Huemer/Bock-Schappelwein/Famira-Mühlberger/Lutz/MayrhuberÖsterreich 2025: Arbeitszeitverteilung in Österreich

Verlag des ÖGB, Wien 2017 224 Seiten, kartoniert, € 20,–

FLORIANG.BURGER (INNSBRUCK)

Mit diesem Band 23 der Sozialpolitischen Studienreihe wird eine Studie veröffentlicht, die im Auftrag des BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz von Mitarbeiterinnen des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung erstellt wurde. Der Band kann entweder im Buchhandel bezogen oder – wie alle Bände der Sozialpolitischen Studienreihe – unter www.studienreihe.atwww.studienreihe.at kostenlos heruntergeladen werden.

Die Studie beschäftigt sich mit dem Volumen und der Verteilung der Arbeitszeit und damit mit einem politischen Dauerthema. Es steht aber nicht das Schlagwort „Flexibilisierung der Arbeitszeit“ im Vordergrund, mit dem sich ja alle anfreunden können, weil es Wünsche sowohl der AN nach Erhalt von mehr Zeitsouveränität als auch der AG nach mehr Anpassungsmöglichkeiten vorhandener Arbeitskapazitäten an kurzfristigen Auslastungsschwankungen zusammenfasst; weil sich diese Wünsche jedoch widersprechen, ist politisch zu diskutieren, wohin die Reise geht. Nein, diese Studie hat eine andere Schwerpunktsetzung und stellt sich nicht zwischen AN und AG, sondern betrachtet vielmehr die geschlechtsspezifischen Unterschiede im Volumen und Verteilung der Arbeitszeit und zeigt arbeitszeitbezogene Ansatzpunkte zur Förderung einer ausgeglichenen Verteilung der Erwerbsarbeitszeit von Frauen und Männern über ihr Erwerbsleben auf.

Zuerst vergegenwärtigt die Studie die Verwendung der Zeit für bezahlte und unbezahlte Tätigkeiten (S 27-29), wobei sich bei letzterer die geschlechtsspezifischen Unterschiede weniger in der Kinderbetreuung, sondern mehr in der Haushaltsführung widerspiegeln. Das vierte Kapitel (S 31-38) kann von LeserInnen der DRdA getrost übersprungen werden, weil darin für Nicht-JuristInnen die rechtlichen Grundlagen und ihre historische Entwicklung in den für die Studie notwendigsten Grundzügen beschrieben werden.

In ihrem Hauptteil spaltet sich die Studie in zwei Kernstücke auf: Zuerst werden das Arbeitsvolumen und die Verteilung der Arbeitszeit empirisch analysiert (S 41-102). Im Rahmen der Studie wurden keine eigenen Daten erhoben, sondern als Datenbasis insb die Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung (rund 22.500 Haushalte) herangezogen, welche im Anhang I (S 173-182) gemeinsam mit der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung näher erklärt wird. Zwar blieb in den letzten zehn Jahren das Erwerbsarbeitsvolumen gleich, feststellbar seien jedoch Veränderungen innerhalb der Verteilung des Arbeitsvolumens. Weil es für (vollzeitbeschäftigte) Männer gesunken sei, habe sich das Volumen auf mehr (teilzeitbeschäftigte) Frauen verteilt, was die aktive unselbständige Beschäftigung habe steigen lassen. Der Rückgang des Arbeitsvolumens Vollzeitbeschäftigter werde dabei getrieben vom Abbau des Überstundenvolumens (S 44). Verschiebungen innerhalb des gleich gebliebenen Arbeitsvolumens ergeben sich auch durch Veränderungen der Nachfrage nach Berufen und Qualifikationen (S 50-56), wenig überraschend zu Lasten von Tätigkeiten mit geringem Anforderungsprofil. Eingehender untersucht werden die geschlechtsspezifischen Unterschiede bezüglich der Dauer der Normalarbeitszeit, aber auch die Abhängigkeit des Arbeitsausmaßes von Branche, Beruf, Ausbildung und Lebensphase (S 59-90), die ihrerseits zum Teil geschlechtsbedingt sind. Zumindest für mich neu sind die empirisch erhobenen Tatsachen, dass ein Siebtel aller unselbständig Erwerbstätigen in ihrer Arbeitszeitgestaltung völlig frei sind, ein Viertel angeben, selten oder nie einem Zeitdruck am Arbeitsplatz ausgesetzt zu sein, und dass jede fünfte Akademikerin Lehrerin ist.

Der empirischen Analyse, die mit einem europäischen Vergleich abgerundet wird (S 91-102), folgt als zweites Kernstück eine Darstellung politischer Handlungsfelder (S 105-159) in Form eines strukturierten Überblicks über verschiedene Regelungen und Instrumente, welche die Erwerbsarbeitszeit und deren geschlechtsspezifische Verteilung beeinflussen. Dazu werden mögliche Änderungen des Arbeitszeitrechts diskutiert (S 112-124). Weil Präferenzen des Unternehmenssektors in Bezug auf die Arbeitszeitgestaltung erklärtermaßen nicht Teil der Studie sind, erfolgt die Diskussion nur aus Sicht der unselbständig Beschäftigten (S 23). Dabei wird einer allgemeinen Verkürzung der gesetzlichen Normalarbeitszeit nur eine geringere Wirkung attestiert und Zeitwertkonten werden als problematisch angesehen. Vielmehr wird vorgeschlagen, ähnlich der Elternteilzeit ein Recht auf individuelle Festlegung der wöchentlichen Normalarbeitszeit innerhalb eines Korridors von 30 bis 40 Wochenstunden einzuführen – auch im Hinblick auf die Altersteilzeit (S 144). Dass es einen Rechtsanspruch auf Elternteilzeit nur in Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten gebe, ist jedoch nicht richtig (S 119, 130; vgl Burger, ASoK 2006, 282). Untersucht werden aber auch familienpolitische Arbeitszeitoptionen (S 124-133) und das Kinderbetreuungsgeld, dessen Bezugsdauer zu kürzen und exklusive Bezugszeiten für Väter zu erhöhen empfohlen wird. Wenig überraschend wird der Ausbau eines leistbaren und mit den Erwerbsarbeitszeiten kompatiblen Kinderbetreuungsangebotes angeregt (S 130). Weil das Ausmaß der Erwerbsarbeitszeit sowohl vom Bildungsgrad als auch vom Gesundheitszustand abhängen, wer-542den bildungspolitische Maßnahmen (Bildungsteilzeit, -karenz) und Mittel der alters- und alternsgerechten Arbeitszeitpolitik beleuchtet (S 134-149), worunter auch die sechste Urlaubswoche und die kollektivvertragliche Freizeitoption statt Lohnerhöhung fallen. Bezüglich der Wiedereingliederungsteilzeit kann man mE aber gerade nicht davon sprechen, dass das „Alles-oder-nichts-Prinzip“ abgeändert werde (S 142). Etwas unsystematisch finden sich Gedanken zur Überstundenpauschalierung im politischen Handlungsfeld des Steuer- und Abgabenrechts (S 153-157) zwischen Geringfügigkeitsgrenze und Versteuerung von Zuschlägen.

Und was hat dies alles mit dem im Titel erwähnten Jahr 2025 zu tun? Eigentlich nichts, die Studie nimmt keinerlei Bezug darauf. Damit soll wohl nur zum Ausdruck gebracht werden, dass sie Steuerungshilfen für zukünftige Entwicklungen enthält. Richtig ist dabei sicherlich, dass man bei den Arbeitszeiten der Männer ansetzen muss, wenn man die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern ändern und eine gleichmäßigere Verteilung unbezahlter Betreuungs- und Hausarbeit erreichen will (S 107). Wie die Studienautorinnen selbst anmerken (S 25), würde eine Analyse der Arbeitszeitregime in den Kollektivverträgen, ergänzt um die betrieblichen Arbeitszeitmodelle und eine Gegenüberstellung von Wirklichkeit und Wunsch der Unternehmen, diese Studie vervollständigen. Sie ist jedenfalls ein wichtiger Beitrag zur Geschlechterforschung.