14Kündigungsschutz nach dem MSchG bei Betriebsumstrukturierung
Kündigungsschutz nach dem MSchG bei Betriebsumstrukturierung
Eine Betriebsstilllegung iSd § 10 Abs 3 MSchG setzt voraus, dass die Organisationseinheit als solche dauerhaft nicht mehr fortbesteht.
Der den Bestimmungen des § 121 Z 1 ArbVG und des § 10 Abs 3 MSchG gemeinsame Begriff der Betriebsstilllegung hat durch das AVRAG einen (teilweisen) Funktionswandel oder eine Ergänzung dahin erfahren, dass eine Betriebsstilllegung nur dann vorliegt, wenn kein Betriebsübergang gegeben ist.
[...] Die Kl begehrte am 19.11.2015 die Zustimmung des Gerichts zur Kündigung der Bekl gem § 15n iVm § 10 Abs 3 MSchG. Die Bekl hat am 1.5.2003 ein Dienstverhältnis als Key Account Managerin bei der a*-GmbH (einem in Österreich ansässigen Unternehmen) angetreten. Diese meldete die Bekl per 2.9.2015 bei der SV ab, die Kl meldete sie per 3.9.2015 als ihre AN wieder an. Seit diesem Tag nimmt die Bekl, die dies nach der Geburt ihres zweiten Kindes fristgerecht beantragte (ihre Karenz endete am 2.9.2015), Elternteilzeit in Anspruch; sie wurde jedoch dienstfrei gestellt. Sowohl im Betrieb der a*-GmbH als auch am Betriebssitz der Kl in Deutschland bestehen Betriebsräte. Weder der BR der Kl noch der BR der a*-GmbH wurde von der Einbringung der Klage auf Zustimmung zur Kündigung verständigt. Die Kl brachte vor, im April 2014 sei eine Umstrukturierung im Verkaufsbereich der a*-GmbH durchgeführt worden; das gesamte Key Account Management am bisherigen Standort (an dem auch die Bekl tätig war) sei „aufgelöst“ worden und werde seither direkt von der Kl in Deutschland aus durchgeführt. Am Standort befinde sich seither nur noch ein Schauraum, der von einem dort nicht ständig anwesenden Angestellten betreut werde. Mit dieser Umstrukturierung sei auch ein Teilbetriebsübergang verbunden gewesen und das Dienstverhältnis mit der Bekl sei daher auf die Kl übergegangen. Es sei der Kl nicht zumutbar, für die Bekl in Österreich einen Ersatzarbeitsplatz zu schaffen. Die Voraussetzungen für eine Kündigung nach § 15n iVm § 10 Abs 3 MSchG seien daher erfüllt. Die Bekl habe außergerichtlich Gehaltsansprüche gegenüber der Kl geltend gemacht, weshalb ihr Bestreiten des wirksamen Übergangs des Dienstverhältnisses auf die Kl rechtsmissbräuchlich sei. Die Bekl wendete zusammengefasst ein, die aktive Klagslegitimation werde aus prozessualer Vorsicht bestritten. Eine Verständigung des zuständigen BR von der Einbringung der Klage sei jedenfalls nicht erfolgt. Tatsächlich sei der Betrieb der Kl weder eingeschränkt noch stillgelegt worden, weshalb die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Zustimmung zur Kündigung nicht erfüllt seien. Die Betriebsabteilung, in der die Bekl tätig gewesen sei, existiere nach wie vor ohne inhaltliche Verän-142derung und werde von Mitarbeitern mit Kunden nach wie vor stark frequentiert. Die Bekl könne daher von der Kl auch weiter beschäftigt werden.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab und begründeten dies im Wesentlichen damit, dass die Kl unstrittig weder ihren eigenen BR noch den der a*-GmbH von der Klage verständigt habe. Die vom Berufungsgericht und der Revisionswerberin aufgeworfenen Fragen des für die Bekl zuständigen BR sowie der Rechtsfolgen (s)einer unterbliebenen Verständigung iSd § 10 Abs 3 MSchG wären für die E über das Klagebegehren nur dann von Bedeutung, wenn das Vorbringen der Kl für eine gerichtliche Zustimmung zur Kündigung der Bekl ausreichen würde. Dies ist jedoch nicht der Fall.
1. Zwischen den Parteien ist unstrittig, dass die Kl als AN dem österreichischen MSchG unterliegt. IdZ genügt daher der Hinweis auf Art 6 EVÜ, das auf (Arbeits-)Verträge anwendbar ist, die vor dem 17.12.2009 abgeschlossen wurden (Art 28 Rom I-VO; dazu Musger in KBB4, Art 28 Rom I-VO Rz 1).
2. Die Kündigung der in Elternteilzeit befindlichen Kl kann nach § 10 Abs 1 iVm § 15n MSchG nur dann rechtswirksam ausgesprochen werden, wenn vorher die Zustimmung des Gerichts eingeholt wird. Auf die Erteilung dieser Zustimmung zielt die vorliegende Klage ab. Gem § 10 Abs 3 dritter Satz MSchG ist die Zustimmung des Gerichts zur Kündigung nur dann zu erteilen, wenn der DG das Dienstverhältnis wegen einer Einschränkung oder Stilllegung des Betriebs oder der Stilllegung einzelner Betriebsabteilungen nicht ohne Schaden für den Betrieb weiter aufrecht erhalten kann, oder wenn sich die DN vor dem Gericht (nach Rechtsbelehrung über den Kündigungsschutz nach dem MSchG) mit der Kündigung einverstanden erklärt. Nach Stilllegung des Betriebs ist eine Zustimmung des Gerichts zur Kündigung gem § 10 Abs 3 vierter Satz MSchG nicht erforderlich; sie kann in diesem Fall nicht mehr eingeholt werden (Wolfsgruber in ZellKomm2 § 10 MSchG Rz 41). Eine Betriebsstilllegung iSd § 10 Abs 3 MSchG setzt voraus, dass die Organisationseinheit als solche dauerhaft (nicht nur vorübergehend) nicht mehr fortbesteht (9 ObA 2309/96s; Wolfsgruber in ZellKomm2 § 10 MSchG Rz 32). Der den Bestimmungen des § 121 Z 1 ArbVG und des § 10 Abs 3 MSchG gemeinsame Begriff der Betriebsstilllegung hat durch das AVRAG einen (teilweisen) Funktionswandel bzw eine Ergänzung dahin erfahren, dass eine Betriebsstilllegung nur dann vorliegt, wenn auch ein Betriebsübergang nicht gegeben ist (RS0102973). Betriebseinschränkungen iSd § 10 Abs 3 MSchG sind bei Verlust eines Großteils der bisherigen Agenden des Unternehmens oder bei saisonbedingtem Mangel an Aufträgen anzunehmen (Wolfsgruber in ZellKomm2 § 10 MSchG Rz 35).
3. Die Kl stützt ihr – Ende 2015 erhobenes – Klagebegehren auf gerichtliche Zustimmung zur Kündigung darauf, dass infolge der im Frühjahr 2014 durchgeführten Umstrukturierung des Unternehmens der früheren AG der Bekl die Aufgaben des Betriebs, in dem die Bekl gearbeitet habe, durch die Kl (und von Deutschland aus) übernommen worden seien; der bisherige Standort werde hingegen (offenbar seit mehr als eineinhalb Jahren) nicht mehr (in gleicher Form) weiter betrieben. Damit behauptet sie aber einerseits einen (teilweisen) Betriebsübergang bzw einen Übergang des Arbeitsverhältnisses (aus dem sie insb auch ihre Aktivlegitimation ableitet), der jedoch nach den vorstehenden Begriffsbestimmungen eine Zustimmung des Gerichts zur Kündigung der Bekl nicht rechtfertigen könnte. Andererseits stützt sie sich zwar auf eine Änderung in der Organisationseinheit (am Arbeitsplatz und im Tätigkeitsbereich der Bekl), sie behauptet jedoch selbst nicht, dass dieser Betriebsteil (Standort) auf Dauer nicht mehr fortbestehen würde, sondern nur, dass dessen Aufgabenbereich nun anders (und insb von dem in Deutschland befindlichen Unternehmen aus) fortgeführt werde. Diesem Vorbringen lassen sich aber ebenfalls keine ausreichenden Tatbestandsvoraussetzungen für eine mögliche Zustimmung zur Kündigung gem § 10 Abs 3 MSchG entnehmen, weil damit weder eine Einschränkung noch eine Stilllegung des Betriebs iSd § 10 Abs 3 MSchG behauptet wird. Soweit sich die Kl auch darauf stützt, dass der Betrieb, in dem die Bekl vor ihrer (zweiten) Karenz (und für ihre frühere AG) tätig gewesen sei, bereits „stillgelegt“ (zu einem bloßen „Schauraum“ umfunktioniert) worden sei, wäre das Klagebegehren – unabhängig von der hier noch ungeklärten Frage der Aktivlegitimation der Kl als neue AG – ebenfalls unberechtigt, weil diesfalls eine gerichtliche Zustimmung zur Kündigung gem § 10 Abs 3 vierter Satz MSchG nicht erforderlich wäre. Auf andere Gründe (wie bspw das Vorliegen der Voraussetzungen des § 10 Abs 4 MSchG) hat die Kl ihr Begehren nicht gestützt.
4. Die Bekl hat das Vorliegen der Voraussetzungen für eine gerichtliche Zustimmung zur Kündigung nach § 10 Abs 3 MSchG bereits zu Beginn des Verfahrens erster Instanz bestritten, weshalb diese rechtliche Beurteilung keine Überraschungsentscheidung darstellt (RS0037300 [T41]). Mangels Geltendmachung einer präjudiziellen erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision der Kl zurückzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Gegenstand der E ist der besondere Kündigungsschutz von AN in Elternteilzeit gem § 10 Abs 3 iVm § 15n MSchG in einem grenzüberschreitenden Fall: Die Bekl war als AN einer österreichischen Gesellschaft im Verkaufsbereich in Österreich beschäftigt. Bei einer späteren Umstrukturierung übertrug die österreichische Gesellschaft das Key Account Management, in dem die bekl AN tätig war, an eine deutsche Gesellschaft. Demgemäß meldete die österreichische Gesellschaft die bekl AN am 2.9.2015 bei der SV ab; die deutsche Gesellschaft meldete sie per 3.9.2015 als ihre AN an. Die deutsche AG klagte auf Zustimmung zur Kündigung dieser AN, die in Elternteilzeit war und nach der143Umstrukturierung dienstfrei gestellt wurde. Das Erstgericht hat nicht festgestellt, ob – wie die deutsche AG als Kl vorbrachte – das gesamte Key Account Management am österreichischen Standort aufgelöst worden ist und seit der Übernahme von Deutschland aus durchgeführt wird, oder ob – wie die AN einwandte – der Betriebsteil in Österreich ohne inhaltliche Veränderung weiter existiert, von KundInnen und AN frequentiert wird und folglich nach wie vor in Österreich liegt. Der OGH musste nicht darauf eingehen, weil das Klagebegehren der deutschen AG jedenfalls unberechtigt war: Sie stützte sich auf einen grenzüberschreitenden Betriebsteilübergang, aus dem auch ihre Aktivlegitimation folgen sollte, und behauptete, dass der Aufgabenbereich des Betriebsteils nun von Deutschland aus geführt werde. Zugleich machte sie den Kündigungsgrund der Stilllegung eben dieses Betriebsteils iSd § 10 Abs 3 MSchG geltend. Dagegen betonte der OGH zu Recht, dass der Übergang des Betriebsteils, in dem die AN beschäftigt war, auf die deutsche Gesellschaft und die damit verbundene Fortführung dieses Aufgabenbereichs von Deutschland aus die Stilllegung dieses Betriebsteils ausschließt. Das anwendbare Recht musste der OGH nicht klären. Zwischen den Parteien war unstrittig, dass österreichisches Recht und damit auch § 10 Abs 3 MSchG anwendbar war. Der OGH konnte auch offen lassen, welche Rechtsfolgen das Fehlen der Mitteilung an den BR iSd § 10 Abs 3 Satz 2 MSchG nach sich zieht und welcher BR zu verständigen gewesen wäre. Es wurde nämlich weder der BR des österreichischen noch jener des deutschen Betriebs verständigt. Diese Frage wäre aber nur dann bedeutsam, wenn überhaupt ein Kündigungsgrund iSd § 10 Abs 3 MSchG vorläge.
Im Ergebnis ist dem OGH zuzustimmen. Dennoch lohnt es sich, zwei praktisch relevante weiterführende Aspekte zu erläutern, zu denen sich der OGH aufgrund des Klagebegehrens nicht äußern musste und die in der Judikatur bislang ungeklärt sind:
1. Geht man davon aus, dass der Standort des Betriebsteils nach der Umstrukturierung nach Deutschland verlagert worden ist, ist fraglich, ob bei grenzüberschreitenden Standortverlagerungen ein Betriebs(teil)übergang vorliegen kann oder ob mangels Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit am neuen Standort stets von einer Betriebsstilllegung auszugehen ist (Pkt 2.).
2. Welche Rechtsfolgen zieht es nach sich, wenn der BR gem § 10 Abs 3 Satz 2 MSchG nicht verständigt wird und welcher BR wäre hier zu verständigen gewesen: der BR des österreichischen oder des deutschen Betriebs (Pkt 3.)?
Geht man davon aus, dass hier ein internationaler Betriebsinhaberwechsel vorliegt, der mit einer Verlagerung des Betriebsteilstandortes aus Österreich nach Deutschland verbunden ist, heißt das nicht zwingend, dass ein grenzüberschreitender Betriebsteilübergang vorliegt. Da Verlagerungen des Betriebsstandortes mit Veränderungen des rechtlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umfelds einhergehen, die der wirtschaftlichen Identität entgegenstehen könnten, qualifiziert die Literatur diese Vorgänge – insb bei größeren Entfernungen – häufig als Betriebsstilllegung und nicht als Betriebsübergang. Außerdem würden die AN bei Verlagerungen ins weit entfernte Ausland in der Regel an den neuen Ort nicht folgen; ein Betriebsübergang sei daher nur bei zumutbaren Ortsveränderungen zu bejahen (Reichold, Neues zum grenzüberschreitenden Betriebsübergang, in FS Birk [2008] 687 [700 ff]). Auch das BAG ging bei einer Entfernung von 300 km von einer erheblichen räumlichen Entfernung aus und verneinte einen Betriebsübergang, obwohl der bisherige Betriebszweck am neuen Standort weiterverfolgt wurde, weil die alte Betriebsgemeinschaft aufgelöst und eine im Wesentlichen neue aufgebaut wurde (BAG 2 AZR 247/86, EWiR § 613a BGB 12/87, 1177 [Willemsen]). Unter Berufung auf diese E stellt Däubler (Der Erwerb deutscher Betriebe durch ausländische Unternehmen, in FS Kissel [1994] 119 [134]) darauf ab, ob die Mehrheit der Belegschaft bereit sei, am neuen ausländischen Standort tätig zu werden. Wenn es die Belegschaft mehrheitlich ablehne, am neuen Standort zu arbeiten, liege eine Betriebsstilllegung vor. Willemsen (EWiR § 613a BGB 12/87, 1177) geht noch weiter: Bei einer großen Entfernung genüge bereits die begründete Prognose, dass voraussichtlich nur ein kleiner Teil der Belegschaft bereit sein werde, am neuen Betriebssitz des Erwerbers tätig zu werden. Der Betriebsübergang sei dann zu verneinen. Das BAG deutete zuletzt in 8 AZR 37/10 (NZA 2011, 1143) an, dass es eine große Entfernung zweifelhaft erscheinen lassen könne, ob die wirtschaftliche Identität erhalten bleibe. Auf dem Prüfstand stand die Distanz von 60 km, die sich dem BAG zufolge für die AN ohne Umzug bewältigen lässt und der Wahrung der wirtschaftlichen Identität daher nicht entgegensteht. Es sei jedoch denkbar, dass die wirtschaftliche Identität ab einer bestimmten Entfernung nicht mehr gewahrt bleiben könne.
In der Judikatur des EuGH ist diese Frage bislang ungeklärt. ME ist die Wahrung der wirtschaftlichen Identität auch in grenzüberschreitenden Sachverhalten zwischen Mitgliedstaaten anhand der sieben Spijkers-Kriterien des EuGH zu prüfen (Rs C-24/85). Wenn die wesentlichen Elemente auf den ausländischen Erwerber übergehen und die wirtschaftliche Einheit im Zuge des Inhaberwechsels erhalten bleibt, kann auch in grenzüberschreitenden Fällen ein Betriebsübergang vorliegen. Gehen etwa bei einem Produktionsbetrieb die materiellen Betriebsmittel über, bleiben die Produktionsanlagen unverändert, wird die Tätigkeit nicht geändert und bleibt der Kundenstock bestehen, liegt ein Betriebsübergang und keine Betriebsstilllegung vor, selbst wenn der Betrieb ins weit entfernte Ausland verlagert wird (Niksova, Grenzüberschreitender Betriebsübergang [2014] 10 ff mwN; Kania, ZESAR 2010, 112 [114]). Irrelevant ist, ob die Ortsveränderung für die AN mit Umzugspflichten verbun-144den ist, weil die Betriebsübergangs-RL 2001/23/EG nicht darauf abstellt (Deinert, Internationales Arbeitsrecht § 13 Rz 12; zur Anwendbarkeit der Betriebsübergangs-RL bei einem grenzüberschreitenden Betriebsübergang zwischen Mitgliedstaaten siehe Niksova, Grenzüberschreitender Betriebsübergang 52 ff). Es ist auch nicht überzeugend, den Betriebsübergang generell davon abhängig zu machen, ob die Mehrheit der Belegschaft bereit ist, am neuen ausländischen Standort tätig zu werden, oder von der Prognose, dass voraussichtlich bloß ein kleiner Teil der Belegschaft bereit sein wird, am neuen Betriebssitz des Erwerbers tätig zu werden. Die Übernahme der AN ist auf Tatbestandsebene nur in „personalintensiven“ Branchen relevant, in denen die menschliche Arbeitskraft im Mittelpunkt steht. Deshalb kann aus diesem Grund nicht automatisch in allen Branchen ein Betriebsübergang auf Tatbestandsebene verneint werden. Vielmehr sind dieselben Maßstäbe heranzuziehen wie in Inlandssachverhalten (Richter, AuR 1992, 65] [66, 77; Wollenschläger/Frölich, AuR 1990, 314 [316 ff]; Feudner, NZA 1999, 1184 [1187]).
Wie gesagt geht aus den Feststellungen der E nicht hervor, ob die wesentlichen Elemente auf den deutschen Erwerber übergingen und ob es zur Verlagerung des Betriebsteils aus Österreich nach Deutschland kam. Der OGH musste sich zur wirtschaftlichen Identität in grenzüberschreitenden Sachverhalten nicht äußern. Das Höchstgericht scheint aber einen grenzüberschreitenden Betriebsübergang nicht generell auszuschließen, sondern dürfte ihn zumindest für möglich halten. Gesichert ist dies allerdings mangels relevanter Sachverhaltselemente nicht.
Wie in nationalen Sachverhalten schließt auch ein grenzüberschreitender Betriebs(teil)übergang zwischen zwei Mitgliedstaaten, bei dem die Voraussetzungen des internationalen Inhaberwechsels und der Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit auf Tatbestandsebene gegeben sind, im ersten Lebensjahr des Kindes den Kündigungsgrund der Stilllegung eben dieses Betriebs(teils) iSd § 10 Abs 3 MSchG aus. Bei grenzüberschreitenden Standortverlagerungen könnte das jedoch zur Beschränkung der Niederlassungsfreiheit (Art 49 AEUV) führen (zur Anwendung der Niederlassungsfreiheit auf den Wegzug, der durch das Verbot von Kündigungen behindert wird, siehe Rebhahn, EuZA 2017, 385 [389 f]; EuGH 21.12.2016, C-201/15, AGET Iraklis, Rn 53). Die Beschränkung könnte aber mE mit zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden, weil der Kündigungsschutz von Eltern in Österreich familienpolitisch motiviert ist: Nicht nur Schwangere, sondern auch Eltern in der daran anschließenden Phase der Kinderbetreuung sollen nicht den Verlust ihres Arbeitsplatzes fürchten müssen (Windisch-Graetz, Arbeitsrecht II10 [2017] 293). Mit diesem Argument könnte auch ein Eingriff in die unternehmerische Freiheit gem Art 16 Grundrechte-Charta (GRC) gerechtfertigt werden. Die Maßnahme entspricht auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Nach dem ersten Lebensjahr des Kindes können AG ohnehin weitere Kündigungsgründe gem § 10 Abs 4 MSchG geltend machen: Ab dem zweiten Lebensjahr des Kindes hätte die deutsche AG vorbringen können, dass die Kündigung gem § 10 Abs 4 MSchG durch betriebliche Erfordernisse begründet ist, die einer Weiterbeschäftigung der AN entgegenstehen und der AG die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist.
Wäre der deutschen AG der Nachweis gelungen, dass die Kündigung nicht gegen das Kündigungsverbot gem § 879 ABGB iVm Art 4 Abs 1 Betriebsübergangs-RL verstößt und wäre der Kündigungsgrund gem § 10 Abs 4 MSchG zu bejahen gewesen, hätte der OGH auf die Fragen eingehen müssen, mit denen sich die Vorinstanzen auseinander gesetzt haben: Welche Rechtsfolgen hat es, wenn der BR nicht gem § 10 Abs 3 Satz 2 MSchG verständigt wird? Und welcher BR wäre hier zu verständigen gewesen? Aus der Systematik des § 10 MSchG folgt nämlich, dass die Mitteilungspflicht an den BR auch bei den Kündigungsgründen gem § 10 Abs 4 MSchG gilt.
Gem § 10 Abs 3 Satz 2 MSchG hat der AG gleichzeitig mit der Einbringung der Klage dem BR hierüber Mitteilung zu machen; gem Abs 6 ist eine entgegen Abs 1-4 ausgesprochene Kündigung rechtsunwirksam. In grenzüberschreitenden Sachverhalten wirft diese Bestimmung zahlreiche Probleme auf. Zunächst ist die kollisionsrechtliche Anknüpfung von § 10 Abs 3 Satz 2 MSchG schwierig, weil sie – anders als die anderen Sätze des § 10 Abs 3 MSchG – als betriebsverfassungsrechtliche Bestimmung qualifiziert werden könnte, die dann nicht nach dem Arbeitsvertrags-, sondern nach dem Betriebsverfassungsstatut zu beurteilen wäre. Zudem ist unklar, welcher BR zu verständigen ist. Bevor darauf näher eingegangen wird, soll vorab geklärt werden, welche Bedeutung Satz 2 des § 10 Abs 3 MSchG eigentlich aus nationaler Sicht zukommt. Zwar ist in grenzüberschreitenden Sachverhalten zunächst stets zu prüfen, ob eine Bestimmung kollisionsrechtlich überhaupt anwendbar ist. Hier wird aber die nationale Einordnung des § 10 Abs 3 Satz 2 MSchG deshalb zuerst untersucht, weil unklar ist, ob die Verständigung des BR im gerichtlichen Verfahren überhaupt zu überprüfen ist. Zudem vertritt ein Teil der Literatur die Ansicht, dass es sich um eine bloße Ordnungsvorschrift handle und ein Verstoß gegen § 10 Abs 3 Satz 2 MSchG nicht zu sanktionieren sei (Schrank, Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses [1982] 125 [FN 34] und 228 [FN 97]). Sollte diese Ansicht bestätigt werden, könnte die kollisionsrechtliche Prüfung dahingestellt bleiben.
In der Literatur ist umstritten, ob die Verständigung des BR gem § 10 Abs 3 Satz 2 MSchG im gericht-145lichen Verfahren zu überprüfen ist und welche Rechtsfolgen ein Verstoß gegen die Mitteilungspflicht hat. Ausgangspunkt der Diskussion sind zwei Entscheidungen des Einigungsamtes (EA) Graz (4.1.1960, Arb 7190) und Linz (30.11.1982, Arb 10133): Demnach habe das EA von Amts wegen zu prüfen, ob der AG gleichzeitig mit der Einbringung des Antrags hierüber dem BR Mitteilung gemacht habe. Sei der BR nicht verständigt worden, würde selbst eine mit Zustimmung des EA ausgesprochene Kündigung gegen § 10 Abs 3 MSchG aF verstoßen und wäre daher gem § 10 Abs 5 MSchG aF unwirksam. Das EA habe den Kündigungsantrag wegen Nichterfüllung der Antragsvoraussetzungen infolge Unzuständigkeit des EA zurückzuweisen. Unter Berufung auf diese E qualifiziert ein Teil der Literatur die Mitteilung an den BR als Gültigkeitsvoraussetzung, die von Amts wegen zu prüfen sei. Liege sie nicht vor, habe das Arbeits- und Sozialgericht (ASG) die Klage zurückzuweisen (Thomasberger in
Die Materialien zum MSchG schweigen zu diesem Problem (ErläutRV 197 BlgNR 8. GP). Das OLG Linz (21.6.2016, 11 Ra 46/16p) hat den Meinungsstand im vorliegenden Verfahren gewürdigt. Die Ansicht von Weiß (RdW 2002, 99 ff) lehnt das OLG Linz aus prozessökonomischen Gründen treffend ab: Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, dass Gerichte überflüssige Verfahren durchzuführen hätten, wenn klar ist, dass die Kündigung unabhängig vom Ausgang des Zustimmungsverfahrens mangels Verständigung des BR unwirksam ist. Auch eine Zurückweisung der Klage lehnt das OLG Linz zu Recht ab, weil es sich um keine Prozessvoraussetzung handelt.
Damit bleiben nur zwei Möglichkeiten: Entweder handelt es sich um eine materiell-rechtliche Voraussetzung, deren Fehlen zur Abweisung der Klage führt oder um eine Ordnungsvorschrift, die unter keiner Sanktion steht. Der Wortlaut und die Systematik des § 10 MSchG lassen die Auslegung als Ordnungsvorschrift zu. Wie Schrank (Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses 228 [FN 97]) ausführt, könnte § 10 Abs 6 MSchG als globale Wiederholung gedeutet werden, weil der Gesetzgeber in Abs 1-5 schon eindeutige Hinweise gibt, wann die Kündigung rechtsunwirksam ist. Dafür spricht auch, dass es sich lediglich um eine Information an den BR über die Tatsache der Einbringung der Klage handelt. Anders als beim allgemeinen Kündigungsschutz kann der BR kein Beratungsrecht verlangen und mangels Parteistellung nicht in das Verfahren eingreifen.
Gegen diese Auslegung spricht jedoch, dass sich in § 12 APSG (Arbeitsplatz-Sicherungsgesetz) eine parallele Vorschrift findet. Anders als in § 10 MSchG ist der Verständigung des BR in § 12 APSG aber systematisch ein eigener – vierter – Absatz gewidmet. Gem Abs 5 ist eine entgegen den Bestimmungen Abs 1-4 ausgesprochene Kündigung unwirksam. Damit kommt klar zum Ausdruck, dass eine Kündigung unwirksam ist, wenn der BR gem § 12 Abs 4 APSG nicht verständigt worden ist. Dass die Materialien zu § 12 APSG (ErläutRV 291 BlgNr 18. GP 13) von einer Zurückweisung der Klage sprechen, ist mE darauf zurückzuführen, dass sie unreflektiert die E des EA Graz wiedergeben. Entgegen den Materialien ist aber im APSG von einer materiell-rechtlichen Voraussetzung auszugehen, deren Fehlen zur Abweisung der Klage führt. Da der besondere Bestandschutz im APSG und MSchG einem einheitlichen Schema folgt (RS0110346) und sich hinsichtlich der parallelen Vorschrift über die Verständigung des BR die gleiche Wertungsproblematik stellt, kann das Ergebnis aus § 12 Abs 4 APSG auch auf § 10 Abs 3 Satz 2 MSchG übertragen werden. Für diese Lösung spricht auch, dass für AN, die unter dem besonderen Kündigungsschutz nach dem APSG oder MSchG stehen, die §§ 105-107 ArbVG nicht gelten, das betriebliche Vorverfahren jedoch durch die Verpflichtung in § 12 Abs 4 APSG oder § 10 Abs 3 Satz 2 MSchG „ersetzt“ werden soll. Der allgemeine Kündigungsschutz gem §§ 105-107 ArbVG ist nicht anwendbar, weil der stärkere Schutz den schwächeren verdrängt. Während das in § 12 Abs 7 APSG ausdrücklich geregelt ist (siehe auch ErläutRV 291 BlgNR 18. GP 14), findet sich im MSchG keine ausdrückliche Regelung. Entgegen den Materialien (ErläutRV 197 BlgNR 8. GP 14) kann aber auch im MSchG nichts anderes gelten (Schrank in
Aufgrund der eindeutigen Systematik im APSG ist de lege lata sowohl bei § 12 Abs 4 APSG als auch § 10 Abs 3 MSchG von einer materiell-rechtlichen Voraussetzung auszugehen (so im Ergebnis auch OLG Linz 21.6.2016, 11 Ra 46/16p). Ob das Fehlen der Mitteilung an den BR prozessual von Amts wegen wahrzunehmen oder über Einwendungen geltend zu machen ist, kann hier dahinstehen, weil die bekl AN den Verstoß gegen § 10 Abs 3 Satz 2 MSchG ausdrücklich vorgebracht hat. De lege ferenda würde146sich jedoch anbieten, § 10 Abs 3 Satz 2 MSchG und § 12 Abs 4 APSG als Ordnungsvorschriften auszugestalten, weil dies der bloßen Informationspflicht an den BR über die Einbringung der Klage teleologisch besser entsprechen würde.
Die kollisionsrechtliche Anknüpfung von § 10 Abs 3 Satz 2 MSchG bereitet Probleme. Wie bereits erwähnt, war in der E unstrittig, dass österreichisches Arbeitsvertragsrecht und damit auch § 10 Abs 3 MSchG anwendbar war. Während das bei den anderen Sätzen des § 10 Abs 3 MSchG mE selbst ohne Einigung der Parteien der Fall gewesen wäre, muss das bei § 10 Abs 3 Satz 2 MSchG erst geprüft werden. Denn Satz 2 könnte als betriebsverfassungsrechtliche Bestimmung qualifiziert werden, die kollisionsrechtlich nach dem Betriebsverfassungsstatut zu beurteilen ist. In 8 ObA 41/15k (DRdA 2016, 55 [Burger] = EuZA 2016, 244 [Mankowski]) war der OGH mit dem Problem befasst, ob der besondere Entlassungsschutz für AN in Elternteilzeit gem § 12 MSchG für die Frage der Internationalen Zuständigkeit betriebsverfassungsrechtlich oder individualrechtlich zu beurteilen ist. Art 18 ff Brüssel I-VO (nunmehr Art 20 ff Brüssel Ia-VO) gelten nämlich nur für „individuelle Arbeitsverträge“, nicht aber für das Kollektivarbeitsrecht. Der OGH hat treffend entschieden, dass der besondere Kündigungsschutz gleich wie der allgemeine Kündigungsschutz von den Art 18 ff Brüssel I-VO erfasst ist. Beim besonderen Entlassungsschutz stehe sogar die individualarbeitsrechtliche Komponente im Vordergrund, weil der Streit zwischen den Arbeitsvertragsparteien geführt werde und der BR – anders als in § 10 Abs 3 MSchG – nicht eingeschaltet werde. Ob der OGH aber auch § 10 Abs 3 Satz 2 MSchG individualarbeitsrechtlich qualifizieren würde, bleibt nach der E offen. Die gleiche Frage stellt sich auch im Internationalen Privatrecht, weil Art 8 Rom I-VO (früher Art 6 EVÜ) ebenfalls nur für „Individualarbeitsverträge“ gilt. Drei Möglichkeiten kommen in Betracht: § 10 Abs 3 Satz 2 MSchG ist a) betriebsverfassungsrechtlich nach dem Betriebsverfassungsstatut zu beurteilen, b) individualarbeitsrechtlich gem Art 8 Rom I-VO anzuknüpfen oder c) als Eingriffsnorm iSd Art 9 Rom I-VO zu qualifizieren:
Qualifiziert man § 10 Abs 3 Satz 2 MSchG als betriebsverfassungsrechtliche Bestimmung und beurteilt diese kollisionsrechtlich nach dem Betriebsverfassungsstatut, würde das bedeuten, dass Satz 2 nur dann anwendbar ist, wenn österreichisches Betriebsverfassungsrecht zur Anwendung kommt. In Österreich lösen Rsp und hL die Frage der Anwendung von betriebsverfassungsrechtlichen Bestimmungen in grenzüberschreitenden Sachverhalten mit dem sogenannten Territorialitätsprinzip (OGH9 ObA 88/97z
Geht man – mangels Sachverhaltsfeststellungen – davon aus, dass der Betriebsteil nach der Übernahme durch die deutsche Gesellschaft aus dem österreichischen Betrieb herausgelöst und in den deutschen Betrieb eingegliedert worden ist, hat der Betrieb seinen Sitz nicht mehr in Österreich, sondern in Deutschland. Das österreichische Betriebsverfassungsrecht ist daher nicht mehr anwendbar. Vielmehr gilt deutsches Betriebsverfassungsrecht. Da der Betriebsteil, der übergeht, in einen mit einem BR ausgestatteten Betrieb eingegliedert wird, ist nunmehr der deutsche BR auch für die AN des Betriebsteils zuständig, der übergegangen ist.
Die bekl AN war mE betriebsverfassungsrechtlich in den deutschen Betrieb eingegliedert, auch wenn sie ihre Tätigkeit in Deutschland gar nicht aufgenommen hat. Indizien für die betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung zum deutschen Betrieb sind zB die Ausübung des Direktionsrechts aus Deutschland oder ein jederzeitiges Rückrufrecht des deutschen AG. Wird das Arbeitsverhältnis aus Deutschland gesteuert und organisiert, können durch die Ausstrahlung auch im Ausland beschäftigte AN in den deutschen Betrieb eingegliedert sein. Die Ausstrahlung erfordert nach deutschem Recht ein Arbeitsverhältnis zum AG und die Eingliederung in den Betrieb. Die hL in Deutschland verlangt für die Ausstrahlung nicht, dass der AN irgendwann in Deutschland beschäftigt war (Deinert, Internationales Arbeitsrecht § 17 Rn 32 mwN). ME liegt hier jedoch nicht einmal ein Ausstrahlungsfall vor: Das Arbeitsverhältnis ist auf die deutsche AG übergegangen. Zwar hat die AN die Arbeitsleistung in Deutschland nicht aufgenommen, doch erhält sie von dort Weisungen. Das Arbeitsverhältnis wird von Deutschland aus gesteuert, wo die arbeitstechnischen Entscheidungen getroffen werden. Auch die Dienstfreistellung ändert daran nichts, weil AN im deutschen Recht betriebsverfassungsrechtlich selbst dann dem147Betrieb zuzuordnen sind, wenn ihre Arbeitsverhältnisse vorübergehend ruhen (Richardi in
Ginge man davon aus, dass der Betriebsteil nach dem Betriebsteilübergang aus dem österreichischen Betrieb herausgelöst, aber nicht nach Deutschland verlagert worden ist, sondern weiterhin in Österreich liegt, würde für die bekl AN des unselbständigen deutschen Betriebsteils mittels Ausstrahlung das deutsche Betriebsverfassungsrecht gelten (siehe Deinert, Internationales Arbeitsrecht § 17 Rn 57 mwN). Die Dienstfreistellung würde daran nichts ändern. ME würde das auch dann gelten, wenn von vornherein absehbar war, dass die AN nicht in Deutschland tätig sein, sondern nur in dem unselbständigen Betriebsteil in Österreich eingesetzt werden soll, der von Deutschland aus gesteuert wird. Auch in diesem Fall wäre die bekl AN nach der Umstrukturierung daher nicht mehr dem österreichischen, sondern dem deutschen Betrieb zuzuordnen; zuständig wäre der BR des deutschen Betriebs. Folgt man dieser Ansicht nicht, wäre von einem (Übergangs-)Mandat des österreichischen BR auszugehen. Nicht überzeugend wäre es, aufgrund des Betriebsteilübergangs weder den österreichischen noch den deutschen BR für zuständig anzusehen (siehe Art 6 Betriebsübergangs-RL).
Kollisionsrechtlich kommt mE aus den oben genannten Gründen nach der Umstrukturierung das deutsche Betriebsverfassungsrecht zur Anwendung. Dieses sieht gem § 102 Abs 1 dBetrVG eine Pflicht zur Anhörung des BR vor jeder Kündigung vor; ohne diese Anhörung ist die Kündigung unwirksam. Diese Bestimmung gilt auch für Schwangere und AN in Elternzeit und wird in Deutschland für kollisionsrechtliche Zwecke nach dem Betriebsverfassungsstatut beurteilt (Martiny in MüKo6 Art 8 Rom I-VO Rn 151 mwN). Im Ergebnis müsste daher nach der Eingliederung des Betriebsteils in den deutschen Betrieb über die Kündigung der bekl AN, deren Arbeitsverhältnis österreichischem Arbeitsvertragsrecht unterliegt, gem § 102 dBetrVG der deutsche BR angehört werden. § 10 Abs 3 Satz 2 MSchG wäre kollisionsrechtlich nicht anwendbar.
Fraglich wäre allenfalls, ob sich die Parteien – wie im vorliegenden Fall – darüber einigen können, dass § 10 Abs 3 Satz 2 MSchG anwendbar sein soll. Grundsätzlich ist eine nachträgliche Rechtswahl im Prozess zulässig (Martiny in MüKo6 Art 8 Rom I-VO Rn 30 mwN). Knüpft man aber § 10 Abs 3 Satz 2 MSchG nicht individualrechtlich gem Art 8 Rom I-VO an, sondern betriebsverfassungsrechtlich nach dem Territorialitätsprinzip, kommt eine Rechtswahl mE nicht in Frage. Territorialitätsprinzip und Rechtswahl schließen einander aus. Grund ist, dass Betriebsverfassungsnormen einheitlich angeknüpft werden sollen, weil sie die Rechtsbeziehungen der Belegschaft als Gruppe betreffen (Niksova, Grenzüberschreitender Betriebsübergang 231 ff mwN). Zu einem anderen Ergebnis kommt man, wenn man § 10 Abs 3 Satz 2 MSchG nach dem Arbeitsvertragsstatut beurteilt:
Knüpft man § 10 Abs 3 Satz 2 MSchG individualarbeitsrechtlich gem Art 8 Rom I-VO an, wäre die Bestimmung immer dann anwendbar, wenn der Arbeitsvertrag österreichischem Individualarbeitsrecht unterliegt. Zulässig wäre dann auch eine Rechtswahl gem Art 8 Abs 1 Rom I-VO. Haben die Parteien keine Rechtswahl getroffen, unterliegt der Arbeitsvertrag gem Art 8 Abs 2 Rom I-VO (früher Art 6 EVÜ) dem Recht des Staates, in dem der gewöhnliche Arbeitsort des AN liegt. Das Arbeitsvertragsstatut ist aber wandelbar (Martiny in MüKo BGB6 Art 8 Rom I-VO Rn 81 mwN): Ändert sich der gewöhnliche Arbeitsort des AN nach der Standortverlagerung, kommt es zu einem Statutenwechsel und es gilt das Recht des anderen Staates. Nach Franzen (Der Betriebsinhaberwechsel nach § 613a BGB im internationalen Arbeitsrecht [1994] 104) ist der maßgebliche Zeitpunkt für den Statutenwechsel derjenige, zu dem die AN arbeitsvertraglich verpflichtet sind, am neuen Standort tätig zu werden. Kania (Grenzüberschreitender Betriebsübergang [2012] 103) führt aber treffend aus, dass Art 8 Abs 2 Rom I-VO auf den Ort abstellt, an dem der AN in Erfüllung des Vertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Damit kommt es nicht nur auf den vertraglich vorgesehenen Arbeitsort an, sondern auch auf den Ort der tatsächlichen Arbeitsleistung. Daher befindet sich der Erfüllungsort erst dann im Ausland, wenn die AN im Ausland ihre Arbeit antreten. Da die bekl AN ihre Tätigkeit in Deutschland nicht angetreten hat, hat sich der gewöhnliche Arbeitsort der AN mE nicht geändert. Dies selbst dann nicht, wenn im Arbeitsvertrag der AN kein konkreter Arbeitsort in Österreich vereinbart gewesen sein sollte, eine Versetzung in einen grenznahen Ort in Deutschland zumutbar gewesen wäre und sie verpflichtet gewesen sein sollte, am neuen Standort tätig zu werden. Von einer Folgepflicht ist hier aber ohnehin nicht auszugehen, weil sich aus dem Urteil der ersten Instanz ergibt, dass die Entfernung ca 350 km betrug. Kollisionsrechtlich bleibt daher österreichisches Arbeitsvertragsrecht und damit auch § 10 Abs 3 Satz 2 MSchG weiter anwendbar.
Damit ist noch nicht gesagt, welcher BR gem § 10 Abs 3 Satz 2 MSchG verständigt werden müsste. Das wäre – wie oben (Variante a) – der deutsche BR, weil nach der Eingliederung des Betriebsteils in den deutschen Betrieb der BR des deutschen Betriebs für die AN zuständig ist, auch wenn sie in Österreich tätig ist und für sie österreichisches Arbeitsvertragsrecht gilt. Konkret würde das bedeuten, dass der BR des deutschen Betriebs zusätzlich zu den deutschen Mitwirkungsrechten (§ 102 dBetrVG) auch nach österreichischem Recht verständigt werden müsste. § 10 Abs 3 Satz 2 MSchG würde dann aber wohl im stärkeren Mitwirkungsrecht (§ 102 dBetrVG) „aufgehen“ und die österreichische Bestimmung wäre obsolet.148
Gem Art 9 Rom I-VO sind Eingriffsnormen zwingende Vorschriften, deren Einhaltung von einem Staat so entscheidend für die Wahrung von öffentlichen Interessen, insb der politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation, angesehen wird, dass sie jedenfalls anzuwenden sind, unabhängig davon, welches Recht nach der Rom I-VO zur Anwendung kommt. Sie überlagern das Arbeitsvertragsstatut. Zwei Voraussetzungen müssen vorliegen, um eine Norm als international zwingende Eingriffsnorm zu qualifizieren: Sie muss internationalen Geltungsanspruch haben und überindividuelle Interessen verfolgen (Magnus in
Ob § 10 Abs 3 Satz 2 MSchG für kollisionsrechtliche Zwecke individualarbeitsarbeitsrechtlich gem Art 8 Rom I-VO oder betriebsverfassungsrechtlich anzuknüpfen ist, ist unionsrechtlich autonom auszulegen (zur Auslegung des Begriffs „Individualarbeitsverträge“ iSd Art 8 Rom I-VO siehe Niksova in
Vor der Umstrukturierung ist gem § 10 Abs 3 Satz 2 MSchG dem österreichischen BR Mitteilung zu machen. Die rechtlichen Fragen, die sich nach der Umstrukturierung stellen, können hier mangels Sachverhaltsfeststellungen nicht abschließend beurteilt werden. Unter der Annahme, dass der Betriebsteil durch die deutsche Gesellschaft aus dem österreichischen Betrieb herausgelöst und in den deutschen Betrieb eingegliedert worden ist, ist der BR des deutschen Betriebs für das Arbeitsverhältnis der bekl AN zuständig. Deutsches Betriebsverfassungsrecht ist kollisionsrechtlich anwendbar und § 102 dBetrVG kommt als betriebsverfassungsrechtliche Bestimmung zur Anwendung. Knüpft man § 10 Abs 3 Satz 2 MSchG individualarbeitsrechtlich an oder qualifiziert die Bestimmung als Eingriffsnorm iSd Art 9 Rom I-VO, kommt sie kollisionsrechtlich zur Anwendung; der BR des deutschen Betriebs müsste nach österreichischem Recht verständigt werden. Da § 102 dBetrVG jedoch ein stärkeres Mitwirkungsrecht vorsieht, „geht“ § 10 Abs 3 Satz 2 MSchG in § 102 dBetrVG „auf“. Von Relevanz wäre die Frage lediglich dann, wenn das ausländische Betriebsverfassungsrecht keine Verständigung des BR vorsähe. Dann käme § 10 Abs 3 Satz 2 MSchG zur Anwendung; zuständig wäre der BR des ausländischen Betriebs.149