Kozak/Auer-Mayer/Blaszczyk/Felten/IvansitsDie Umqualifizierung von Arbeitsverträgen und gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen

Verlag des ÖGB, Wien 2017, 88 Seiten, kartoniert, € 24,90

FABIANSCHAUP (SALZBURG)

Das Thema der Umqualifizierung von Selbständigen zu DN ist schon länger Gegenstand rechtlicher Diskussionen. In den Jahren 2016 und 2017 geriet es auch wieder in den Fokus des Gesetzgebers, der mit 1.7.2017 das Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz (SV-ZG) in Kraft gesetzt hat. Der vorliegende Band stellt die Verschriftlichung von vier Vorträgen der Tagung „Umqualifizierung in Arbeitsverträge und Beweislast“ dar und beschäftigt sich mit den arbeits- und sozialrechtlichen Folgen der Umqualifizierung. Der verfahrensrechtliche Teil behandelt allgemeine Fragen ohne Bezug zur Umqualifizierung. Aufgrund der gesetzlichen Neuerungen ergeben sich bei der Behandlung mancher Problemstellungen Änderungen.

Der erste Beitrag wurde von Elias Felten (Linz/Salzburg) verfasst und zeigt die arbeitsrechtlichen Folgen aufgedeckter Scheinselbständigkeit auf. Im Speziellen widmet er sich der Anrechnung bereits geleisteter Honorarzahlungen auf arbeitsrechtliche Ansprüche. Dabei wird die divergierende Rsp des OGH zwischen der Anrechnung auf Sonderzahlungen und der Anrechnung auf Überstunden- und Feiertagsentgelt zu Recht von Felten kritisch betrachtet. Laut OGH sind Anrechnungen auf Sonderzahlungen nämlich zulässig, selbst wenn die Vertragsparteien die Abgeltung durch ein höheres laufendes Entgelt nicht vereinbart hätten. Für die Anrechnung auf Überstunden- und Feiertagsentgelt wird aber eine dementsprechende Vereinbarung benötigt. Nach Felten fehlt es an einer Begründung des OGH, weshalb gerade bei Sonderzahlungen keine Vereinbarung notwendig sei, da Sonderzahlungen aufgrund eines KollV zustehen und gem § 3 Abs 1 ArbVG Abweichungen vom KollV nur durch Vereinbarung zulässig sind und auch nur dann, wenn sie für den AN günstiger sind. Der OGH verweist bezüglich des Überstunden- und Feiertagsentgelts zwar immer auf den zwingenden Regelungszweck der dafür geltenden Bestimmungen (§ 10 AZG und § 9 ARG); dies stellt aber keine geeignete Begründung für die „automatische“ Anrechnung von Sonderzahlungen, welche ja auch noch im Widerspruch zum Gesetz (§ 3 Abs 1 ArbVG) steht, dar. Eine völlig andere Frage ist dabei, ob eine solche Vereinbarung überhaupt getroffen werden kann. Ausgangssituation ist das (irrtümliche) Vorliegen eines Dienstverhältnisses, welches aber als Werkvertrag bezeichnet und entlohnt wird und in dem sich die Vereinbarung findet, dass mit dem erhöhten Entgelt auch mögliche, durch eine Umqualifizierung entstehende, Sonderzahlungen abgegolten werden. Um die Gültigkeit dieser Vereinbarung iS von § 3 Abs 1 ArbVG beurteilen zu können hat der Günstigkeitsvergleich gem § 3 Abs 2 ArbVG zu erfolgen (Mosler/Felten in

Gahleitner/Mosler
, ArbVG 25 § 3 Rz 24). Das beim Günstigkeitsvergleich auftretende Problem besteht in der Frage des Gegenstandes des Vergleichs. Sonderzahlungen, als Bestandteile des Entgelts, werden nämlich nach der Judikatur des OGH (8 ObA 30/13iwbl 2014, 402/138 [Grillberger])bei Umqualifizierungsfällen vom kollektivvertraglichen Mindestentgelt berechnet. Diese Berechnung ist aber nicht unstrittig, denn eine Berechnung der Sonderzahlungen aufgrund des tatsächlich gezahlten Entgelts erscheint durchaus plausibel, vor allem, wenn kollektivvertraglich angeordnet. Immerhin werden auch Urlaubsersatzleistung, Überstunden- und Feiertagsentgelt auf Basis des tatsächlich gezahlten Entgelts berechnet. Bevor also ein Günstigkeitsvergleich für die Beurteilung der Gültigkeit der Vereinbarung durchgeführt werden kann, muss erst die Frage geklärt werden, welches Entgelt überhaupt verglichen bzw wie es berechnet wird.

Felten betrachtet die Gültigkeit der Vereinbarung im Lichte der Sittenwidrigkeit nach § 879 ABGB und stellt die Frage, ob eine krasse Äquivalenzstörung vorläge, wenn der AG sich die ökonomischen Vorteile durch die oben dargestellte Vereinbarung absichern lasse, obwohl diese durch den Abschluss eines rechtswidrigen Vertragsverhältnisses erzielt wurden. Eindeutig ist dies wohl, wenn der AG wusste, dass es sich nicht um ein Werkvertragsverhältnis, sondern in Wahrheit um ein Dienstverhältnis handelt. Schwieriger gestaltet es sich, wenn der vermeintliche DN unbedingt einen Werkvertrag abschließen wollte und sich sogar weigerte, einen Dienstvertrag abzuschließen. In der zweiten Konstellation wird man wohl kaum von Sittenwidrigkeit ausgehen können, wenn sich der AG durch eine Anrechnungsvereinbarung schützt. Allerdings ist dem AG uU ein Verschulden vorwerfbar, weil er sich nicht ausreichend informierte, um Zweifel bei der korrekten Einordung auszuräumen. Es ist also immer eine Einzelfallprüfung geboten.

Im Beitrag von Susanne Auer-Mayer (Salzburg) werden sozialversicherungsrechtliche Fragen der Umqualifizierung dargestellt. Aufgrund der gesetzlichen Änderungen durch das SV-ZG sind nun ein paar der von Auer-Mayer aufgeworfenen Fragen anders zu beantworten. Nach der alten Rechtslage konnte der Umqualifizierte seine ungebührlich entrichteten (GSVG-)Beiträge zurückfordern, sofern er noch keine Leistungen bezogen hatte. Aufgrund des neuen § 41 Abs 3 GSVG scheidet aber eine Rückforderung ungebührlich entrichteter (GSVG-)Beiträge gem § 43 Abs 1 GSVG durch den Umqualifizierten aus, da eine Anwendung von Abs 1 GSVG durch Abs 3 der Bestimmung ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Das SV-ZG führt auch zu Änderungen bezüglich der „fehlenden“ und nachzuzahlenden ASVG-Beiträge, weil § 41 Abs 3 GSVG neu bestimmt, dass die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) die ungebührlich entrichteten Beiträge für die Pflichtversicherung an den zuständigen Krankenversicherungsträger (Gebietskrankenkasse [GKK]) zu überweisen hat. Die GKK hat die ihr vom DN fälschlicherweise geleisteten GSVG-Beiträge dann auf die ihr geschuldeten ASVG-Beiträge anzurechnen. Dh, dass die überwiesenen Beiträge auf die offenen ASVG-Beiträge anzurechnen sind.

Auch Helmut Ivansits (Wien) behandelt Probleme der Umqualifizierung im Sozialversicherungsrecht, sodass177teilweise Überschneidungen mit Auer-Mayer unvermeidbar sind. Ivansits spricht sich in seinem Beitrag eindeutig gegen allfällige zivilrechtliche Regressforderungen zwischen DN und DG aus. Diese wurden von Teilen der Lehre gefordert, da nach alter Rechtslage der DG als Schuldner der gesamten ASVG-Beiträge diese nachzuzahlen hatte und sein Abzugsrecht gem § 60 ASVG meist verloren hatte. Daher sprachen sich Teile der Lehre dafür aus, dem DG einen zivilrechtlichen Regressanspruch gegen den DN zu gewähren. Nun aber wurde durch das SV-ZG (§ 41 Abs 3 GSVG neu) die Anrechnung der vom Umqualifizierten (DN) ungebührlich geleisteten GSVG-Beiträge auf die ASVG-Beiträge statuiert, sodass es zu einer Entlastung des DG kommt, weil nun der DN durch die Anrechnung die ASVG-Beiträge faktisch selbst entrichtet. Die ASVG-Beiträge setzen sich aus einem DG-Anteil und einem DN-Anteil zusammen, dh DG und DN teilen sich im Normalfall die Beitragslast (§ 51 ASVG). Durch die Anrechnung auf die ASVG-Beiträge kommt es aber zu einer Verschiebung bei der Tragung der Beitragslast, weil der DG aufgrund der Anrechnung unter Umständen keine Beiträge nachzahlen muss, obwohl er seinen Beitragsteil nicht geleistet hat. Außerdem ist der DG der eigentliche Schuldner der ASVG-Beitragslast. Nach der neuen Rechtslage stellt sich die Frage nach einem Regressrecht des DN gegen den DG, weil der DG ja letztlich ungebührlich bereichert wird. Das Sozialversicherungsrecht hat für diesen Fall kein eigenes Regressrecht vorgesehen. Die entscheidende Frage ist also, ob das Zivilrecht hier in das Sozialversicherungsrecht „regulierend“ eingreifen darf. Nach alter Rechtslage war umstritten, ob dem DG gegen den DN ein zivilrechtliches Regressrecht zukommt. Zum einem wurde historisch gegen ein zivilrechtliches Regressrecht argumentiert (vgl Resch, JBl 1995, 24 [30]), zum anderen, dass ein Regress die Begrenzung des Abzugsrechts gem § 60 Abs 1 ASVG irrelevant machen würde. Diese Argumentationen können aber mE hier nicht herangezogen werden, weil einerseits der DG materieller Schuldner der ASVG-Beiträge war, ist und bleibt und es sich andererseits nicht um eine Begrenzung des Abzugsrechts des DG handelt. Durch die Überweisung der GSVG-Beiträge und deren Anrechnung auf die ASVG-Beitragsschuld bezahlt der DN die Schuld des DG. Es dürfte nicht der Wille des Gesetzgebers sein, den DG durch die Umqualifizierung besser zu stellen, als wenn von Beginn an von einem Dienstverhältnis ausgegangen worden wäre. Wird somit ein zivilrechtliches Regressrecht grundsätzlich bejaht, werden von den Normen des allgemeinen Zivilrechts wohl die §§ 1042 und 1358 ABGB in Betracht kommen. Leider können aufgrund des begrenzten Rahmens einer Buchbesprechung diese heiklen Fragen nicht weiterverfolgt werden.

Außerdem spricht Ivansits in seinem Beitrag Maßnahmen an, die der Vermeidung von Scheinselbständigkeit dienen. Einerseits weist er auf eine von den Sozialpartnern vorgeschlagene ex ante-Prüfung hin, andererseits auf die Erweiterung des DN-Begriffes im ASVG. Eingeführt wurde durch das SV-ZG eine Vorabprüfung aufgrund der Anmeldung zur Pflichtversicherung in § 412d ASVG. Demnach entscheidet der Krankenversicherungsträger (GKK) über die Versicherungszugehörigkeit mittels Bescheid. In diesem Bescheid hat sich der Krankenversicherungsträger mit etwaigen abweichenden Vorbringen der SVA bzw der Sozialversicherungsanstalt der Bauern (SVB) auseinanderzusetzen. SVA und SVB kommt Parteistellung zu, ihnen ist der Bescheid auch zuzustellen. Eine Erweiterung des DN-Begriffes ist zumindest in der näheren Zukunft nicht zu erwarten, obwohl Ivansits zuzustimmen ist, wenn er für eine bessere Abstimmung zwischen Sozialrecht und Arbeitsrecht Position bezieht.

Der letzte Beitrag widmet sich dem Beweismaß und der Beweislast im Arbeits- und Sozialrecht und wurde von Andrea Blasczyk (Wien) verfasst. Es geht dabei aber nicht um Beweismaß und Beweislast betreffend Umqualifizierungen in den beiden Rechtsmaterien, sondern um die Thematik im Allgemeinen. Im Beitrag wird ua problematisiert, dass es sich bei der Frage, wen die Beweislast treffen soll, um eine Wertentscheidung des Gesetzgebers handelt, die dieser ausdrücklich oder aufgrund der Regelungskonstruktion bestimmt. Blasczyk führt dazu auch ausgewählte Beispiele an, wie zB die Beweislastverteilung bei § 36 AngG.

Auch wenn der sozialversicherungsrechtliche Teil durch die Einführung des SV-ZG grundlegende Änderungen erfahren hat, lassen sich aus den Ausführungen zur alten Rechtslage Lösungsansätze für Fragen der neuen Rechtslage ableiten. Das Werk eignet sich aufgrund des angenehmen, verständlichen und präzisen Stils der AutorInnen nicht nur für JuristInnen, sondern auch für juristische LaiInnen, die sich mit dem Thema Umqualifizierung vertraut machen möchten.