Quotenpflicht für Aufsichtsräte großer oder börsennotierter Unternehmen

SUSANNEHASLINGER/RENÉSCHINDLER*
Nach Jahren ergebnisloser Diskussion hat der Gesetzgeber knapp vor der Nationalratswahl 2017 doch noch eine Geschlechter-Quotenregelung betreffend den Aufsichtsrat (AR), allerdings nur für eine kleine Anzahl von Unternehmen, beschlossen. Das Gesetzgebungsverfahren wurde durch einen Initiativantrag eingeleitet und ohne Begutachtungsverfahren durchgeführt; was sichtlich für die sachliche Präzision und die Formulierung der Regelungen zT ungünstig war. Der folgende Beitrag stellt die neuen Regeln im Überblick vor und behandelt erste Zweifelsfragen.
  1. Überblick über das Gesetz und dessen Ziele

  2. Die Quote für KapitalvertreterInnen

    1. Grundsätze

    2. Anwendungsbereich

    3. Der Inhalt der Mindestanteilspflicht und die Sanktionen bei deren Verletzung

    4. Die Gesamterfüllung

    5. Nachrücken; Das Übergangsrecht

  3. Die Quote der AN-VertreterInnen – Grundsätze

    1. Voraussetzungen für die Quotenpflicht

    2. Gesamtbetrachtung und Probleme des Widerspruchsrechts

  4. Die Entsendung von AN-VertreterInnen in den AR – Quotenkonflikte?

    1. Ziel der Frauenquote

    2. Zahnlose „Quote“ bei den Betriebsräten selbst?

    3. ArbeiterInnen-Angestellten-„Quote“, Berücksichtigung der Betriebe

  5. Der Entsendevorgang am Beispiel der Entsendung durch den ZBR

    1. Entsendungsvorgang nach § 110 ArbVG und Sanktion des „leeren Stuhls“

    2. Verbesserung bei quotenwidriger Nominierung

    3. Einvernehmliche Entsendung

    4. Nachrücken bei Ausscheiden von Aufsichtsratsmitgliedern

  6. Besonderheiten bei der Aufsichtsratsentsendung im Konzern

    1. Grundsätzliches

    2. Entsendung durch den (Z)BR der Muttergesellschaft

    3. Wahl durch die Betriebsräte der Tochtergesellschaften

    4. Nachrücken bei Ausscheiden eines Aufsichtsratsmitglieds

    5. Einvernehmliche Entsendung

    6. Entsendung durch die (Mitglieder der) Konzernvertretung92

1.
Überblick über das Gesetz und dessen Ziele

1.1. Erklärtes Vorbild der Regelung war das „deutsche Modell“, konkret das deutsche „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ vom 24.4.2015.* In Deutschland konnte dadurch der Frauenanteil in (festquoten-pflichtigen) Aufsichtsräten von 21,8 % (Anfang 2015) auf 28,1 % (März 2017) gesteigert werden.* Der österreichische Gesetzgeber hat den Anwendungsbereich der Quotenpflicht wesentlich weiter festgelegt als der deutsche, wo die Quotenpflicht nur für börsennotierte Unternehmen mit paritätischer Mitbestimmung gilt, begnügt sich aber mit der alleinigen Maßnahme einer Aufsichtsratsquote (in Deutschland wird diese durch Zielgrößen für Vorstände und untere Führungsebenen ergänzt).

1.2. Eine Geschlechterquote hat strukturell mehrere Ziele und Wirkungen, welche sich zumindest teilweise auch im Ausschussbericht wiederfinden:*

  • Zum einen erhöht sich dadurch unmittelbar die Anzahl der Personen des Minderheitengeschlechts – in aller Regel der Frauen – im betroffenen Gremium oder Organ, was schrittweise zur gleichberechtigten Teilhabe auch in anderen Führungspositionen führen sollte;

  • Dies führt zu einer stärkeren Heterogenität, was unter verschiedenen Aspekten als produktiv iS einer Diversität an „Fähigkeiten, Perspektiven und Ideen“* und damit von positiver Wirkung für das jeweilige Gremium oder Organ unstrittig anerkannt ist;

  • Eine höhere Repräsentanz von Frauen hat nicht zuletzt auch eine wichtige Außenwirkung: Sind Frauen vermehrt in Führungs- oder anderen prestigeträchtigen Funktionen sichtbar tätig, hat dies eine nicht zu unterschätzende Role-Model-Funktion für andere, insb jüngere Frauen;

1.3. Formell wurde durch ein „Gleichstellungsgesetz von Frauen und Männern im Aufsichtsrat“ (GFMA-G)* in § 86 Abs 7 AktG (gegebenenfalls iVm § 30 GmbHG, § 45 Abs 3 SEG [Statut der Europäischen Gesellschaft], § 24 Abs 1 GenG [Genossenschaftsgesetz]) für den AR eine „Mindestanteilspflicht“ von 30 % des jeweils in der Minderheit befindlichen Geschlechts verankert. Parallel dazu wurde in § 110 Abs 2a bis 2d ArbVG eine gleiche Quote für die von den Organen der Arbeitnehmerschaft zu entsendenden Aufsichtsratsmitglieder festgelegt. Die Entsendungsregeln der §§ 110 Abs 6 und 6b sowie 247 Abs 1 ArbVG wurden um entsprechende Verweise ergänzt. Diesen Vorgaben gemäß wurde dann auch die AR-VO geändert.*

1.4. Der Übersichtlichkeit halber analysieren wir die Anordnungen betreffend KapitalvertreterInnen (Pkt 2.) und die Regelungen betreffend AN-VertreterInnen (Pkt 3. bis 6.) getrennt; bei Letzteren haben wir die neue Aufsichtsrats-Verordnung (AR-VO) bereits einbezogen.

2.
Die Quote für KapitalvertreterInnen
2.1.
Grundsätze

2.1.1. Die Komplexität der Aufgaben des AR wird oft unterschätzt. Seine umfassende Beratungs- und Kontrollpflicht bezieht sich keineswegs allein auf das finanzielle Wohlergehen der Gesellschaft. Denn er hat wie der Vorstand gem § 70 AktG (diese Norm ist auch für den AR,* auch einer GmbH,* Maßstab) neben dem Wohl der Gesellschaft auch das der AktionärInnen, die öffentlichen Interessen und jene der AN (sowie der GläubigerInnen*) zu wahren. Dabei ist das Wohl der Gesellschaft vorrangig, die übrigen drei Ziele aber gleichrangig zueinander.* Sehr zurecht hat daher der OGH scharf zwischen der Gesellschaft als solcher und den AktionärInnen unterschieden: Auch der/die AlleinaktionärIn ist nicht ident mit der Gesellschaft,* seine/ihre Interessen stehen den öffentlichen Interessen und jenen der AN gleich.

Klar scheint uns auch, dass sich die gebotene Berücksichtigung öffentlicher Interessen keineswegs in der Einhaltung der Gesetze erschöpft.* Diese Verpflichtung besteht ohnedies. Die Anordnung in § 70 AktG verpflichtet zu Weitgehenderem, sonst hätte sie keinen normativen Inhalt. Sie ist uE Ausdruck des Grundgedankens der Sozialbindung von Eigentum, der sich seinerzeit von der christlichsozialen bis hin zur austro-marxistischen Weltanschauung in jeder gesellschaftspolitischen Konzeption fand* (und findet; ausgenommen wohl die scharf neoliberale Sichtweise). Nicht tagespolitische Interessen, wohl aber die Grundanliegen des Sitzstaates, wie sie durch die Staatsorgane konkretisiert werden,* jedenfalls aber jene, die sich in dessen Verfassung finden, hat der Vorstand (und AR) daher auch über bestehende gesetzliche Verpflichtungen hinaus zu fördern, soweit dem nicht die Interessen der Gesellschaft entgegenstehen. Das Grundanliegen der Gleichberechtigung von93Männern und Frauen, das zu unterstützen – siehe unten 2.1.3. – sogar im höchsten Interesse der Gesellschaft selbst liegt, müss(t)en Vorstand und AR daher auch dann aktiv fördern, wenn es ihnen nicht durch das vorliegende Gesetz ausdrücklich zur Pflicht gemacht worden wäre.

2.1.2. Die richtige Zusammensetzung des AR ist eine schwierige Aufgabe. Aufbauend auf soliden Grundkenntnissen bedarf es zusätzlich einer Vielzahl von Spezialkenntnissen,* die idR kein einzelnes Aufsichtsratsmitglied allein aufweisen kann. Wegen der vielfältigen und differenzierten Situationen der verschiedenen Gesellschaften hat der Gesetzgeber – mit einer Ausnahme betreffend den Prüfungsausschuss (§ 92 Abs 4a AktG) – idR davon abgesehen, formale Anforderungen an diese Qualifikationen zu normieren. Er überlässt es der Hauptversammlung, auf eine gute und diverse (iS von vielfältige, verschiedene Kenntnisse und Fertigkeiten abbildende) Zusammensetzung zu achten, schreibt diese aber zwingend vor (§ 87 Abs 2a AktG – seit 1.9.2012*). Durch die Drittelbeteiligung der Belegschaft im AR nach Maßgabe des § 110 ArbVG ist in größeren Gesellschaften nicht nur die Mitbestimmung der AN gewährleistet; es ist dadurch zugleich sichergestellt, dass jenes Spezialwissen im AR vorhanden ist, das benötigt wird, um zu kontrollieren, ob der Vorstand auch seiner Pflicht zur Bedachtnahme auf AN-Interessen nachkommt. Andere Spezialkenntnisse müssen durch abgewogene Berufung von entsprechend qualifizierten Personen gesichert werden.

2.1.3. So gesehen ist die nunmehrige (nennen wir es beim Namen:) Frauenquote nur konsequent: Schon das Interesse der Gesellschaften selbst sowie der AktionärInnen und Belegschaften gebietet es, der langjährigen und offenkundigen Missachtung der Diversifizierungspflicht durch die Hauptversammlungen endlich Einhalt zu gebieten. Fast durchgehend auf jenes spezielle Wissen und jene Erfahrungen zu verzichten, die durch die idR etwas anders gelagerte Lebenssituation der „anderen Hälfte“ der Menschheit entsteht, war und ist pflichtwidrig. Einschlägige Studien bestätigen seit Jahren, dass Gesellschaften mit Frauen in den Leitungsgremien erfolgreicher sind.* Das in diesem Zusammenhang oft beschworene „Henne-Ei-Problem“ ist unserer Ansicht nach bedeutungslos: Selbst wenn es so wäre, dass schon vorher wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen Frauen (danach) häufiger in den AR und/oder Vorstand berufen, muss dies eine der vielen richtigen Entscheidungen sein, die erfolgreiche Unternehmen treffen. Anders ist die signifikante Häufung des Zusammentreffens beider Merkmale nicht erklärbar. Dann muss diese als richtig erkannte Strategie aber genauso beachtet werden, wie wenn die – ohnedies weitaus wahrscheinlichere – umgekehrte Abfolge zutrifft. Auch das öffentliche Interesse an endlich auch tatsächlicher Gleichstellung der Geschlechter und an sichtbaren, erfolgreichen „Role Models“ dieser, ist unabweisbar.

Kurz: Die permanenten Fehlentscheidungen der Hauptversammlungen haben uE die vorliegende, erste und ohnedies sehr vorsichtige Reaktion des Gesetzgebers geradezu erzwungen.* Da auch die einschlägige Empfehlung im Österreichischen Corporate Governance Kodex* jahrelang praktisch ohne Wirkung geblieben ist, konnte der Gesetzgeber nur mehr verbindliche Anordnungen treffen: Sobald wirtschaftliche und/oder Personalfragen in irgendeiner Weise das Genderthema berühren, setzt die kaufmännische Vernunft und Sorgfalt offenbar weitgehend aus! Es bleibt zu hoffen, dass nun rasch eine weit bessere Einsicht und Praxis auch über den Geltungsbereich der nachstehend dargestellten Bestimmungen hinaus Platz greifen wird. Eine Rechtspflicht dazu besteht – wie dargelegt – ohnedies seit Jahren!

2.2.
Anwendungsbereich

2.2.1. Die „Mindestanteilspflicht“ ist primär in § 86 Abs 7-9 AktG verankert. Für GmbH und Genossenschaften wurde jeweils die sinngemäße Anwendung des § 86 Abs 7-9 AktG angeordnet. Bei Europäischen Gesellschaften mit dualistischer Struktur gilt § 86 AktG unmittelbar (Art 9 Abs 1 lit c SE-VO; § 45 Abs 3 SEG), bei monistischer Organisation ist die Quotenpflicht bei der Bestellung des Verwaltungsrates sinngemäß anzuwenden; das bedeutet, dass sie auch dort für alle Mitglieder des Verwaltungsrates gilt, sich aber nicht auf geschäftsführende DirektorInnen bezieht, soweit diese nicht Mitglied des Verwaltungsrates sind. Die Quote gilt nur für Unternehmen, die mindestens 1.000 AN beschäftigen oder an der Börse notieren* und nur, wenn mindestens 20 % der Belegschaft Frauen (oder Männer) sind.

2.2.2. Die Beschränkung der Geltung der einschlägigen Normen auf große bzw börsennotierte Unternehmen ist bereits fraglich. Sie kann allenfalls unter dem Aspekt vertretbar erscheinen, dass idR nur Aufsichtsratsmitglieder besonders großer und bekannter Gesellschaften in der Öffentlichkeit „sichtbar“ werden, also das öffentliche Interesse an „Role Models“ erfüllen können. Hinsichtlich aller anderen deklarierten Ziele des Gesetzgebers (vgl Pkt 1.2.) ist diese Einschränkung hingegen unverständlich und sachfremd. Dass an einer Börse notierte Unternehmen unabhängig von ihrer Größe jedenfalls erfasst sind, ist wohl dadurch zu erklären, dass es dann ein breites Publikumsinteresse, und damit auch öffentliches Interesse, an einer optima-94len Führung der Gesellschaft gibt. Damit zeigt der Gesetzgeber nochmals, dass er – entsprechend den wissenschaftlichen Ergebnissen (FN 18) – davon ausgeht, dass weibliche Führungskräfte für die optimale Entwicklung einer Gesellschaft unbedingt notwendig sind. Es mag angehen, eine Strategie der schrittweisen Ausdehnung des Geltungsbereiches der Quotenpflicht zu verfolgen. Dann folgt aber aus dem Sachlichkeitsgebot des Art 7 B-VG* die Pflicht zur entsprechenden Erweiterung des Geltungsbereiches in absehbarer Zeit, weil eine Strategie der allmählichen Einführung auch faktisch umgesetzt werden muss!*

Die Quotenpflicht gilt ferner nur, wenn der AR aus mindestens sechs KapitalvertreterInnen besteht, was schwer verständlich ist, sieht doch das Gesetz als Regelfall nur drei Aufsichtsratsmitglieder vor (§ 86 Abs 1 AktG, § 30 GmbHG). Immerhin kann dem Gesetzgeber zugebilligt werden, dass er hier die praktischen Gewohnheiten (gerade bei entsprechend großen bzw an der Börse notierten Unternehmen) berücksichtigt hat. Zudem wollte er wohl sicherstellen, dass die Sanktion des „leeren Stuhls“ nicht dazu führen kann, dass Aufsichtsräte nicht mehr beschlussfähig sind. Allerdings hat das eine „bedingte Freiwilligkeit“ der Regelung zur Folge, muss doch „lediglich“ die Zahl der Aufsichtsratsmandate entsprechend vermindert werden, um sich der Quotenpflicht zu entziehen. Schon wegen der Vielzahl nötiger Kenntnisse und der Bedachtnahme auf viele beteiligte Interessen wird das zwar idR kaum möglich sein. De lege ferenda wäre uE aber ein Wegfall dieser Voraussetzung klug: In Grenzfällen müsste dann das Gericht „leere Stühle“ besetzen (siehe Pkt 2.3.5.) – und würde so beweisen, dass qualifizierte Frauen problemfrei zu finden sind.

Ganz unverständlich ist die Voraussetzung, dass die Belegschaft zu mindestens 20 % aus Frauen (bzw Männern) besteht. Eine solche Bedingung ist zwar für die Geltung der Quote für AN-VertreterInnen sachlich leicht verständlich: Diese sind einerseits, was ihre Rekrutierung betrifft (ausschließlich aus dem Kreis der Betriebsratsmitglieder), andererseits aber auch, was ihre Aufgabe betrifft (Wahrung der Belegschaftsinteressen), an die Zusammensetzung der Belegschaft gebunden. Warum gleiches aber für KapitalvertreterInnen gelten soll, bleibt unerfindlich: Die Wahrung der Gesellschaftsinteressen wie auch der öffentlichen und der Aktionärsinte ressen ist von der Zusammensetzung der Unternehmensbelegschaft völlig unabhängig und das gilt auch für die Möglichkeit, geeignete KandidatInnen zu finden.

Der Gesetzgeber hat bei der Schaffung derartiger Regelungen gewiss eine große Gestaltungsfreiheit, dennoch stellt sich die Frage, ob eine derart grob unsachliche Bedingung nicht verfassungswidrig ist.* Auf den ersten Blick könnte man versucht sein, in der Regelung über die Gesamterfüllung der Mindestanteilspflicht (siehe unten Pkt 2.4.) eine sachliche Berechtigung zu sehen, weil in Unternehmen mit sehr wenig weiblichen Beschäftigten die AN-VertreterInnen keiner Mindestanteilspflicht unterliegen und infolge der Gesamterfüllung dann die für die KapitalvertreterInnen geltende Quote faktisch entsprechend höher wäre. Aber einerseits genügt ja ein schlichter Widerspruch, um diese Verpflichtung gar nicht entstehen zu lassen; vor allem aber scheidet eine „Gesamterfüllung“ uE schon begrifflich aus, wenn eine Quotenpflicht nur die KapitalvertreterInnen trifft. Deren Quote verbliebe also ohnedies bei 30 % – die zweifelhafte Regelung kann daher auf diesem Weg nicht sachlich gerechtfertigt werden. UE spricht daher viel dafür, dass die Voraussetzung eines 20 %-Anteils an Frauen in der Belegschaft als Voraussetzung der Geltung des Mindestanteilsgebotes gem § 86 AktG verfassungswidrig ist. Bis zu einer einschlägigen E des VfGH ist sie gleichwohl natürlich gültig.

2.2.3. Eine weitere Frage stellt sich für herrschende Gesellschaften eines Konzerns: Bezieht sich gegebenenfalls die nötige Mindestzahl der Beschäftigten wie auch der vorgesehene 20 %-Anteil an Frauen/Männern innerhalb der Belegschaft lediglich auf die herrschende Gesellschaft selbst oder auf alle österreichischen Betriebe des gesamten Konzerns? UE kommt es auf die Verhältnisse im gesamten Konzern an, wiewohl der Wortlaut der Regelung eher das Gegenteil annehmen ließe. Das ist auf der Seite der BelegschaftsvertreterInnen im AR eindeutig, ergibt sich bereits aus dem Nominierungsvorgang gem § 110 ArbVG und ist auch in der geänderten AR-VO so festgelegt (alle Details siehe Pkt 6.). Angesichts des Grundsatzes der Gesamterfüllung der Quotenpflicht (Pkt 2.4.) spricht schon dieses Ergebnis deutlich dafür, dass auch für KapitalvertreterInnen auf die Verhältnisse im Konzern insgesamt abzustellen ist: Der Gesetzgeber geht offenbar davon aus, dass das Mindestanteilsgebot stets für beide Gruppen gilt oder nicht gilt. Aber auch die Ziele der Regelungen hinsichtlich der KapitalvertreterInnen lassen nur dieses Ergebnis zu:* Wie in Pkt 2.1. ausgeführt, beziehen sich die Aufgaben des AR nicht primär auf die Interessen der AktionärInnen (EigentümerInnen der Holding), sondern auf das Wohl der Gesellschaft selbst. Daher muss der Holding-AR auch auf die Gestion der beherrschten Gesellschaften achten, von deren Entwicklung ja das Wohl der Holding abhängt. Er ist zwar kein „Konzern-AR“, hat aber doch ein erweitertes Aufgabenfeld iS „konzerndimensionaler Überwachungsaufgaben“, insb hinsichtlich des Konzernaufbaus und der Konzernstrategie. Seine Prüfungspflicht betrifft auch den Konzernabschluss und Genehmigungspflichten müssen in angemessenem Umfang auch hinsichtlich der Bewilligung bedeutender Vorhaben von Tochterunternehmen durch den Holding-Vorstand bestehen.* Dann95müssen aber auch die Voraussetzungen für die Geltung der Quotenpflicht im AR der Holding von den Verhältnissen in der Gesamtheit jener Gesellschaften abhängen, für die er relevante Entscheidungen fällt! Zudem könnte es sonst zu dem – mit den Zielen des Gesetzes offenkundig unvereinbaren – Ergebnis kommen, dass zwar in den Aufsichtsräten der größeren Tochter-Gesellschaften eine Quotenpflicht besteht, nicht aber in dem, für den Konzern, die AktionärInnen, die öffentlichen und die AN-Interessen weit wichtigerem AR der Muttergesellschaft!

Anderes gilt im seltenen Fall einer reinen Finanz- Holding:* Bei einer Anteilsverwaltung ohne einheitliche Leitung, in der auf AN-Seite allein der BR der Holding in den AR entsendet, spricht die gerade ausgeführte einheitliche Betrachtungsweise für das Abstellen allein auf die Verhältnisse in der Holding selbst. Gleiches gilt für die Ziele der Regelung: Wenn der AR der Holding keine strategischen Entscheidungen für andere (Tochter-)Gesellschaften trifft, kann es auch unter diesem Aspekt nur auf die Verhältnisse in der Holding-Gesellschaft selbst ankommen. Die AR-VO ist uE diesbezüglich überschießend (vgl Pkt 3.1.), weil sie an diesen Fall offenbar nicht gedacht hat und insoweit teleologisch zu reduzieren.

Sowohl für die Frage der nötigen Belegschaftszahl als auch des erforderlichen Anteils des Minderheitengeschlechts an der Belegschaft kommt es somit bei „Mutter“-Gesellschaften (ausgenommen reine Finanz-Holdings) auf die Gesamtheit der in allen österreichischen Betrieben des Konzerns (nicht nur der Holding-Gesellschaft selbst) beschäftigten AN an. Dass nur die in Österreich gelegenen Betriebe maßgeblich sind, ergibt sich aus dem Geltungsbereich sowohl des AktG als auch des ArbVG und ist auch europarechtlich unbedenklich.*

2.3.
Der Inhalt der Mindestanteilspflicht und die Sanktionen bei deren Verletzung

2.3.1. Die vom Gesetzgeber als „Mindestanteilsgebot“ bezeichnete Quotenregelung hat den Inhalt, dass jeweils 30 % der Aufsichtsratsmandate (bei Gesamterfüllung) oder 30 % der Kapitalmandate einerseits und 30 % der AN-Mandate andererseits mit Frauen zu besetzen sind (gegebenenfalls gilt sinngemäß Gleiches zu Gunsten von Männern). Die Zahl dieser Mandate ist zwangsläufig zu runden; aufzurunden ist, sofern „der errechnete Mindestanteil eine Dezimalstelle von zumindest fünf aufweist“ (§ 86 Abs 7 AktG). Bloß stellvertretende Aufsichtsratsmitglieder sind uE nicht bei der Berechnung des Mindestanteils weiblicher Aufsichtsratsmitglieder zu berücksichtigen, auch wenn sie zur vorübergehenden Vertretung (nicht nur als Ersatz bei dauerhaftem Ausscheiden) bestellt sind.* Der vorgeschriebene Mindestanteil bezieht sich nach Wortlaut und Ziel der Regelung auf die aktiven Mitglieder, weshalb er durch Ersatzmitglieder weder steigen, noch aber auch die Quote durch sie erfüllt werden kann. Anderes gilt im Falle der tatsächlichen Verhinderung – vgl Pkt 2.5.

Die genannte Verpflichtung besteht für alle Wahlen oder Entsendungen* in den AR, die nach dem 31.12.2017 erfolgen; hinsichtlich des Nachrückens vgl aber Pkt 2.5.

2.3.2. Eine gegen die Mindestanteilspflicht verstoßende Wahl oder Nominierung ist absolut nichtig. Die ausdrückliche Anordnung der Nichtigkeitsfolge ist im Kern eine Klarstellung: Das Vorliegen der Nichtigkeit iSd § 199 Abs 1 Z 3 AktG wäre wohl unbestreitbar gewesen. Da eine Änderung des § 200 Abs 2 AktG nicht erfolgt ist, kann eine Heilung eines Verstoßes gegen die Mindestanteilspflicht durch Verstreichen der dort normierten dreijährigen Frist nicht eintreten. Im Streitfall kann das Vorliegen der Nichtigkeit durch Feststellungsklage gem § 228 ZPO jederzeit geklärt werden. Ein Feststellungsinteresse jedenfalls der Mitglieder des Vorstandes und AR, wohl aber auch jedes/jeder AktionärIn, ist uE anzuerkennen, da die Klärung der Frage für das Zustandekommen von zukünftigen Beschlüssen maßgeblich ist.*

Der Gesetzgeber hat für den Fall Vorsorge getroffen, dass sich eine Wahl in den AR – aus anderen Gründen als wegen Verstoßes gegen die Mindestanteilspflicht – als nichtig erweist. War eine solche Wahl von Anfang an (ex tunc) unwirksam und betrifft die Nichtigkeit eine/n Angehörige/n des Minderheitengeschlechtes, kann dies dazu führen, dass – rückwirkend betrachtet – zwischenzeitig (zwischen der seinerzeitigen Wahl und der Feststellung der Nichtigkeit) erfolgte Wahlen gegen das Mindestanteilsgebot verstoßen haben: Man verließ sich darauf, dass die Quote durch die nun als nichtig erkannte Wahl erfüllt sei. Für diese spezielle Konstellation ordnet § 86 Abs 8 letzter Satz AktG ausnahmsweise die Wirksamkeit der zwischenzeitig erfolgten Wahlen an, trotz des Verstoßes gegen die Mindestanteilspflicht. Dadurch wird durchaus zu Recht dem Gebot der Rechtssicherheit Vorrang eingeräumt. Natürlich muss bei der nun folgenden Wahl (umso mehr) der Quotenpflicht entsprochen werden.

2.3.3. Das Gesetz muss präzise festlegen, welche Mandate gegebenenfalls nicht wirksam besetzt sind, um zu vermeiden, dass eine unrichtige Zusammensetzung von Aufsichtsräten eintritt. Das hat es aus guten Gründen hinsichtlich der Kapitalmandate einerseits, der AN-Mandate andererseits unterschiedlich geregelt. Für die Kapitalmandate legt das Gesetz lapidar fest: Wahlen/Entsendungen „unter Verstoß gegen das Mindestanteilsgebot“ sind nichtig.

Diese wenig präzise Anordnung geht ersichtlich von der Annahme aus, dass KapitalvertreterInnen96jeweils einzeln gewählt werden,* wie dies gem § 87 Abs 3 AktG idR zu geschehen hat. Von einem Verstoß gegen das Mindestanteilsgebot kann erst gesprochen werden, wenn es um Mandate geht, die mit Angehörigen des Minderheitsgeschlechtes besetzt werden müssten. Es entscheidet also die Reihenfolge der Wahl. Wurde zB in einem zur Gänze neu zu bestellenden AR mit sechs KapitalvertreterInnen für die ersten vier Mandate keine Frau gewählt, müssen zwingend die zwei restlichen Mandate mit Frauen besetzt werden – sonst ist der Wahlvorgang nichtig und die Mandate bleiben (vorerst) unbesetzt. Die für Kapitalmandate* gültige Logik lautet also: Die jeweils zuletzt zu besetzenden Mandate müssen, soweit nicht vorher für die Erfüllung der Quote gesorgt wurde, mit VertreterInnen des Minderheitengeschlechtes besetzt werden; sonst sind diese Wahlvorgänge nichtig.

2.3.4. Aber es gibt Fallen: So ist gem § 87 Abs 3 AktG in nicht-börsennotierten Gesellschaften die Verbindung der Wahl mehrerer Mandate zu einem einheitlichen Abstimmungsvorgang zulässig, wenn kein/e AktionärIn dem widerspricht. In der GmbH ist die gemeinsame Wahl (Listenwahl) aller Aufsichtsratsmitglieder sogar die Regel (§ 30b Abs 1 GmbhG). Auch die Minderheitenschutz-Regelung des § 87 Abs 4 AktG (§ 30b Abs 1 GmbHG) ist zu bedenken: Sind auf einer Hauptversammlung mindestens drei Aufsichtsratsmandate zu wählen, so gilt ein zweimal mit zumindest je einem Drittel der abgegebenen Stimmen „durchgefallener“ Kandidat automatisch als für das letzte Mandat gewählt. Der im vorstehenden Absatz erläuterte Grundsatz, der „Nichtigkeit der letzten Wahl“ gilt auch in all diesen Fällen! § 86 Abs 8 AktG ist die speziellere (übrigens auch spätere) Regel. Die in der Liste letztgereihten bzw zeitlich zuletzt nominierten Personen werden, ebenso wie der gem § 87 Abs 4 AktG (scheinbar) kraft Gesetzes gewählte Kandidat oder der nach der Hauptversammlung gem § 88 AktG entsendete Angehörige des Mehrheitsgeschlechtes daher gegebenenfalls nicht Mitglieder des AR! Eine entsprechend vorausschauende Planung der Wahlvorschläge ist also notwendig, um die Einhaltung der Mindestanteilspflicht zu sichern und nichtige Wahlergebnisse zu vermeiden.

2.3.5. Grundsätzlich können „leere Stühle“ nicht dazu führen, dass der AR beschlussunfähig wird: Gem § 92 Abs 5 AktG (§ 30g Abs 5 GmbHG) ist er stets beschlussfähig, wenn an der Sitzung mindestens drei Mitglieder (einschließlich der AN-VertreterInnen) teilnehmen. Da die Quotenpflicht nur Aufsichtsräte mit insgesamt mindestens neun Mitgliedern betrifft und höchstens drei leere Stühle entstehen können, kann die allgemeine Voraussetzung der Beschlussfähigkeit dadurch nicht gefährdet werden. Allerdings kann die Satzung eine höhere Mindestzahl oder sonstige Voraussetzungen festlegen. In solchen Fällen muss gegebenenfalls das Gericht „leere Stühle“ in der Anzahl mit Frauen besetzen, die zur Erreichung der Beschlussfähigkeit nötig ist. Eine spätere, der Quotenpflicht entsprechende Wahl oder Entsendung bleibt dennoch jederzeit möglich: Erfolgt sie, hat das Gericht die von ihm bestellten Aufsichtsratsmitglieder wieder abzuberufen (§ 89 Abs 2 AktG; § 30d Abs 3 GmbHG).

2.4.
Die Gesamterfüllung

2.4.1. Entsprechend dem deutschen Vorbild wurde auch für Österreich die Gesamterfüllung als Regelfall festgesetzt. „Gesamterfüllung“ bedeutet, dass der Mindestanteil vom AR insgesamt, also nicht getrennt nach KapitalvertreterInnen und AN-VertreterInnen, erfüllt wird. Jede der beiden Seiten muss für allfällige Versäumnisse der anderen Seite „gerade stehen“, also gegebenenfalls eine entsprechend höhere Anzahl von weiblichen Aufsichtsratsmitgliedern nominieren. Andererseits kann sie aber auch im Falle einer Übererfüllung der Quote durch die andere Seite ihrerseits insoweit „freier“ disponieren. Jede Seite, die gerade eine Wahl/Entsendung vorzunehmen hat, muss unter Berücksichtigung der im AR im Zeitpunkt der Wahl/Entsendung gegebenen Gesamtverhältnisse die Mindestanteilspflicht erfüllen.

Eine Gesamterfüllungspflicht kann begrifflich erst entstehen, wenn beide Seiten der Quotenpflicht unterliegen. Auf Grund der unterschiedlichen Regelungen über den Geltungsbeginn der Quotenpflicht (vgl Pkt 2.5.2. und Pkt 3.1. letzter Absatz) kann es dazu kommen, dass sie für eine Seite – idR für KapitalvertreterInnen – bereits besteht, nicht aber für die andere Seite. So lange besteht keine Gesamterfüllungspflicht, das Mindestanteilsgebot muss nur hinsichtlich der „eigenen“ Mandate beachtet werden. Um absolute Rechtssicherheit herzustellen, ist es gegebenenfalls sicher ratsam, dennoch formal Widerspruch zu erheben.

2.4.2. Die Gesamterfüllungspflicht gilt nur, sofern nicht die KapitalvertreterInnen einerseits oder die AN-VertreterInnen andererseits spätestens sechs Wochen vor einer Wahl/Entsendung der Gesamterfüllung widersprochen haben. Die diesbezüglich wenig erbaulichen deutschen Erfahrungen wurden mit dem Hinweis beiseitegeschoben, es sei „nicht unwahrscheinlich, dass in Österreich weniger oft von der Widerspruchsmöglichkeit Gebrauch gemacht [werden] wird“.* Worauf diese Annahme gründet, bleibt ein Geheimnis des Justizausschusses.

Ein Widerspruch setzt lediglich einen formfreien Mehrheitsbeschluss der Aufsichtsratsmitglieder der jeweiligen Seite voraus, der fristgerecht dem/der Aufsichtsratsvorsitzenden mitzuteilen ist. Der/Die Aufsichtsratsvorsitzende hat offenkundig keinerlei Kontrollmöglichkeit in dieser Frage, sollte aber die Identität des/der InformantIn sicherstellen und den Inhalt und Zeitpunkt der Mitteilung dokumentieren. Er/Sie wird sodann wohl die jeweils andere Seite unverzüglich darüber informieren, damit diese bei ihrer nächsten Wahl/Entsendung darauf Bedacht nehmen kann. Ausdrücklich verpflichtet zu einer solchen Information der entsendenden Organe der Arbeitnehmerschaft ist er/sie aber nur über deren Anfrage (§ 15b der VO über die Entsen-97dung von AN-VertreterInnen in den AR; im Folgenden AR-VO). Hinsichtlich der KapitalvertreterInnen hat (erst) jeder Wahlvorschlag für den AR eine entsprechende Information zu enthalten (§ 108 Abs 2 gegebenenfalls iVm § 110 Abs 2 AktG).

Der erhobene Widerspruch gegen die Gesamtbetrachtung gilt lediglich für die nächste Wahl oder Entsendung. Ob es sich dabei um eine von der eigenen Seite demnächst vorzunehmende Wahl/Entsendung handelt oder um eine bevorstehende Wahl/Entsendung der anderen Seite, ist belanglos. Da nicht immer bekannt sein wird, wann eine Wahl/Entsendung der anderen Seite ansteht, kann Widerspruch auch präventiv erhoben werden: Der Gesetzgeber hat lediglich den spätestmöglichen Zeitpunkt festgelegt, nicht den frühestzulässigen. Es besteht auch die Möglichkeit, einen generellen Widerspruch für eine bestimmte Dauer zu erklären oder für eine bestimmte Dauer auf die Erhebung eines Widerspruches einseitig zu verzichten oder eine entsprechende Vereinbarung mit der anderen Gruppe von Aufsichtsratsmitgliedern zu treffen. All dies ist jeweils dem/der Aufsichtsratsvorsitzenden mitzuteilen.

2.5.
Nachrücken; Das Übergangsrecht

2.5.1. Aufsichtsratsmitglieder können aus den verschiedensten Gründen aus dieser Funktion ausscheiden. Das Gesetz sichert, dass dieser Umstand keinen Einfluss auf die Gültigkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen bis zur folgenden Wahl in das frei gewordene Mandat hat: Unter Nichtigkeitssanktion stehen nicht Beschlüsse von Aufsichtsräten, denen nicht die erforderliche Anzahl von Mitgliedern des Minderheitengeschlechts angehören, sondern nur Wahl-Vorgänge, die gegen die Mindestanteilspflicht verstoßen. Werden frei gewordene Mandate, die mit Frauen besetzt waren, nicht zügig nachbesetzt, kommt es zu keiner anderen Situation, als wenn eine nichtige Wahl erfolgt wäre: Der betroffene „Stuhl“ bleibt vorerst frei.

Wird zugleich mit der Wahl eines Mitgliedes des AR ein Ersatzmitglied für dieses gewählt oder entsendet, ist bei Mitgliedern des Minderheitengeschlechts darauf zu achten, dass auch das Ersatzmitglied dem Minderheitengeschlecht angehört; es sei denn, die vorgeschriebene Quote ist ausreichend übererfüllt. Denn sonst scheitert das Nachrücken gegebenenfalls an der Sanktion des „leeren Stuhles“: Wie sich aus dem Zweck der Regelung, aber indirekt auch aus der Übergangsbestimmung des § 262 Abs 38 AktG ergibt (dazu gleich unten), ist das Nach rücken in die Funktion wie eine Wahl im Zeitpunkt des Nachrückens zu beurteilen: Die Wirksamkeit ist davon abhängig, dass es dadurch nicht zu einer Verletzung der Quotenregelung kommt.

2.5.2. Die erwähnte Übergangsregelung sieht vor, dass bis einschließlich dem 31.12.2017 erfolgte Wahlen/Entsendungen gültig bleiben. Die Quotenpflicht gilt nur für Wahlen, die danach erfolgen. Die Unternehmen müssen die Quote also nicht sofort erfüllen, doch muss jedes freiwerdende Aufsichtsratsmandat mit einer Frau besetzt werden, bis die Quote erfüllt ist.

Dies gilt aber ausdrücklich nicht für das Nach rücken von Ersatzmitgliedern: Die Rechtmäßigkeit eines Nachrückens ist für jenen Zeitpunkt zu prüfen, in dem sie erfolgt. Es wird sich daher vielfach eine vor 2018 erfolgte Bestellung von Ersatzmitgliedern als unwirksam erweisen und eine entsprechende Wahl bei Ausscheiden eines Mitglieds des AR notwendig sein.

3.
Die Quote der AN-VertreterInnen – Grundsätze
3.1.
Voraussetzungen für die Quotenpflicht

In Hinblick auf die Entsendung von AN-VertreterInnen quotenpflichtig – dh mit mindestens 30 % eines jeden Geschlechts – zu besetzen, sind künftig gem § 110 Abs 2a ArbVG (gleich den Voraussetzungen des § 86 Abs 7 AktG) Aufsichtsräte von

  • börsennotierten Unternehmen und

  • Unternehmen mit dauernd* mehr als 1.000 AN.

Diese Quote ist bei Entsendung der AN-VertreterInnen allerdings gem Abs 2a nur dann einzuhalten, sofern

  • zumindest drei AN-VertreterInnen in den AR zu entsenden sind (§ 110 Abs 1 ArbVG) – dh, der AR im Ergebnis (inkl KapitalvertreterInnen) aus mindestens neun Mitgliedern besteht, und

  • die Belegschaft des (der) Unternehmen(s) zu mindestens 20 % aus AN eines jeden Geschlechts besteht.

Das Zusammenspiel dieser beiden Kriterien schränkt den an sich weiten Geltungsbereich deutlich ein, allerdings im Bereich der Entsendung der AN-VertreterInnen zurecht, um Unsachlichkeiten hintanzuhalten (zur fragwürdigen Bezugnahme auf die Zusammensetzung der Belegschaft bei KapitalvertreterInnen siehe oben Pkt 2.2.).

Aufgrund der Rundungsregel des § 110 Abs 2a ArbVG ist es theoretisch denkbar, dass den drei AN-VertreterInnen lediglich fünf KapitalvertreterInnen gegenüberstehen. Der Wortlaut der ArbVG-Bestimmung ist uE dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass die Quotenpflicht nur dann zum Tragen kommt, wenn auch die Kapitalseite eine Quotenpflicht trifft.* Es handelt sich um ein offensichtliches Versehen des Gesetzgebers, der – sowohl bei Gesamterfüllung als auch bei getrennter Betrachtung – davon ausgeht, dass die Quotenpflicht stets für beide Seiten oder keine Seite gilt.

Hinsichtlich der 20 %-Grenze stellen die §§ 31b Abs 1 und § 31d Abs 1 AR-VO für die Entsendung in den AR einer Konzernmutter (sogenanntes „beherrschendes Unternehmen“) klar, dass die Quote nur dann anzuwenden ist, wenn die Gesamtheit der Belegschaft im herrschenden sowie in allen beherrschten Unternehmen insgesamt zu mindestens 20 % aus dem Minderheitengeschlecht besteht (vgl Pkt 2.2.3.).98

Bei Errechnung der 30 %-igen Quote ist kaufmännisch auf ganze Personen zu runden (dh ab einem Dezimalwert von ,5 ist aufzurunden; § 110 Abs 2c ArbVG).

Entsendet werden kann unverändert aus dem gesamten Pool der Betriebsratsmitglieder im Unternehmen, auch dann, wenn die Entsendung durch den Zentralbetriebsrat (ZBR) erfolgt (§ 110 Abs 1 ArbVG). Die Quotenpflicht gilt für die Entsendung von AN-VertreterInnen durch Organe der Arbeitnehmerschaft, deren Wahl nach dem 31.12.2017 erfolgt ist (§ 264 Abs 32 ArbVG). Durch das Abstellen auf den Zeitpunkt der Wahl des entsendenden Organs gilt der Stichtag auch für das Nachbesetzen der Mandate ausscheidender Aufsichtsratsmitglieder, die bei den KapitalvertreterInnen geschilderten Probleme (siehe Pkt 2.5.) können hier also nicht entstehen.

3.2.
Gesamtbetrachtung und Probleme des Widerspruchsrechts

3.2.1. Wie bereits oben (Pkt 2.4.) besprochen, geht das AktG grundsätzlich von einer Gesamtbetrachtung beider Kurien – KapitalvertreterInnen und AN-VertreterInnen – aus, welche allerdings mittels Widerspruch der Aufsichtsratsmitglieder einer der Kurien „spätestens sechs Wochen vor einer Wahl oder Entsendung“ verhindert werden kann (§ 86 Abs 9 AktG).

Dies bedeutet zwangsläufig, dass vor einer erstmaligen Entsendung von AN-VertreterInnen – unabhängig davon, ob bis dato kein entsendungsberechtigtes Organ der AN gewählt war oder das Entsenderecht schlicht nicht wahrgenommen wurde – kein Widerspruch möglich ist, da es an den widerspruchsberechtigten Personen mangelt. Denn ein Widerspruch seitens des (Z)BR ist nicht vorgesehen.

Für alle späteren Entsendungen bedeutet dies, dass die bestehenden AN-VertreterInnen im AR einen allfälligen Widerspruch für ihre NachfolgerInnen tätigen – dies kann präventiv erfolgen oder unmittelbar vor einer Neuentsendung aufgrund der (anstehenden) Neukonstituierung des entsendenden Organs. Letzteres erfolgt freilich uU in Unkenntnis des Ausgangs der einer neuen Entsendung zugrundeliegenden Betriebsrats-/Zentralbetriebsratswahl.

Die Periode der entsandten AN-VertreterInnen endet nicht mit der Neukonstituierung des entsendenden Organs, sondern erst mit der Neuentsendung von AN-VertreterInnen durch dieses Organ (§ 9 Abs 1 Z 3 AR-VO). Zwar ist das Verfahren zur Entsendung unverzüglich nach der Konstituierung in Gang zu setzen, doch haben die einzelnen nominierungsberechtigten Listen für die Erstattung ihrer Nominierungsvorschläge drei Monate Zeit (§ 4 Abs 3 AR-VO), was den bisherigen AN-VertreterInnen genug Spielraum lässt, zeitgerecht nach erfolgter (Zentral-)Betriebsratswahl, aber vor Entsendung neuer AN-VertreterInnen einen Widerspruch zur Gesamtbetrachtung zu äußern. Es empfiehlt sich freilich ein informell koordiniertes Vorgehen zwischen „alten“ und „neuen“ AN-VertreterInnen.

Genauso ist es denkbar, dass die Mehrheit der KapitalvertreterInnen zeitgerecht vor der Entsendung durch den (Z)BR einen Widerspruch tätigt – die Wortfolge des § 86 Abs 9 AktGspätestens sechs Wochen vor einer Wahl oder Entsendung“ zeigt uE, dass damit jegliche Wahl oder Entsendung gemeint ist, nicht nur die jeweils eigene.

3.2.2. Sofern es sich nicht nur um eine Nachbesetzung handelt, wird zunächst die Wahl der KapitalvertreterInnen erfolgen. Gehen wir beispielhaft von einem AR mit sechs KapitalvertreterInnen aus. Zum Zeitpunkt von deren Wahl ist noch nicht bekannt, ob die AN ebenfalls VertreterInnen entsenden; sie sind dazu berechtigt, aber nicht verpflichtet.* Diesfalls haben die KapitalvertreterInnen jedenfalls eine Quote von 30 % ihrer Mandate (zwei Mandate) einzuhalten, andernfalls ist die Wahl in dem Umfang, in dem sie eine Verletzung der Quote zur Folge hat, nichtig.

Bei einer späteren Entsendung von AN-VertreterInnen ist entsprechend der in § 110 ArbVG festgelegten Drittelparität die Gesamtgröße von neun Aufsichtsratsmitgliedern zugrunde zu legen. Die entsprechende Gesamtquote beliefe sich auf drei Aufsichtsratsmitglieder. Da von den KapitalvertreterInnen bereits zwei Mandate mit dem Minderheitsgeschlecht besetzt wurden, ergibt sich für die AN-VertreterInnen eine „Auffüllungspflicht“ auf das dritte Mandat. Seitens der AN-VertreterInnen ist somit genau wie bei getrennter Betrachtungsweise ein Mandat mit dem Minderheitsgeschlecht zu besetzen.

Erfüllen die KapitalvertreterInnen ihre Quote nicht, trifft sie die Sanktion eines oder zweier leerer Stühle. Eine später erfolgende Nominierung von AN-VertreterInnen soll nun nicht dazu führen, dass bereits sanktionierte Fehler der Kapitalseite kompensiert werden müssen. Vielmehr müssen die beiden leer gebliebenen Mandate als Teil der insgesamt zu erfüllenden Quote gezählt werden. Im obigen Beispiel wäre also auch hier seitens der AN-VertreterInnen nur ein Mandat mit dem Minderheitsgeschlecht zu besetzen. Dass nicht die Beschickung eines aufgrund der leergebliebenen Mandate verkleinerten AR beabsichtigt ist, ergibt sich auch aus der Änderung des Wortlautes des § 110 Abs 1 ArbVG: War dort bisher die Anzahl der AN-VertreterInnen im AR von der Zahl der „bestellten“ KapitalvertreterInnen abhängig, kommt es nun auf die Zahl der „zu bestellenden“ KapitalvertreterInnen an.*

4.
Die Entsendung von AN-VertreterInnen in den AR – Quotenkonflikte?
4.1.
Ziel der Frauenquote

Anders als für KapitalvertreterInnen ergibt sich die Rolle eines Betriebsratsmitglieds als AN-VertreterIn im AR auch aus dem ArbVG und nicht einzig aus den – für alle Aufsichtsratsmitglieder geltenden – gesellschaftsrechtlichen Vorgaben des AktG (oder des GmbHG oder anderer einschlägi-99ger Normen wie zB zahlreicher Ausgliederungsgesetze). Die Wahrnehmung eines Mandats als AN-VertreterIn stellt völlig unstrittig durch ihre Einbettung im dritten Hauptstück des ArbVG einen Teil der Betriebsratstätigkeit dar.* Die entsandten AN-VertreterInnen haben damit jedenfalls auch die Wahrnehmung der wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Interessen der Belegschaft zur Aufgabe.

Während eine Erhöhung der sichtbaren Beteiligung von Frauen auf Seiten der KapitalvertreterInnen eine Vorbildfunktion in weiten Teilen der Gesellschaft haben kann, richtet sich die Quote bei den AN-VertreterInnen von ihrer „Role Model-Zielsetzung“ her in erster Linie und weit überwiegend nach innen: Sie treten häufig nur gegenüber den Betriebsratsmitgliedern und der Belegschaft sichtbar in Erscheinung. Außerhalb des Betriebs wird sich die Kenntnis von AN-VertreterInnen mutmaßlich in Grenzen halten.

4.2.
Zahnlose „Quote“ bei den Betriebsräten selbst?

Auffällig ist, dass mit der Frauenquote für den AR an der höchsten Ebene der Entsendung im Kontext betrieblicher Interessenvertretung angesetzt wird, während für die Zusammensetzung der Betriebsratskörperschaften selbst nur eine sanktionslose Zielbestimmung gilt.

§ 55 Abs 4a ArbVG weist seit 1992 darauf hin, dass bei Erstellung der Wahlvorschläge „auf eine angemessene Vertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Bedacht genommen werden“ soll. Unter Sanktion steht diese Zielbestimmung freilich nicht: Die wahlwerbenden Gruppen müssen selbstverantwortlich dafür Sorge tragen, auf eine entsprechend repräsentative Geschlechterverteilung in den Betriebsratskörperschaften hinzuwirken – dies hat bis dato wenig Wirkung gezeigt.*

Die verbindliche und sanktionierte Anordnung einer Geschlechter-(Frauen-)Quote wenigstens bei Entsendungen von Aufsichtsratsmitgliedern aus dem Pool der Betriebsratsmitglieder war daher sachlich ebenso notwendig wie auf der Seite der KapitalvertreterInnen. Eine Unerfüllbarkeit kann sich nur dann ergeben, wenn die Bestimmung des § 55 Abs 4a ArbVG gänzlich ignoriert wurde oder – und dagegen bietet die Ausnahme von Betrieben mit weniger als 20 % Anteil des Minderheitengeschlechts Schutz – in der Belegschaft derart wenige KollegInnen des Minderheitengeschlechts vertreten sind, dass eine höhere Repräsentanz bei der Listenerstellung unerfüllbar und damit wohl sachlich nicht mehr gerechtfertigt wäre.

4.3.
ArbeiterInnen-Angestellten-„Quote“, Berücksichtigung der Betriebe

Die 30 %-Quote, die von den AN-VertreterInnen zu erfüllen ist, ist in ein bereits ohne Quote komplexes Entsendungssystem eingebettet. Bereits vor Erlass des GFMA-G galt es bei der Entsendung, mehr als nur Fraktionsinteressen zu berücksichtigen. Zu nennen ist hier neben der angemessenen Vertretung von ArbeiterInnen und Angestellten auch die entsprechende Vertretung der einzelnen im Unternehmen bestehenden Betriebe.

Denn der (unveränderte) Abs 2 vierter Satz des § 110 ArbVG legt fest, dass bei Erstellung der Nominierungsvorschläge für die Aufsichtsratsentsendung auf eine „angemessene Vertretung der Gruppen der Arbeiter und Angestellten und der einzelnen Betriebe des Unternehmens Bedacht genommen werden“ soll.

Die neue Frauenquote wird wohl in der Praxis (durch die mit ihr verknüpfte Sanktionierung) jeglicher anderen Quotierung faktisch vorgehen – hat dies der Gesetzgeber beabsichtigt? UE ja, da sich die Bestimmung nicht versteckt anderswo im ArbVG findet, sondern unmittelbar in § 110 ArbVG selbst. Dem Gesetzgeber könnte eine Insensibilität bezüglich anderer Repräsentanzkonflikte in der Belegschaft bzw Interessenvertretung unterstellt werden, aber er lässt uE keine Zweifel daran, dass die Frauenquote verbindliche Pflicht ist und die Berücksichtigung anderer angemessener Repräsentanz lediglich Zielbestimmung bleibt.

Damit können aber das unmittelbar gesellschaftliche Interesse an der Frauenquote und die rein innerbetrieblichen (betriebsverfassungsrechtlichen) Zielsetzungen des ArbVG, eine Ausgewogenheit zwischen verschiedenen Interessen herzustellen, in Konflikt geraten. Die Lösung dieses Konflikts wird – beabsichtigt oder unbeabsichtigt – den wahlwerbenden Gruppen selbst überlassen. Für die Praxis ist zu erwarten, dass ausgewogene Entsendungen wohl regelmäßig in Form einer „einvernehmlichen Entsendung“ stattfinden werden (siehe dazu unten Pkt 5.3.).

5.
Der Entsendevorgang am Beispiel der Entsendung durch den ZBR
5.1.
Entsendungsvorgang nach § 110 ArbVG und Sanktion des „leeren Stuhls“

5.1.1. „Das Nominierungsrecht“ ist in einer Art und Weise auszuüben, die die Entsendung beider Geschlechter im Ausmaß von mindestens 30 % gewährleistet (§ 110 Abs 2b erster Satz ArbVG). Die Erfüllung der Quotenpflicht richtet sich somit zunächst allgemein an alle (Zentral-)Betriebsratskörperschaften und/oder Listen, die am Entsendevorgang beteiligt sind. Lediglich dann, wenn die Quotenpflicht nicht erfüllt wird, stellt sich die Frage, welche wahlwerbende Gruppe/Liste die Sanktion des „leeren Stuhls“ in concreto trifft. Diese Frage gilt es allerdings sorgfältig zu klären, da ja nicht zuletzt die Gültigkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen davon abhängen kann.

Machen die „wahlwerbenden Gruppen“ von ihrem Vorschlagsrecht nicht in der Art und Weise100Gebrauch, dass insgesamt die 30 %-ige Quote beider Geschlechter erfüllt ist, bleiben gem § 110 Abs 2b zweiter Satz ArbVG jene Sitze, die „zunächst zu besetzen sind“ und aus denen sich die Nichterfüllung der Quote ergibt, unbesetzt. Die hierfür zu bestimmende Reihenfolge der zu besetzen Mandate ergibt sich aus dem d‘Hondtschen Verfahren, nach dem die AN-VertreterInnen bereits bisher in den AR entsendet wurden (§ 3 AR-VO).

Wenn hier im Folgenden auf das Verfahren im ZBR Bezug genommen wird, gilt das Gesagte genauso für eine Entsendung seitens des BR oder des Betriebsausschusses (zur Entsendung durch die Konzernvertretung siehe unten Pkt 6.6.).

5.1.2. Der/Die Vorsitzende des ZBR (Betriebsausschuss, BR) hat bereits unverzüglich nach der Konstituierung eine Sitzung einzuberufen, in der festgestellt wird, von welchen wahlwerbenden Gruppen wie viele Mandate im AR zu besetzen sind – und damit künftig auch, welche „Reihenfolge“ diesen Mandaten nach dem d‘Hondtschen Verfahren zukommt, sodass die sanktionsbehafteten Mandate (nämlich die „zunächst zu besetzenden“) sogleich ersichtlich sind (§ 3 iVm § 15c AR-VO). Um seiner/ihrer Informationspflicht nachkommen zu können, ist der/die Zentralbetriebsratsvorsitzende sowohl vom Vorstand der Gesellschaft als auch von dem/von der Vorsitzenden des AR darüber zu informieren, wie viele Mandate mit dem Minderheitsgeschlecht zu besetzen sind und ob (seitens der KapitalvertreterInnen) ein Widerspruch gegen eine Gesamtbetrachtung erhoben wurde (§ 15b AR-VO). Zur Ermittlung der auf die wahlwerbenden Gruppen entfallenden Mandate ist (wie bisher) die Anzahl der auf die jeweilige wahlwerbende Gruppe entfallenden Mandate nach ihrer Größe geordnet nebeneinander zu schreiben. Darunter wird jeweils deren Hälfte, darunter ein Drittel, ein Viertel usw geschrieben. Sind drei AN-VertreterInnen zu entsenden, gilt die drittgrößte Zahl als Wahlzahl, bei vier VertreterInnen die viertgrößte Zahl etc. Jede Liste kann so viel VertreterInnen in den AR entsenden, wie die Wahlzahl in ihrer Spalte enthalten ist (§ 3 Abs 3 iVm § 15c Abs 3 AR-VO). Die „zunächst zu besetzenden“ Mandate sind dabei jene, auf die die jeweils höchsten Zahlen entfallen.

Dadurch wird sichergestellt, dass einerseits die stärker vertretene(n) Liste(n) auch mehr Mandate erhalten, andererseits liegt zunächst die „Pflicht“ zur Quotenerfüllung faktisch bei der/den stärksten Liste(n). Diese wird/werden sich in aller Regel mit der Erfüllung auch leichter tun. Die Nominierungsvorschläge selbst sind binnen drei Monaten vom/von der ListenführerIn an den/die Zentral betriebsrats vorsitzende/n zu übergeben (§ 4 Abs 3 AR-VO). Erfüllt der übermittelte Vorschlag die Quotenpflicht nicht, und springt auch keine andere Liste durch „Übererfüllung“ rettend zur Seite, bleibt das nach obiger Methode berechnete „stärkste“ (erste) zu besetzende Mandat leer und damit unberücksichtigt. Hat eine Liste mehrere Mandate mit Frauen zu besetzen und wurde nur das erstgereihte Mandat tatsächlich mit einer Frau besetzt, ergibt sich die Nichterfüllung der Quote freilich erst aus dem zweiten, „später“ zu besetzenden Mandat, welches dann in der Folge ruht.

Listenkoppelungen (gemeinsame Nominierungsvorschläge mehrerer wahlwerbender Gruppen) sind bei der Entsendung in den AR wie bisher unverändert möglich (§ 110 Abs 2 dritter Satz ArbVG sowie § 5 AR-VO).

Die Rechtsfolge des „leeren Stuhls“ tritt auch dann nicht ein, wenn eine Gesamtbetrachtung nach § 86 Abs 9 AktG unter Mitberücksichtigung der KapitalvertreterInnen eine Erfüllung der Quote ergibt. Dies ist freilich nur möglich, sofern der Gesamtbetrachtung nicht widersprochen wurde (siehe oben Pkt 3.2.).

5.2.
Verbesserung bei quotenwidriger Nominierung

Jene Nominierungsvorschläge bzw (idR) jener Nominierungsvorschlag, aus dem sich die Nichterfüllung ergibt (also zunächst einmal das erste Mandat), ist nichtig (§ 15d Abs 2 AR-VO). Die AR-VO stellt klar, dass bei einer Liste, der mehrere Aufsichtsratsmandate zustehen, jedes Mandat mittels gesondertem Entsendebeschluss besetzt werden muss (§ 15c Abs 4 AR-VO). Die VO greift somit die Klarstellung aus dem AB auf, wonach nur jene „auf ein Mandat bezogenen Besetzungsvorschläge in einem Nominierungsvorschlag, aus denen die Nichterreichung des Mindestanteils von 30 % AN im Aufsichtsrat folgt, unwirksam sind“,* nicht aber die gesamte Entsendung von AN-VertreterInnen.

Der/Die Vorsitzende des ZBR hat nach Prüfung der eingegangenen Vorschläge dem/der ListenführerIn allfällige Mängel – dh insb auch die Nichterfüllung der Quote – schriftlich bekannt zu geben (§ 6 iVm § 15d AR-VO). Zur Vermeidung der Nichtigkeit dieses Vorschlags ist die Möglichkeit einer Verbesserung durch die Liste gegeben: Nach Erhalt der Mitteilung des/der Zentralbetriebsratsvorsitzenden kann die betroffene Liste binnen einer Woche einen neuen – quotenkonformen – Nominierungsbeschluss fassen (§ 15d Abs 3 AR-VO).

Ist die betroffene Liste nicht in der Lage, quotenkonform nachzubessern, wird durch den Wegfall des „stärksten“ Mandats von der Sanktion des „leeren Stuhls“ häufig der/die ListenführerIn betroffen sein. Dieser unerwünschten Konsequenz kann die betroffene Liste dadurch entgehen, dass sämtliche Nominierungsbeschlüsse neu gefasst werden und somit zumindest die Person, die von der Sanktion des leeren Stuhles betroffen wäre, „ausgetauscht“ wird.

Diese Möglichkeit die Reihenfolge der zu besetzende Mandate abzuändern, ist in der AR-VO zwar nicht ausdrücklich genannt (arg „Nominierungsbeschluss“ anstatt „Nominierungsbeschlüsse“), sie ergibt sich aber zwangsläufig aus dem Unterschied zur jederzeitigen Nachbesetzung „leerer Stühle“ zur Erfüllung des Mindestanteils nach § 110 Abs 2b letzter Satz ArbVG. Ein eigenständiges (an die kurze einwöchige Frist gebundenes) Verbesserungsverfahren wäre widersinnig, hätte es denselben Inhalt wie das jederzeit durchführbare, nicht fristgebundene Nachnominieren.101

Erfolgt keine Sanierung des Nominierungsbeschlusses, kann/können die betroffene/n Liste/n jedenfalls nur (falls mehr als ein Mandat auf sie entfällt) die hinteren Mandate beschicken. Dies bedeutet in der Praxis in aller Regel tatsächlich, dass das Mandat des/der ListenführerIn wegfällt.

5.3.
Einvernehmliche Entsendung

Die Entsendung der AN-VertreterInnen kann abweichend von diesem Verfahren auch durch einen einhelligen Beschluss im (Z)BR festgelegt werden – vorausgesetzt, die Quote wird dabei eingehalten (§ 110 Abs 2d ArbVG). Diese Voraussetzung eines einhelligen Beschlusses gilt in der Folge auch für die Abberufung und Neuentsendung von AN-VertreterInnen, sofern nicht bereits im Nominierungsbeschluss ein davon abweichendes Verfahren (zB Nachnominierungsrecht/-pflicht bestimmter Listen) beschlossen wurde (§ 15f AR-VO).

Ein einhelliger Beschluss kann auch dann noch getroffen werden, wenn zunächst nach dem Verfahren nach Abs 2b nominiert wurde, einzelne Nominierungsvorschläge jedoch nicht erfolgreich saniert werden konnten, da dieser Beschluss jederzeit – auch nach erfolgter unwirksamer Entsendung – gefasst werden kann.*

In der Praxis bietet sich die einvernehmliche Entsendung uE insb an, um die zahlreichen oben beschriebenen Interessen (siehe Pkt 4.3.) unter einen Hut zu bringen. Es empfiehlt sich jedenfalls auch, klare Regelungen für die Abberufung bzw Neuentsendung festzulegen, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden (siehe zum diesbezüglichen Prozedere sogleich in Pkt 5.4.).

5.4.
Nachrücken bei Ausscheiden von Aufsichtsratsmitgliedern

Bei Ausscheiden, Rücktritt oder Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds hat die entsprechende Liste eine Nachnominierung vorzunehmen (unverändert §§ 10 und 11 AR-VO) – hierbei ist freilich weiterhin die Einhaltung der Quote zu berücksichtigen und es gilt das oben Gesagte zur Gültigkeit bzw Nichtigkeit des entsprechenden Nominierungsvorschlags (§ 15g AR-VO).

Dies wird vor allem dann zu berücksichtigen sein, wenn eine Liste durch Nominierung einer Frau die Quote erfüllt, obwohl die Rechtsfolge des leeren Stuhls bei Nichterfüllung eine andere Liste getroffen hätte. Diesfalls wandert die Pflicht zur Quotenerfüllung bis zum Ende der Periode zu jener Liste, die die Quotenerfüllung freiwillig „übernommen“ hat. Scheidet die nominierte Frau nämlich zu einem späteren Zeitpunkt vorzeitig aus und wird an ihrer Stelle ein Mann nachnominiert, ist dieser Nachnominierungsbeschluss aufgrund der nunmehrigen Nichterfüllung der Quote nichtig (§ 15g AR-VO). Dh umgekehrt, dass der ursprüngliche Nominierungsbeschluss, dessen Nichtigkeit nur durch die freiwillige quotenkonforme Entsendung einer anderen Liste vermieden wurde, für den Rest der Periode gültig ist.

6.
Besonderheiten bei der Aufsichtsratsentsendung im Konzern
6.1.
Grundsätzliches

Das Verfahren zur Aufsichtsratsentsendung in den AR einer aufsichtsratspflichtigen Konzernmutter ist in § 110 Abs 6 bis 6b ArbVG geregelt.

Im Konzern kommen drei verschiedene nominierungsberechtigte „Organe“ der Arbeitnehmerschaft in Betracht:

  • Der (Z)BR des beherrschenden Unternehmens (Konzernmutter) und

  • sofern dieses beherrschende Unternehmen höchstens halb so viele AN beschäftigt, wie alle beherrschten Unternehmen zusammen, auch die Gesamtheit aller Mitglieder der Betriebsräte in den beherrschten Unternehmen (Konzerntöchter*), sowie

  • sofern sie errichtet ist: die Konzernvertretung.

Zunächst ist im Konzern unter Anwendung des d‘Hondtschen Verfahrens (siehe oben Pkt 5.1.) zu ermitteln, wie viele Mandate auf den ZBR der Muttergesellschaft und wie viele auf die Summe der Töchter entfallen sowie welche Mandate im Fall der Nichterfüllung der Quote unbesetzt bleiben. Zugrunde zu legen sind hierbei freilich keine Wahlergebnisse, sondern die jeweilige Anzahl der in der Mutter bzw den Töchtern beschäftigten AN (§ 17 Abs 2 iVm § 31b Abs 3 und § 15c Abs 3 AR-VO). Es ist damit allerdings noch keine Aussage darüber getroffen, wie sich die Sanktion bei Nichterfüllung auf die einzelnen Listen, die zur Erstattung von Wahlvorschlägen berechtigt sind (herrschendes Unternehmen) bzw zur gemeinsamen Wahl in den Töchtergesellschaften antreten, aufteilt (dazu sogleich unter Pkt 6.2. und 6.3.).

6.2.
Entsendung durch den (Z)BR der Muttergesellschaft

Für die (Zentral-)Betriebsratsentsendung gilt das oben unter Pkt 5. Gesagte unverändert, das Gesetz verweist auf die sinngemäße Anwendung der Abs 2a bis 2d des § 110 ArbVG.

6.3.
Wahl durch die Betriebsräte der Tochtergesellschaften

6.3.1. Komplex(er) ist die sinngemäße Anwendung dieser Bestimmungen bei Entsendung der AN-VertreterInnen der beherrschten Unternehmen, da diese – sofern keine Konzernvertretung besteht – mangels eines gemeinsamen Organs der Arbeitnehmerschaft in einer geheimen Wahl von allen Betriebsratsmitgliedern dieser Unternehmen nach dem Verhältniswahlrecht gewählt werden (§ 110 Abs 6 vierter Satz ArbVG). Dabei ist die Wahl gem102§ 20 AR-VO nach den Bestimmungen der Zentralbetriebsratswahl durchzuführen und somit auch hier das Wahlergebnis und die Verteilung der (quotenpflichtigen) Mandate nach dem d‘Hondtschen Verfahren zu ermitteln.

Im Unterschied zur Entsendung durch den (Z)BR ist es aufgrund des Wahlverfahrens nicht von vornherein absehbar, welche Liste wie viele Mandate zu besetzen hat und welche Mandate somit gegebenenfalls als Sanktion bei Nichterfüllung der Quote wegfallen. Nötig sind daher einerseits gründliche Überlegungen bei Erstellung der Listen und andererseits ein besonderes, auf die Situation einer Wahl zugeschnittenes Verbesserungs- sowie Nachrückungsverfahren. Ein Verlust von Mandaten kann nur dann sicher vermieden werden, wenn eine Frau an den ersten Listenplatz gereiht wird – alles andere wäre hoch spekulativ.

Der Gesetzgeber hat die sinngemäße Anwendung der Abs 2a bis 2d des § 110 ArbVG überraschenderweise in dessen Abs 6 nur hinsichtlich des (Z)BR des herrschenden Unternehmens angeordnet. Er hat offenkundig übersehen, überhaupt eine (noch dazu die Besonderheiten des Wahlverfahrens berücksichtigende) Anordnung hinsichtlich der Quote für AN-VertreterInnen der beherrschten Unternehmen zu treffen. Das Ziel des Gesetzes und die Systematik der Reglung lassen aber keinen Zweifel daran, dass auch für diese die Quotenpflicht gilt. Unter diesen Umständen ist uE an der Gesetzmäßigkeit der VO-Bestimmungen, die hier eine nähere Ausgestaltung vornehmen (siehe gleich unten Pkt 6.3.2. und 6.4.), nicht zu zweifeln.

6.3.2. Wie dargelegt enthält das Gesetz zur Frage, welches Mandat gegebenenfalls ruht, gar keine Anordnung, lediglich das in der AR-VO festgelegte Prozedere zur Verbesserung eines quotenwidrigen Wahlvorschlags gibt hier Aufschluss:

Eine Verbesserung ist durchaus heikel, schließlich kann das Ergebnis einer Wahl nicht einfach durch Umnominierung verändert werden. Die AR-VO löst dies in § 31b: Anstelle jenes/jener AN-VertreterIn, der/die das letzte zu besetzende Mandat der betroffenen Liste innehat, kann ein beliebiges Ersatzmitglied anderen Geschlechts desselben Wahlvorschlags entsendet werden (§ 31b Abs 5 AR-VO). Wie auch bei der Wahl von KapitalvertreterInnen berücksichtigt damit der Verordnungsgeber, dass dem Willen der WählerInnen am ehesten das Ruhen des durch die wenigsten Stimmen legitimierten bzw am wenigsten abgesicherten Mandats entspricht. Die Auswahl obliegt der betroffenen Liste.

6.4.
Nachrücken bei Ausscheiden eines Aufsichtsratsmitglieds

Nur teilweise geregelt ist auch das Nachrücken bei Ausscheiden eines Aufsichtsratsmitglieds im Konzern. Betrifft dies das Ausscheiden eines vom (Z)BR der Muttergesellschaft nominierten Mitglieds, gilt das oben unter Pkt 5.4. zur Zentralbetriebsratsentsendung Gesagte gleichermaßen.

Bei Ausscheiden eines durch die Mitglieder der Töchterbetriebsräte gewählten Aufsichtsratsmitglieds rückt zunächst das auf der Liste nächstgereihte Ersatzmitglied nach. Würde das zur Verletzung der Quotenpflicht und somit zur Rechtsfolge eines leeren Stuhls führen, ist uE die Regelung des § 31 Abs 5 AR-VO sinngemäß anzuwenden: Bei der „Korrektur“ des Wahlergebnisses iSd § 31 Abs 5 AR-VO hat der Verordnungserlasser ausdrücklich den gesamten Pool an Ersatzmitgliedern auf der jeweiligen Liste zur Nachbesserung des Nominierungsvorschlags geöffnet. Dies muss uE analog auch für die Nachbesetzung eines während der Periode freiwerdenden Mandats gelten, wenn damit die Nichterfüllung der Quote verhindert werden kann.

Ist es der Liste nicht möglich, das nachzubesetzende Mandat mit einer Frau zu besetzen oder tut sie es nicht, gilt auch hier gem § 110 Abs 2b ArbVG, dass bei Nichterfüllung der Quote das nachzubesetzende Mandat leer bleibt.

6.5.
Einvernehmliche Entsendung

Auch im Konzern kann die Nominierung abweichend vom obigen Verfahren einhellig mittels Beschluss vorgenommen werden, solange die Quote als solches eingehalten wird (§ 31b AR-VO). Es bedarf dazu eines einhelligen Beschlusses sowohl des (Z)BR des herrschenden Unternehmens, als auch der Gesamtheit der Mitglieder aller in den beherrschten Unternehmen bestellten Betriebsräte.

6.6.
Entsendung durch die (Mitglieder der) Konzernvertretung

Ist eine Konzernvertretung errichtet, übernimmt diese die Entsendung der Aufsichtsratsmitglieder für den gesamten Konzern (§ 110 Abs 6b ArbVG) – es müssen jedoch die Voraussetzungen der Abs 6 oder 6a erfüllt sein. Wenn ein quotenpflichtiger Konzern vorliegt, ist die Entsendung durch die Konzernvertretung sinngemäß nach § 110 Abs 2a bis 2d ArbVG vorzunehmen.

Hierbei werden zwei Kurien gebildet: Eine Kurie der Konzernvertretungsmitglieder aus dem (Z)BR des herrschenden Unternehmens und eine Kurie der Konzernvertretungsmitglieder aus den (Zentral-) Betriebsräten der Töchter (§ 31c Abs 4 AR-VO). Beide Kurien haben ein Vorschlagsrecht entsprechend dem Verhältnis der Zahl der von ihnen jeweils vertretenen AN; wie oben unter Pkt 6.1. geschildert. Innerhalb jeder Kurie erfolgt die Nominierung wie zum (Z)BR unter Pkt 5.1. beschrieben. Auch für die Folgen einer Verletzung der Quote, die Verbesserungsmöglichkeit sowie die Abberufung und Nachnominierung gilt für beide Kurien das oben zum (Z)BR unter Pkt 5.1. Gesagte (§ 31c Abs 5 iVm §§ 2 bis 7 bzw § 31c Abs 6 iVm §§ 8 bis 12 AR-VO). Natürlich besteht auch hier die Möglichkeit einer einvernehmlichen Entsendung. Einzig die zweifache Durchführung des d‘Hondtschen Verfahrens bleibt eine Besonderheit bei der Entsendung im Konzern, die auch bei Bestehen einer Konzernvertretung zu berücksichtigen ist.103