TomandlEchte und freie Betriebsvereinbarungen – Leitfaden

Manz Verlag, Wien 2017, XII, 130 Seiten, broschiert, € 32,–

BARBARAFÖDERMAYR (LINZ)

Tomandls Werk ist als Leitfaden erschienen, dessen erklärtes Ziel es ist, neben der umfangreichen, in erster Linie an JuristInnen gerichteten, Kommentarliteratur für die Betriebsvereinbarungsparteien eine kompakte und verständliche Darstellung der Rechtsfragen rund um Betriebsvereinbarungen zu bieten. Da im Betriebsvereinbarungsrecht nach wie vor schwierige Rechtsfragen in der wissenschaftlichen Literatur kontrovers diskutiert werden, handelt es sich dabei um ein durchaus hoch gestecktes Ziel. Es gilt, die komplexe Thematik gut strukturiert und möglichst einfach nachvollziehbar zu beschreiben, ohne dabei den Eindruck zu vermitteln, man könne sich im gesamten Bereich auf eine völlig geklärte Rechtslage stützen. Für die Betriebsvereinbarungsparteien ist es zwar einerseits von besonderer Bedeutung, sowohl bei der Vorbereitung eines Abschlusses, als auch im Abwicklungs- und Beendigungsstadium in strittigen Situationen ein leicht verständliches und gut überschaubares Nachschlagewerk zur Verfügung zu haben. Andererseits müssen sie aber auch darüber informiert sein, in welchen Bereichen es sich trotz oberstgerichtlicher „Absicherung“ der Rechtslage lohnt, über alternative Lösungsansätze zumindest nachzudenken und auf diese Weise zu einer Weiterentwicklung der – bzw in vielen Fällen zu einer Rückbesinnung auf die – im Arbeitsverfassungsgesetz verankerten Grundsätze des Betriebsvereinbarungsrechts beizutragen. Um das Ziel des Praxisleitfadens bestmöglich zu verwirklichen, „begnügt“ sich Tomandl ganz bewusst mit der Darstellung der Rechtslage unter Bezugnahme auf die höchstgerichtliche Rsp. Nur dort, wo auf es dem besseren Verständnis dienen soll oder eben eine solche Rsp noch fehlt, bezieht er Überlegungen aus der Literatur mit ein.

Sieht man den lockeren Umgang mit der Begrenzung der Abschlusskompetenz für Betriebsvereinbarungen und die „Flucht“ in den Abschluss von vom ArbVG nicht vorgesehenen Vereinbarungen kritisch, so besticht sogleich der Aufbau des Werkes. Tomandl gelingt es, durch die „räumliche“ Trennung der Darstellung von echten Betriebsvereinbarungen am Beginn des Werkes und von – wie er sie, weil so „üblich“, bezeichnet – freien Betriebsvereinbarungen ganz am Ende des Buches, die durch das ArbVG vorgegebene klare Grenze von zulässigen und unzulässigen Vereinbarungen bewusst zu machen. Anders als in der Kommentarliteratur, wo359die Thematik direkt bei der Untersuchung der allgemeinen betriebsvereinbarungsrechtlichen Grundsätze zu behandeln ist, hat er in seiner Darstellung die Möglichkeit, die zulässigen und unzulässigen Vereinbarungen der Parteien auf betrieblicher Ebene nicht unmittelbar hintereinander darstellen zu müssen und nutzt diese für einen klaren Aufbau.

Obwohl an sich eine sehr simple Angelegenheit, für das einfache Verständnis des Lesers aber besonders effektiv, ist es, dass der Autor im Rahmen einer Einführung die im Praxisleitfaden gewählte Begriffsverwendung festlegt und erklärt. Überall dort, wo bereits bei der Terminologie Uneinheitlichkeit in Rsp und wissenschaftlicher Lehre anzutreffen ist, ermöglicht eine derartige Klärung hinderliche Missverständnisse von vornherein zu vermeiden. Nach seiner Einführung befasst sich Tomandl mit den notwendigen Voraussetzungen einer BV und behandelt zunächst ausführlich die Abschlussberechtigung. Er stellt bereits an dieser Stelle klar, dass der Belegschaft nur Teilrechtsfähigkeit zukommt und erklärt hier ua auch die Kompetenzen der verschiedenen Belegschaftsvertretungsorgane. Im Anschluss an die Darstellung des persönlichen Geltungsbereiches von Betriebsvereinbarungen widmet sich der Autor den Form- und Kundmachungsvorschriften sowie der allgemeinen Umschreibung des zulässigen Inhalts. Sein Konzept, die höchstgerichtliche Rsp als gesicherte Basis für die Darstellung der Rechtslage zu akzeptieren – insb, weil ein Abweichen davon auch wenig wahrscheinlich sei –, verlässt der Autor zuweilen dann, wenn er selbst die dargestellte Rechtsansicht der Höchstgerichte kritisch sieht.

Im Kapitel über die Rechtswirkungen von Betriebsvereinbarungen stellt Tomandl zunächst den Stufenbau der Rechtsordnung im Arbeitsrecht dar und befasst sich vor den schuldrechtlichen mit den normativen Bestimmungen. In diesem Zusammenhang sollen die Ausführungen zu dispositiv wirkenden Betriebsvereinbarungsnormen kurz näher betrachtet werden. Der Autor führt aus, dass normative Normen in Betriebsvereinbarungen mit bloß nachgiebiger Wirkung möglich seien und im Verhältnis zum Einzelarbeitsvertrag dieselbe Funktion erfüllen wie nachgiebiges Gesetzesrecht. In dieser Darstellung wäre ein Hinweis auf die diskutierte Gegenmeinung, nach der es nicht möglich sein soll, solche dispositiven Regelungen in Betriebsvereinbarungen vorzusehen, da diese im ArbVG nicht angelegt sind, trotz der Notwendigkeit einer einfachen Darstellung der Rechtslage im Praxisleitfaden durchaus wünschenswert. Das nächste größere Kapitel befasst sich mit Beendigungen und Nachwirkungen von Betriebsvereinbarungen sowie deren rechtlichem Schicksal im Zusammenhang mit Betriebsveränderungen, welches sehr kompakt und gut nachvollziehbar dargestellt wird. Im Zusammenhang mit der Frage der Abdingbarkeit der Nachwirkungen einer gekündigten BV bleibt Tomandl seinem Vorhaben treu, auf kritische Stimmen in der Literatur dann nicht einzugehen, wenn ein Höchstgericht sich bereits mit der Rechtsfrage befasst hat. An dieser Stelle möglicherweise deshalb, weil der Autor selbst der Kritik an der Rsp nicht folgt, wonach ein Verzicht auf die Nachwirkung einer gekündigten BV im ArbVG nicht vorgesehen sei und der Normzweck der Nachwirkungsbestimmungen einem solchen auch klar entgegenstünde.

Im Anschluss an die Beendigungsfragen stellt der Autor die unterschiedlichen Formen von Betriebsvereinbarungen vor, die sich im ArbVG finden. Ob man der von Tomandl angebotenen Einteilung der Betriebsvereinbarungsformen und deren Bezeichnungen folgen möchte, ist in der Praxis weniger von Bedeutung als die damit zusammenhängenden Fragen der Intensität der Mitbestimmungsrechte der Belegschaft und der Möglichkeiten des Betriebsinhabers beim Nichtzustandekommen einer Einigung. Diese Fragen werden in der Darstellung einfach verständlich beantwortet, das entwickelte Konzept in der Folge der Zuordnung sowie den weiteren Ausführungen zu den einzelnen Regelungstatbeständen zugrunde gelegt und diese teilweise sehr ausführlich besprochen. Zum Schluss befasst sich Tomandl mit den unzulässigen Betriebsvereinbarungen, deren komplexe Problematik er sehr gut nachvollziehbar darstellt. Insb seine Zusammenfassung der möglichen Umsetzung dieser als Betriebsvereinbarungen nichtigen Vereinbarungen verschafft einen kompakten Überblick über die schwierige Rechtslage.

Der den inhaltlichen Ausführungen angeschlossene Auszug der einschlägigen Normen des ArbVG ist als zusätzliches angenehmes Service am Leser zu werten. Insgesamt ist der Praxisleitfaden ein gelungenes Werk, das nicht nur jenen zu empfehlen ist, die einen einfach verständlichen Überblick über die aktuelle Rechtslage suchen, sondern auch für alle geeignet ist, die eine gute Basis für tiefergehende Auseinandersetzungen mit der komplexen Thematik der Betriebsvereinbarungen suchen.