13Berufliche Rehabilitation und Wiedereingliederungsprognose
Berufliche Rehabilitation und Wiedereingliederungsprognose
Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation nach § 303 Abs 2 ASVG idF des SRÄG 2012 verlangen, dass der Versicherte im umgeschulten Beruf eine realistische Chance hat, einen Arbeitsplatz zu finden. Nicht erforderlich ist, dass der Versicherte tatsächlich einen Arbeitsplatz erlangt und ihn auf Dauer behält. Auf Dauer sichergestellt ist eine Wiedereingliederung, wenn der umgeschulte Beruf regelmäßig nachgefragt wird und die grundsätzliche Chance besteht, sich am Arbeitsmarkt in diesem Beruf zu behaupten. Eine Mindestbeschäftigungszeit oder starre Altersgrenzen für Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation sind im ASVG nicht vorgesehen.
Hinsichtlich der in § 303 Abs 2 ASVG geforderten „hohen Wahrscheinlichkeit“ ist nicht auf Prozentsätze abzustellen, sondern von der im Beweisverfahren gewonnenen richterlichen Überzeugung auszugehen, die sowohl von den objektiven Gegebenheiten des Einzelfalles als auch von subjektiven Einschätzungen bestimmt ist.
Der am 6.11.1966 geborene Kl, dem unstrittig Berufsschutz als Maurer zukommt, war in den letzten 15 Jahren vor dem 1.5.2003 112 Monate als Maurer (in Österreich) beschäftigt. Im Berufsfeld des Maurers kann er aufgrund seiner eingeschränkten körperlichen Leistungsfähigkeit nicht mehr arbeiten. Von Mai 2003 bis Mai 2014 gewährte ihm die Bekl die (jeweils) befristete Invaliditätspension.
Mit Bescheid vom 1.12.2014 wies die Bekl den Antrag des Kl auf Weitergewährung der Invaliditätspension über den 31.5.2014 hinaus mangels Vorliegens dauerhafter Invalidität ab. Festgestellt wurde, dass ab 1.6.2014 weiterhin vorübergehende Invalidität vorliegt, dass Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation nicht zweckmäßig sind und als berufliche Maßnahme der Rehabilitation eine Qualifizierung zum bautechnischen Zeichner zweckmäßig und zumutbar ist.
In seiner auf Zuspruch der Invaliditätspension über den 31.5.2014 hinaus gerichteten Klage wendet der Kl ein, er besuche zwar derzeit (im Februar 2015) beim BBRZ (Berufliches Bildungs- und Rehabilitationszentrum) die Umschulungskurse zum bautechnischen Zeichner. Dennoch bestreitet er, dass diese Maßnahme zweckmäßig sei und mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt auf Dauer sicherstelle.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, dass dem Kl die Umschulung zum bautechnischen Zeichner intellektuell und auch im Hinblick auf sein sonstiges Leistungskalkül zumutbar ist. Ein Intensivkurs für das Erlernen der deutschen Sprache in Wort und Schrift ist zu empfehlen. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 2/3 oder mehr wird der Kl nach Abschluss der Ausbildung zum bautechnischen Zeichner in diesem Beruf auf Dauer eine Beschäftigung finden können. Die Reintegrationsprognose erhöht sich um 10 % bis 15 %, sobald der Kl die deutsche Sprache flüssig erlernt hat. Am bundesweiten Arbeitsmarkt ist mit einer Wartezeit von sechs Monaten zu rechnen, bis der Kl konkret einen Arbeitsplatz erhalten kann.
Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, berufliche Maßnahmen der Rehabilitation würden ver-136sicherten Personen gewährt, wenn dies infolge deren Gesundheitszustands zweckmäßig und zumutbar sei. Derartige Maßnahmen setzten nach § 303 Abs 2 ASVG voraus, dass durch sie mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Dauer Invalidität oder Berufsunfähigkeit beseitigt oder vermieden werden könne. Sie müssten geeignet sein, mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt auf Dauer sicherzustellen. Nach den Feststellungen sei dem Kl die Umschulung zumutbar und entspreche seiner psychischen und physischen Eignung. Auch die ausreichende Wiedereingliederungswahrscheinlichkeit sei zu bejahen, dies insb dann, wenn die nicht ausreichenden Kenntnisse der deutschen Sprache als – allein dem Kl zurechenbarer (persönlicher) – Umstand außer Betracht bleiben. Zudem stehe fest, dass am Arbeitsmarkt eine dauerhafte – und nicht nur eine phasenweise – Integrationsmöglichkeit bestehe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl nicht Folge und ließ die ordentliche Revision zu. Nach der bisherigen Rsp des OGH sei im Einzelfall (nur) zu prüfen, ob der Versicherte eine realistische Chance habe, nach Ende der Umschulung im neuen Beruf voraussichtlich einen Arbeitsplatz zu finden. Auf die konkrete individuelle Vermittlungswahrscheinlichkeit des Kl während des gesamten Zeitraums bis zum Erreichen des Regelpensionsalters komme es nicht an. Das Kriterium, die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt sicherzustellen, bedeute nicht, dass die Erlangung einer bis zum Regelpensionsalter währenden Dauereinstellung sichergestellt oder eine ununterbrochene Beschäftigung bis zur Erreichung des Regelpensionsalters gegeben sein müsse. Die Möglichkeit, einen konkreten Arbeitsplatz zu erlangen, gehöre im Allgemeinen nicht zu den Tatbestandsmerkmalen der dauernden Invalidität. Ausgehend von dieser Rechtsansicht sei die Beweisrüge unerledigt zu lassen, soweit sie sich gegen die Feststellung richte, der Kl könne nach abgeschlossener Ausbildung zum bautechnischen Zeichner bis zum Regelpensionsalter auf Dauer (und nicht nur phasenweise) eine Beschäftigung finden.
Die Revision ist zulässig, weil der OGH zu den in § 303 Abs 2 ASVG genannten Kriterien im Anwendungsbereich des SRÄG 2012 noch nicht Stellung genommen hat.
Rechtliche Beurteilung
[...]
1.1. Mit dem mit 1.1.2014 in Kraft getretenen Sozialrechts-Änderungsgesetz 2012, SRÄG 2012, BGBl I 2013/3, wurde die befristete Invaliditätspension für Versicherte, die – wie der am 6.11.1966 geborene Kl – das 50. Lebensjahr vor dem 1.1.2014 noch nicht vollendet haben, abgeschafft. Aufgrund der Übergangsbestimmung des § 669 Abs 6 ASVG konnte der Kl, der am 31.12.2013 eine befristete Invaliditätspension bezog, diese noch bis zum Auslaufen der Befristung mit 31.5.2014 unter den bisherigen Bedingungen weiter beziehen. Seit diesem Zeitpunkt gilt aber auch für ihn das neue Leistungsregime des SRÄG 2012 für Versicherte, die ab dem 1.1.1964 geboren sind (vgl § 669 Abs 5 und 6 ASVG).
1.2. Für Versicherte im Anwendungsbereich des SRÄG 2012 besteht nach § 254 Abs 1 ASVG ein Anspruch auf Invaliditätspension – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen – nur mehr dann, wenn Invalidität (§ 255 ASVG) aufgrund des körperlichen oder geistigen Zustandes voraussichtlich dauerhaft vorliegt und berufliche Maßnahmen der Rehabilitation nicht zweckmäßig (§ 303 Abs 3 ASVG) oder nicht zumutbar (§ 303 Abs 4 ASVG) sind.
1.3. Auf diese Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation besteht nach dem SRÄG 2012 jedoch kein Rechtsanspruch, weil die einen Rechtsanspruch auf berufliche Rehabilitation beinhaltende Bestimmung des § 253e ASVG für diese Versichertengruppe nicht gilt. Diese Maßnahmen werden nach dem SRÄG 2012 als Ermessensleistungen nach § 303 ASVG erbracht (10 ObS 97/15k).
1.4. Nach § 303 Abs 2 ASVG sind Maßnahmen nach Abs 1 nur solche, durch die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Dauer Invalidität oder Berufsunfähigkeit beseitigt oder vermieden werden kann und die geeignet sind, mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt auf Dauer sicherzustellen. Die beruflichen Maßnahmen der Rehabilitation müssen ausreichend und zweckmäßig sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (§ 303 Abs 3 ASVG).
2.1. Nach den Gesetzesmaterialien zum SRÄG 2012 ist es für die Gewährung der lnvaliditäts-(Berufsunfähigkeits-)pension erforderlich, dass dauernde Invalidität bzw Berufsunfähigkeit vorliegt (bei der eine Besserung des Gesundheitszustands nicht zu erwarten ist) und eine berufliche Rehabilitation etwa wegen des Qualifikationsschutzes nicht zumutbar [...] oder insb wegen des Alters [...] nicht zweckmäßig ist (ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP 24).
2.2. Zur Vorgängerbestimmung des § 253e ASVG, aus der § 303 Abs 2 ASVG wörtlich übernommen wurde (ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP 24), wurde in den Gesetzesmaterialien festgehalten, dass es Ziel der Rehabilitationsmaßnahmen ist, Invalidität zu vermeiden oder zu beseitigen und mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt auf Dauer sicherzustellen. Die Maßnahmen müssen ausreichend und zweckmäßig sein, um das Rehabilitationsziel zu erreichen, dürfen aber das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Die Zumutbarkeit richtet sich zum einen nach Dauer, Umfang und Kosten der ins Auge gefassten Ausbildung, zum anderen sind dabei das Alter, die Ausbildung, die Qualifikation und der soziale und wirtschaftliche Status sowie etwa auch die Facharbeitereigenschaft zu berücksichtigen. Grundsätzlich darf es zu keiner beruflichen Rehabilitation „nach unten“ kommen (232/ME 24. GP [Ministerialentwurf zu § 253a ASVG] 5).
3.1. Im Revisionsverfahren ist noch strittig, ob die Ausbildung zum bautechnischen Zeichner mit hoher Wahrscheinlichkeit geeignet ist, die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt auf Dauer sicherzustellen.
3.2. Dazu ist zunächst auf die Rsp zur Ermessensleistung des § 300 ASVG idF vor dem BBG 2011 (Budgetbegleitgesetz) (10 ObS 49/00d, SSV-NF 14/44137= DRdA 2001/7, 53 [Naderhirn] = ZAS 2002/3, 19 [Karl]) hinzuweisen. Es wurde davon ausgegangen, dass bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer beruflichen Rehabilitation Arbeitsmarktprognosen zu berücksichtigen sind. Nicht zuletzt als Gegenstück zum Verlust des Berufsschutzes ist im Einzelfall zu prüfen, ob der Versicherte eine realistische Chance habe, nach Ende der Umschulung im neuen Beruf voraussichtlich einen Arbeitsplatz zu finden (RIS-Justiz RS0113667 [T1]; Schramm in SV-Komm [127. Lfg] §§ 85, 86 ASVG Rz 22 mwN). Rehabilitationsmaßnahmen, bei denen diese Aussicht nicht besteht, sind nicht zumutbar. Daher darf die durch eine erfolgreiche Rehabilitation zu erwartende Einsatzfähigkeit des Versicherten nicht rein abstrakt anhand des Vorhandenseins von mindestens hundert (freien oder besetzten) Arbeitsstellen im umgeschulten Beruf geprüft werden. Andererseits darf aber das Arbeitsplatzrisiko des nicht mehr voll Arbeitsfähigen auch nicht zur Gänze auf die PV verlagert werden. Es sei der Ansicht von Jabornegg/Resch (Rehabilitation vor Rente, ZAS 1999, 65 [73]) und Naderhirn (Zum Grundsatz: Rehabilitation vor Pension, DRdA 2001, 57 [59]) zu folgen, es müsse eine realistische Chance bestehen, dass der konkret Umgeschulte nach Ende der Umschulung im neuen Beruf voraussichtlich einen Arbeitsplatz findet.
3.3. Diese Rsp wurde zu § 253e ASVG idF vor dem SRÄG 2012 aufrechterhalten (10 ObS 105/16p mwN; 10 ObS 5/16g).
3.4.1. R. Müller (Pensionsvermeidende berufliche Rehabilitation in der Arbeitslosenversicherung, DRdA 2014, 375 [380 f]) bejaht die Übertragbarkeit dieser Rsp auch auf die Rechtslage nach dem SRÄG 2012. § 253e Abs 2 ASVG erfordere ausdrücklich Maßnahmen, durch die mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ auf Dauer Invalidität iSd § 255 ASVG beseitigt oder vermieden werden könne und die geeignet sind, mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt sicherzustellen. Es werde daher darauf ankommen, dass es sich um die Umschulung zu einer Berufstätigkeit handle, die am Arbeitsmarkt regelmäßig aktiv nachgefragt werde. Der bei Beurteilung der Invalidität verwendete Satz „gleichgültig, ob freie Arbeitsplätze existieren oder nicht
“ habe bei Prüfung der Zweckmäßigkeit der beruflichen Rehabilitation nach § 39b AlVG jedenfalls keinen Platz.
3.4.2. Burger/Ivansits (Medizinische und berufliche Rehabilitation in der SozialversicherungDRdA 2013, 106 [115]) führen aus, es werde deutlich, dass der Gesetzgeber eine Arbeitsmarktexpertise zur Frage der Vermittelbarkeit auf den Rehabilitationsberuf verlange. Die Meinungen, wie präzise diese Prognose sein solle, reichten vom Vorliegen einer realistischen Chance, im umgeschulten Beruf im Bundesgebiet einen Arbeitsplatz zu finden, bis zur Feststellung, dass die Umgeschulten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen Arbeitsplatz erhalten können müssen. Gemeinsam sei beiden Ansätzen, dass im Unterschied zum Invaliditätsrecht in einer Art „konkreter“ Betrachtungsweise auch der Arbeitsmarkt ins Blickfeld genommen werde. Dieser müsse nach Abschluss der beruflichen Rehabilitation zumindest eine Chance bieten, eine Arbeit zu finden. Rehabilitationsmaßnahmen seien nur dann ökonomisch zielführend und für die Betroffenen und die Versichertengemeinschaft nützlich, wenn sie im Rehabilitationsberuf tatsächlich beschäftigt werden, anstatt wieder nur Leistungen aus der AlV zu beziehen. Die Auslegung, was unter „hoher Wahrscheinlichkeit“ und unter „auf Dauer“ zu verstehen sei, überlasse der Gesetzgeber der Rsp.
3.4.3. Bergauer in
4. Der – mit diesen Meinungen in Einklang stehenden – Ansicht des Berufungsgerichts ist beizupflichten. Auch im Anwendungsbereich des SRÄG 2012 verlangen Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation nach § 303 Abs 2 ASVG (nur), dass der Versicherte im ungeschulten Beruf eine realistische Chance hat, einen Arbeitsplatz zu finden. Dass der Versicherte nach Beendigung der Rehabilitationsmaßnahme tatsächlich einen Arbeitsplatz erlangt und einen solchen für sein restliches Berufsleben (bis zum Pensionsantritt) innehat, bildet hingegen keine (negative) Anspruchsvoraussetzung. Ein andersartiges Verständnis kann dem Gesetzgeber im Hinblick darauf, dass der Arbeitsmarkt durch ein hohes Maß an Veränderungen geprägt ist, nicht unterstellt werden. „Auf Dauer sichergestellt“ iSd § 303 Abs 2 ASVG ist eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt demnach (bereits) dann, wenn nach einem etwaigen Verlust des Arbeitsplatzes die Berufstätigkeit, zu der die Umschulung erfolgt ist, am Arbeitsmarkt regelmäßig nachgefragt wird bzw weiterhin die grundsätzliche Chance besteht, sich am Arbeitsmarkt im umgelernten Beruf zu behaupten. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt, selbst wenn man von der Feststellung einer nur phasenweisen Beschäftigungsmöglichkeit des Kl nach abgeschlossener Ausbildung zum bautechnischen Zeichner ausgeht.
5.1. Zur Frage des Beweismaßes ist auszuführen, dass der Gesetzgeber mit dem in § 303 Abs 2 ASVG zweifach erwähnten Begriff der „hohen Wahrscheinlichkeit“ offenbar auf das Regelbeweismaß der Zivilprozessordnung Bezug nimmt (RIS-Justiz RS0110701). Die in § 303 Abs 2 ASVG genannten Voraussetzungen sind somit nicht mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit zu beweisen, sondern es genügt, wenn eine diesbezügliche hohe (große) Wahrscheinlichkeit nachgewiesen wird (RIS-Justiz RS0110701; RS0085150).
5.2. Dem Hinweis des Revisionswerbers auf Prozentsätze ist zu entgegnen, dass die hohe Wahrscheinlichkeit keine objektive Größe darstellt. Dem138Regelbeweismaß wohnt vielmehr eine gewisse Bandbreite inne, sodass es sowohl von den objektiven Umständen des Anlassfalls als auch von der subjektiven Einschätzung des Richters/der Richterin abhängt, wann diese hohe Wahrscheinlichkeit als gegeben angesehen wird (RIS-Justiz RS0110701 [T3]). Es stellt demnach eine immer von den Umständen des Einzelfalls abhängige Beurteilung dar, wann der Richter/die Richterin die Überzeugung gewinnt, es bestehe jedenfalls eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine Maßnahme der beruflichen Rehabilitation geeignet ist, eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt auf Dauer sicherzustellen. Eine Festlegung eines – für alle Verfahren geeigneten – Wahrscheinlichkeitsmaßstabes iS einer „objektiven Beweismaßtheorie“ (etwa nach Prozentsätzen) kommt nicht in Betracht.
5.3. Ausgehend von diesen Grundsätzen der Rsp ist die Ansicht der Vorinstanzen nicht zu beanstanden, die sich aus den Feststellungen ergebende Wiedereingliederungswahrscheinlichkeit sei ausreichend, um für den Kl eine realistische Chance zu bejahen, nach Ende der Umschulung im neuen Beruf einen Arbeitsplatz zu finden und seine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt auf Dauer sicherzustellen.
6. Zutreffend sind die Vorinstanzen in diesem Zusammenhang auch davon ausgegangen, dass bei der Beurteilung der Chance auf Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt die mangelnden Deutschkenntnisse des Kl die vom Gesetzgeber geforderte hohe Wahrscheinlichkeit nicht beeinflussen können. Für die Frage der Arbeitsmarktchancen kann eine mangelnde Beherrschung der deutschen Sprache ebenso wenig Berücksichtigung finden, wie ein ebenfalls dem persönlichen Verantwortungsbereich zuzurechnendes Fehlen durchschnittlicher fachlicher Kenntnisse (RIS-Justiz RS0085050; 10 ObS 7/15z, SSV-NF 29/32).
7. Für die in der Revision unter dem Aspekt der „Wiedereingliederung auf Dauer“ verlangten (absoluten) Mindestbeschäftigungszeit im neuen Beruf von zehn Jahren findet sich im Gesetz keine Grundlage. § 303 Abs 4 ASVG fordert im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit lediglich die Berücksichtigung des Alters des Versicherten. Eine starre Altersgrenze, ab der die Zumutbarkeit oder Zweckmäßigkeit einer Umschulung jedenfalls zu verneinen ist, ist nicht ersichtlich. Von dem in den Gesetzesmaterialien genannten Beispiel einer unzweckmäßigen Rehabilitationsmaßnahme eines 61-jährigen AN, der vom Beruf des Tischlers auf den Beruf eines Bürokaufmanns umgeschult werden soll (ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP 24) unterscheidet sich der vorliegende Fall des zur Zeit der Umschulungsmaßnahme erst 49-jährigen Kl wesentlich.
Aufgrund der Übergangsbestimmung des § 669 Abs 6 ASVG gilt für Leistungswerber, die ab dem 1.1.1964 geboren sind, das Leistungsregime des SRÄG 2012. Der Kl, der von Mai 2003 bis Ende Mai 2014 (!) eine befristete Pension erhalten hat, wurde auf Rehabilitationsgeld umgestellt. Seine Klage richtete sich auf die Gewährung einer Invaliditätspension wegen dauernder Invalidität über den Mai 2014 hinaus. Die im BBRZ bereits begonnene berufliche Rehabilitation lehnt er mangels Zweckmäßigkeit und wegen der fehlenden hohen Wiedereingliederungswahrscheinlichkeit am Arbeitsmarkt ab. Das Erstgericht bestätigte die Zumutbarkeit der beruflichen Rehabilitation und wies die Klage ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl nicht Folge, ließ aber eine ordentliche Revision zu, um eine Klarstellung der Motive des § 303 Abs 2 ASVG durch den OGH herbeiführen zu können.
Durch das SRÄG 2012 wurde § 253e (Rechtsanspruch auf eine berufliche Rehabilitation) wieder aufgehoben und in § 254 ASVG neu konzipiert. Ein Anspruch auf eine Invaliditätspension besteht dann, wenn Invalidität dauerhaft vorliegt und „berufliche Maßnahmen der Rehabilitation weder zweckmäßig (§ 303 Abs 3 ASVG) noch zumutbar (§ 303 Abs 4 ASVG) sind
“. § 254 ASVG regelt die berufliche Rehabilitation als negative Anspruchsvoraussetzung und wandelt sie im Unterschied zur medizinischen Rehabilitation (§ 253f ASVG) durch den Verweis auf § 303 ASVG wieder in eine Ermessensleistung um (OGH 19.1.2016, 10 ObS 119/15w; siehe auch Panhölzl, Weiterhin keine Bescheidpflicht bei pflichtgemäßem Ermessen der Pensionsversicherung, DRdA 2016, 349). Durch das Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2017 (SVÄG) wurde diese Inkonsequenz durch die Wiedereinführung des Rechtsanspruchs auf Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation in § 253e ASVG behoben.
Nach § 303 Abs 2 ASVG sollen Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ auf Dauer Invalidität (Berufsunfähigkeit) beseitigen oder vermeiden und ebenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit geeignet sein, eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt auf Dauer sicherzustellen. Außerdem müssen sie zweckmäßig und zumutbar sein. Diese Bestimmung stand schon vor dem SRÄG 2012 in § 253e ASVG idF des BudgetbegleitG 2011 (BGBl I 2010/111 [75. ASVG-Novelle]) in Geltung. Obwohl der Rechtsanspruch auf Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation abgeschafft wurde, sind die Anspruchsvoraussetzungen wortgleich in den § 303 ASVG übernommen worden.
Maßnahmen beruflicher Rehabilitation müssen – analog dem für die Krankenbehandlung geltenden § 133 Abs 2 ASVG – nach § 303 Abs 3 ASVG ausreichend und zweckmäßig sein, sie dürfen jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und müssen überdies nach § 304 Abs 4 ASVG zumutbar sein. Zweckmäßigkeit bedeutet, dass Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation dem Normzweck der beruflichen Rehabilitation, invalide Personen139auf geeignete Berufe (auch außerhalb des Weisungsfeldes) so umzuschulen, dass sie diese nach erfolgreicher Rehabilitation auch tatsächlich ausüben können, entsprechen müssen. So gesehen spricht nichts dagegen, einen Facharbeiter auf einen bautechnischen Zeichner zu rehabilitieren, wenn mit Hilfe der Rehabilitation objektiv erfolgversprechend (Felten/Mosler in
Unter Notwendigkeit der Maßnahme wird ebenfalls in Anlehnung an die Begrifflichkeiten des § 133 ASVG und die dazu ergangene Judikatur und Literatur (siehe auch Neumayr, Der Anspruch auf Krankenbehandlung im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot – die Rechtslage im österreichischen Krankenversicherungsrecht, in
Zumutbar sind nach § 303 Abs 4 ASVG Maßnahmen, wenn sie unter Berücksichtigung ihrer physischen und psychischen Eignung, ihrer bisherigen Tätigkeit sowie der Dauer und des Umfanges ihrer bisherigen Ausbildung (Qualifikationsniveau) sowie ihres Alters, ihres Gesundheitszustandes und der Dauer eines Pensionsbezuges festgesetzt und durchgeführt werden. Die komplementären Bestimmungen in § 303 Abs 5 ASVG zum Qualifikationsniveau sollen eine „Rehabilitation nach unten“ ausschließen.
§ 303 Abs 2 ASVG regelt das Beweismaß für die Maßnahme der beruflichen Rehabilitation. Näher betrachtet ist wohl auch diese Bestimmung der Zweckmäßigkeit zuzuordnen, weil Maßnahmen, die weder auf Dauer Invalidität beseitigen oder vermeiden können, wohl kaum Wiedereingliederungschancen vermitteln und deshalb auch nicht zweckmäßig sein können. § 254 Abs 1 Z 2 ASVG idF des SRÄG 2012 verweist jedoch nur auf § 303 Abs 3 und 4 ASVG, nicht auch auf § 303 Abs 2 ASVG, was darauf hindeutet, dass es sich bei § 303 Abs 2 ASVG um keine Anspruchsvoraussetzung, sondern um eine gesetzliche Beweismaßregelung handelt. § 302 Abs 2 ASVG stellt vielmehr auf die Wiedereingliederungsprognose und auf das konkrete Beseitigungs- bzw Vermeidungspotenzial einer Rehabilitationsmaßnahme im Hinblick auf eine dauerhafte Invalidisierung ab. Liegen diese Bedingungen nicht vor, kann selbst dann, wenn die Voraussetzungen des § 303 Abs 3 und 4 ASVG gegeben sind, die berufliche Rehabilitation nicht durchgeführt werden. Die Bestimmung fordert in beiden Fällen als Beweismaß eine „hohe Wahrscheinlichkeit“ (vgl Prinzinger, Das sozialgerichtliche Beweisverfahren, Jahrbuch Sozialversicherungsrecht [2017] 17/231 f; grundlegend: Kodek/Mayer, Zivilprozessrecht, Rz 764).
Dieses Beweismaß entspricht nach der „Wahrscheinlichkeitsüberzeugungstheorie“ dem Regelbeweis der Zivilprozessordnung (ZPO). Die Wahrscheinlichkeitsprognose im vorliegenden Fall ergibt sich aus einem Sachverständigengutachten des Erstgerichts, das von einer 60 %-igen Wahrscheinlichkeit ausgegangen ist, die man aber durch bessere Deutschkenntnisse noch um weitere 10 bis 15 %-Punkte erhöhen, also auf rund 75 % steigern könnte.
Einer hohen Wahrscheinlichkeit liegt – wie der OGH in der E auch darlegt – jedoch keine objektive Größe zugrunde, sondern eine gewisse Bandbreite, die vom Richter im Rahmen der Beweiswürdigung beurteilt werden kann, ohne dabei auf objektive Umstände des Anlassfalles zur Gänze verzichten zu dürfen. Im Ergebnis ist die (subjektive) Beurteilung des Richters maßgebend, die aber immer auch durch die Evidenz der (tatsächlichen) Arbeitsmarktlage erhärtet werden muss (siehe Rechberger in
Die in der E zitierte Literatur stellt auf eine „realistische Chance“ auf Wiedereingliederung ab. Folgt man dem OGH in der Auslegung des § 303 Abs 2 ASVG muss zwar eine „realistische Chance“ des Kl bestehen, einen Arbeitsplatz zu finden, aber nicht, dass der Kl tatsächlich eine Beschäftigung erlangen und bis zur Pensionierung im Rehabilitationsberuf arbeiten kann. Aufgrund der „Arbeitsteilung“ zwischen PV und AlV können Phasen der Arbeitslosigkeit im neuen Beruf nicht zu Lasten der PV gehen; sie liegen vielmehr in der Risikosphäre der AlV. Nach der in der vorliegenden E vertretenen Ansicht des OGH genügt es, wenn nach dem Verlust des Arbeitsplatzes der Rehabilitationsberuf „regelmäßig nachgefragt wird bzw weiterhin die grundsätzliche Chance besteht, sich am Arbeitsmarkt im umgelernten Beruf zu behaupten
“.140
Diese „Formel“ stützt im Unterschied zur „abstrakten Betrachtungsweise“ bei der Zuerkennung von Pensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit auf eine „Art konkreter Betrachtungsweise“. Richtigerweise unterscheidet der OGH zwischen der Prognose im Fall einer Invaliditätspension (§ 254 Abs 1 Z 2 ASVG: „voraussichtlich dauerhaft“) und Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation. Nach der Rsp liegt Invalidität vor, wenn beispielsweise weniger als 100 berufstechnische Zeichner am Arbeitsmarkt vorkommen. Bei der beruflichen Rehabilitation indes ist maßgeblich, ob eine realistische Chance (also nicht nur eine abstrakte Beschäftigungsmöglichkeit) besteht, auch wenn es bundesweit und regional mehr als 100 beschäftigte bautechnische Zeichner gibt (siehe OGH 18.10.2005, 10 ObS 32/05m). Die Frage ist vielmehr, ob der Arbeitsmarkt genügend offene Stellen bereitstellt und das Arbeitsmarktservice (AMS) aktive Arbeitsvermittlung auf diese Berufe betreibt und allenfalls eine ausreichende Fluktuation in diesen Berufen besteht.
Realistisch ist eine Chance wohl nur dann, wenn aufgrund der Arbeitsmarktsituation zu erwarten ist, dass der (arbeitslose) Kl innerhalb einer bestimmten Zeit tatsächlich eine Beschäftigung erhält. Wenn daher – als Versuch einer Annäherung – innerhalb eines halben, allenfalls (höchstens) eines Jahres eine Stelle als bautechnischer Zeichner mit dem Kl prospektiv besetzt werden kann, dürfte diese Chance als gewahrt gelten, zumal es aus sozialpolitischen und ökonomischen Gründen auf keinen Fall passieren darf, dass Versicherte bloß in die Arbeitslosigkeit rehabilitiert werden. Daher muss der umgeschulte Beruf – wie auch vom OGH verlangt – nachweislich nachgefragt und regelmäßig vom AMS vermittelt werden. Umso wichtiger ist es, die Arbeitsmarktchancen auch auf regionaler Ebene von Arbeitsmarktexperten prüfen zu lassen und nicht nur auf Vermutungen zu stützen. Auch der Umstand, dass Rehabilitanden trotz beruflicher Umschulung zumeist gesundheitlich weiterhin beeinträchtigt sind und einer Förderung durch das AMS bedürfen, sollte in Zukunft stärker in die Prognose einbezogen werden.
Davon abgesehen vertritt der OGH bei der Prüfung des § 303 Abs 2 ASVG eine Rechtsmeinung, die in einem anderen Zusammenhang, nämlich bei der Auslegung des § 86 Abs 3 Z 2 letzter Satz ASVG, ihren Ausgang genommen hat. In diesem Kontext geht es um die Frage, wann eine Pension aus einem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit anfällt. Die Bestimmung schließt nicht den Anspruch, aber den Anfall der Pension aus, wenn „durch die Rehabilitationsmaßnahmen die Wiedereingliederung ... in das Berufsleben nicht bewirkt werden kann
“. Im Unterschied zu § 303 Abs 2 ASVG erfolgt die Beurteilung nicht schon vor der Zuerkennung einer Maßnahme der beruflichen Rehabilitation, sondern erst dann, wenn die Maßnahme (Umschulung) bereits erfolgreich abgeschlossen wurde. Das ist für die „Zuverlässigkeit“ einer Prognose unabdingbar.
Dabei sind zwei Aspekte zu beachten: Während bei der Anfallsbestimmung die „realistische Chance“ prognostisch „leichter“ zu bestimmen ist, weil immer die aktuelle Arbeitsmarktsituation beurteilt werden muss, erweist sich die Einschätzung der „hohen Wahrscheinlichkeit der Wiedereingliederung auf Dauer“ oft Jahre vor dem tatsächlichen Arbeitsmarkteintritt als deutlich anspruchsvoller, zumal beispielsweise ein Wirtschaftsabschwung die Prognose deutlich verzerren könnte. Zum anderen stellt sich die Frage nach der rechtlichen Relevanz des § 86 ASVG für den vorliegenden Fall. Die Regelung beruht darauf, dass ein Pensionsanspruch vorliegt, der durch Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation gleichsam „zurückgehalten“ wird. Eine solche Konstellation ist im ASVG nicht mehr vorgesehen, weil § 254 Abs 1 Z 1 und 2 ASVG idF des SRÄG 2012 bei Vorliegen von Invalidität die Zuerkennung der Pension bzw den Pensionsanspruch davon abhängig macht, ob berufliche Maßnahmen zweckmäßig oder zumutbar sind. Da dies im vorliegenden Fall zu bejahen ist und deshalb keine Invaliditätspension gebührt, kann auch keine Pension anfallen; es hilft letztlich auch nicht, neuerlich einen Pensionsantrag zu stellen. Im vorliegenden Fall ist daher die zitierte Anfallsbestimmung nicht anwendbar, es kann daher die Feststellung einer „realistischen Chance“ auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr systematisch mit ihr in Verbindung gebracht werden, wodurch aber auch die Übertragung auf § 303 Abs 2 ASVG inkonsistent wird, nicht zuletzt auch deshalb, weil der längere Prognosehorizont des § 303 Abs 2 ASVG vor Prüfung des Pensionsanspruches nach § 254 ASVG keine taugliche Grundlage für eine aktuelle Prognose zur Wiedereingliederung abgibt, wie sie in § 86 Abs 2 letzter Satz ASVG angelegt ist.
Zu beachten ist ferner, dass sich die „hohe Wahrscheinlichkeit“ auch darauf bezieht, dass mit den Maßnahmen auf Dauer Invalidität (iSd § 255 ASVG) vermieden oder beseitigt werden kann. Dadurch ist eine auf unbestimmte Zeit angelegte Prognose erforderlich. Der OGH hält eine berufliche Rehabilitation für „auf Dauer sichergestellt“, wenn der neue Beruf am Arbeitsmarkt regelmäßig nachgefragt wird und an sich die grundsätzliche Chance besteht, sich darin am Arbeitsmarkt zu behaupten. Die Prognose sollte jedoch nach § 303 Abs 4 ASVG, der die Berücksichtigung des Alters bei der Zumutbarkeit der Maßnahme fordert, auch davon abhängen, je näher das Ende der Maßnahme zum Pensionsantritt liegt. Daher sollten Versicherte auch nach Präferenzen für eine Frühpensionierung befragt werden bzw geprüft werden, ob überhaupt zu diesem Zeitpunkt die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen. Zwar ist eine fixe Altersgrenze (zB bei Männern zehn Jahre vor dem Regelpensionsalter), ab der berufliche Maßnahmen der Rehabilitation von der Pensionsversicherungsanstalt nicht mehr verlangt werden dürfen, dem Gesetz nicht zu entnehmen; trotzdem ist zu bewerten, ob eine kostspielige berufliche Maßnahme zumutbar ist, wenn sie ohnehin nur141eine relativ kurze Zeit (zB zwei Jahre) Wirksamkeit entfalten kann. Somit stellt sich die Frage, ob eine zwei bis drei Jahre dauernde Umschulungsmaßnahme zB einer Frau mit 55 im Hinblick auf die (noch) bestehende Regelaltersgrenze von 60 Jahren noch zumutbar ist. Das ist aber auch für gleichaltrige Männer mit einer Regelaltersgrenze von 65 in Anbetracht der allgemein ungünstigen Arbeitsmarktlage von Älteren grenzwertig, aber – in Abhängigkeit vom Gesundheitszustand – ist deshalb eine berufliche Rehabilitation wohl nicht generell zu verwerfen, wenn die individuelle Arbeitsmarktlage für den neuen Beruf trotzdem als günstig eingeschätzt wird. Dazu kommt, dass nicht jede berufliche Rehabilitation unbedingt auf eine „Vollumschulung“ hinauslaufen muss. Zu beachten ist überdies, dass der Kl erst 49 Jahre alt ist.
Bekanntlich spielen für die Zuerkennung von Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspensionen subjektive Fähigkeiten (dazu zählen auch Sprachkenntnisse) keine Rolle. Orientiert man sich allerdings bei der beruflichen Rehabilitation weiterhin konsequent an einer konkreten Betrachtungsweise, könnte durchaus ins Treffen geführt werden, dass es dem Kl auch im Rahmen von Mitwirkungspflichten zumutbar wäre, die deutsche Sprache noch besser zu erlernen, um dadurch die Integrationschancen durch berufliche Rehabilitation zu erhöhen.
Die vorliegende E findet Antworten auf wichtige Rechtsfragen des beruflichen Rehabilitationsrechts, darunter die Heranziehung von Prozentsätzen bei der Feststellung des Beweismaßes nach § 303 Abs 2 ASVG und eine grundsätzliche Klarstellung, wann eine „realistische Chance“ auf die Wiedereingliederung „auf Dauer“ besteht. Dazu ist anzumerken, dass sich diese Bewertung ursprünglich auf § 86 Abs 3 Z 2 letzter Satz ASVG bezogen hat und nunmehr offenbar in das Beweismaß verschoben wurde. § 303 Abs 2 ASVG sieht als Beweismaß eine Arbeitsmarktprognose auf Dauer nicht erst nach Abschluss einer Rehabilitationsmaßnahme, sondern schon vor ihrer Inangriffnahme vor, was in Anbetracht der langen Prognosezeiträume bis zur Beendigung der Rehabilitation als realitätsfremd bezeichnet werden muss. Eine legistische Änderung, iSd § 86 Abs 3 letzter Satz ASVG nach der Maßnahme erneut eine Arbeitsmarktprognose vorzunehmen, wäre daher zu überlegen. Jedenfalls sollten schon vor Beginn der Umschulung realistische (regionale) Beschäftigungsmöglichkeiten in Betracht gezogen werden und dabei im Hinblick auf sich am Arbeitsmarkt abzeichnende neue Entwicklungen (Tertiärisierung, Digitalisierung etc) stärker auf „Zukunftsberufe“ gesetzt werden.