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Nicht jede Pflichtwidrigkeit führt zwingend zu einer objektiven Vertrauensverwirkung, die den DG zur sofortigen Beendigung des Dienstverhältnisses berechtigt

RICHARDHALWAX
§ 27 Z 1 letzter Fall AngG

Die beim bekl Arzt als Ordinationsassistentin beschäftigte Kl entnahm am 31.12.2015 um 21:00 Uhr zwei Medikamente aus der Hausapotheke des Bekl, ohne vorher dessen Zustimmung einzuholen. Diese Medikamente (zwei Abführmittel) waren der Mutter der Kl von einer Ärztin schriftlich verordnet worden. Diese Ärztin hatte in der Silvesternacht keinen Dienst mehr. Die Kl vermerkte die Entnahme dieser Medikamente samt Datum und Uhrzeit auf der Schreibunterlage der für die Hausapotheke des Bekl zuständigen Mitarbeiterin. Die Kl hatte die Zustimmung des Bekl zu dieser Vorgangsweise nicht eingeholt, weil sie ihn am Silvesterabend nicht stören wollte. Die Bezahlung der Rezeptgebühr erfolgte durch Gegenverrechnung im Zuge der Endabrechnung.

Sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht haben das Vorliegen eines von der Kl verschuldeten, objektiv begründeten Vertrauensverlusts verneint.

Im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau hat das Berufungsgericht auch berücksichtigt, dass die Kl einmal eigenmächtig eine Laborüberweisung für ihre Tochter erstellte, diese aber wieder löschte und nicht verwendete. Nach rechtlicher Beurteilung des Berufungsgerichts war der Bekl auch unter Berücksichtigung dieses früheren Vorfalls bei einer Gesamtbetrachtung (RIS-Justiz RS0029790) eine Weiterbeschäftigung der Kl bis zum Ende der Kündigungsfrist noch zumutbar gewesen.

Dagegen richtete sich die außerordentliche Revision der Bekl, die darauf pochte, dass die Medikamentenentnahme durch die Kl pflichtwidrig erfolgt sei.

Nach Ansicht des OGH ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts nach der Lage des Falls nicht unvertretbar. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision des Bekl zurückzuweisen.

Nicht jede Pflichtwidrigkeit führt zwingend zu einer objektiven Vertrauensverwirkung, die den DG zur sofortigen Beendigung des Dienstverhältnisses berechtigt. Jeder gerechtfertigten Entlassung ist immanent, dass dem DG die Weiterbeschäftigung des DN wegen des Entlassungsgrundes so unzumutbar geworden ist, dass eine sofortige Abhilfe erforderlich wird. Dieses Tatbestandsmerkmal ermöglicht die Abgrenzung zwischen einem in abstracto wichtigen Entlassungsgrund und einem in concreto geringfügigen Sachverhalt (RIS-Justiz RS0029009). Auch die Beurteilung der Unzumutbarkeit hängt von den Umständen des Einzelfalls in Form einer Gesamtschau ab (RIS-Justiz RS0103201; RS0113899).10