FischerDie Wiederholungskündigung – Verbrauch von Gestaltungsrechten und Rechtskraft im Kündigungsschutzprozess
Duncker & Humblot Verlag, Berlin 2017 269 Seiten, € 89,90
FischerDie Wiederholungskündigung – Verbrauch von Gestaltungsrechten und Rechtskraft im Kündigungsschutzprozess
Für ihre Dissertation, hier in Buchform vorliegend, hat die Autorin Katharina D. L. Fischer eine Thematik gewählt, die nur auf den ersten Blick als Nischenthema zu sehen ist. Beschreibt der Begriff „Folgekündigung“ die nachfolgende AG-Kündigung gegenüber demselben AN aus jedwedem Grund, so sei demgegenüber von einer „Wiederholungskündigung“ nur dann zu sprechen, wenn sich zwischen den Kündigungen an dem relevanten Lebenssachverhalt nichts geändert habe. Hinsichtlich der Sub- oder Gleichordnung der Begriffe Folgekündigung und Wiederholungskündigung zwar etwas irritierend (Abs 1 und 2 auf S 29), erklärt die175Autorin, dass hier eben nur die „Wiederholungskündigung“ untersucht wird.
Betrachtet man zunächst den Begriff der „Folgekündigung“ – wohl richtig – als den weiteren (Ober-) Begriff, so ist dessen praktische Relevanz schon dadurch dokumentiert, dass die Geschäftsverteilungspläne von Arbeitsgerichten diesen Fällen sogar eigene Zuständigkeiten widmen (S 29 FN 4). Aber auch die hier gegenständlichen „Wiederholungskündigungen“ kommen, schon wegen der ihnen zugrundeliegenden vielfältigen Motive (zB Zweifel über die Wirksamkeit der ersten Kündigung; Hoffnung, in einem weiteren Prozess besser auftreten zu können; zumeist aber wohl doch schikanöses Beharren auf bereits einmal Erklärtem usw), häufiger vor, als man meinen möchte.
Die grundsätzliche Unzulässigkeit der Wiederholungskündigung wird in Rsp und Lehre teilweise materiell- rechtlich mit der Konsumption des Gestaltungsrechts (allerdings in der Rsp offenbar gerade nicht mehr seit BAG 20.12.2012, siehe FN 21) und teilweise prozessrechtlich begründet. Die Autorin untersucht das über Jahrzehnte entwickelte Meinungsspektrum und ortet als Arbeitshypothese eine weitgehende Vernachlässigung allgemeiner Regeln, insb jener des Bürgerlichen Rechts, sowie methodisch unsauberes Vorgehen.
Dass der Arbeit zwei Übersichten, eine grobe Inhaltsübersicht (S 9-13) und ein detailliertes Inhaltsverzeichnis (S 15-28) vorangestellt sind, schätzt man spätestens hier, wo es in das Zentrum der komplexen Materie geht. Längst ist klar geworden, dass das entscheidende Abgrenzungskriterium des Untersuchungsgegenstandes von anderen Fällen mehrfacher Kündigungen das Fehlen von Änderungen im Sachverhalt zwischen erster und wiederholter Kündigung ist. Wenn die Autorin für diese Abgrenzung nun wiederum neue Begriffe einführt, macht uns dies das Durchdringen des Gegenstandes nicht unbedingt leichter. So wird etwa ab S 36 zwischen „echter“ und „unechter“ Wiederholungskündigung unterschieden, wobei der Blick auf die dort untersuchte Rsp aber die Notwendigkeit dieser Unterscheidung nicht unbedingt erhellt, wird doch zB in der zitierten E BAG 26.11.2009, 2 AZR 272/08, lediglich das Vorliegen einer Wiederholungskündigung begründet abgelehnt, das tatsächlich Geschehene aber keineswegs als „unechte“ Wiederholungskündigung bezeichnet. Fischer selbst hält die von ihr getroffene Unterscheidung nicht ganz konsequent ein (vgl S 40, wo unter 2. die „unechte Wiederholungskündigung“ wieder zwanglos als „keine Wiederholungskündigung“ bezeichnet wird; besonders deutlich aber ebendort unter 3.). Wenn auf S 54 schließlich zur Beschreibung der Wiederholungskündigung vor rechtskräftiger E über die Erstkündigung im Falle, dass bei rechtskräftiger E über die Wiederholungskündigung jedoch die E über die Erstkündigung mittlerweile rechtskräftig geworden ist, der Begriff „Wiederholungskündigung im engeren Sinn“ zusätzlich eingeführt wird, erleichtert die Sache nicht eben. Auch ein Blick auf die gängige Literatur, insb Kommentarliteratur, zeigt, dass mit einem Oberbegriff „Folgekündigung“ und einem Spezialterminus „Wiederholungskündigung“ – in bestimmten Konstellationen übrigens wegen des wohl häufigsten Motivs auch anschaulich als „Trotzkündigung“ bezeichnet (vgl zB Ascheid/Hesse in
In der Sache aber setzt Fischers (durchaus berechtigte!) Kritik genau dort an, dass eben Literatur und Rsp zu Unrecht zwischen den unterschiedlichen Arten von Folgekündigungen nicht oder kaum differenzieren. Was die (echten) Wiederholungskündigungen anbelangt, unterscheidet sie deutlich zwischen (1) „Trotzkündigungen“, die erst nach Rechtskraft des Urteils über die Erstkündigung erfolgen; (2) Wiederholungskündigungen, die zwar vor rechtskräftigem Urteil über die Erstkündigung ausgesprochen werden, über die aber erst nach rechtskräftigem Urteil entschieden wird; und (3) Wiederholungskündigungen, die vor rechtskräftigem Urteil über die Erstkündigung ausgesprochen werden, und bei denen auch im Zeitpunkt der E über die Wiederholungskündigung noch kein rechtskräftiges Urteil über die Erstkündigung vorliegt. Betrachtet man die weiteren tiefschürfenden Ausführungen (ab S 55), so macht genau diese Differenzierung unbedingt Sinn! Ausgehend von der Darstellung von Rsp und Literatur (S 55 ff) werden im Folgenden mit historischem Tiefgang (vgl nur zB die Ausführungen zu Seckel und der Begründung des Gestaltungsrechts 136 f) die materiellrechtlichen und prozessrechtlichen Facetten der Problematik detailliert aufgearbeitet, wobei der Prüfung der Anwendbarkeit der allgemeinen Grundsätze, insb des § 138 sowie § 242 BGB, besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Im prozessrechtlichen Teil beeindrucken vor allem die Ausführungen zur Erweiterung der Rechtskraft durch teleologische Reduktion des § 322 Abs 1 ZPO (212 ff, 214 ff). Es wird hier methodisch untermauert, was faktisch verbreitet vertreten wird – ein großes Verdienst dieser Arbeit. Solide begründet wird außerdem die Unzulässigkeit von Trotzkündigungen unter Zugrundelegung von § 242 BGB. In diesen Ausführungen und jenen zu Wiederholungskündigungen, bei denen kein rechtskräftiges Urteil über die Erstkündigung vorliegt, finden sich ausreichend sachliche Gründe für die sachgerechte Lösung, dass die Befunde über Erst- und Wiederholungskündigung einheitlich zu sein haben. Diese interessengerechten Ergebnisse begründet die Autorin mit wissenschaftlicher Präzision und Dichte und entschädigt damit vollumfänglich für gewisse terminologische Verwirrungen im Eingangskapitel.176
In Summe ist hier also eine starke wissenschaftliche Leistung mit ansprechenden Ergebnissen vorgelegt worden.