Burz (Hrsg)Das Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz für die Praxis (ZAS spezial)

Manz Verlag, Wien 2018 XVI, 88 Seiten, broschiert, € 26,–

RUDOLFMÜLLER (WIEN/SALZBURG)

Das Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz ist am 1.7.2017 mit dem Anliegen in Kraft getreten, Umqualifizierungsverfahren mit einem neuen Rechtsrahmen zu versehen und für mehr Rechtssicherheit zu sorgen. Von einem solchen Verfahren spricht man, wenn sich herausstellt, dass ein Versicherter nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG) oder nach dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz (BSVG) in Wahrheit als DN oder freier DN nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) zu versichern gewesen wäre. Die in den §§ 412a ff ASVG geregelte neue Verfahrensart ist dadurch gekennzeichnet, dass nur mehr ein Versicherungsträger mit Bindungswirkung für alle Verfahrensparteien über das Versicherungsverhältnis entscheidet und dass diese Entscheidung Bindungswirkung auch für künftige Nachprüfungen entfalten soll. An diesem Verfahren haben neben Auftraggeber/DG und beschäftigter Person alle beteiligten Sozialversicherungsträger (Gebietskrankenkasse [GKK], Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft [SVA] bzw Sozialversicherungsanstalt der Bauern [SVB]) Parteistellung und Beschwerdebefugnis. Diese Verfahrensart soll Platz greifen, wenn bei einer Kassenprüfung, insb auch einer Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben, der Verdacht der Fehlqualifikation austaucht (Fallgruppe 1), sie soll bei Anmeldungen zur Pflichtversicherung nach dem GSVG mit „verdächtigen“ Gewerbescheinen oder als neuer Selbständiger oder bei der Meldung bäuerlicher Nebentätigkeiten nach Anlage 2 Pkt 6 und 7 des BSVG (Fallgruppe 2) amtswegig oder auf Antrag des DG oder der beschäftigten Person ohne Beschränkung auf bestimmte Tatbestände des BSVG oder GSVG (Fallgruppe 3) angewendet werden.

Das zu rezensierende Werk wurde von acht ExpertInnen der SVA (denen bedauerlicherweise die jeweiligen Texte mangels gesonderten Hinweises auf die jeweilige Autorschaft nicht zugeordnet werden können) geschrieben und von Dr. Alexander Burz, dem Direktor des Geschäftsbereichs Strategie & Interne Services der SVA, herausgegeben. Das Buch gibt einen Überblick über die Rechtslage vor dem SV-ZG und arbeitet dann das neue Verfahren aus der Sicht der Praxis der SVA ab. Für die Praxis interessant sind vor allem die Fragebögen, die von der SVA verwendet werden, die Vorgangsweise der SVA, aber auch die Fallbeispiele, die in den Text aufgenommen sind.

Das Buch ist im Wesentlichen eine rechtskundliche, aber keine kritisch dogmatische Aufarbeitung, die man aus dem Haus der SVA wohl auch nicht erwarten durfte. So wird die Besonderheit einer Bindungswirkung ohne Bescheid, wenn ein Konsens zwischen den Trägern über die Versicherungspflicht nach dem ASVG besteht, in den Ausführungen zur Bindungswirkung nicht einmal erwähnt (dort ist immer nur vom Bescheidfall die Rede), geschweige denn, die mögliche verfassungsrechtliche Problematik einer solchen Bindungswirkung oder aber auch der vorgesehenen Zuständigkeitsänderung durch konsensuales Verhalten der Träger. Es wird auch nicht die Bindungswirkung nach den sonst geltenden Verfahrensbestimmungen reflektiert, die zeigen würden, dass der Gesetzgeber insoweit in den Bescheidfällen mitnichten Neuland betreten hat. Die erstmals eingeführte Bindungswirkung der Bescheide über die Versicherungspflicht auch für die Einkünftezuordnung der Abgabenbehörden und die Grenzen dieser Bindungswirkung wird anhand des Gesetzestextes des § 86 Abs 1a EStG dargestellt, aber man erfährt (trotz der verheißungsvollen Überschrift546„Steuerliche Auswirkungen“) nichts darüber, was dies in der steuerlichen Praxis bedeutet, wobei den Abgabenbehörden gegen die Bescheide der SV nirgends ein Rechtsmittel eingeräumt ist.

Breiter Raum hingegen wird der neuen Rückabwicklung nach Umqualifizierung eingeräumt, wie sie in den §§ 40 Abs 3 GSVG und 40 Abs 3 BSVG ohne Beschränkung auf bestimmte Versicherungsverhältnisse generell vorgesehen ist: Die von der beschäftigten Person nach dem GSVG bzw dem BSVG entrichteten Beiträge werden – unter Entfall des bisherigen Rückforderungsrechts der versicherten Person – an die GKK überwiesen und müssen dort auf die Beitragsschuld nach dem ASVG angerechnet werden, und zwar – so die Darstellung unter Berufung auf eine ausdrückliche diesbezügliche Sozialpartnereinigung (66) – auch auf die Beitragsschuld des DG. Auch hier fehlt jegliche Reflexion über die verfassungsrechtliche Seite einer derartigen Anordnung, die aus den Mitteln des DN DG-Beiträge entrichtet haben möchte. Immerhin muss künftig jener DG, der ordnungsgemäß eine Meldung nach dem ASVG erstattet hat, seine Beitragsschuld im vollen Umfang entrichten, jener DG aber, der zunächst eine Scheinselbständigkeit seines DN veranlasst hat, soll davon insofern künftig finanziell profitieren, als ihm jene Beiträge des DN nach dem GSVG oder BSVG, welche die Beitragsschuld aus DN-Beiträgen nach dem ASVG übersteigen, zugutekommen sollen. Ein Ergebnis, bei dem – Sozialpartnereinigung hin oder her – die Alarmglocken des Gleichheitssatzes läuten sollten.

Zusammenfassend bietet das vorliegende Büchlein für Außenstehende wertvolle rechtskundliche Einblicke über die Praxis der SVA, jedoch ohne kritischen oder gar wissenschaftlichen Anspruch.