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(Keine Erweiterung der) Mitwirkungsbefugnisse des BR in einer (unzulässigen) BV über eine „Steuertopfbeteiligung“

MARTAGLOWACKA (WIEN)
  1. In einer unzulässigen BV (hier „Steuertopfbeteiligung“) zugunsten des AG vorgesehene Änderungs- und Beendigungsvorbehalte sowie Gestaltungsvorbehalte bleiben im Fall der Einbeziehung in den Einzelarbeitsvertrag grundsätzlich bestehen.

  2. Eine in der unzulässigen BV vorgesehene Beratung mit dem BR bewirkt eine unzulässige Erweiterung der Mitwirkungsbefugnisse des BR in Bezug auf einzelvertragliche Ansprüche der betroffenen AN. In einem solchen Fall ist eine Umdeutung in einen Gestaltungsvorbehalt des AG vorzunehmen.

  3. Der AG muss für die Ausübung derartiger Gestaltungsrechte die allgemeinen arbeitsvertraglichen Schranken, insb die Ausübungsschranke des billigen Ermessens, beachten. Eine billige Ermessensausübung kann nur darin gesehen werden, dass die betroffenen AN einen individuellen Rückzahlungsanspruch derart haben, dass ein Überhang im Lohnsteuertopf für die jeweils maßgebende Zeitperiode im Verhältnis der Einzahlungen der betroffenen AN zurückzuerstatten ist.

Der Kl war 43 Jahre lang bei der Bekl als Montagemitarbeiter beschäftigt. Er war vor allem im Ausland tätig. Auf das Dienstverhältnis gelangte der KollV für die Elektroindustrie zur Anwendung. Das Arbeitsverhältnis des Kl endete am 29.2.2016 durch einvernehmliche Auflösung; in der Folge hat der Kl die Korridorpension angetreten.

Zur Regelung der lohnsteuerrechtlichen Aspekte im Zusammenhang mit den Auslandseinsätzen schlossen die Geschäftsführung und der Zentralbetriebsrat eine „Betriebsvereinbarung“ über die „Auslandsdelegation bei Montage/Projekttätigkeit“. Pkt 6.2 der „Betriebsvereinbarung“ sieht eine sogenannte „Steuertopfbeteiligung“ vor und weist folgenden Inhalt auf:

„6.2 Steuern

Zur Deckung der ausländischen Steuerlasten haben die Mitarbeiter die Möglichkeit, sich an einem Umlageverfahren unter den ins Ausland Entsandten zu beteiligen (‚Steuertopfbeteiligung‘).

Hierzu wird vor Entsendung mit den Mitarbeitern, die sich am Umlageverfahren beteiligen wollen, folgende Vorgehensweise vereinbart:

Mit Wirkung zum Beginn der Steuerfreistellung in Österreich (nach DBA, BAO oder § 3 Abs 1 Z 10 EStG) aufgrund des Auslandseinsatzes behält das Unternehmen im Rahmen der Entgeltabrechnung grundsätzlich einen der österreichischen Steuer entsprechenden Betrag vom Entgelt ein. Dieser Betrag wird im Namen und für Rechnung des Mitarbeiters auf ein Treuhandkonto abgeführt. Nach Vorlage des ausländischen Steuerbescheides wird die individuelle Lohnsteuerschuld des Mitarbeiters aus den Mitteln des Treuhandkontos beglichen.

Im Rahmen der Steuerabwicklung hat der Mitarbeiter vor allem folgende Pflichten:

  • Melde- und Mitwirkungspflichten bei der Regionalen Einheit, im Projektbüro oder einer benannten Stelle bei Ein- und Ausreise

  • Abgabe/Mitwirkung/Unterschriftsleistung bei erforderlichen steuerlichen Erklärungen entsprechend den örtlichen Vorschriften, Nach-510weis der Erfüllung der steuerlichen Pflichten im Einsatzland

  • Bei den Jahressteueranmeldungen/-erklärungen hat diese unverzüglich nach Ablauf des Steuerjahres innerhalb eines Monats, mindestens jedoch fristgerecht, zu erfolgen.

Die Zustimmung der Teilnahme an der Steuertopfbeteiligung muss der Mitarbeiter auf dem vorgegebenen Formblatt erklären (erstmals für Entsendungen ab 1.7.2007, beginnend mit diesem Datum). Die Erklärung bindet den Mitarbeiter drei Jahre zum Ende des Kalenderjahres; die Frist endet erstmals jedoch frühestens am 31.12.2009. Die Teilnahmeerklärung kann seitens des Mitarbeiters ab dem Jahr 2008 jederzeit widerrufen werden (Formblatt ‚Ablehnungserklärung“); die Nachlauffrist beträgt drei Jahre zum Ende des Kalenderjahres.

Dasselbe gilt für den Fall der Ablehnung der Teilnahme an der Steuertopfbeteiligung.

Sofern der Mitarbeiter keine Erklärung bis 30.11.2009 abgibt, wird die Teilnahme bzw Nichtteilnahme unbefristet fortgesetzt.

Die Zustimmung oder Ablehnung kann seitens des Mitarbeiters jederzeit widerrufen werden; die Nachlauffrist beträgt in jedem Fall drei Jahre zum Ende des Kalenderjahres gerechnet von der jeweiligen Erklärung.

Im Fall der Ablehnung der Teilnahme an der Steuertopfbeteiligung sind die Steuerzahlungen im Ausland aus den privaten Mitteln des Mitarbeiters zu bezahlen und vom Mitarbeiter ein Nachweis der Versteuerung zu erbringen.“

Der Kl erklärte am 9.1.2009 schriftlich seine Teilnahme an der Steuertopfbeteiligung. Sein letzter Auslandseinsatz endete im Oktober 2013. Ende 2015 erhielt er aus dem Lohnsteuertopf eine Zahlung in Höhe von 8.000 €.

Da der Kl das Dienstverhältnis beenden wollte, um die Korridorpension in Anspruch zu nehmen, übermittelte ihm die Bekl mit Schreiben vom 20.1.2016 die Beendigungsvereinbarung, die er am 12.2.2016 unterfertigte. Danach endete das Dienstverhältnis durch einvernehmliche Auflösung am 29.2.2016. Mit Schreiben vom 22.1.2016 kündigte der Klagsvertreter die Steuertopfvereinbarung zum 30.4.2016 auf und hielt darin fest, dass sich der Kl die Geltendmachung sämtlicher Ansprüche daraus ausdrücklich vorbehalte. Vor Unterfertigung der Beendigungsvereinbarung teilte ihm die Bekl dazu mit, dass der Lohnsteuertopf in der (in der Beendigungsvereinbarung angeführten) Abfertigung inbegriffen sei.

Die Beendigungsvereinbarung enthält folgende Klausel:

„Mit der Erfüllung dieser Vereinbarung sind alle wechselseitigen Ansprüche und Forderungen aus Ihrem Dienstverhältnis zur Gänze beglichen.“

Der Kl begehrte die Zahlung von 8.000 € sA. Dieser Betrag errechne sich auf Basis einer am 18.4.2016 erfolgten Rechnungslegung zum Steuertopf unter Annahme einer Beteiligung von 15 AN und eines Überschusses von 120.000 € zum 31.12.2016. Die ins Ausland entsandten AN hätten hinsichtlich der abzuführenden ausländischen Lohnsteuern eine Solidargemeinschaft gebildet. Sein letzter Auslandseinsatz in Griechenland habe bis 30.10.2013 gedauert. Er habe einen Anspruch auf Auszahlung aus dem Lohnsteuertopf, weil keine Vereinbarung darüber bestehe, dass ein allfälliger Überhang im Steuertopf endgültig im Vermögen der Bekl verbleibe. Der Anspruch sei auch nicht verjährt.

Die Bekl entgegnete, dass der Beendigungsvereinbarung Bereinigungswirkung zukomme. Außerdem habe der Kl am 9.1.2009 ausdrücklich seine Teilnahme an der Steuertopfbeteiligung erklärt. Dabei handle es sich um eine treuhändische Einrichtung für die Mitarbeiter der Bekl zum Zweck einer Risikoentlastung durch Solidarisierung der Steuerbelastung. Die im Steuertopf liegenden Entgelte würden ausschließlich den AN zustehen. Dementsprechend habe der Kl im Jahr 2015 auch eine Ausschüttung aus dem Steuertopf erhalten. Zudem seien die Voraussetzungen für eine Auszahlung nicht gegeben. Für eine Ausschüttung sei ein nachhaltiger Überschuss erforderlich. Zudem bedürfe es einer einvernehmlichen Regelung zwischen der Bekl und dem Zentralbetriebsrat (ZBR). Der vermeintliche und auch überhöhte Rückforderungsanspruch sei schließlich auch verjährt, weil der Kl nach seiner letzten Entsendung im Oktober 2013 aus dem Umlageverfahren ausgeschieden und daher Fälligkeit eingetreten sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die unzulässige BV habe zu einer einzelvertraglichen Ergänzung des Dienstvertrags der betroffenen AN geführt. Dem Kl stehe aber kein Anspruch auf Auszahlung aus dem Lohnsteuertopf zu, weil auch ein solcher mit der Beendigungsvereinbarung bereinigt worden sei. Das Klagebegehren sei zudem unschlüssig.

Das Berufungsgericht bestätigte diese E. Die Generalklausel in der Beendigungsvereinbarung stehe der Klagsforderung zwar nicht entgegen, weil mit der Beendigungsvereinbarung kein strittiges oder zweifelhaftes Recht bereinigt worden sei. Die dem Kl ausgezahlte Abfertigung in Höhe von zwölf Monatsentgelten habe die Bekl bereits am 20.1.2016 zugesagt. Aufgrund der Dauer des Dienstverhältnisses und der Inanspruchnahme der Korridorpension (Alterspension) wäre dem Kl diese Abfertigung gem § 23a AngG selbst im Fall einer Eigenkündigung zugestanden. Der Anspruch des Kl bestehe aber dennoch nicht zu Recht. Zum einen könne nicht davon ausgegangen werden, dass nach der erfolgten Ausschüttung Ende 2015 bereits wieder ein nachhaltiger Überschuss auf dem Treuhandkonto bestanden habe. Zum anderen stehe dem Kl kein allgemeiner, also ausschüttungsunabhängiger Anspruch auf Auszahlung eines Steuertopfguthabens zu. Die Regelungen der unzulässigen BV hätten in den Einzelvertrag des Kl Eingang gefunden. Dies gelte aber auch für den Gestaltungsvorbehalt, wonach eine Ausschüttung aus dem Steuertopf eine Beratung zwischen der Bekl und dem ZBR erfordere. Es bestehe kein Hinweis dafür, dass der Gestaltungsvorbehalt nicht nach billigem Ermessen ausgeübt worden sei. Da der Kl die Steuertopfbeteiligung mit Schreiben vom 22.1.2016 „gekündigt“ habe, bleibe er noch bis Ende des Jahres 2019 am Steu-511ertopf beteiligt. Schließlich habe das Erstgericht zutreffend angemerkt, dass der Kl einen allfälligen Anspruch auf Auszahlung eines ihm zustehenden Steuertopfguthabens derzeit nicht beziffern könne, weshalb er vorerst ein Rechnungslegungsbegehren geltend machen müsse. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die Beurteilung der Wirkungen der (unzulässigen) BV und die Frage eines allfälligen Auszahlungsanspruchs eines ausscheidenden AN in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausreichten. [...]

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig. Sie ist iSd subsidiär gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt. [...]

3.1 Zwischen den Parteien ist unstrittig, dass die zugrunde liegende BV als unzulässige (freie) BV zu qualifizieren ist. Die Rechtswirkungen unzulässiger Betriebsvereinbarungen bestimmen sich nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen. Die Rsp und das Schrifttum sehen solche Betriebsvereinbarungen als Vertragsschablonen an, deren Inhalt ausdrücklich oder schlüssig zu einer Änderung bzw Ergänzung des Einzelvertrags führen kann. Regelungen einer unzulässigen BV können daher – in der Regel nach Maßgabe des § 863 ABGB – eine einzelvertragliche Änderung oder Ergänzung des Arbeitsvertrags bewirken. Im Einzelnen kommt es für die Beurteilung der einzelvertraglichen Rechtswirksamkeit einer unzulässigen BV vor allem auf den Wissensstand der Arbeitsvertragsparteien und den Inhalt der unzulässigen BV an (RIS-Justiz RS0018115; 9 ObA 81/99y

[Jabornegg]
; 8 ObS 7/06x; Kietaibl in Tomandl, ArbVG § 29 Rz 38 f mwN; Reissner in ZellKomm2 § 29 ArbVG Rz 21 f). Maßgebend ist, dass die Arbeitsvertragsparteien vom Abschluss und vom Inhalt der unzulässigen BV Kenntnis hatten und (zumindest) schlüssig zu erkennen geben, sich dennoch an die Regelungen halten zu wollen. Dies gilt grundsätzlich für Betriebsvereinbarungen mit für die AN begünstigenden und/oder belastenden Inhalten. Bei ausschließlicher Belastung der AN sind jedoch strengere Anforderungen an die schlüssige Annahmeerklärung des AN zu stellen (Kietaibl aaO, Rz 39).

3.2 Im Anlassfall wurde das Modell der Steuertopfbeteiligung seit vielen Jahren von der Bekl mit Wissen und Willen der ins Ausland entsandten AN einschließlich des Kl gehandhabt. Auf diese Weise wurden die im Ausland anfallenden Steuern der betroffenen AN beglichen. Dadurch haben die Arbeitsvertragsparteien jedenfalls schlüssig zu erkennen gegeben, sich an die Steuertopfbeteiligung halten zu wollen. Die entsprechenden Regelungen in der unzulässigen BV fanden daher grundsätzlich in die Einzelarbeitsverträge Eingang und bewirkten dementsprechend eine Vertragsänderung oder Vertragsergänzung.

3.3 Nach den angesprochenen Regelungen wurde für die Jahre einer Auslandsentsendung die fiktive österreichische Lohnsteuer auf ein „Treuhandkonto“ gelegt, wobei sämtliche im fraglichen Zeitraum im Ausland tätigen AN eine Solidargemeinschaft bildeten. Die zu entrichtenden ausländischen Steuern wurden aus dem Lohnsteuertopf beglichen, wobei unterschiedlich hohe Steuerbelastungen in den verschiedenen Gastländern im Rahmen der Risikogemeinschaft ausgeglichen werden sollten.

Ähnlich wie in der E 8 ObS 7/06x (ZIK 2007/100, 58) handelt es sich bei der zugrunde liegenden Steuertopfvereinbarung somit um eine die ursprüngliche Bruttolohnvereinbarung der ins Ausland entsandten AN ändernde Entgeltregelung. Danach wurde die Bruttolohnvereinbarung für die Dauer der Auslandsentsendung dahin modifiziert, dass von den Löhnen der betroffenen AN die fiktive österreichische Lohnsteuer einbehalten wurde. Die aus diesem Titel einbehaltenen Beträge dienten der Abdeckung der ausländischen Lohnsteuerforderungen gegenüber sämtlichen betroffenen AN, die eine Solidargemeinschaft bildeten. Demnach trugen jene Mitarbeiter, die in einem Land mit niedrigen Lohnsteuersätzen tätig waren, zur Begleichung der Steuerschulden jener Mitarbeiter bei, deren Auslandseinsätze in Ländern mit höheren Steuersätzen stattfanden. Aus diesem Grund erfolgte keine Zuordnung der einbehaltenen Entgeltbestandteile zu den konkret betroffenen AN. Die zugrunde liegende Steuertopfvereinbarung bewirkte daher ihrem Charakter nach – so wie in der E 8 ObS 7/06x und im Gegensatz zu 14 ObA 81/87 – eine Vertragsänderung in Form einer (besonderen) Nettolohnvereinbarung. Grundsätzlich konnte jeder betroffene AN davon ausgehen, dass er jedenfalls einen Nettolohn unter Zugrundelegung der österreichischen Lohnsteuer erhält.

4.1 Die Besonderheit dieser Nettolohnvereinbarung besteht nun darin, dass – was unstrittig ist – der Überhang im Steuertopf nicht endgültig im Vermögen der Bekl verbleiben soll. Vielmehr soll dieser unter bestimmten Voraussetzungen an die betroffenen AN ausgezahlt werden. Davon ausgehend ist zu unterstellen, dass die Vertragsparteien von einer grundsätzlichen Rückzahlungspflicht nach Ablauf der Bindungsfrist ausgegangen sind.

Nach dem Inhalt der unzulässigen BV soll über die Rückzahlung der Betriebsinhaber (BI) (die Bekl) gemeinsam mit dem BR „beraten“. Dabei ist die Ausschüttung an einen nachhaltigen Überschuss geknüpft. Die unzulässige BV enthält damit bestimmte Bedingungen für die „Ausschüttung“ (Rückzahlung) von Überhängen.

4.2 Dazu ist in der Rsp und Literatur anerkannt, dass im Fall einer schlüssigen Vertragsänderung oder Vertragsergänzung durch eine unzulässige BV die AN jene Bedingungen gegen sich gelten lassen müssen, die der AG erkennbar für die Gewährung der Leistung (hier Rückzahlung) aufgestellt hat. Die AN müssen somit auch für sie ungünstige Vertragsbedingungen gegen sich gelten lassen. Dazu ist ebenfalls anerkannt, dass die in der unzulässigen BV enthaltenen Regelungen zur Änderung oder Beendigung der BV, also Änderungs- oder Widerrufsvorbehalte des AG, maßgebend sind (Kietaibl aaO, Rz 39; Reissner aaO, Rz 30).

4.3 Daraus folgt, dass in einer unzulässigen BV zugunsten des AG vorgesehene Änderungs- und Beendigungsvorbehalte sowie Gestaltungsvorbe-512halte – im Fall der Einbeziehung in den Einzelarbeitsvertrag – grundsätzlich bestehen bleiben. Der AG muss für die Ausübung derartiger Gestaltungsrechte die allgemeinen arbeitsvertraglichen Schranken, insb die Ausübungsschranke des billigen Ermessens, beachten (Kietaibl aaO, Rz 39 und 46; Binder in Tomandl, ArbVG § 97 Rz 291; 9 ObA 81/99y

[Jabornegg]
). Zudem sind allfällige (sonder-)gesetzliche Schranken zu beachten. In diesem Sinn folgt auch aus der E 8 ObA 220/95, dass dem AG in einer unzulässigen BV grundsätzlich auch ein einseitiges Gestaltungsrecht eingeräumt werden kann, das dieser jedoch nur nach billigem Ermessen ausüben darf. Ein solcher Gestaltungsvorbehalt ist gem § 914 ABGB im Zusammenhang mit dem Grundsatz von Treu und Glauben dahin auszulegen, dass dem AG nur eine dem AN nach billigem Ermessen zumutbare Regelungsbefugnis eingeräumt wird.

5.1 Eine andere Frage ist es, wie es sich mit in einer unzulässigen BV dem BR eingeräumten Gestaltungs- oder Mitwirkungsrechten verhält.

Reissner (aaO, Rz 30) vertritt dazu die Ansicht, dass ein Gestaltungsvorbehalt oder Widerrufsvorbehalt auch eine Vorgangsweise im Einvernehmen mit dem BR ermöglichen könne. Dazu verweist er auf 8 ObA 99/04yDRdA 2005, 443 und 9 ObA 81/99y

[Jabornegg]
= ZAS 2000, 78 [Standeker].

8 ObA 99/04y spricht zwar dafür, dass im gegebenen Zusammenhang eine Absprache zwischen AG und Belegschaftsvertretung grundsätzlich möglich ist, bezieht sich aber nur auf einen Änderungsvorbehalt.

9 ObA 81/99y bezieht sich auf einen Beendigungsvorbehalt und gelangt dazu zum Ergebnis, dass die Unterbrechung der Verlängerungsautomatik dem wahren Vertragspartner, also dem einzelnen AN (und nicht dem BR) gegenüber in der vertraglich vorgesehenen Form erklärt werden muss. Diese E spricht somit gegen die Ansicht von Reissner.

5.2 Jabornegg (Glosse zu 9 ObA 81/99y in

) führt im gegebenen Zusammenhang aus:

„Wenn die unzulässige Betriebsvereinbarung nur als Vertragsschablone anzusehen ist, die ihren Geltungsgrund allein im jeweiligen Einzelarbeitsvertrag hat, so müssen auch die ursprünglich intendierten Gestaltungsbefugnisse im Verhältnis Betriebsinhaber/Betriebsrat auf das Verhältnis Arbeitgeber/Arbeitnehmer umgestellt werden. [...] Dies führt aber sogleich zur Frage, ob es überhaupt zulässig und wirksam ist, wenn die Parteien des Einzelarbeitsvertrags dem Betriebsrat besondere, die einzelvertraglichen Positionen (auch) des Arbeitnehmers unmittelbar gestaltende Befugnisse einräumen. Dem steht entgegen, dass die Mitbestimmungsordnung der gesetzlichen Betriebsverfassung absolut zwingend ist und daher – mangels besonderer gesetzlicher Ermächtigung – auch durch Einzelvertrag Mitwirkungsbefugnisse weder eingeschränkt noch ausgedehnt werden können. Dass man ganz allgemein durch Vertrag Rechtspositionen der Vertragspartner von Gestaltungserklärungen Dritter abhängig machen kann (vgl § 1056 ABGB), ändert nichts an der Unzulässigkeit und Rechtsunwirksamkeit solcher Vereinbarungen, wenn sie darauf abzielen, eine dem ArbVG widersprechende Gestaltung der den Betriebsrat betreffenden Mitwirkungsordnung zu etablieren. Dies gilt im besonderen auch für unzulässige Betriebsvereinbarungen und darin enthaltene Gestaltungsbefugnisse des Betriebsrats, weil andernfalls durch arbeitsvertragsrechtliche Ersatzkonstruktionen eine Quasi-Normwirkung erzeugt werden könnte, die dem die Nichtigkeit unzulässiger Betriebsvereinbarungen bewirkenden Normzweck des § 29 ArbVG unmittelbar widerspricht.“

5.3 Der OGH schließt sich diesen Erwägungen von Jabornegg im Prinzip an. In Bezug auf materielle Gestaltungsrechte, die sich auf konkrete Ansprüche der AN beziehen, bleiben jedenfalls keine Mitwirkungsbefugnisse des BR bestehen. Ob solche Befugnisse in Bezug auf formelle Aspekte der unzulässigen BV, wie zB Beendigungs- oder Änderungsvorbehalte, aufrecht bleiben, muss hier nicht geklärt werden.

5.4 Im Anlassfall bewirkt die in der unzulässigen BV enthaltene Ausschüttungsregelung, die eine „Beratung“ zwischen der Bekl und dem BR vorsieht, eine unzulässige Erweiterung der Mitwirkungsbefugnisse des BR in Bezug auf einzelvertragliche Ansprüche der betroffenen AN. In einem solchen Fall ist eine Umdeutung in einen Gestaltungsvorbehalt des AG vorzunehmen, den dieser aber nur nach billigem Ermessen ausüben darf (Kietaibl, aaO Rz 48).

5.5 Das – unter Zugrundelegung der unzulässigen BV – geradezu beliebige Rückzahlungsrecht des AG nach Maßgabe eines vollkommen unbestimmt definierten Überhangs im Lohnsteuertopf stellt aus Sicht der betroffenen AN keine zumutbare Regelungsbefugnis innerhalb der dem AG zustehenden Ermessensschranke dar. Vielmehr kann eine billige Ermessensausübung nur darin gesehen werden, dass die betroffenen AN nach Ablauf der Nachlauffrist einen individuellen Rückzahlungsanspruch derart haben, dass ein Überhang im Lohnsteuertopf für die jeweils maßgebende Zeitperiode im Verhältnis der Einzahlungen der betroffenen AN zurückzuerstatten ist.

Zu diesem Ergebnis führte auch die ergänzende Vertragsauslegung. Die Arbeitsvertragsparteien hätten nämlich für den von ihnen nicht bedachten Fall der Unzulässigkeit der Mitwirkung des BR und der Unbilligkeit des konkreten Gestaltungsvorbehalts eine derartige Regelung iS eines effektiven Rückzahlungsanspruchs der ins Ausland entsandten AN getroffen.

6.1 Insgesamt ist die zugrunde liegende unzulässige BV somit zum Inhalt des Einzelvertrags des Kl geworden und hat diesen hinsichtlich der Lohnvereinbarung – iS einer speziellen Nettolohnvereinbarung – abgeändert. Danach wird aus den Lohnsteuerbestandteilen der betroffenen AN ein Lohnsteuertopf gebildet, hinsichtlich dessen die betroffenen AN eine Solidargemeinschaft bilden. Allerdings hat jeder betroffene AN nach Ablauf der dreijährigen Nachlauffrist gegen den bekl AG einen individuellen Rückzahlungsanspruch. Dieser ist auf513die Rückzahlung des jeweiligen Überhangs im Steuertopf für die jeweils maßgebende Zeitperiode im Verhältnis der Einzahlungen der betroffenen Mitarbeiter gerichtet. [...]

ANMERKUNG

Die vorliegende E betrifft in erster Linie die Beurteilung der Wirkungen von unzulässigen Betriebsvereinbarungen und eines allfälligen Auszahlungsanspruchs eines ausscheidenden AN. Sie wirft viele spannende Fragen auf, vor allem im Zusammenhang mit der Umdeutung der unzulässigen Erweiterung der Mitwirkungsbefugnisse des BR in einen Gestaltungsvorbehalt des AG, den dieser nach billigem Ermessen ausüben darf. Nichtsdestotrotz widmet sich die folgende Besprechung einem Aspekt, der in der E kaum Berücksichtigung gefunden hat.

Denn obwohl zwischen den Parteien unstrittig ist, dass die zugrundeliegende BV als unzulässige (freie) BV zu qualifizieren ist und der OGH zum Ergebnis gelangt, dass die im gegenständlichen Fall fragliche Regelung eine unzulässige Erweiterung der Mitwirkungsbefugnisse des BR bewirkt, ist im Folgenden zu untersuchen, ob das ArbVG dem BR in solchen Fällen nicht doch eine Ermächtigung zur Mitwirkung einräumt. In Betracht kommen hierbei das allgemeine Beratungsrecht iSd § 92 sowie die Befugnisse im Zusammenhang mit Wohlfahrtseinrichtungen iSd §§ 93 und 95. Während der BR nach § 93 ArbVG berechtigt ist, eigene Wohlfahrtseinrichtungen zu errichten und zu verwalten, ihm daher ein Alleinbestimmungsrecht zukommt, hat er nach § 95 ArbVG die Möglichkeit, an der Verwaltung von bereits existierenden betrieblichen (betriebs- bzw unternehmenseigenen) Wohlfahrtseinrichtungen teilzunehmen (§ 95 Abs 1 iVm § 97 Abs 1 Z 5 ArbVG) und an der Errichtung, Ausgestaltung und Auflösung derartiger Einrichtungen mitzuwirken (§ 95 Abs 1 iVm § 97 Abs 1 Z 19 ArbVG).

1.
Lohneinbehalt

Eingangs ist festzuhalten, dass dem OGH (siehe auch 8 ObS 7/06x Arb 12.624) insoweit zu folgen ist, als die Zulässigkeit eines Lohneinbehaltes nicht zu den Regelungsbefugnissen der BV gehört, da Grundsätze der Entlohnung der Mitbestimmung nicht unterworfen sind (siehe nur Strasser in Floretta/Strasser, Kommentar zum ArbVG [1975] 531). Es wird daher vielmehr eine einzelvertragliche Grundlage vorausgesetzt. Es muss der Wille zur Teilnahme am Auslandsabgabenfonds bzw der Steuertopfbeteiligung kundgetan werden, wodurch es zu der notwendigen Änderung der Arbeitsverträge kommt (inkl jederzeitiger Widerrufsmöglichkeit und Nachlauffrist). Hiervon sind Errichtung und Verwaltung eines Fonds, der durch freiwillige AN-Beiträge gespeist wird, zu trennen. Die vom OGH vorgenommene Vermengung von Dotierung des Fonds und Normierung der internen Ablaufregelungen erscheint nicht tunlich. Letzteres kann mE im Rahmen einer BV iSd § 97 Abs 1 Z 5 bzw 19 ArbVG allgemein, für den Fall, dass AN sich für die Teilnahme entscheiden, geregelt werden. Immerhin ist es für eine Wohlfahrtseinrichtung ua maßgeblich, dass es sich um Leistungen handelt, die an die Gesamtheit der Belegschaft zufolge des kollektiven Bezugs gerichtet sind, unabhängig davon, welches einzelne Belegschaftsmitglied die Leistungen jeweils in Anspruch nimmt (OGH8 ObA 219/97g

[Wachter]
; Reissner in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 § 95 ArbVG Rz 7 mwN).

2.
Wohlfahrtseinrichtungen

Belegschaftseigene (§ 93 ArbVG) und betriebliche (§ 95 ArbVG) Wohlfahrtseinrichtungen unterscheiden sich nach Ansicht von Korenjak (Wohlfahrtseinrichtungen nach ArbVG [2009] 167) dadurch voneinander, dass Erstere dem Betriebsratsfonds zuzurechnen sind. Die Finanzierung einer vom BR errichteten und verwalteten Einrichtung durch (freiwillige) AN-Beiträge scheint dem Wortlaut des § 93 ArbVG aber nicht entgegenzustehen. Auch eine finanzielle Teilhabe des AG schließt die Qualifikation als belegschaftseigene Einrichtung nicht aus, soweit damit keine maßgebenden Einflussmöglichkeiten des BI auf Bestand und Verwaltung der Einrichtung verbunden sind (Auer-Mayer in Gahleitner/Mosler, ArbVG III5 § 93 Rz 3; Jabornegg in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 95 Rz 21). In Anbetracht des besonderen Mitwirkungsrechts des BR bei der Auflösung der Einrichtung iSd § 95 Abs 3 Z 2 ArbVG – wonach der BR die Auflösung einer betrieblichen Wohlfahrtseinrichtung binnen vier Wochen beim Gericht anfechten kann, wenn die AN zum Errichtungs- und Erhaltungsaufwand der Wohlfahrtseinrichtung erheblich beigetragen haben – ändert umgekehrt ein Beitrag der AN nichts am Charakter einer betrieblichen Wohlfahrtseinrichtung (Korenjak, Wohlfahrtseinrichtungen nach ArbVG 65). In der Praxis kommt es daher de facto zu Mischformen (zB eine vom AG errichtete und verwaltete, aber von der Belegschaft finanzierte Einrichtung), die zwar gesetzlich nicht explizit geregelt sind, von der hA (siehe nur Auer-Mayer in Gahleitner/Mosler, ArbVG III5 § 93 Rz 3 mwN) aber als zulässig erachtet werden.

Als typische Beispiele von Wohlfahrtseinrichtungen kommen bei entsprechender Institutionalisierung Kantinen, Kindergärten, (Sozial-)Fonds, Unterstützungskassen, aber auch bloße Budgetposten, deren Funktion in der Bereitstellung von Mitteln für Wohlfahrtsmaßnahmen besteht, in Betracht (Jabornegg in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 95 Rz 37 ff mwN; vgl Eypeltauer, Die Mitwirkung des Betriebsrates an betrieblichen Wohlfahrtseinrichtungen [Teil 1],

). Nichtsdestotrotz versagte der OGH (9 ObA 314/99pDRdA 2001/9 [Kuderna]) in der Vergangenheit einem sogenannten Auslandsabgabenfonds den Charakter einer Wohlfahrtseinrichtung mit der Begründung, dass jegliche Organisationsstrukturen gefehlt hätten und der Fonds, anstatt auf soziale Gesichtspunkte Bedacht zu nehmen, rein wirtschaftlichen Zwecken diene, nämlich einer einfacheren Abrechnung und Zahlung von ausländischen Steuern.514

2.1.
Organisationsstruktur

Zum ersten Argument des OGH ist auszuführen, dass die hL (Binder in Tomandl, ArbVG § 94 Rz 3 und § 95 Rz 3; Eypeltauer, Die Mitwirkung des Betriebsrates an betrieblichen Wohlfahrtseinrichtungen [Teil 1],

; Jabornegg in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 95 Rz 35 mwN; Reissner in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 § 95 ArbVG Rz 6 mwN) für das Vorliegen einer (Wohlfahrts-)Einrichtung iSd ArbVG verlangt, dass nicht nur punktuelle Aktivitäten gesetzt werden, sondern eine auf Dauer angelegte regelmäßige Tätigkeit bzw Wiederkehr von Maßnahmen gegeben ist, die eines ständigen Verwaltungs- oder Organisationsaufwands bedarf und damit ein Mindestmaß an Institutionalisierung erfordert. Dabei ist das Maß nicht allzu hoch anzusetzen; ein verwaltungsfähiges, dauerhaft der Wohlfahrt gewidmetes Substrat ist ausreichend (Jabornegg in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 95 Rz 36). Der in der hier zu besprechenden E gegenständliche Steuertopf ist auf Dauer angelegt und wurde vom AG bereits seit vielen Jahren gehandhabt. Die Verwaltung obliegt dem AG. Dazu gehört nicht nur die Einbehaltung der fiktiven österreichischen Steuer, die Abführung auf ein Treuhandkonto und Begleichung der individuellen tatsächlichen Steuerschuld der einzelnen AN nach Vorlage des ausländischen Steuerbescheides sowie Administration allfälliger Fluktuationen, sondern auch die Entscheidung über die (zeitlich versetzte) Verteilung eines allfälligen Überhangs an die AN. Die Verwaltung der gegenständlichen Steuertopfbeteiligung indiziert das Vorliegen interner Ablaufregelungen (vgl Eypeltauer, Die Mitwirkung des Betriebsrates an betrieblichen Wohlfahrtseinrichtungen [Teil 1], ) und erfüllt mE das geforderte Mindestmaß an Institutionalisierung.

2.2.
Soziale Gesichtspunkte

Zum zweiten Argument des OGH ist anzumerken, dass in der deutschen Literatur (Selzer, Arbeitnehmersolidarkassen im Betrieb [2017] 90 ff mwN; vgl Düwell, BetrVG4 § 87 Rz 93 ff) für das Vorliegen des Mitbestimmungsrechts der Belegschaft(svertretung) das Bestehen von Sozialleistungen des AG vorausgesetzt wird, die aber auch bei nicht vermögenswerten sozialen Vorteilen gegeben sind, wenn es dadurch zu einer Verbesserung im Vergleich zu Nicht-AN kommt (vgl OGH14 ObA 5/87

[Klein]
). Nach Auffassung von Korenjak (Wohlfahrtseinrichtungen nach ArbVG 67 f) liegt eine Wohlfahrtseinrichtung auch nach österreichischem Verständnis dann vor, wenn die daraus erfließenden Leistungen für die betroffenen Belegschaftsmitglieder mit Vorteilen – gleich, ob ideeller oder finanzieller Natur – gegenüber den Nichtbelegschaftsmitgliedern verbunden sind, und nennt beispielhaft die Zurverfügungstellung einer Wohnung, auch wenn für diese der ortsübliche Mietzins zu bezahlen ist; denn der Vorteil besteht bereits darin, dass keine Wohnung gesucht werden muss. Dabei sind die Motive des AG für die Beurteilung einer Wohlfahrtseinrichtung nicht relevant, es kommt lediglich auf die Perspektive des AN an (Reissner in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 § 95 ArbVG Rz 7 mwN). Der Vorteil für AN könnte im gegenständlichen Fall in der Bildung einer Solidargemeinschaft zum Zweck der Risikominimierung durch Solidarisierung der Steuerbelastung gesehen werden. Dass die Teilnahme an der Risikogemeinschaft vom individuellen Standpunkt einzelner AN betrachtet günstiger ist als die Nichtteilnahme, indiziert bereits der freiwillige Beitritt zur Steuertopfbeteiligung. Ob dies nun einem wirtschaftlichen oder sozialen Zweck entspricht, darf im Hinblick auf § 38 ArbVG, wonach die Förderung der wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Interessen der Belegschaft gleichwertig ist, keine Rolle spielen. Die mittlerweile beinahe 20 Jahre alte Kritik des OGH, dass es an sozialen Gesichtspunkten mangle, erscheint daher nicht nachvollziehbar.

2.3.
Finanzierung

Obwohl eine Dotierung durch den AG kein zwingendes Kriterium für das Vorliegen einer betrieblichen Wohlfahrtseinrichtung ist (Korenjak, Wohlfahrtseinrichtungen nach ArbVG 64 ff und 134 ff mwN), betonte der OGH (9 ObA 314/99pDRdA 2001/9 [Kuderna])des Weiteren als Argument gegen die Qualifikation eines Auslandsabgabenfonds als Wohlfahrtseinrichtung, dass durch die Dotierung alle Steuerforderungen abgedeckt werden sollten, bei einer Unterdeckung eine Erhöhung der AN-Beiträge die Folge war und der AG selbst nie Leistungen erbringen sollte. Im hier zu besprechenden Fall wurde dahingegen festgestellt, dass jeder betroffene AN davon ausgehen konnte, dass er jedenfalls einen Nettolohn unter Zugrundelegung der österreichischen Lohnsteuer erhält. Dies scheint eine Verpflichtung des AG zu indizieren, im Falle einer Unterdeckung des Steuertopfes diesen zu bezuschussen.

2.4.
Betrieblich oder belegschaftseigen

Abschließend gilt es noch festzustellen, ob ein „Auslandsabgabenfonds“ bzw ein „Steuertopfkonto“ als betriebs- oder belegschaftseigen zu kategorisieren ist. In der deutschen Literatur (Selzer, Arbeitnehmersolidarkassen im Betrieb 68 ff und 108 ff) wurden zuletzt Abgrenzungskriterien diskutiert, die für die Beurteilung des Bestehens einer Sozialeinrichtung herangezogen werden können (zB Verteilungsmacht des AG) oder umgekehrt untauglich sind (zB Initiative zur Errichtung der Einrichtung). Als weiteres taugliches Kriterium erscheint mir auch die Möglichkeit der Errichtung und/oder Verwaltung unabhängig vom jeweiligen Betriebspartner. In Anbetracht der Tatsache, dass die für die Dotierung des Steuertopfes notwendige Vertragsänderung in Form einer (besonderen) Nettolohnvereinbarung das Zutun des AG voraussetzt, wäre eine unilaterale Verfügung des BR iSd § 93 ArbVG nicht möglich. Dahingegen wäre die gesamte Abwicklung einer Steuertopfbeteiligung im Rahmen des § 95 ArbVG grundsätzlich ohne Zutun515des BR denkbar. Des Weiteren verlangt § 95 ArbVG laut Jabornegg (in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 95 Rz 12 ff) nur einen Betriebsbezug, der über die Verfügungsgewalt des AG bzw maßgebliche Einflussnahme durch den AG verwirklicht wird. Auch Korenjak (Wohlfahrtseinrichtungen nach ArbVG 167 f) vertritt die Auffassung, dass eine Verfügungsmöglichkeit des AG hinreichend ist, um hierunter subsumiert werden zu können. Wie bereits dargestellt, obliegt die Einrichtung und Verwaltung des gegenständlichen Steuertopfes dem AG. Daher wäre die Errichtung und Verwaltung eines „Auslandsabgabenfonds“ bzw eines „Steuertopfkontos“ mE von § 95 ArbVG erfasst und würde die darin verbrieften Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte auslösen.

3.
Allgemeines Beratungsrecht

Unabhängig davon kann die Verpflichtung, über die Ausschüttung aus dem Steuertopf zu beraten, auch aus § 92 ArbVG abgeleitet werden, der vorsieht, dass der BI verpflichtet ist, mit dem BR Beratungen über laufende Angelegenheiten, allgemeine Grundsätze der Betriebsführung in sozialer, personeller, wirtschaftlicher und technischer Hinsicht sowie über die Gestaltung der Arbeitsbeziehungen abzuhalten. Dieses allgemeine Beratungsrecht besteht neben den anderen speziellen Beratungsrechten des BR und erstreckt sich nicht nur auf die Befassung mit allgemeinen, sondern auch auf individuelle Belange einzelner AN (Drs in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 92 Rz 17). Inhaltlich erfasst das Beratungsrecht iSd § 92 ArbVG mit „laufenden Angelegenheiten“, „allgemeinen Grundsätzen der Betriebsführung“ und „Gestaltung der Arbeitsbeziehungen“ einen großzügig abgesteckten Themenkreis (Strasser in Floretta/Strasser, Kommentar zum ArbVG 488 ff). Im Ergebnis kann hierunter jedweder Gegenstand der Unternehmensführung subsumiert werden (Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht3 [2016] 671 f mwN; Mosler in Tomandl, ArbVG § 92 Rz 6).

4.
Conclusio

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass ein „Auslandsabgabenfonds“ bzw ein „Steuertopfkonto“ bei entsprechender Institutionalisierung je nach Ausgestaltung eine belegschaftseigene oder betriebliche Wohlfahrtseinrichtung iSd §§ 93 bzw 95 ArbVG darstellen kann. Von dieser Qualifizierung hängt ab, ob dem BR ein Alleinbestimmungsrecht oder Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte zukommen. Die im Anlassfall in der als unzulässig qualifizierten BV enthaltene Ausschüttungsregelung, die eine Beratung zwischen dem BI und dem BR vorsieht, könnte als Konkretisierung von Art und Umfang der Teilnahme an der Verwaltung iSd § 95 Abs 1 ArbVG verstanden werden. Gleichzeitig ist auch der Anwendungsbereich des § 92 ArbVG eröffnet.