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Nichteinhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften auf Baustelle – Haftung des Bauunternehmens für Leistungen der AUVA

MARTINACHLESTIL

Das erstbekl Bauunternehmen war im Jahr 2013 mit der Errichtung eines Stahlbetonrohbaus beauftragt. Zur teilweisen Erfüllung dieses Auftrags bediente es sich eines weiteren Unternehmens, bei dem der später verletzte AN Z. D. beschäftigt war. Der bei der Erstbekl beschäftigte Zweitbekl war auf dieser Baustelle als Polier tätig. Im Zuge einer über Weisung der Poliere der Erstbekl am 15.10.2013 verrichteten Tätigkeit verletzte sich Z. D., weil er eine von der Erstbekl zur Verfügung gestellte und zum Gebrauch für alle auf der Baustelle tätigen Arbeiter vorgesehene Baukreissäge ohne die erforderliche Schutzabdeckung verwendet hatte.

Obwohl dies die kl Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) bereits im Zuge einer früheren Baustellenbegehung beanstandet hatte, wurde bei den Baukreissägen der Erstbekl die Schutzvorrichtung weiterhin routinemäßig mit einem Keil außer Kraft gesetzt. Dadurch war die Verletzungsgefahr massiv erhöht, ein derartiges Fixieren der Schutzabdeckung des Sägeblattes ist absolut unzulässig. Selbst wenn Z. D. seinerseits unachtsam gehandelt hätte, wäre der Unfall ohne das Wegspreizen der Schutzabdeckung vermeidbar gewesen. Vor allem ist bei abgedeckter und ordnungsgemäß angebrachter Schutzabdeckung ein Berühren des Sägeblattes nur absichtlich möglich. Es gab keinen arbeitstechnischen Grund, der ein routinemäßiges oder anlassbezogenes Wegspreizen der Schutzvorrichtung auf der Baustelle erforderlich gemacht hätte.

Der Arbeitsunfall des Z. D. wurde von der AUVA mit Bescheid als Arbeitsunfall anerkannt und es wurde ihm eine Versehrtenrente gewährt.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die AUVA als Trägerin der gesetzlichen UV nun Ersatz für die an den verletzten Z. D. erbrachten Geldleistungen von den beiden Bekl zur ungeteilten Hand und zudem die Feststellung der Haftung der beiden Bekl zur ungeteilten Hand für alle weiteren Leistungen, die sie aus der gesetzlichen UV noch zu erbringen habe. Die Erstbekl sei zum Zeitpunkt des Unfalls für den Betrieb der Baustelle verantwortlich gewesen, auf der der verletzte AN als Zimmerer beschäftigt gewesen sei. Der Zweitbekl sei zum Zeitpunkt des Unfalls als Baupolier bei der Erstbekl tätig gewesen und als Aufseher im Betrieb gegenüber dem Verletzten anzusehen. Er sei für die Überwachung des gesamten Bauvorhabens verantwortlich gewesen und habe dem verletzten AN die Säge ohne Schutzvorrichtung zur Verfügung gestellt. Beide Bekl hätten grob fahrlässig AN-Schutzvorschriften außer Acht gelassen und seien daher verpflichtet, die dem Verletzten von der kl AUVA erbrachten Leistungen aus der UV zu ersetzen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren gegen beide Bekl zur Gänze statt. Das Berufungsgericht gab den Berufungen der Bekl nicht Folge. Nach Ansicht des OGH ist die außerordentliche Revision der Erstbekl nicht zulässig, jene des Zweitbekl hingegen zulässig und auch berechtigt.

Gem § 334 Abs 1 Satz 1 ASVG hat der DG oder ein ihm gem § 333 Abs 4 ASVG Gleichgestellter (ua Aufseher im Betrieb) dann, wenn er den Arbeitsunfall vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit verursacht hat, den Trägern der SV alle nach diesem Bundesgesetz zu gewährenden Leistungen zu ersetzen. DG ist grundsätzlich derjenige, der mit dem Verletzten durch ein Beschäftigungsverhältnis verbunden ist oder in dessen Betrieb der Verletzte wie ein AN eingegliedert war. Die Einordnung in den Betrieb ist nur insoweit erforderlich, als der Helfende im ausdrücklich oder stillschweigend zum Ausdruck kommenden oder nach der Sachlage zu vermutenden Einverständnis des Unternehmers handelt und zumindest bereit sein muss, nach den den Arbeitsvorgang bestimmenden Weisungen des Unternehmers, in dessen Interessen die Tätigkeit ausgeübt wird, oder dessen Vertreters zu handeln. Insb ist ein Verhältnis persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit keine Voraussetzung für die Qualifizierung als betriebliche Tätigkeit, entscheidend ist das Tätigwerden des Verletzten in der Sphäre (im Aufgabenbereich) des Unternehmers; auch eine kurzfristige und vorübergehende Eingliederung in den Bereich reicht aus. Ausgehend von den bindenden Feststellungen des Erstgerichts ist die angenommene Einordnung des verletzten AN Z. D. in den Betrieb der Erstbekl laut OGH daher nicht zu beanstanden.

Grobe Fahrlässigkeit wird von der Rsp im Wesentlichen dann bejaht, wenn der AG als Adressat der AN-Schutzvorschriften nach objektiver Betrachtungsweise ex ante ganz einfache und naheliegende Überlegungen nicht angestellt hat. Für den OGH ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Erstbekl habe den Arbeitsunfall grob fahrlässig verursacht, wobei einem allfälligen Mitverschulden des verletzten AN nicht annähernd das gleiche Gewicht wie dem Verschulden der Erstbekl zukäme, vertretbar. Die Erstbekl haftet somit der kl AUVA für die von ihr an den verletzten AN erbrachten Leistungen aus der SV gem § 334 Abs 1 ASVG.

Für eine Haftung auch des Zweitbekl nach § 334 Abs 1 ASVG genügt es nicht, dass dieser (bloß) als Polier auf der Baustelle der Erstbekl tätig war, zumal in den Feststellungen nicht näher differenzierend von mehreren Polieren die Rede ist. Vielmehr trifft den Zweitbekl die Haftung als15Aufseher im Betrieb nach § 333 Abs 4 ASVG nur dann, wenn dieser – so muss das Vorbringen der kl AUVA in Bezug auf den Zweitbekl zumindest verstanden werden – auf der gegenständlichen Baustelle tatsächlich für die Einhaltung der gegenständlich außer Acht gelassenen AN-Schutzvorschriften verantwortlich war. Um dies und seine allfällige Rolle bei der vorhergehenden Beanstandung der fehlenden Schutzvorrichtung durch die kl AUVA abschließend beurteilen zu können, fehlt es aber noch an den entsprechenden Feststellungen, weshalb – soweit es den Zweitbekl betrifft – die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben waren und die Rechtssache insofern zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen war.