Vom 8-Stunden-Tag zum 12-Stunden-Tag

 JOSEFCERNY (WIEN/SALZBURG)

Das Jahr 2018 ist ein Jahr der besonderen Jubiläen. Wir feiern 100 Jahre Republik und zugleich – bisher nahezu unbemerkt – 100 Jahre Arbeitsrecht und Sozialrecht. Zwar reichen die Wurzeln weiter zurück bis ins 19. Jahrhundert (siehe Mulley, DRdA 2018, 527 ff), aber das Fundament der österreichischen Arbeitsrechts- und Sozialrechtsordnung ist in den ersten Jahren der jungen Republik, beginnend ab dem Jahr 1918, von dem Gewerkschafter und großen Sozialpolitiker Ferdinand Hanusch, der von 1918 bis 1920 als Staatssekretär der Regierung angehörte, geschaffen worden: Betriebsrätegesetz, Kollektivvertragsgesetz und Arbeiterkammergesetz bildeten die gesetzliche Grundlage der kollektiven Interessenvertretung und Mitbestimmung der AN, das Arbeiterurlaubsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz, ein zeitgemäßes Krankenkassenwesen, der Ausbau der SV und die später eingeführte Alters- und Invaliditätsversicherung der Arbeiter sind weitere Meilensteine der Sozialpolitik.

Als erstes arbeitsrechtliches Gesetz ist – nur wenige Tage nach der Ausrufung der Republik am 12.11.1918 – von der Provisorischen Nationalversammlung am 19.12.1918 das Gesetz über die Einführung des achtstündigen Arbeitstages in fabriksmäßig betriebenen Gewerbeunternehmungen beschlossen worden. Ende 1919 wurde das Gesetz auf alle Arbeitsverhältnisse ausgedehnt. Das Achtstundentagsgesetz symbolisiert den erfolgreichen Kampf der organisierten Arbeiterbewegung um ihre gesellschaftliche und politische Anerkennung in der jungen Republik.

1
Der Kampf um den 8-Stunden-Tag

Begrenzungen der Arbeitszeit gehören zu den ältesten staatlichen Arbeitsnormen. Allerdings hatte die staatliche Intervention ursprünglich nicht sozialpolitische, sondern primär wehrpolitische Ziele: Beschränkungen der Kinderarbeit sollten bewirken, dass die Wehrfähigkeit der jungen Männer erhalten bleibt.

Mit dem Entstehen und Erstarken der organisierten Arbeiterbewegung gewann die Forderung nach einer Begrenzung und Verkürzung der Arbeitszeit eine besondere gesellschaftspolitische Dynamik. Schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte der walisische Unternehmer und Sozialreformer Robert Owen die Forderung aufgestellt: „Acht Stunden arbeiten, acht Stunden schlafen und acht Stunden Freizeit und Erholung.“ Nach einem Aufruf des Internationalen Sozialistenkongresses im Jahr 1889 kam es am 1. Mai 1890 zu Massenkundgebungen für den Achtstundentag. Der 1. Mai als „Tag der Arbeit“ geht auf diese Forderung der Internationalen Arbeiterbewegung zurück.

In Österreich galt ab dem Jahr 1885 in Fabriken ein 11-Stunden-Tag, im Kleingewerbe gab es überhaupt keine gesetzlichen Regelungen über die Arbeitszeit. 1906 mussten etwa 90 % aller österreichischen FabriksarbeiterInnen neun bis elf Stunden täglich arbeiten.

Die Begrenzung der täglichen Normalarbeitszeit mit acht Stunden durch das Achtstundentagsgesetz 1918 bzw 1919 war für die Gewerkschaftsbewegung ein bahnbrechender Erfolg. Wie stark dabei das Gemeinschaftsinteresse und der Schutzgedanke im Arbeitszeitrecht der Ersten Republik dominierten, geht zB aus der Debatte der Konstituierenden Nationalversammlung anlässlich der Verabschiedung des Achtstundentagsgesetzes 1919 eindrucksvoll hervor. Unter Hinweis auf den elenden Gesundheitszustand der arbeitenden Bevölkerung rief Ferdinand Hanusch aus: „Da darf man den Arbeiterschutz nicht nur unter dem Gesichtspunkt beurteilen: Wird sich mein Geschäft rentieren, oder wird es sich nicht rentieren? Sondern hier handelt es sich in erster Linie darum, die einzige Kraft, die wir noch haben, die Volkskraft, entsprechend zu schützen.

Wenn auch die Wortwahl und die Rhetorik aus heutiger Sicht allzu dramatisch erscheinen mögen, hat Hanusch damit doch die Grundsätze des Arbeitszeitrechts in zeitlos gültiger Form ausgesprochen. Wenn man die gegenwärtige politische Diskussion um die Verlängerung und „Flexibilisierung“ der Arbeitszeit betrachtet, ist es geradezu verblüffend, wie aktuell vor allem der erste Teil des Zitats auch heute noch ist (dazu noch später).

2
Der tiefe Bruch in der Entwicklung des Arbeitszeitrechts

Weitgehende Ausnahmen vom Grundsatz des 8-Stunden-Tages und die vollständige Verdrängung des Schutzprinzips zugunsten machtpolitischer, kriegswirtschaftlicher Zielsetzungen bewirkten auch in der Entwicklung des Arbeitszeitrechts einen tiefen und lang andauernden Bruch. Die reichsdeutsche Arbeitszeitordnung, 1939 in Österreich eingeführt und 1945 durch das Rechtsüberleitungsgesetz als österreichisches Recht „vorläufig übernommen“, blieb durch mehr als ein Vierteljahrhundert in Geltung, obwohl die Interessenvertretungen der AN immer wieder die Forderung nach einem zeitgemäßen österreichischen Arbeitszeitgesetz (AZG) und zugleich nach einer Verkürzung der Arbeitszeit erhoben hatten. Erst unter dem Druck eines von der SPÖ initiierten Volksbegehrens, das von fast 900.000 Personen unterzeichnet worden war, gelang es im Jahr 1969, diese Forderung endlich durchzusetzen: Am 11.12.1969 – also ziemlich genau 50 Jahre nach dem Achtstundentagsgesetz 1919 – verabschiedete der Nationalrat ein österreichisches AZG.

3
Begrenzung und Verkürzung der Arbeitszeit durch Gesetz und Generalkollektivvertrag

Der gesetzlichen Neuregelung der Arbeitszeit gingen intensive Verhandlungen der Sozialpartner533voraus, die gemeinsam den Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen mit einer Untersuchung der Frage beauftragt hatten, welche ökonomischen Auswirkungen eine etappenweise Senkung der wöchentlichen Normalarbeitszeit von 45 auf 40 Stunden hätte. Der Beirat kam zum Ergebnis, dass aufgrund der vorhersehbaren Entwicklungstendenzen eine etappenweise Verkürzung der Normalarbeitszeit auf 40 Wochenstunden bis Mitte der 1970er-Jahre möglich wäre. Die darauf folgenden Verhandlungen zwischen der Bundeswirtschaftskammer und dem ÖGB führten letztlich am 26.9.1969 zum Abschluss eines Generalkollektivvertrages (GKV), der dann die Grundlage für das AZG bildete. Das AZG lehnte sich inhaltlich weitgehend an die Regelungen des GKV an, übernahm den Etappenplan zur Arbeitszeitverkürzung auf 40 Wochenstunden bei vollem Lohnausgleich und brachte gegenüber der endlich beseitigten reichsdeutschen Arbeitszeitordnung eine Reihe von weiteren sozialpolitischen Verbesserungen.

Wichtig für die Beurteilung der in den folgenden Jahren immer intensiver werdenden Diskussion über eine „Flexibilisierung“ der Arbeitszeit ist, dass schon der GKV ausführliche Regelungen über die Verteilung der wöchentlichen Normalarbeitszeit, über durchrechenbare Arbeitszeiten, verlängerte Arbeitszeiten, Schichtarbeit und Überstunden enthielt. In einem umfangreichen Anhang, der Bestandteil des gesamten Arbeitszeitpakets war, wurden Sonderregelungen für eine große Zahl von Wirtschaftszweigen und AN-Gruppen getroffen. Darüber hinaus sah auch das AZG selbst bereits in seiner ursprünglichen Fassung zahlreiche Bestimmungen vor, welche die Kollektivvertragsparteien ermächtigten, Abweichungen von den zwingenden Arbeitszeitvorschriften zuzulassen. Das Arbeitszeitrecht war also nie so „starr“, wie das die BefürworterInnen einer „Flexibilisierung“ immer wieder behaupten.

Im Bericht des Sozialausschusses des Nationalrats (1463 BlgNR 11. GP) kommt die Zielsetzung des AZG klar zum Ausdruck: „... dem gewerkschaftlichen Anliegen des Arbeitnehmerschutzes ebenso Rechnung zu tragen wie den Bedürfnissen der Wirtschaft.

Im Vordergrund stand – und steht – aber der Schutzgedanke als tragender Grundsatz des Arbeitszeitrechts: „... enthält die vorliegende Regelung Normen zum Schutz der Arbeitnehmer gegen die Gefährdung ihres Lebens, ihrer Gesundheit und gegen die vorzeitige Abnützung ihrer Arbeitskraft ...

4
Der Ruf nach „Flexibilisierung der Arbeitszeit“

Seit seinem Inkrafttreten am 5.1.1970 ist das AZG bisher 37 Mal (!) geändert worden, zum Teil auch durch Arbeitszeitregelungen in anderen Gesetzen. Während die ersten Novellen noch den weiteren Ausbau des Arbeitszeitschutzes, die Anpassung an die 40-Stunden-Woche und Präzisierungen der gesetzlichen Arbeitszeitgrenzen zum Ziel hatten, ging seit den 1990er-Jahren die Diskussion immer stärker in Richtung „Flexibilisierung“ des Arbeitszeitrechts. Vor allem die Interessenvertretungen der AG – und hier wieder die VertreterInnen der Industrie – erhoben immer lauter die Forderung, das angeblich zu starre Arbeitszeitrecht zu „flexibilisieren“. Auch in den Regierungsprogrammen fanden sich derartige Absichtserklärungen.

Auftrieb erhielten diese Bestrebungen auch durch die EU-Arbeitszeit-RL 2003/88/EG, deren Hauptzweck zwar darin besteht, Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung festzulegen, und die zu diesem Zweck eine Begrenzung der Wochenarbeitszeit einschließlich Überstunden mit 48 Stunden im Durchschnitt von vier Monaten vorsieht, zugleich aber Möglichkeiten der flexiblen Ausgestaltung der Arbeitszeit bis hin zum individuellen „Opting-Out“ zulässt.

Im innerstaatlichen österreichischen Recht fanden die Forderungen nach einer (weitergehenden) Flexibilisierung Niederschlag in umfangreichen Novellen zum AZG in den Jahren 1994, 1997 und 2007.

Trotz der von Anfang an gegebenen „Wirtschaftstauglichkeit“ des AZG und der wiederholten weiteren „Anpassungen an die Bedürfnisse der Wirtschaft“ unter Berufung auf die Notwendigkeit der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des „Standorts“ hörten die Rufe nach „Flexibilisierung“ nicht auf. Kaum war eine Gesetzesänderung in diese Richtung beschlossen, wurde schon wieder moniert, dass das Arbeitszeitrecht immer noch zu „starr“ sei.

Es ist erstaunlich, dass dieser permanente Diskussionsprozess bisher zu keinem Ende gekommen ist, war doch von Anfang an klar, worum es bei der „Flexibilisierung“ wirklich geht, nämlich einerseits um die möglichst uneingeschränkte Disposition der AG über die Arbeitszeit der AN, und andererseits um eine Lohnkostensenkung durch den Wegfall von Überstundenzuschlägen bei „Durchrechnung“ der Arbeitszeit während eines längeren Zeitraums. Die Gewerkschaften haben auf diese Forderungen zu Recht mit entsprechenden Gegenforderungen bei Lohnverhandlungen reagiert, ohne dabei den Schutzzweck der Arbeitszeitvorschriften zu vernachlässigen. Dieses System des weitgehend durch die Sozialpartner (mit)gestalteten Arbeitszeitschutzes hat bisher im Wesentlichen funktioniert. Jetzt allerdings – 100 Jahre nach dem Beschluss des Achtstundentagsgesetzes – wird eine der wichtigsten Errungenschaften der Sozialpolitik in Frage gestellt.

5
Flexibel zurück ins 19. Jahrhundert

Die Geschichte des Arbeitszeitrechts führt uns unmittelbar in das aktuelle tagespolitische Geschehen.

Am 14.6.2018, also fast 100 Jahre nach dem Beschluss der Provisorischen Nationalversammlung über das Achtstundentagsgesetz der Ersten Republik, präsentierte die ÖVP-/FPÖ-Regierung534ein Projekt, mit dem das Rad der Geschichte in das 19. Jahrhundert zurückgedreht wird.

Es geht dabei um eine (noch weitergehende) Flexibilisierung der Arbeitszeit mit dem Ziel einer „Anpassung an die modernen Lebensverhältnisse und Lebenswelten“. Wer sich darunter nicht viel Konkretes vorstellen kann, erfährt bald, was damit gemeint ist. Im Gegensatz zu anderen Projekten, die meistens einige Zeit lang nur vage Ankündigungen bleiben, folgt diesmal die politische Aktion prompt: Noch am selben Tag wird – ohne vorheriges Gespräch mit den Sozialpartnern und ohne Begutachtungsverfahren – im Nationalrat ein Initiativantrag der Regierungsparteien für eine Änderung des AZG, des Arbeitsruhegesetzes und des ASVG (303/A, 26. GP) eingebracht und unter Verzicht auf die erste Lesung dem Wirtschaftsausschuss (nicht dem für diese Materie zuständigen Sozialausschuss!) zugewiesen.

Die „Flexibilisierung und Entbürokratisierung des Arbeitszeitgesetzes“ soll nach der Begründung des Antrags ua durch eine mehrmalige Übertragungsmöglichkeit von Zeitguthaben und Zeitschulden in den jeweils nächsten Durchrechnungszeitraum (durch KollV), durch die Anhebung der täglichen Arbeitszeithöchstgrenze bei Gleitzeit auf zwölf Stunden, die Anhebung der Höchstgrenze der Arbeitszeit auf zwölf Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche, durch eine Verkürzung der täglichen Ruhezeit im Tourismus von elf auf maximal acht Stunden für alle Betriebe mit geteilten Diensten und durch die Möglichkeit einer Ausnahme von der Wochenend- und Feiertagsruhe durch Betriebs- oder schriftliche Einzelvereinbarung, beschränkt auf vier Ausnahmefälle pro Jahr, erreicht werden.

Außerdem sieht der Initiativantrag vor, dass AN Überstunden „aus überwiegenden persönlichen Interessen“ ablehnen können, wenn eine Tagesarbeitszeit von zehn Stunden oder eine Wochenarbeitszeit von 50 Stunden überschritten wird.

Obwohl die Regierung von relativ geringfügigen Erweiterungen der bereits jetzt bestehenden Möglichkeiten spricht und sich im Übrigen auf ein Verhandlungspapier der Sozialpartner beruft, ist die Wirkung der beantragten Gesetzesänderung viel weitergehend. Im Ergebnis bedeutet sie das Abgehen vom bisherigen Grundsatz des Acht-Stunden-Tages und den Übergang zur generellen Möglichkeit eines Zwölf-Stunden-Tages, also eine totale Wende in der Arbeitszeitpolitik.

Die Änderung des Arbeitszeitrechts ist nur ein Mosaikstein im Gesamtkonzept einer wirtschaftsliberalen Politik: Aufnahme einer „Staatszielbestimmung Wirtschaftsstandort“ in die Verfassung, Einführung einer eigenen Wirtschaftsgerichtsbarkeit, Einschränkung der kollektiven Mitbestimmung der AN, „Entbürokratisierung“ der Arbeitsinspektion, Milderung der Strafbestimmungen bei Verstößen gegen das AN-Schutzrecht, andererseits Verschärfung der Sanktionen gegen „Sozialmissbrauch“ und Sozialabbau (zB Wegfall der Notstandshilfe). All das lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Gesellschaftliche Bedürfnisse werden dem Gewinnstreben von (Groß-)Unternehmen untergeordnet.

Die Reaktion auf die Pläne der Bundesregierung war und ist heftig. Vor allem die Interessenvertretungen der AN protestieren gegen die Verlängerung der Arbeitszeit und die dadurch bewirkte Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der AN. Der neu gewählte ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian spricht wörtlich von einem „Raubzug gegen die Gesundheit und gegen die Geldbörsen der Arbeitnehmer“ und kündigt für den Fall der weiteren Gesprächsverweigerung gewerkschaftliche Maßnahmen bis hin zum Streik an. Die neue Arbeiterkammerpräsidentin Renate Anderl weist darauf hin, dass die Vorstellung, wonach AN Überstunden aus persönlichen Gründen ablehnen könnten, ohne ihren Arbeitsplatz zu riskieren, völlig realitäts- und praxisfern ist.

Genau konträr ist die Reaktion der AG-Verbände: Die Industriellenvereinigung sieht ihre Vorstellungen von einer fairen, flexiblen Arbeitszeit verwirklicht. Die Bundesregierung habe einen klugen und wichtigen Schritt für eine starken, wettbewerbs- und zukunftsfähigen Wirtschaftsstandort gesetzt. Der Wirtschaftsbund jubelt auf seiner Homepage „Wir haben es geschafft!“, und der neue Präsident der Wirtschaftskammer Harald Mahrer wirft der Gewerkschaft „Gräuelpropaganda“ vor. Niemand werde gezwungen, länger zu arbeiten...

Bei einer von der SPÖ beantragten Sondersitzung des NR am 29.6.2018 blieben die Fronten verhärtet. Die Abgeordneten der Koalitionsparteien lobten die Gesetzesinitiative und stellten eine „Präzisierung“ iS einer „Freiwilligkeitsgarantie“ in Aussicht. Demnach sollen AN die 11. und die 12. Arbeitsstunde ohne Angabe von Gründen ablehnen können, wenn durch diese Überstunden die Tagesarbeitszeit von zehn Stunden oder die Wochenarbeitszeit von 50 Stunden überschritten wird. Wer die Mehrarbeit ablehnt, darf hinsichtlich Bezahlung und Aufstiegschancen nicht benachteiligt werden. Eine Kündigung aufgrund der Ablehnung kann bei Gericht angefochten werden.

Bundeskanzler Kurz versuchte zu beruhigen, indem er meinte, es werde sich nicht sehr viel ändern, und „begrüßte“ die geplanten „Präzisierungen“ des Antrags. Sämtliche Anträge der Oppositionsparteien wurden abgelehnt.

Am 30.6.2018 fand in Wien eine große Protestkundgebung gegen die Regierungspläne statt: An die 100.000 Menschen demonstrierten gegen den 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche. Die Regierung zeigte sich von den Protesten unbeeindruckt, der Kanzler lehnte Verhandlungen mit den Sozialpartnern trotz gegenteiliger Empfehlung des Bundespräsidenten ab und erklärte, das Gesetzespaket werde „ohne weitere Änderungen“ vom NR beschlossen, was dann am 5. Juli 2018 auch tatsächlich geschah, wobei durch einen Abänderungsantrag der Koalitionsparteien im letzten Augenblick noch das Inkrafttreten der Gesetzesänderung vom zunächst geplanten 1. Jänner 2019 auf den 1. September 2018 vorverlegt wurde.

Eine detaillierte Darstellung des Inhalts und eine fachliche Beurteilung der Gesetzesänderung können nicht im Rahmen dieser Rubrik vorgenommen werden; sie erfolgen an anderer Stelle (vgl535Dunst, Arbeitszeitgesetz und Arbeitsruhegesetz – Die Neuerungen seit 1.9.2018 im Überblick, DRdA-infas 2018, 381).

Deshalb hier nur zum Grundsätzlichen:

Nicht Arbeitszeitverlängerung und -flexibilisierung, sondern Entgrenzung der Arbeitszeit (dazu: Risak, DRdA 2015, 9 ff), Verfügbarkeit und Verfügungsmacht, Funktion und Wirksamkeit des Arbeitsrechts in einer digitalisierten Arbeitswelt: Das sind die Themen, die sich im Jubiläumsjahr 2018, 100 Jahre nach dem Achtstundentagsgesetz, stellen.

Die Reduzierung der menschlichen Arbeit auf einen „Standortfaktor“ kann nicht das Ziel einer zukunftsorientierten Sozialpolitik sein. Sie ist ein sozialpolitischer Salto rückwärts in die Vergangenheit.