Bundesarbeitskammer/Österreichischer Gewerkschaftsbund (Hrsg)Wohlstand der Zukunft – Investitionen für eine sozialökologische Wende

Verlag des ÖGB, Wien 2017 208 Seiten, kartoniert, € 14,90

WALTERSCHERRER (SALZBURG)

Die Folgen der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise sind in der Realwirtschaft in Europa noch immer nicht ausgestanden. In den meisten Ländern sinkt zwar die Arbeitslosigkeit, aber das Niveau ist in vielen Ländern noch immer sehr hoch. Gleichzeitig sind strategische Weichenstellungen erforderlich, die auf eine maßgebliche Reduktion der Treibhausgasemissionen abzielen sollen, die Reformen im Bildungssektor anstoßen und leistbaren Wohnraum schaffen sollen – um nur einige wichtige Felder zu nennen, die im vorliegenden Buch angesprochen werden. Angesichts der Herausforderungen wären vor allem Maßnahmen gefragt, die die Arbeitslosigkeit reduzieren, die öffentliche Daseinsvorsorge sichern, soziale Integration und Aufstieg fördern, eine fairere Verteilungssituation schaffen und die Energiewende vorantreiben, um die Klimakrise zu entschärfen. Erreicht werden sollen und können diese Ziele mit Investitionen in die Infrastruktur und durch den Ausbau sozialer Dienstleistungen. Die Notwendigkeit einer sozial-ökologischen Erneuerung sei unbestritten, der Wirtschaftspolitik in Europa gelinge es aber nicht,173einen entsprechenden und deutlichen Kurswechsel herbeizuführen.

Vor diesem Hintergrund werden in dem von der Bundesarbeitskammer herausgegebenen Buch (wirtschafts-) politische Alternativen aufgezeigt, wie aus Europa und insb aus Österreich eine Region mit hohen Sozial- und Umweltstandards entstehen kann, in der für die BürgerInnen ein hohes Maß an Wohlstand sichergestellt ist. Der Band besteht aus einer gelungenen Zusammenstellung von rund 30 Blogbeiträgen und steht unter blog.arbeit-wirtschaft gratis als Download zur Verfügung. Die einzelnen Beiträge weisen einen – wie es sich für einen Blog gehört – überschaubaren Umfang auf, was das Buch auch in kleinen Happen lesbar macht. Einige Artikel sind schon in anderen – zumeist aus dem AK-Bereich stammenden – Publikationen erschienen. Sie werden im vorliegenden Buch in vier Kapitel zusammengefasst und gegliedert. Das erste Kapitel beschreibt als Ausgangspunkt für eine ökologisch- soziale Wende die Notwendigkeit öffentlicher Investitionen, um den im Buchtitel angesprochenen „Wohlstand für alle“ möglich zu machen. Das zweite Kapitel umfasst Beiträge mit konkreten Ideen zur Verbesserung von Infrastruktur und sozialen Dienstleistungen, das dritte ist grundsätzlichen Überlegungen einer „wohlstandsorientierten Wirtschaftspolitik“ gewidmet, und das vierte Kapitel schließlich analysiert die zentralen Bausteine einer anzustrebenden Reform des Wohlfahrtsstaates.

Als eines der Grundübel der aktuellen Wirtschaftspolitik wird die Austeritätspolitik in der Eurozone identifiziert, die nach der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise insb durch die deutsche Bundeskanzlerin Merkel, den deutschen Finanzminister Schäuble und den EZB-Chef Trichet geprägt wurde. Das Versprechen, eine rasche, einschneidende und vorwiegend ausgabenseitige Budgetkonsolidierung würde sich positiv auf Wachstum und Beschäftigung in Europa auswirken, konnte nicht eingelöst werden. Diese Strategie stand in scharfem Gegensatz zur massiven Ausweitung der Staatsausgaben in den USA, wo sich nicht zuletzt aufgrund einer expansiven Wirtschaftspolitik die Wirtschaft nach der Finanzmarktkrise wesentlich günstiger entwickelte. Im Brennpunkt dieser wirtschaftspolitischen Debatte steht somit die Frage nach der Wirkung von Fiskalmultiplikatoren, wie stark sich also die Wirtschaftsleistung verändert, wenn die Staatsausgaben gesteigert werden oder – wie in manchen Ländern der Eurozone – zu senken versucht werden. Im Buch wird auf empirische Analysen verwiesen, die zeigen, dass die Austeritätspolitik in den Euroländern maßgeblich das Wachstum eingebremst habe. Eine Rückbesinnung auf eine aktive Rolle der Fiskalpolitik ist daher ein Eckpunkt einer anzustrebenden alternativen wirtschaftspolitischen Strategie.

Als Bereiche, die hohe Investitionen, auch und vor allem öffentliche Investitionen erfordern, werden die Umweltpolitik, der Verkehrsbereich (sowohl der öffentliche Verkehr als auch die Straßeninfrastruktur), die Wasserversorgung, der Bildungssektor, der Pflegesektor und die medizinische Versorgung angeführt. Dabei wird dem Leser drastisch vor Augen geführt, wie groß der Bedarf an Investitionen und anderen Eingriffen in manchen Themenfeldern ist. Vor allem die Beiträge zu den erforderlichen Anstrengungen, um eine Dekarbonisierung der Wirtschaft zu erreichen, und zu den gravierenden Umwälzungen, die in diesem Zusammenhang im Verkehrsbereich nötig sind, zeigen deutlich auf, wie sehr hier rasches Handeln erforderlich ist.

Zentrale Bausteine der Reform des Wohlfahrtsmodells stellen das Anstreben von „Gender Equality“, die Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit, eine gezielte Umverteilung zur Stärkung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage und die höhere Besteuerung von Kapitaleinkommen dar sowie umweltpolitische Maßnahmen, welche die damit verbundenen Verteilungswirkungen berücksichtigen. Hier wird der Kontrast zum wirtschaftspolitischen Mainstream besonders deutlich: ein zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Rezension von der neu ins Amt gekommenen Regierung angedachter Steuerabsetzbetrag zur Förderung von Familien kann zwar als eine Umverteilungsmaßnahme angesehen werden, die auch die Nachfrage belebt – allerdings kämen ausgerechnet die BezieherInnen niedriger Einkommen –, die ja die höchste Konsumneigung aufweisen! – nicht in den Genuss dieser Förderung. Auch die im Buch für das Herbeiführen einer sozial-ökologischen Wende geforderten Arbeitszeitverkürzungen sind wohl ein überaus ambitioniertes Vorhaben in einer Zeit, in der eine Regierung die Anhebung der täglichen Maximalarbeitszeit auf zwölf Stunden und der wöchentlichen Maximalarbeitszeit auf 60 Stunden als einen ihrer wirtschaftspolitischen „Leuchttürme“ ansieht. Inwieweit ein weiterer zentraler Baustein einer sozial-ökologischen Wende eine Chance auf Umsetzung in der absehbaren Zukunft hat, nämlich die höhere Besteuerung von Kapitaleinkommen, bleibt abzuwarten.

Trotz oder vielleicht gerade wegen dieses nicht gerade günstigen Umfelds ist es wichtig, immer wieder Alternativen zur Diskussion zu stellen, die mögliche Wege zu einer sozial-ökologischen Wende in Österreich aufzeigen. Das vorliegende Buch liefert einen interessanten Beitrag dazu.