WiesingerLohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG)
ASoK-Spezial, Linde Verlag, Wien 2016 158 Seiten, kartoniert, € 35,–
WiesingerLohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG)
Bei dem vorliegenden Band handelt es sich um die Neuauflage der im Februar 2015 unter dem damaligen Titel „Die neue Mindestentgeltkontrolle“ erschienenen Monographie. Die Neuauflage wurde notwendig, da die fragliche Materie, die ursprünglich als Sammelgesetz unter dem Titel „Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz – LSDB-G“ im BGBl I 2011/24 kundgemacht wurde (tatsächlich aber aus Novellen zum AVRAG, IESG, LAG, AÜG und ASVG bestand), nun in einem eigenen am 1.1.2017 in Kraft getretenen Gesetz (wenn auch unter fast demselben Namen, nur der Bindestrich wurde verschoben: LSD-BG statt wie bisher LSDB-G) zusammengefasst wurde. Gleichzeitig wurden im selben BGBl I 2016/44 die entsprechenden Bestimmungen zum Lohn- und Sozialdumping vor allem aus174dem AVRAG (§§ 7 ff) wieder gestrichen (diese gelten allerdings übergangsweise noch für Sachverhalte, die sich vor dem 1.1.2017 ereignet haben).
Abgesehen von der rund 100 Seiten umfassenden Kommentierung der Bestimmungen zur Bekämpfung des Lohn- und Sozialdumpings enthält das vorliegende Werk auch einen Abdruck des 72 Paragraphen umfassenden Gesetzestextes (rund 40 Seiten).
Schwerpunkt der Kommentierung stellen die allgemein geltenden Bestimmungen dar, der Autor geht aber auch bei jeder sich bietenden Möglichkeit auf die Besonderheiten der Bauwirtschaft ein, was nicht verwunderlich ist, wenn man bedenkt, dass er aus der Geschäftsstelle Bau bei der WKÖ kommt.
Beim vorliegenden Buch handelt es sich um eine systematische Aufarbeitung der Bestimmungen des LSD-BG, wobei sich der Autor nicht nur auf die Kommentierung der Bestimmungen des LSD-BG beschränkt hat, sondern sehr praxisorientiert auch die mit der jeweiligen Materie zusammenhängenden arbeitsrechtlichen, sozialversicherungsrechtlichen oder zB verfahrensrechtlichen Bestimmungen aufgreift, soweit es für das Verständnis erforderlich bzw hilfreich ist. So enthält das Buch zB auch diverse Ausführungen zum Arbeitszeitrecht, zum Entgeltanspruch des AN, zum Arbeitsverfassungsrecht, insb zur Frage, welcher KollV auf wen anwendbar ist, oder zum Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsrecht.
Dabei hat sich leider bereits in der ersten Auflage ein Fehler bei der Kommentierung des § 10 ArbVG eingeschlichen (siehe S 58), der auch bei der Neuauflage übersehen wurde: § 10 ArbVG regelt den Fall, dass ein AN in zwei (!) oder mehreren Betrieben oder zumindest zwei organisatorisch abgegrenzten Betriebsabteilungen eines AG beschäftigt wird, für die verschiedene Kollektivverträge gelten. Abweichend von den Ausführungen Wiesingers ist bei diesen AN, für den Fall, dass eine überwiegende Beschäftigung nicht festgestellt werden kann, jener KollV anwendbar, dessen Geltungsbereich „unbeschadet der Verhältnisse im Betrieb
“ die größere Zahl von AN des fachlichen Wirtschaftsbereiches erfasst. Dh es kommt gerade nicht darauf an, welcher KollV in dem Betrieb (!) für mehr AN gilt, sondern welcher österreichweit (!) mehr AN erfasst.
Abgesehen davon sind die Ausführungen von Wiesinger sehr informativ, praxisorientiert mit zahlreichen zum Teil sehr ins Detail gehenden Beispielen (inkl Berechnungen), die den Leser in die Lage versetzen sollten, auch kompliziertere Sachverhalte selbst lösen zu können. Wiesinger geht dabei nicht nur auf die bisher schon in den Materialien, in der Literatur oder Rsp behandelten Fragen ein, sondern greift auch zahlreiche sich sonst in der Praxis stellende Fragen auf und versucht auf alle eine passende Antwort zu finden. Das zeigt doch sehr deutlich, dass der Autor ein Kenner der Materie ist. Es bleibt aber abzuwarten, ob bzw inwieweit sich die Rsp seinen Lösungsvorschlägen anschließen wird. Zu erwähnen ist auch, dass nicht immer aus dem Buch selbst nachvollziehbar ist, wie er zu seinen Lösungen kommt; das ist zum Teil erst der in den Fußnoten zitierten weiterführenden Literatur zu entnehmen. In Anbetracht der Tatsache, dass sich das Werk aber primär an den – wenn auch im Arbeitsrecht bzw Verwaltungsstrafrecht versierten – Praktiker richtet, ist es nur konsequent, wenn ausführlichere wissenschaftliche Erörterungen nicht in das Buch aufgenommen wurden.
Wesentliche, im Buch immer wieder wiederholte These ist, dass Basis jeder Berechnung von Unterentlohnung iSd LSD-BG der (kollektivvertragliche) Mindestlohn ist und nicht das tatsächlich gebührende Istgehalt. Das gilt nicht nur beim Grundentgelt, sondern auch bei den sonstigen Entgeltbestandteilen, insb aber auch bei der Überstundenbezahlung (siehe S 67) oder bei der Entgeltfortzahlung (siehe zB S 71 f). Das führt dazu, dass sich zB ein AG trotz nicht umgesetzter kollektivvertraglicher Istlohnerhöhung nicht wegen Unterentlohnung strafbar macht, solange er zumindest den neuen kollektivvertraglichen Mindestlohn zahlt (siehe S 63).
Interessant sind die auf S 106 gemachten Ausführungen zum Verfall des Anspruchs: Der Anspruch selbst kann uU aufgrund kurzer kollektivvertraglicher Verfallfristen (bis zu drei Monate wurden von der Rsp als zulässig anerkannt) längst nicht mehr erfolgreich gerichtlich geltend gemacht werden, während eine Bestrafung wegen dieser Unterentlohnung als Verwaltungsübertretung sehr wohl noch möglich ist. Das wirft die mE sehr interessante Frage auf, ob § 29 Abs 2 (Nachzahlung der Differenz vor der Kontrolle durch die zuständigen Einrichtungen) und Abs 3 (Nachzahlung der Differenz nach der Kontrolle, aber binnen festgesetzter Frist) LSD-BG für die AG einen Anreiz bilden werden, auch nach dem Verfall des Anspruchs die Unterentlohnung (zumindest bis zur kollektivvertraglich zustehenden Höhe) noch nachträglich zu beseitigen, um so der Bestrafung nach dem LSD-BG zu entgehen.
Alles in allem ist nochmals festzuhalten, dass das vorliegende Werk und vor allem seine zahlreichen Berechnungsbeispiele einen interessanten, äußerst informativen und praxisorientierten Überblick zu den verschiedenen Bestimmungen zur Bekämpfung des Lohn- und Sozialdumpings bieten. Das Buch kann daher allen mit dem Fragenkreis befassten Personen nur aufs Wärmste empfohlen werden.