in Beitragssachen zuständigen VwGH (vgl nur 30.9.1985 VwSlg 11882/A; 14.11.1988 ; 18.12.2003, 2001/08/0204 mit zust Besprechungsaufsatz Resch, Kollektivvertrags-160angehörigkeit und Anspruchslohn, ASoK 2004, 185) urteilt der OGH (vgl neben der vom OGH angeführten E bspw auch 8 ObA 192/01wDRdA 2003/32 [Resch]; 9 ObA 46/10wZAS 2011, 336 [Spitzl/Schrittwieser]) bei der fehlerhaften Eingruppierung eines AG innerhalb der Wirtschaftskammerorganisation, dass für die Kollektivvertragsangehörigkeit nach § 8 Z 1 ArbVG jene Mitgliedschaft maßgeblich sei, wie sie faktisch gehandhabt wird. MaW sei nicht die nach dem WKG der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit entsprechende und somit richtige Fachgruppenzuordnung entscheidend, sondern jene Fachgruppenzuordnung, wie sie der fehlerhaften Gewerbeberechtigung entspricht. Der OGH begründet dies zum einen mit dem Wortlaut des § 8 Z 1 ArbVG, der eher für die Maßgeblichkeit der faktischen Fachgruppenzuordnung spreche, und zum anderen damit, dass es in die der gesetzlich vorgegebenen Kammerorganisation zugrundeliegende Selbstverwaltung falle, diese gesetzlichen Regelungen zur Kammerzugehörigkeit zu konkretisieren. Es liefe dem Kernbereich der Selbstbestimmung der Kammern zuwider, könnten die Gerichte die Richtigkeit der kammerinternen Zuordnung der Mitglieder überprüfen (dieser Rsp zustimmend bspw Schrank, Kollektivvertragsangehörigkeit und Handelskammermitgliedschaft, ZAS 1978, 129 ff; Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht3 [2016] 485; dies, Kollektivvertragswechsel durch Wechsel der Mitgliedschaft zu freiwilligen Berufsvereinigungen – Teil 2, RdW 361 [363]; Kietaibl, Arbeitsrecht I9 [2015] 224).

Auf den ersten Blick scheint die bisherige Rsp das vom OGH gefundene Ergebnis gerade nicht zu tragen. Wenn auch eine fehlerhafte Eingruppierung innerhalb der Wirtschaftskammer die Kollektivvertragsangehörigkeit begründet, so sollte man meinen, dass auch eine durch die Wirtschaftskammer fälschlicherweise gegen den Willen des AG vorgenommene Umgruppierung dazu führt, dass nach § 8 Z 1 ArbVG jener KollV zur Anwendung kommt, der von jener Fachgruppe abgeschlossen wurde, in die der AG fälschlicherweise eingereiht wurde. Das Ergebnis, dass ein AG sich korrekt verhält und über die richtige Gewerbeberechtigung verfügt, aufgrund eines Fehlers innerhalb der Wirtschaftskammerorganisation aber an einen KollV gebunden sein sollte, der seiner tatsächlich ausgeübten Tätigkeit nicht entspricht, hätte dem OGH offensichtlich Unbehagen bereitet. Er hat daher einzelnen Wortlautpassagen seiner bisherigen Rsp scheinbar besondere Bedeutung zugemessen, bei denen ich mir nicht sicher bin, ob dies wirklich der Intention der ursprünglichen Rsp entsprach. Aus der Formulierung der bisherigen Rsp, die auf die „faktische Handhabung einer Mitgliedschaft innerhalb der Kammerorganisation“ abgestellt hat, schließt der OGH, dass im vorliegenden Fall aufgrund des Umstandes, dass auch die Wirtschaftskammer die Umgruppierung als unrichtig erachtete und diesen Fehler korrigierte, es durch die fehlerhafte Eingruppierung zu keiner faktischen Handhabung der Gewerbeberechtigung gekommen sei.

ME ist gerade das Heranziehen dieser Passagen aus der bisherigen Rsp aufgrund der verschiedenen Sachverhalte eher kritisch zu sehen, beruhte doch die fehlerhafte Eingruppierung in den vorangegangenen Fällen darauf, dass entweder der AG eine falsche Gewerbeberechtigung beantragt hatte oder aufgrund einer Änderung seiner ausgeübten Tätigkeit mittlerweile eine andere Gewerbeberechtigung erforderlich gewesen wäre. In diesen Fällen war die Anwendbarkeit des „falschen“ KollV stets auf eine fehlerhafte Eingruppierung des AG zurückzuführen, die auf eine von ihm beantragte und erteilte, weiterhin bestehende Gewerbeberechtigung zurückzuführen war. Dennoch lässt sich auf Grundlage der vom OGH angeführten bisherigen stRsp das gefundene Ergebnis begründen. In dieser wird stets die Bedeutung der Selbstverwaltung der Kammern insb bei der Eingruppierung der AG in die Fachgruppen und Fachverbände hervorgehoben. Hier hätte der Schwerpunkt der Begründung darauf gelegt werden müssen, dass die Gerichte somit auch die Entscheidung der Wirtschaftskammer zu respektieren haben, dass die fehlerhafte Umgruppierung rückwirkend beseitigt wurde, zumal gegen die Rückwirkung dieser Entscheidung kaum Bedenken entgegengebracht werden können, da durch diese Entscheidung der Wirtschaftskammer zum einen der rechtmäßige Zustand hergestellt werden sollte, zum anderen aufgrund der fehlerhaften Umgruppierung noch kein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde.

Sofern sich der OGH in Zusammenhang mit § 2 Abs 13 GewO 1994 auseinandersetzt, ist gleich im Vorhinein festzuhalten, dass diese Norm, auch wenn sie immer wieder im Zusammenhang mit der fehlerhaften Eingruppierung innerhalb der Wirtschaftskammer erörtert wird, mit dem vorliegenden Sachverhalt überhaupt nichts zu tun hat. Scheinbar hat sich der Kl in seiner Revision ausdrücklich auf diese Norm bezogen, so dass sich der OGH auch hiermit auseinandersetzen musste. Gem § 2 Abs 13 GewO sind Kollektivverträge auch auf Arbeitsverhältnisse von AG anzuwenden, die ihre Tätigkeit ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung ausüben. Diese AG sind also kollektivvertragsrechtlich so zu stellen, wie sie ständen, hätten sie ordnungsgemäß ihr Gewerbe angemeldet. Hinter dieser Regelung steht ua der Gedanke, dass ein AG, der in einem reglementierten Gewerbe tätig wird, gegenüber seinen Mitbewerbern am Markt, die über die erforderliche Gewerbeberechtigung verfügen, keinen Wettbewerbsvorteil dadurch erlangen sollen, dass er keinen KollV anzuwenden hat. Auf der anderen Seite sollen aber auch die AN solcher AG keinen Nachteil in Bezug auf den anzuwendenden KollV dadurch erleiden, dass sich ihr AG rechtswidrig verhält, weil er sein Gewerbe nicht ordnungsgemäß angemeldet hat.

Im vorliegenden Fall ist, wie der OGH im Ergebnis richtig beurteilt, § 2 Abs 13 GewO 1994 tatbestandsmäßig offensichtlich nicht einschlägig, da der AG über die für seine Tätigkeit erforderliche Gewerbeberechtigung für das freie Gewerbe verfügt hat. Dennoch möchte ich kurz auf die Bedeutung dieser Norm im Rahmen der Diskussion über die Auswirkungen einer fehlerhaften Eingruppierung eines AG innerhalb der Wirtschaftskammerorganisation ein-161gehen. Im Zusammenhang mit der Maßgeblichkeit der faktischen Handhabung der Zuordnung eines AG innerhalb der Wirtschaftskammerorganisation findet sich in den zitierten Entscheidungen oft die Aussage, dass diesem Ergebnis § 2 Abs 13 GewO 1994 nicht entgegenstehe. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass diese Norm nicht dahingehend interpretiert werden könne, dass sie Fälle derselben Gewerbeausübung erfassen wolle, bei denen allein die Zugehörigkeit zur Fachgruppe des Gewerbes oder der Industrie strittig sei. Hinter dieser Rsp steht vor allem das Problem, dass die Abgrenzung zwischen gewerblicher und industrieller Fertigungsweise nach der GewO 1994 oftmals nicht eindeutig vorgenommen werden kann und insb bei einer Änderung der gewerblichen Fertigungsweise hin zu einer industriellen Fertigungsweise der Zeitpunkt, wann die Grenze zur industriellen Fertigungsweise überschritten ist, nicht eindeutig definierbar ist. Anders sieht der OGH (8 ObA 192/01wDRdA 2003/32 [Resch]; vgl dazu auch Andréewitch, Kollektivvertragsangehörigkeit bei verschiedenen Gewerben, ASoK 2014, 184) jedoch die Situation, wenn der AG über eine Gewerbeberechtigung verfügt, die seinem tatsächlich ausgeübten Gewerbe offensichtlich nicht entspricht. Hier habe das Gericht auf Grundlage des § 2 Abs 13 GewO 1995 selbst festzustellen, welches der anzuwendende KollV sei. ME wird man die Rsp des OGH daher dahingehend zusammenfassen müssen, dass, solange bei der Beurteilung der richtigen Eingruppierung eines AG durch die Wirtschaftskammer die Frage maßgeblich ist, ob er gewerblich oder industriell fertigt, die faktische Zuordnung durch die Wirtschaftskammer für die Kollektivvertragsangehörigkeit maßgeblich ist, während in Fällen, in denen ein AG über eine Gewerbeberechtigung, die nicht seiner tatsächlich ausgeübten Tätigkeit entspricht, verfügt, der anzuwendende KollV über § 2 Abs 13 GewO 1994 zu ermitteln ist.

Dies kann im Einzelfall auch zu Wertungswidersprüchen führen, insb wenn die Rsp (OGH9 ObA 188/00pDRdA 2001/32 [Weiß] = ecolex 2001/24 [Mazal]) § 9 Abs 3 ArbVG analog zur Anwendung bringt, in dem in einem Mischbetrieb ein AG für einen Betriebsteil über eine einschlägige Gewerbeberechtigung verfügt, während er für den anderen Betriebsteil zwar eine Gewerbeberechtigung benötigt, diese aber nicht hat. Liegt dann die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung eines Mischbetriebs bei jenem Wirtschaftsbereich, für den der AG keine erforderliche Gewerbeberechtigung hat, kommt der für diesen Wirtschaftsbereich einschlägige KollV auf den gesamten Betrieb zur Anwendung, auch wenn der AG nur über eine andere, für den Mischbetrieb aber ebenfalls zumindest teilweise einschlägige Gewerbeberechtigung verfügt. Im Fall der fehlerhaften Eingruppierung eines einheitlichen Betriebes durch die Wirtschaftskammer soll somit ein „falscher“ KollV zur Anwendung kommen können, während bei einer teilweisen richtigen Eingruppierung trotzdem der KollV nach § 2 Abs 13 ArbVG zur Anwendung kommen soll, der von einer Kollektivvertragspartei abgeschlossen wurde, deren Mitglied der AG nie war. Beide Lösungsansätze widersprechen einem grundsätzlichen Ansatz des österreichischen Kollektivvertragsrechts und erfüllen einen solchen Grundsatz. Wenn § 8 Z 1 ArbVG bei der Kollektivvertragsangehörigkeit auf die Mitgliedschaft zur Kollektivvertragspartei abstellt, so kommt hierin eindeutig zum Ausdruck, dass über die Mitgliedschaft zur Kollektivvertragspartei der KollV seine demokratische Legitimation erhält, kann doch über die Mitgliedschaft zur Kollektivvertragspartei eine Partei des Arbeitsvertrags zumindest mittelbar Einfluss auf den Inhalt des auf sein Arbeitsverhältnis normativ wirkenden KollV nehmen. Der KollV hat aufgrund seiner sogenannten Kartellwirkung aber auch eine wettbewerbsregulierende Wirkung. Durch die Pflichtmitgliedschaft der AG zu den kollektivvertragsfähigen Fachverbänden und -gruppen der Wirtschaftskammer sind alle AG derselben Branche an denselben KollV gebunden, wodurch unterhalb des durch den KollV vorgegebenen Mindestlohnbereich ein Wettbewerb der AG um AN ausgeschlossen ist. Während die Anwendbarkeit des aufgrund der faktischen Mitgliedschaft der Kartellwirkung widerspricht, ist die Anwendbarkeit des nach § 2 Abs 13 GewO 1994 anzuwendenden KollV in einem Mischbetrieb dadurch bedenklich, dass trotz Mitgliedschaft zu einer einschlägigen Kollektivvertragspartei ein KollV zur Anwendung kommt, der von einer Partei abgeschlossen wurde, dessen Mitglied der AG nicht ist. ME ist diese in sich widersprüchliche Rsp insb vor dem Hintergrund der wettbewerbsrechtlichen Wirkung des österreichischen Kollektivvertragsrechts nur dann ausnahmsweise zu akzeptieren, wenn die fehlerhafte Eingruppierung innerhalb der Wirtschaftskammer wirklich allein auf die Unterscheidung zwischen gewerblicher und industrieller Fertigungsweise zurückzuführen ist. Hier erlauben ausnahmsweise die faktischen Schwierigkeiten des Gewerberechts bei der Abgrenzung ein Ergebnis, das mit der Kartellfunktion des KollV nicht zu vereinbaren ist.

Abschließend möchte ich noch einmal kurz auf den konkret entschiedenen Fall eingehen. Ganz zum Ende des Urteils führt der OGH das Argument an, welches das getroffene Ergebnis meiner Meinung nach jedenfalls als richtig erscheinen lässt, bereits aber im Zusammenhang mit der fehlerhaften Eingruppierung hätte berücksichtigt werden müssen. Der AN durfte sowohl aufgrund des der Rechtslage entsprechenden Hinweises im Arbeitsvertrag, dass kein KollV zur Anwendung kommt, als auch aufgrund dieser Besonderheiten des Sachverhalts nie darauf vertrauen und hat wohl auch nie darauf vertraut, dass sein AG Mitglied der Fachgruppe der Metalltechnik ist und aufgrund dieser Mitgliedschaft gem § 8 Z 1 ArbVG an den Metalltechniker-KollV gebunden ist. Der OGH hat eine Entscheidung getroffen, die jedenfalls der gesetzgeberischen Intention der Kollektivvertrags angehörigkeit aufgrund der Mitgliedschaft zur Kollektivvertragspartei gem § 8 Z 1 ArbVG entspricht. Jede gegenteilige Entscheidung hätte alle Grenzen des gerechtfertigten Vertrauensschutzes des AN bezüglich der Kollektivvertragsangehörigkeit seines AG überschritten.162