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Unverzüglichkeitsgrundsatz bei Entlassung eines überlassenen Arbeitnehmers

ANDREASWELLENZOHN

Der Kl war von der Bekl an einen Industriebetrieb überlassen. In diesem Beschäftigerbetrieb war er aus den Erfahrungen vorangegangener Einsätze als jähzornig und als extremer Heißsporn bekannt.

Am 23.3.2017 kam es im Beschäftigerbetrieb zu Unstimmigkeiten zwischen dem Kl und einem Techniker, die darin gipfelten, dass der Kl eine Maschinentüre zuknallte und den Techniker von sich wegschubste. Zu diesem Zeitpunkt war der für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen zuständige Abteilungsleiter, der auch Ansprechpartner der Bekl war, im Urlaub. Der Vorfall wurde ihm nach seiner Rückkehr am 3.4.2017 um die Mitte seiner ersten Arbeitswoche berichtet. Er wollte zunächst in Gesprächen mit den beiden Beteiligten den Sachverhalt eruieren, wobei das Gespräch mit dem Kl wegen der Schichteinteilung erst am 10.4.2017 stattfand. Unmittelbar danach informierte der Abteilungsleiter die Bekl, deren Geschäftsführer noch am selben Tag die Entlassung des Kl aussprach.

Das Erstgericht wies das auf Kündigungsentschädigung wegen unberechtigter bzw verspäteter Entlassung gerichtete Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil höchstgerichtliche Rsp zur Frage fehle, inwieweit sich der DG eines Leih-AN für die Beurteilung, ob eine Entlassung rechtzeitig ausgesprochen wurde, eine im Bereich des Beschäftigerunternehmens gelegene Verzögerung zurechnen lassen müsse.

Der OGH wies die vom Kl erhobene Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurück und führte aus:

Ob das festgestellte Verhalten eines AN den AG zur Entlassung berechtigt, ist regelmäßig eine Frage des Einzelfalls. Auch die Beurteilung, ob der Ausspruch der Entlassung verspätet erfolgt ist, ist grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls abhängig, ebenso die Frage, ob die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung gegeben ist. Die über die konkreten Umstände des Anlassfalls hinaus relevanten Grundsatzfragen sind in der höchstgerichtlichen Rsp hinreichend geklärt.

Nach den getroffenen Feststellungen hat der Kl bereits in der Vergangenheit zu Beanstandungen wegen seines Jähzorns Anlass gegeben, er wurde deswegen ermahnt, dennoch hat er aus nichtigem Anlass einen Arbeitskollegen körperlich angegriffen. Wird dazu noch berücksichtigt, dass die Bekl ihn im selben Beschäftigerbetrieb wegen dieses Vorfalls künftig nicht mehr einsetzen hätte können, ist das rechtliche Ergebnis der Vorinstanzen durchaus vertretbar.

Für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Ausspruchs der Entlassung ist insoweit nicht maßgeblich, wann der DN den Entlassungsgrund setzte, sondern wann dem DG der Entlassungsgrund bekannt wurde. Das Erfordernis der Unverzüglichkeit der vorzeitigen Auflösung darf nicht überspannt werden. Wesentliches Kriterium für die Unschädlichkeit eines Zuwartens mit der Entlassung ist, ob die Verzögerung aufgrund der Sachlage begründet war.

Der DG muss sich auch den Kenntnisstand eines Stellvertreters oder eines mit Personalagenden befassten leitenden Angestellten zurechnen lassen, wenn dieser die Information nicht unverzüglich weitergeleitet hat. Das gilt auch dann, wenn diese Person selbst nicht zum Ausspruch von Entlassungen berechtigt ist; die Kenntnis eines sonstigen Vorgesetzten reicht hingegen nicht.

Nach diesen in stRsp vertretenen Grundsätzen kommt es nach Ansicht des OGH im vorliegenden Fall auf die vom Berufungsgericht für erheblich befundene Rechtsfrage hier nicht an.

Selbst wenn hier der Bekl die Angestellten des Beschäftigerbetriebs so wie ihre eigenen zugerechnet würden, könnte den Vorinstanzen keine unvertretbare Rechtsansicht vorgeworfen werden. Die etwas mehr als einwöchige Abwesenheit des für Personalentscheidungen befugten Abteilungsleiters nach dem Vorfall wegen dessen Erkrankung begründet keine Verwirkung des Entlassungsrechts. Bei unklaren Verhältnissen ist einem AG – gerade im Interesse des beschuldigten AN – außerdem eine angemessene Zeitspanne zur Aufklärung zuzubilligen, die hier aus objektiven Gründen (Schichtdienst, Wochenende) rund fünf Tage gedauert hat.

Der OGH konnte somit die Frage offen lassen, ob sich ein Überlasser Verzögerungen im Bereich des Beschäftigers im Hinblick auf die Wahrung des Unverzüglichkeitsgrundsatzes bei fristlosen Entlassungen zurechnen lassen muss.23