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Payrolling kann Arbeitskräfteüberlassung sein

MARTAJ.GLOWACKA (WIEN)
  1. Auch das sogenannte Payrolling, bei dem der Überlasser sich faktisch auf die Aufgaben einer Verrechnungsstelle beschränkt und der Beschäftiger fast alle AG-Funktionen übernimmt, insb über die Auswahl der einzustellenden Personen sowie deren Kündigung entscheidet, kann grundsätzlich Arbeitskräfteüberlassung sein.

  2. Die Zahlung des Entgelts zählt zu den zentralen Vertragspflichten des DG im arbeitsvertraglichen Synallagma. Wenn sich der Überlasser im eigenen Namen gegenüber dem AN zur Entgeltzahlung verpflichtet, dann übernimmt er Pflichten und Risiken des AG und es kann von bloßer Arbeitsvermittlung iSd § 2 Abs 4 AMFG keine Rede sein.

  3. Mit dem Schutzzweck des AÜG ist es nicht vereinbar, einem AN, der typischerweise überhaupt keinen Einblick in die Vertragsbeziehung zwischen Überlasser und Beschäftiger hat, in einem solchen Fall jeglichen Anspruch gegen den Partner seines schriftlichen Arbeitsvertrages, den Überlasser, zu versagen.

Die Kl war vom 29.4.2012 bis 28.2.2014 im Rahmen eines als Auftrag bezeichneten Vertragsverhältnisses mit der Bekl auf Basis eines fixen Stundensatzes für das Projekt „V* Center“ (kurz: VEC) tätig.

Sie verpflichtete sich in insgesamt zwei von beiden Parteien unterfertigten Verträgen (die sich nur in der Höhe des Stundensatzes unterschieden) gegenüber der Bekl zur Übernahme bestimmter Aufgabenbereiche, zur Geheimhaltung aller ihr im Zusammenhang mit der vertraglichen Tätigkeit für die Bekl zur Kenntnis gelangten Umstände und Unterlagen, zur Rückgabe aller Unterlagen an die Bekl nach Beendigung des Vertragsverhältnisses sowie zum Verzicht auf alle Urheber- und Nutzungsrechte an den von ihr erzielten Arbeitsergebnissen zugunsten „ausschließlich und alleine“ der Bekl.

Die Aufträge wurden auf unbestimmte Zeit mit einer 30-tägigen Kündigungsfrist geschlossen (Beilage ./P) und bildeten „nach dem Willen der Parteien die rechtliche Grundlage für das Tätigwerden der Klägerin“.

Die Bekl stand in einem Vertragsverhältnis zur Betreiberin des VEC-Projekts, der Nebenintervenientin. Sie stellte dieser Personal und diverse Sachleistungen gegen Ersatz der Aufwendungen zur Verfügung, weil die Nebenintervenientin nicht unmittelbare Vertragspartnerin der Projektmitarbeiter sein wollte.

Der Inhalt der Einzelverträge und die Höhe der darin vereinbarten Stundensätze beruhten auf Vorgaben der Nebenintervenientin, ebenso entschied sie im Innenverhältnis über den Inhalt von Inseraten und die Auswahl der Suchplattformen für Stellenbewerber, deren Auswahl und über die Beendigung von Vertragsverhältnissen.

Die Verrechnung der Honorare der Auftragnehmer erfolgte durch die Bekl im eigenen Namen. Sie überprüfte die verrechneten Stunden durch Rücksprache mit der Nebenintervenientin und verrechnete dieser dann die an die Auftragnehmer bezahlten Honorare weiter. In der Rahmenvereinbarung zwischen der Bekl und der Nebenintervenientin war bedungen, dass „nur tatsächlich geleistete Projekt- oder begleitende Dienstleistungsstunden“ verrechnet werden durften (Beilage ./E, Punkt 6.). Ansonsten hatte die Bekl zu den Auftragnehmern keinen Kontakt.

Die Kl hatte ihren Dienstort im Büro der VEC, wo ihr ein fixer Arbeitsplatz zugeteilt war. Von Urlauben und Krankenständen abgesehen war sie von Montag bis Freitag von etwa 9:00 Uhr bis etwa 18:00 Uhr im VEC tätig und leistete pro Woche etwa 40 Arbeitsstunden.

An jedem Arbeitstag fand um 10:00 Uhr ein Meeting statt, an dem die Kl wie alle Teammitglieder bei sonstiger Rüge teilnehmen musste und in dem die Arbeitsaufgaben zugeteilt wurden. Im Unterteam der Kl musste in der Kernzeit immer jemand anwesend sein, um Kundenanfragen rasch beantworten zu können. Art und Umfang der der Kl zugewiesenen Tätigkeiten führten dazu, dass sie jeweils im Ausmaß eines Arbeitstages von ca acht Stunden beschäftigt war. Eine Home-Office-Arbeit war grundsätzlich möglich, aber nur mit ausdrücklicher Erlaubnis. Während ihrer Tätigkeit nahm die Kl das Home-Office etwa an acht bis zehn Arbeitstagen in Anspruch. Das Ergebnis ihrer Arbeit kam ausschließlich dem Konzern der Nebenintervenientin zugute. Sämtliche Betriebsmittel für ihre Tätigkeit erhielt sie zur Verfügung gestellt.

Ihre „verschiedentlich“ konsumierten Urlaube musste die Kl mit einer Kollegin aus dem Unterteam koordinieren, aber sich nicht um eine Vertretung kümmern. Während eines Urlaubs oder Krankenstands erhielt die Kl kein Entgelt.

Im Jahre 2014 wurde das VEC von der Bekl über Anweisung der Nebenintervenientin aufgelöst und abgewickelt. Mit Schreiben vom 29.1.2014 kündigte die Bekl deshalb den Vertrag der Kl zum 28.2.2014.

Die Kl begehrt Urlaubsentgelt, Urlaubsersatzleistung und Kündigungsentschädigung. Das Vertragsverhältnis mit der Bekl sei nicht als Werkauftrag, sondern als unselbstständiges (Leih-)Arbeitsverhältnis zu beurteilen, aus dem noch die geltend gemachten gesetzlichen Ansprüche zustünden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Kl sei nach dem Sachverhalt zwar in persönlicher Abhängigkeit wie eine DN beschäftigt gewesen, ihre DG sei aber nicht die Bekl, sondern die Nebenintervenientin, die sämtliche mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehenden Entscheidungen getroffen habe. Es sei ein sogenanntes „Payroll-System“ gepflogen worden, bei dem der Beschäftiger nicht nur (wie bei einer Arbeitskräfteüberlassung) einen Tarif für jede geleistete Arbeitsstunde zu bezahlen habe, sondern weitestgehend selbst eine verdeckte AG-Position übernehme.262

Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Kl keine Folge.

Es führte aus, das sogenannte „Payrolling“ im Zusammenhang mit Arbeitskräfteüberlassung liege vor, wenn die wesentlichen Personalentscheidungen vom Beschäftiger getroffen würden und der Überlasser nur die Funktion einer Verrechnungsstelle ausübe. Es handle sich um eine Art „arbeitsrechtlicher Treuhandkonstruktion“, die dazu führe, dass in Wahrheit der Beschäftiger als DG anzusehen sei. Die Bekl sei nach den Feststellungen nicht als Arbeitskräfteüberlasser, sondern iSd § 2 Abs 4 AMFG nur als Arbeitsvermittler aufgetreten.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil es zur Qualifikation eines „Payroll-Systems“ und zur Frage, ob aus § 2 Abs 4 AMFG abgeleitet werden könne, dass der Beschäftiger bei Vorliegen einer bloßen Arbeitsvermittlung in die Rolle des AG „gedrängt“ werden könne, noch keine höchstgerichtliche Rsp gebe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Kl ist zulässig, weil die Rechtslage iSd Ausspruchs des Berufungsgerichts einer über den Einzelfall hinaus wesentlichen Klarstellung bedarf.

Die Revision ist auch berechtigt.

1. Nach § 3 AÜG ist die Überlassung von Arbeitskräften die Zurverfügungstellung von Arbeitskräften zur Arbeitsleistung an Dritte. Überlasser ist derjenige, der Arbeitskräfte oder arbeitnehmerähnliche Personen zur Arbeitsleistung an Dritte vertraglich verpflichtet. Der Überlasser ist AG im arbeitsrechtlichen Sinn, der Beschäftiger ist derjenige, der die Arbeitskräfte für betriebsbezogene Aufgaben einsetzt und die Arbeitsleistung faktisch entgegennimmt. Den Beschäftiger treffen nur einzelne AG-Pflichten, etwa Schutz- und Sorgfaltspflichten (Schindler in ZellKomm2 I, § 3 AÜG Rz 7 ff).

Für die Beurteilung, ob eine Überlassung von Arbeitskräften vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform (zB die Bezeichnung des zwischen Überlasser und Beschäftiger bestehenden Vertragsverhältnisses) maßgeblich (§ 4 AÜG).

Auch das sogenannte „Payrolling“, bei dem der Überlasser sich faktisch auf die Aufgaben einer Verrechnungsstelle beschränkt und der Beschäftiger fast alle AG-Funktionen übernimmt, insb über die Auswahl der einzustellenden Personen sowie deren Kündigung entscheidet, kann grundsätzlich Arbeitskräfteüberlassung sein. Der Anwendungsbereich des AÜG ist nicht von der internen Verteilung der Verantwortungsbereiche zwischen dem Überlasser als AG und dem Beschäftiger abhängig.

2. Arbeitsvermittlung liegt hingegen vor, wenn ein Arbeitsverhältnis gerade nicht mit dem Vermittler selbst, sondern mit einem Dritten zustandekommen soll.

In diesem Sinn gilt nach § 2 Abs 4 AMFG als Tätigkeit iSd Abs 1 leg cit (Arbeitsvermittlung) auch die Überlassung von Arbeitskräften zur Arbeitsleistung an Dritte, sofern der Überlasser nicht die Pflichten des AG trägt.

Diese nicht zivil-, sondern verwaltungsrechtliche Bestimmung grenzt den Umfang des Gewerbes der Arbeitskräfteüberlasser von jenem der Arbeitsvermittlung ab, die nur im Rahmen des § 4 AMFG ausgeübt werden darf.

Maßgeblich für die Beurteilung, ob der Überlasser die Pflichten eines AG trägt, ist allein das rechtliche Verhältnis zwischen ihm und dem AN und nicht die Vereinbarung zwischen Überlasser und Beschäftiger (so auch die stR: 14 Ob 224/86; 14 Ob 180/86; 9 ObA 76/87; 9 ObA 233/98z). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist schon der E 14 Ob 224/86 eine Aussage des OGH dazu, ob im Fall einer als Überlassung getarnten Arbeitsvermittlung dennoch ein Arbeitsverhältnis zum Überlasser bejaht werde, zu entnehmen. Der OGH hat in dieser E ein gegen den Überlasser klagsstattgebendes Urteil der zweiten Instanz bestätigt und seine Passivlegitimation als AG nicht ansatzweise in Frage gestellt. Mit den Ausführungen zu § 9 Abs 4 (nunmehr § 2 Abs 4) AMFG wurde in dieser und allen folgenden Entscheidungen nur die Teilnichtigkeit des Ausschlusses typischer AG-Risiken begründet, mit der Konsequenz, dass dem AN gegen den Überlasser (Vertragspartner) auch das unwirksam abbedungene Entgelt zuerkannt wurde.

3. Die Zahlung des Entgelts zählt zu den zentralen Vertragspflichten des DG im arbeitsvertraglichen Synallagma. Wenn sich der Überlasser im eigenen Namen gegenüber dem AN zur Entgeltzahlung verpflichtet, dann übernimmt er Pflichten und Risiken des AG und kann von bloßer Arbeitsvermittlung iSd § 2 Abs 4 AMFG keine Rede sein.

Entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichts spielt es für diese Beurteilung grundsätzlich keine Rolle, wie der Überlasser seine Personalkosten an seinen Kunden weiterverrechnet. Wie auch die Revision zutreffend darlegt, ist es geradezu selbstverständlich, dass im Rahmen der Arbeitskräfteüberlassung im Ergebnis alle Personalkosten (einschließlich der vorhersehbaren Zeiten der entlohnungspflichtigen Nichtbeschäftigung, Verwaltungskosten und Gewinnspanne) wirtschaftlich am Ende zur Gänze von den Beschäftigern getragen werden sollen und die Überlasser ihre Preise dementsprechend zu kalkulieren trachten. Die Weiterverrechnung des Aufwands hat mit der Frage, wer gegenüber dem AN als AG anzusehen ist, nichts zu tun.

4. Für die in der Literatur von Schindler (in ZellKomm2, § 3 AÜG Rz 5) angesprochene Fallkonstellation eines Beschäftigers, der sich auch zur Übernahme des Risikos sämtlicher Entgeltfortzahlungsansprüche verpflichtet und über den Bestand der Arbeitsverhältnisse entscheidet, vertritt der Autor die Ansicht, dass der Beschäftiger dann selbst ein „verschleierter“ AG sei. Dies wird allerdings nicht näher begründet, vor allem aber legt der Autor nicht dar, welche weiteren zivilrechtlichen Konsequenzen sich daraus ergeben sollen.

In keinem Fall lässt sich daraus die Rechtsansicht der Vorinstanzen ableiten, dass es mit dem Schutzzweck des AÜG vereinbar wäre, einem AN, der typischerweise überhaupt keinen Einblick in die Vertragsbeziehung zwischen Überlasser und Beschäftiger hat, in einem solchen Fall jeglichen Anspruch gegen den Partner seines schriftlichen263 Arbeitsvertrags zu versagen (vgl auch RIS-Justiz RS0050887 = 9 ObA 76/87).

In der vorliegenden Rechtssache bedarf diese These aber im Übrigen auch schon deswegen keiner vertieften Betrachtung, weil sich die Nebenintervenientin im unbestrittenen, daher auch ohne Wiedergabe in den erstgerichtlichen Feststellungen der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legenden, „Payroll“-Rahmenvertrag nur zur Bezahlung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden der überlassenen Mitarbeiter verpflichtet hat. Über diese für eine Arbeitskräfteüberlassung typische Bezahlung der Stundensätze hinaus ist keine Übernahme arbeitsrechtlicher Risiken vereinbart worden, insb auch nicht des Risikos von zusätzlichen Aufwendungen, die sich aus einer rechtlichen Qualifikation der „Aufträge“ als echte Arbeitsverträge ergeben könnten. Dieses „wirtschaftliche Wagnis“ des AG (vgl 9 ObA 233/98z) trägt vielmehr die Bekl.

5. Von diesen Grundsätzen ausgehend erweist sich das Ergebnis der Vorinstanzen, die Bekl sei im vorliegenden Verfahren nicht passiv legitimiert, als korrekturbedürftig.

Da das Erstgericht ausgehend von seiner vom OGH nicht geteilten Rechtsansicht noch keine hinreichenden Feststellungen getroffen hat, die eine Beurteilung von Grund und Höhe der einzelnen Klagsforderungen ermöglichen würden, war ihm die neuerliche Entscheidung nach entsprechender Verfahrensergänzung aufzutragen.

Angesichts der Ausführungen unter Punkt A der rechtlichen Beurteilung des erstinstanzlichen Urteils ist zur Vermeidung von allfälligen Missverständnissen festzuhalten, dass die Bestimmungsmerkmale der persönlichen Abhängigkeit eines DN sich beim überlassenen AN typischerweise im Beschäftigerbetrieb (und nicht beim Überlasser) manifestieren. [...]

ANMERKUNG

Die vorliegende E betrifft die Abgrenzung zwischen Arbeitsvermittlung und Arbeitskräfteüberlassung und setzt sich mit der für die Praxis nicht unbedeutenden Frage auseinander, wer beim sogenannten Payrolling als AG anzusehen ist, bei dem der Vertragspartner des AN nur die Funktion einer Verrechnungsstelle ausübt und der faktische Beschäftiger fast alle AG-Funktionen übernimmt. Im Folgenden soll die vom OGH vorgenommene Zuordnung, die in der Begründung einer Passivlegitimation der Bekl mündet, näher beleuchtet werden. Ein anderes Ergebnis hätte einer neuerlichen Geltendmachung in Anbetracht der kurzen gesetzlichen Verfallsfrist iSd §§ 29 iVm 34 AngG bzw §§ 1162b iVm 1162d ABGB entgegenstehen können.

1.
Abgrenzung zwischen Arbeitsvermittlung und Arbeitskräfteüberlassung

Für ein klassisches Verständnis spricht eine klare Abgrenzung von Arbeitsvermittlung und Arbeitskräfteüberlassung, die sich in den vertraglichen Beziehungen zwischen den an dieser dreipersonalen Konstruktion Beteiligten manifestiert. Bei Ersterer ist die Person, bei der der AN tatsächlich beschäftigt wird, als vertraglicher AG zu qualifizieren (§ 2 AMFG), bei Zweiterer ist es grundsätzlich der Überlasser, während dem Beschäftiger nur vereinzelte AG-Pflichten iSd AÜG auferlegt werden (§ 3 AÜG). Gem § 2 Abs 4 AMFG gilt als Arbeitsvermittlung aber auch die Überlassung von Arbeitskräften zur Arbeitsleistung an Dritte, sofern der Überlasser nicht die Pflichten des AG trägt. Hierzu zählen im Hinblick auf die Systematik des AÜG vor allem die Entscheidung über die Einstellung und die Freisetzung des AN, die Leistung des Arbeitsentgelts sowie das unternehmerische Risiko der Einsetzbarkeit der AN (Schörghofer, Grenzfälle der Arbeitskräfteüberlassung [2015] 162 ff mwN).

Obwohl diese Bestimmung somit auf eine Mehrzahl an AG-Pflichten abzustellen scheint, konzentriert sich der OGH im gegenständlichen Fall auf die Zahlung des Entgelts als zentrale Vertragspflicht. Die Verpflichtung zu dieser Hauptleistungspflicht gehe laut OGH auch mit der Übernahme der Pflichten und Risiken aus dem Arbeitsverhältnis einher (siehe auch Fuchs/Lamplmayr, JAS 2018, 355). Bemerkenswert dabei ist aber, dass die Entgeltleistungspflicht alleine kein Arbeitsverhältnis zu begründen vermag, vielmehr ist sie idR Basis für alle Beschäftigungsformen, so auch für (arbeitnehmerähnliche) freie Dienstvertrags- und WerkvertragsnehmerInnen. Im gegenständlichen Fall herrschen zwar die Merkmale eines echten Arbeitsverhältnisses vor. Denn zum einen verpflichtet sich die Kl zu einer Dauerschuld, zum anderen überwiegen die Elemente der persönlichen Abhängigkeit, insb in Anbetracht der klaren Einbindung in die Betriebsorganisation, der persönlichen Weisungsgebundenheit und der Kontrollunterworfenheit. Allerdings sind all diese Elemente im Verhältnis zwischen AN und Betreiberin des Projekts zu identifizieren. Zwar hält der OGH fest, dass die Bestimmungsmerkmale der persönlichen Abhängigkeit sich beim überlassenen AN typischerweise im Beschäftigerbetrieb (und nicht beim Überlasser) manifestieren, begründet dies allerdings nicht näher und geht vor allem nicht darauf ein, ob dies nur temporär auf die Dauer des Einsatzes beschränkt ist oder ein gänzliches Fehlen der Determinierung des arbeitsbezogenen Verhaltens sowie der Einbindung in die Betriebsorganisation (insb mangels allfälliger Stehzeiten) beim Überlasser rechtfertigt. Daher ist die Frage aufzuwerfen, ob die Eigenschaft als Verrechnungsstelle zwangsläufig die Annahme eines Arbeitsverhältnisses legitimiert. Immerhin ist vorstellbar, dass ein Dritter iSd §§ 1404 ff ABGB die Entgeltleistungspflicht übernimmt, ohne dadurch AG zu werden. Dass die Entgeltleistungspflicht dann nicht mehr beim AG, sondern bei einem Dritten liegt, ändert nichts daran, dass sie aufgrund des Arbeitsvertrages besteht und arbeitsrechtlichen (Schutz-)Normen unterliegt (Kreil, Arbeitsverhältnisse im Konzern [1996] 80). Auch Rebhahn (in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 13) vertritt die Auffassung, dass es nicht darauf ankommt, ob264 der AG oder ein Dritter das Arbeitsentgelt bezahlt, sondern ob der AG vom AN Arbeit in persönlicher Abhängigkeit aus eigenem Recht fordern kann.

Ein Verweis auf § 4 AÜG scheint zwar insoweit einschlägig als fraglich ist, ob das Vertragsverhältnis mit der Bekl als Werkauftrag zu beurteilen ist, vermag aber sonst nicht weiterzuhelfen. Die in Abs 2 aufgezählten Kriterien (unterscheidbares Werk, Beistellung von Material und Werkzeug, organisatorische Eingliederung, Dienst- und Fachaufsicht sowie Gewährleistung) können zwar zur Abgrenzung zwischen Werkvertragsverhältnis und Arbeitskräfteüberlassung herangezogen werden, erscheinen allerdings untauglich, wenn zu ermitteln ist, ob es den VertragspartnerInnen nach der atypischen Gestaltung des Vertrags erkennbar gerade auf die Zurverfügungstellung von Arbeitskräften oder doch die Vermittlung ankommt. Der allgemeine Grundsatz des wahren wirtschaftlichen Gehalts, wonach die äußere Erscheinungsform nicht maßgeblich ist, lässt die faktische interne Verteilung der Verantwortungsbereiche eben relevant erscheinen. Denn die Funktionsverteilung im Payroll-Modell entfernt sich deutlich von der eigentlich intendierten Aufteilung bei der Arbeitskräfteüberlassung (Schörghofer, Arbeitskräfteüberlassung 171). Auch beim sogenannten Crowdwork wird das Verhältnis zwischen CrowdworkerInnen und der Plattform, die als bloße Mittelsperson fungiert, nach Auffassung von Risak (What‘s law got to do with it? Kurswechsel 2/2016, 32 ff [37 f]) als Arbeitsvermittlung zu beurteilen sein, während zwischen CrowdsourcerInnen und Plattform Vermittlungsdienste in Form einer Geschäftsbesorgung iSd §§ 1002 ff ABGB vorliegen können, die die Stellvertretung im Zusammenhang mit dem Vertragsabschluss und dessen Abwicklung beinhalten.

2.
Arbeitsrechtliche Treuhandkonstruktion

Da beim sogenannten Payrolling im Innenverhältnis der Beschäftiger als faktischer AG entscheidet, obwohl nach außen der Überlasser als vertraglicher AG auftritt, wird dieses von Schörghofer (Arbeitskräfteüberlassung 112, 166 ff) als arbeitsrechtliche Treuhandkonstruktion bezeichnet, die nach Auffassung der Literatur (Sacherer in Sacherer/Schwarz, AÜG2 [2006] Art II – AMFG 309; Schindler in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 § 3 AÜG Rz 5; Schörghofer, Arbeitskräfteüberlassung im Spannungsverhältnis von Flexibilisierung und ArbeitnehmerInnenschutz, juridikum 2014, 88 [97]; siehe auch Geppert, AÜG [1989] 245; Sacherer, Arbeitskräfteüberlassung in Österreich und der EU [2001] 52 f) den Tatbestand des § 2 Abs 4 AMFG erfüllt, weil der vermeintliche Überlasser die im Rahmen der Arbeitskräfteüberlassung grundsätzlich bei ihm verbleibenden AG-Funktionen, nämlich Begründung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses und die Tragung des Verwertungsrisikos, nicht übernimmt (vgl Marhold, Betriebsvereinbarungen für überlassene Arbeitnehmer, ASoK 2008, 251 [252]; Tomandl, Arbeitskräfteüberlassung3 [2017] 34). Die Rechtsfolge des § 2 Abs 4 AMFG sei dabei die Herstellung des Vertragszustands, der im Normalfall von der Arbeitsvermittlung hergestellt wird, nämlich ein Arbeitsvertrag zum faktischen Empfänger der Dienstleistung, dem vermeintlichen Entlehner bzw Beschäftiger (siehe auch Schrattbauer, Arbeitskräfteüberlassung [2015] 23 f; Tomandl, Arbeitskräfteüberlassung3 33). Laut Schörghofer (Arbeitskräfteüberlassung 151) können sich aber nur die betroffenen AN auf die Rechtsfolge des § 2 Abs 4 AMFG berufen, nicht hingegen Überlasser oder Beschäftiger; sE ist die gegenständliche E daher im Ergebnis zutreffend, obwohl eine Ablehnung des Vertragspartnerwechsels als Rechtsfolge des § 2 Abs 4 AMFG im Zusammenhang mit Payrolling nicht notwendig gewesen wäre (Schörghofer, Payrolling als eine zulässige Gestaltung der Arbeitskräfteüberlassung, ZAS 2019/8).

Für die Auffassung des OGH im gegenständlichen Fall scheint eine E aus 1987 (9 ObA 76/87

) zu sprechen, in der festgehalten wurde, dass – auch wenn der Vertrag zwischen VerleiherIn und AN iSd Vorgängerregelung gem § 9 Abs 4 AMFG als Arbeitsvermittlung zu qualifizieren ist – nur die Sanktionen nach §§ 9 Abs 5 und 48 AMFG idaF vorgesehen sind, nicht aber die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zwischen AN und EntlehnerIn; dafür fehlt aber eine hinreichende Begründung. Gegen das vorliegende Ergebnis scheint wiederum eine andere E aus 1987 zu sprechen, auf die der OGH ebenfalls verweist, die den Vertragspartnerwechsel als Rechtsfolge von § 9 Abs 4 AMFG thematisiert. Ebendiese E wurde von Hoyer (Bespr zu OGH14 Ob 180/86 ZAS 1988/6) dahingehend kritisiert, dass entgegen der auf Schnorr (Die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung [1979] 15 und 23 f) gestützten Meinung des OGH die Rechtsfolge nur in der Nichtigkeit des Vermittlungsvertrages gem § 879 ABGB zu sehen sei, nicht jedoch in der Einbeziehung einer anderen Partei in den Arbeitsvertrag, die durch Willenserklärungen nicht gedeckt wäre.

Der OGH scheint seine E im gegenständlichen Fall vor allem daran festzumachen, dass der Beschäftiger kein „wirtschaftliches Wagnis“ eines AG trage, da keine Übernahme arbeitsrechtlicher Risiken vereinbart worden sei, insb auch nicht des Risikos von zusätzlichen Aufwendungen, die sich aus einer rechtlichen Qualifikation der „Aufträge“ als echte Arbeitsverträge ergeben könnten. Die Absicht, arbeitsrechtliche Konsequenzen auszuschließen, mutet allerdings wie ein Umgehungsgeschäft an und vermochte der Bekl im gegenständlichen Fall auch nicht zur Durchsetzung der beabsichtigten Beschäftigungsart zu verhelfen.

3.
Arbeitgebereigenschaft

Vielmehr führt auch das von der Literatur (siehe insb Prassl, ZESAR 2013, 486 ff; Prassl/Risak, Uber, Taskrabbit, & Co: Platforms as Employers? Rethinking the Legal Analysis of Crowdwork, CLLPJ 2016, 634; Risak, Arbeitsrecht 4.0, JAS 2017, 12 [38]) für mehrpersonale Verhältnisse entwickelte funktionale AG-Konzept, das anstelle einer streng formalen Betrachtung treten soll, zu einer Qualifizierung des Beschäftigers als AG, sofern durch265 die faktische, objektiv wie ein Arbeitsverhältnis anmutende Beziehung zwischen dem Beschäftiger und dem Beschäftigten, bei der Ersterem (fast alle) AG-Funktionen zukommen, ein zumindest konkludentes Rechtsverhältnis begründet wird (vgl auch VwGHRo 2014/08/0046 ASoK 2018, 418 [Neumann]). Dem Vorliegen zweier hierfür notwendiger übereinstimmender Willenserklärungen über die Zurverfügungstellung der Arbeitsleistung für eine gewisse Zeit zum Nutzen eines anderen und das damit einhergehende Recht, diese abzurufen, steht die Absicht, durch organisatorische Entscheidungen arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen zu umgehen, nicht entgegen; ideo falsa demonstratio non nocet. Auch die sonst berechtigte Kritik an der schlüssigen Begründung eines Arbeitsverhältnisses im Hinblick auf das Bewusstsein der VertragspartnerInnen, dass Grundlage für die Arbeitsleistung ein Überlassungsvertrag ist, vermag nicht zu greifen, insoweit § 2 Abs 4 AMFG dem Vorliegen einer Arbeitskräfteüberlassung mangels Tragung der AG-Pflichten entgegensteht. Im Ergebnis würde eine derartige Auslegung auch dem EuGH (21.10.2010, C-242/09, Albron Catering, DRdA 2011, 316 [Heilegger]) entgegenkommen, der den Begriff des AG in einem deutlich weiteren Verständnis verwendet und bei dauerhafter Überlassung im Konzern auch den Beschäftiger, dh den nichtvertraglichen AG, an den die AN ständig überstellt sind, „Veräußerer“ iSv Art 2 Abs 1 lit a Betriebsübergangs-RL 2001/23/EG sein lässt, obwohl zwischen ihm und den überlassenen Arbeitskräften keine arbeitsvertragliche Beziehung besteht (krit Willemsen, Erosion des Arbeitgeberbegriffs nach der Albron-Entscheidung des EuGH? NJW 2011, 1546 [1548]).

Wird die AG-Eigenschaft des Beschäftigers bejaht, kann bei dreipersonalen Verhältnissen erwogen werden, ob im Rahmen dessen einem Dritten die Vollmacht erteilt wurde, ein Arbeitsverhältnis einzugehen bzw ob Anscheinsvollmacht iSd § 1029 ABGB vermutet werden kann, sofern dem Repräsentanten im Innenverhältnis eine Verwaltungstätigkeit in einem Umfang anvertraut wurde, der den Abschluss von Arbeitsverträgen einschließt (vgl Kreil, Arbeitsverhältnisse im Konzern 47 ff; Perner in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1029 Rz 9; Strasser in Rummel, ABGB3 § 1033 Rz 11). ISd Vertrauenstheorie kommt es bei der Beurteilung des Verhaltens der VertragspartnerInnen im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsabschlusses darauf an, ob der AN aus der Sicht eines redlichen Erklärungsempfängers objektiv gesehen darauf vertrauen durfte, dass der Erklärende im eigenen Namen als AG bzw als Vertreter für einen bestimmten AG aufgetreten ist (OGH9 ObA 15/96

[Kürner]
). Nicht nur der Abschluss von Arbeitsverträgen, sondern auch spätere Änderungen des Vertrages können davon erfasst sein. Einseitige Rechtsgeschäfte (zB Kündigung), die jemand ohne Vollmacht für den AG abgibt, kann der AN gegen sich gelten lassen, sofern der AG sich nicht selbst auf den Vollmachtmangel beruft (Rebhahn in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 § 864a ABGB Rz 24).

4.
Conclusio

Abschließend bleibt daher festzuhalten, dass der OGH den im Schrifttum als Rechtsfolge des § 2 Abs 4 AMFG im Zusammenhang mit Payrolling identifizierten Vertragspartnerwechsel abzulehnen scheint, wobei eine vertiefende Auseinandersetzung damit und eine eingehendere Begründung dieser richtungsweisenden E wünschenswert gewesen wären. Obwohl offensichtlich vom AN-Schutzgedanken getrieben, dient diese E allen voran der Rechtssicherheit der „Payroller“ und könnte dieser Konstruktion noch mehr Antrieb verleihen. Denn die hierbei vom OGH getroffenen Feststellungen können zur Absicherungen der mangelnden AG-Stellung der BeschäftigerInnen als Anleitung genutzt werden.