Arbeiterkammer Kärnten (Hrsg)Die Deutsche Arbeitsfront in Kärnten 1938 – 1945

Verlag des ÖGB, Klagenfurt 2017 176 Seiten, kartoniert, € 24,90

KLAUS-DIETERMULLEY (WIEN)

Das Wirken der „Deutschen Arbeitsfront“ in den sogenannten „Alpen- und Donaureichsgauen“ ist bisher nur zum Teil in vielerorts verstreuten Aufsätzen behandelt worden. Umso mehr verdient die vorliegende, von der AK Kärnten initiierte, geförderte und herausgegebene Arbeit über die Deutsche Arbeitsfront in Kärnten 1938 – 1945 Beachtung.170

Der Autor der Publikation, Daniel Weidlitsch, gibt im ersten Teil an Hand der bereits doch recht umfangreichen Literatur einen prägnanten Überblick über die Entstehung, Organisation, Aufgaben, Charakteristika und Entwicklung der Deutschen Arbeitsfront zu einer nahezu alle AN und AG umfassenden Arbeitsorganisation. Die Deutsche Arbeitsfront wurde unmittelbar nach der Zerschlagung der demokratischen Gewerkschaftsbewegung im Mai 1933 in Deutschland als ein der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) angeschlossener Verband gegründet. Sie nahm die bislang bestehende nationalsozialistische Gewerkschaftsorganisation NSBO (Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation) in sich auf und mutierte bald zu einem riesigen, Beruf und Freizeit der Menschen gestaltenden und kontrollierenden Moloch mit einem schier undurchschaubaren Wirtschaftsimperium. Zentrales Ziel der Deutschen Arbeitsfront war die Eingliederung der Arbeiter, Angestellten, Handwerker, Gewerbetreibenden und Unternehmer in die nationalsozialistische „deutsch-arische Volksgemeinschaft“, die als „Leistungsgemeinschaft“ den expansiven, rassistischen Plänen des NS-Regimes zu dienen hatte. Bereits in den 1940er-Jahren sah der in die USA emigrierte Politologe Franz Neumann als „wichtigste Aufgabe“ der Deutschen Arbeitsfront „die Indoktrination der deutschen Arbeiterklasse und die vollständige Beseitigung der letzten Überreste von Sozialismus und Marxismus, katholischen und demokratischen Gewerkschaftertums“ (Behemonth, Struktur und Praxis des Nationalsozialismus 1933-1944 [1977] 482). Zwar wurde der Deutschen Arbeitsfront mit der Einrichtung der staatlichen „Reichstreuhänder der Arbeit“ jegliche lohnpolitische Kompetenz genommen, doch durch Bestimmungen im „Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit“ (RGBl I 1934/7), welches der Deutschen Arbeitsfront das Monopol in der arbeitsrechtlichen Beratung gab und überdies anordnete, dass die „Vertrauensmänner“ in den Betrieben Mitglieder der Deutschen Arbeitsfront zu sein hatten, war die „Arbeitsfront“ auf betrieblicher und regionaler Ebene fest verankert. Eine unpublizierte „Verordnung über das Wesen und Ziel der Deutschen Arbeitsfront“ unterschrieb Hitler erst am 24.10.1934, angeblich erfuhren die Reichsminister über sie erst durch die Presse (Mason, Arbeiterklasse und Volksgemeinschaft: Dokumente und Materialien zur deutschen Arbeiterpolitik 1936-1939 [1975] 90 f). Durch die sogenannten „Leipziger Vereinbarungen“ des Jahres 1935, durch die die Organisationen der gewerblichen Wirtschaft in die Deutsche Arbeitsfront aufgenommen wurden, sollte ein Interessenausgleich zwischen Arbeit und Kapital im Rahmen der sogenannten „sozialen Selbstverantwortung“ hergestellt werden. Die Omnipräsenz der Deutschen Arbeitsfront im „Dritten Reich“ zeigte sich im Wohnungs- und Konsumgenossenschaftswesen und vor allem durch die Freizeitorganisation „Kraft durch Freude“.

Im zweiten Teil des Buches behandelt der Autor die Entwicklung der Deutschen Arbeitsfront in Kärnten, wobei er immer wieder auf die entsprechenden Ereignisse in Wien verweist. Ausgehend von der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Kärntner Arbeiterschaft in den 1930er-Jahren wird das Eindringen der Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation in die gewerkschaftlichen Strukturen skizziert. 1931 richtete eine sogenannte „Gau-Betriebszellen-Abteilung“ ihre Geschäftsstelle in Klagenfurt ein. Die Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation versuchte in der Folge bedeutsame Positionen in der Kärntner Arbeiterschaft zu erlangen und bediente sich hierbei einer rücksichtslosen Agitation. Insb die Kärntner Protestantengemeinden scheinen für die selbst ernannten braunen Arbeitervertreter ein Wählerreservoir dargestellt zu haben. Jedenfalls gelang es der Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation, in den Jahren 1931 bis 1933 in mehreren Kärntner Betrieben Sympathisanten und bei Betriebsratswahlen Mandate zu gewinnen. Nach dem Parteiverbot der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei vom Juni 1933 setzte die Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation wohl ihre Agitation illegal fort, allerdings scheint es darüber kaum Quellen zu geben. Im Zuge der nationalsozialistischen Machtergreifung im März 1938 besetzten Funktionäre der Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation Kärnten die Gebäude von Arbeiterkammer und austrofaschistischer Gewerkschaft. Der Gauobmann der Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation Karl Gebhardt administrierte die Gleichschaltung von AK und Gewerkschaftsbund. Die Mitarbeiter der AK wurden auf die neuen Machthaber vereidigt und verblieben vorläufig im Dienst. In der Folge wurde jedoch auch die AK Kärnten im Rahmen der Erlässe der „Stillhaltekommission über die Überleitung und Eingliederung von Vereinen, Organisationen und Verbänden“ liquidiert. Während die Angestellten der AK, sofern sie nicht in der Deutschen Arbeitsfront Kärnten Verwendung fanden, von der Deutschen Arbeitsfront Abfertigungszahlungen (allerdings nicht in der vollen Höhe) erhielten, wurde das Vermögen und die Immobilien der AK der Deutschen Arbeitsfront gegeben. Das Gebäude der Arbeiterkammer in Klagenfurt wurde zum nationalsozialistischen „Haus der Arbeit“, in der nun die Gauverwaltung Kärnten der Deutschen Arbeitsfront ihren Sitz hatte. Erste Tätigkeit als Leiter der Deutschen Arbeitsfront in Kärnten war die Erneuerung und Angelobung von Vertrauensmännern in Kärntner Betrieben und die Errichtung von Bezirksstellen („Kreiswaltungen“), wobei auf die Immobilien der AK, des Gewerkschaftsbundes und liquidierter Vereine zurückgegriffen wurde. Die von der Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation Kärnten im Zuge des „Anschlusses“ angestrebte Bestellung „kommissarischer Verwalter“ in sogenannten „arisierten“, jüdischen Besitzern geraubten Betrieben wurde von Seiten der Gauleitung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei ein Riegel vorgeschoben. In weiterer Folge konnte die Deutsche Arbeitsfront eine umfassende Organisation ausbauen, die sich sukzessive von der Betreuung und Schulung von „Gefolgschaftsmitgliedern“ in den Betrieben über die Freizeitorganisation „Kraft durch Freude“ bis hin ins Wohnungswesen ausbreitete. Die Betreuung der „Vertrauensmänner“ und „Gefolgschaftsmitglieder“ in den Betrieben gehörte zu den zentralen Tätigkeiten der regionalen Kreis- und Ortswaltungen. Von der Deutschen Arbeitsfront organisierte Leistungswettbewerbe dienten der Steigerung der Produktivität und der Arbeitsleistung für die NS-Kriegswirtschaft. Betriebsappelle, Berufserziehung und -fortbildung sowie eine Verbesserung der innerbetrieblichen Sozialleistungen sollten die angestrebte „Leistungsgemeinschaft“ stär-171ken und festigen. Letztlich ging es – wie ein Bericht der Deutschen Arbeitsfront-Gauwaltung Kärnten aus dem Jahre 1941 zeigt – um die „Leistungsertüchtigung jedes Schaffenden bis zu seiner Höchstleistung“. Diesem Ziel, jedoch auch der Kontrolle des Alltags der Menschen, diente innerhalb der Deutschen Arbeitsfront die Organisation „Kraft durch Freude“, die diverse Freizeitaktivitäten wie Sport, Ausflüge und Wanderungen organisierte und sich besonders im Volksbildungs- und Volksbüchereiwesen engagierte. Wie der Autor auch eindrucksvoll zeigen kann, war die Deutsche Arbeitsfront in Kärnten auch auf wirtschaftlichem Gebiet aktiv und suchte ihre Aktivitäten ständig zu erweitern. So etwa im Wohnungs- und Bauwesen, durch die Verbrauchergenossenschaften und durch den Kauf eines Seegrundstückes in Velden für ein „Kraft durch Freude- Bad“, eine Gauschule und dem für später geplanten Bau einer Hotelanalage.

Ohne nun auf weitere Inhalte im Detail einzugehen, zeigt diese vorzügliche Studie einmal mehr die Relevanz einer historisch-kritischen Aufarbeitung der menschenverachtenden AN-Politik des NS-Regimes auf. Somit ist der AK Kärnten und dem Autor für diese Publikation zu danken und ein interessierter Leserkreis zu wünschen.