Neumayr/Reissner (Hrsg)Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht Bd 1+ 2 – Kommentar

3. Auflage, Manz Verlag, Wien 2018, CL, 3.860 Seiten, Leinen, € 428,–

PETERJABORNEGG (LINZ)

Die aktuelle Neuauflage des für Praxis und Wissenschaft längst zum unentbehrlichen Standardwerk gewordenen Zeller Kommentars zum Arbeitsrecht wurde mit Monika Drs, Sieglinde Gahleitner, Bernhard W. Gruber, Thomas Kallab, Christoph Kietaibl, Klaus Mayr, Rudolf Mosler, Matthias Neumayr, Walter J. Pfeil, Joachim Preiss, Robert Rebhahn, Gert-Peter Reissner, Reinhard Resch, Anna Ritzberger-Moser, René Schindler, Adalbert Spitzl, Michaela Windisch-Graetz, Claudia Wolfsgruber-Ecker und Sandra Wolligger von den schon bisher bewährten KommentatorInnen verfasst. Leider gab es für das Team – und auch ganz allgemein für die österreichische sowie europäische Arbeitsrechtswissenschaft – kurz vor Erscheinen des Werkes mit dem Ableben von Robert Rebhahn, der nach schwerer Erkrankung doch unerwartet plötzlich mitten aus seinem so erfolgreichen und höchst aktiven wissenschaftlichen Leben herausgerissen worden ist, einen überaus schmerzlichen Verlust. Die Herausgeber haben deshalb die Neuauflage dem Andenken an diesen großen und auch weit über das Arbeitsrecht hinaus tätig gewesenen Rechtswissenschaftler gewidmet.

Der Kommentar befindet sich nunmehr auf dem Stand der Gesetzgebung zum 1.1.2018. Eingearbeitet wurden daher vor allem das neue Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz, Novellen zum AngG und zum AVRAG betreffend Konkurrenz-, Ausbildungskostenersatzklauseln und All-In-Vereinbarungen, diverse Anpassungsregelungen im AÜG zur Umsetzung der LeiharbeitsRL sowie die Arbeiter-Gleichstellungsnovelle BGBl I 2017/153. Selbstverständlich wurden auch wieder die aktuelle Judikatur und das neuere Fachschrifttum in umfassender und gewohnt verlässlicher Weise verarbeitet. Die zuletzt von Regierungsseite so heftig betriebene Gesetzgebungsaktivität, die vor allem auch im Arbeitsrecht bewährte soziale Standards einschränken oder gar beseitigen sollen, konnte natürlich noch keinen Eingang in die Kommentierung finden, doch steht wohl zu erwarten, dass (zumindest online) alsbald entsprechende Aktualisierungen folgen werden, so etwa vor allem auch zu den neuesten Änderungen des Arbeitszeitrechts in BGBl I 2018/53 (vgl dazu namentlich die grundlegenden Abhandlungen bei Felten/Trost [Hrsg], Arbeitszeitrecht neu. Eine wissenschaftliche Analyse [2018] mwN).

Die gleichbleibende AutorInnenschaft sichert die bewährte Qualität des Gesamtwerkes. Die verständlichen Bemühungen der Herausgeber um eine gewisse Homogenität in der Darstellung und im Umfang der einzelnen Kommentierungen haben zum Glück auch in der Neuauflage nicht dazu geführt, jene ausführlicheren und Grundlagenfragen einbeziehenden Teile zu kürzen, die geradezu als unverzichtbarer Kern eines Kommentars anzusehen sind, der schon bisher in zugleich praxistauglicher Form auch wissenschaftlichen Anforderungen entsprochen hat.

Da selbst eine auf zentrale Fragen beschränkte inhaltliche Auseinandersetzung mit dem gesamten Werk den vorgegebenen Rahmen für eine Buchrezension völlig sprengen würde, sei hier aus der Überfülle von Kommentierungsdetails als Beispiel bloß die umfassende Bedachtnahme auf das Zusammenspiel von allgemeinem Zivilrecht und Besonderheiten des Arbeitsvertragsrechts hervorgehoben, die die gründlichen Ausführungen Rebhahns zur Anrechnung des tatsächlichen oder versäumten Erwerbs im Rahmen des § 1155 ABGB (Rz 54 ff) bieten und zeigen, dass mitunter erst die Besinnung auf zivilrechtliche Grundlagen einer arbeitsrechtlichen Vorschrift den arbeitsrechtlichen Schutzzweck besser verwirklichen kann als die schlichte isolierte Betrachtung einer speziellen Norm.

In einem ganz anderen Kontext rügt etwa Pfeil völlig zutreffend die Missachtung zivilrechtlicher Grundlagen durch eine systematisch gänzlich verfehlte Gesetzgebung bei den besonderen Freistellungsregelungen und Teilzeitmodellen in den §§ 11 ff AVRAG, wo der Formulierung nach scheinbar nur unter besonderen Voraussetzungen und Einschränkungen vertragliche Regelungen zwischen AG und AN zugelassen werden, in der Sache aber keinerlei Schranken der Privatautonomie gesetzt, sondern nur die Bedingungen für die in anderen Gesetzen geregelten öffentlich-rechtlichen Förderungen festgelegt werden (vgl Rz 1 zu § 11-12 und zu § 13, Rz 2 f zu § 13a, Rz 1 zu § 14, Rz 1 zu §§ 14c, 14d, Rz 1 zu § 15). Gleichwohl spielen diese Sondervorschriften für bestimmte weitere arbeitsrechtliche Schutzregelungen doch eine Rolle, so dass insgesamt ein vergleichsweise großer Aufwand an Interpretation und Kommentierung erforderlich wird, dem freilich Pfeil in verdienstvoller Weise – und selbstverständlich auch für die neueren Regelungen der Wiedereingliederungsteilzeit sowie der Pflegekarenz und -teilzeit – durch klare Trennung von Zivilrecht und diversen Förderungsmaßnahmen Rechnung trägt.

Zum neuen Ausbildungspflichtgesetz (APflG) weist Drs (Rz 19 und 19/1 zu §§ 167-176 ABGB) darauf hin, dass durch dessen Regelungen zur Ausbildungspflicht Jugendlicher die Unstimmigkeit im Bereich der Geschäftsfähigkeitsregelungen, wonach bei Arbeitsverträgen mit Minderjährigen von den Eltern wohl ein gültiger Abschluss von Lehr- und Ausbildungsverhältnissen verhindert (bzw bei Einschaltung des Gerichtes durch den Minderjährigen zumindest verzögert) werden kann, nicht jedoch die Annahme eines einfachen Hilfsarbeiterjobs, einigermaßen entschärft worden sein dürfte, weil insoweit ohne einen vom Arbeitsmarktservice (AMS) oder Sozialministeriumservice (SMS) erstellten Perspektiven- oder Betreuungsplan ein solches Arbeitsverhältnis gar nicht mehr zulässig ist. Aus zivil- und arbeitsrechtlicher Sicht wäre es freilich effektiver gewesen, wenn der Gesetzgeber unmittelbar bei der Geschäftsfähigkeitsregelung angesetzt und schon dort eine widerspruchsfreie, die arbeitsvertragsrechtlichen und familienrechtlichen Schutzzwecke insgesamt besser verwirklichende Regelung gefunden hätte.

Zu den verschiedenen arbeitsrechtlichen Neuerungen im Vergleich zu der Vorauflage sei beispielhaft die ansprechende Einarbeitung der Neuregelungen des Kran-273kenstandsrechts (BGBl I 2017/153) in die bisherige Kommentierung des AngG durch Drs (speziell § 8 Rz 91 ff sowie § 9 Rz 15 und 15/1 und Art X Rz 4 ff) hingewiesen. Zur schwierigen Einordnung der einvernehmlichen Auflösung hinsichtlich der Entgeltfortzahlung im Krankenstand nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der nunmehrigen begrüßenswerten Neuregelung wendet sich Drs (§ 9 AngG Rz 15/1) mit Recht gegen die Ansicht, dass es für die Anwendbarkeit der letzteren auf den Abschlusszeitpunkt der Auflösungsvereinbarung ankommen könnte, weshalb – wie das der Gesetzeswortlaut ohnehin klar formuliert – allein das Arbeitsverhältnisende vor oder ab dem 1.7.2018 entscheidend sein muss.

Der mit § 2f AVRAG neu geregelte umfassende AN-Anspruch auf Abrechnung der Bezüge wird von Reissner übersichtlich und klar kommentiert, wobei insb auch der Meinung (in Rz 9) beizupflichten ist, dass eine klageweise Durchsetzung möglich ist. Der dazu gemachte Verweis auf das Dienstzettelrecht wäre aber wohl um den noch sachnäheren Hinweis zu ergänzen, dass schon bisher für spezielle gesetzliche Vorschriften zur Entgeltabrechnungspflicht (wie zB in § 10 Abs 4 AngG betreffend Provisionsabrechnung) an der Klagbarkeit keinerlei Zweifel bestanden hat. Soweit auch Preiss (in Rz 53 zu § 10 AngG) das hohe Schutzniveau des § 2f AVRAG betont, ist ihm ohne weiteres zuzustimmen. Problematisch ist aber seine These, dass durch diese neue Regelung der Anspruch auf Buchauszug gem § 10 Abs 5 AngG hinfällig geworden und von einer materiellen Derogation auszugehen sei. Denn die Ansprüche auf Abrechnung und auf Buchauszug sind sowohl von der Anspruchsgrundlage als auch vom Inhalt und Zweck des Anspruchs her ganz unterschiedlich. Vor allem soll der Anspruch auf Buchauszug auch der Kontrolle gelegter Abrechnungen dienen und ist schon deshalb ein Aliud, das vom neuen § 2f AVRAG in keiner Weise berührt sein kann.

Die vorstehenden, letztlich willkürlich herausgegriffenen Beispiele sollen im Grunde bloß deutlich machen, dass und wie sehr der Kommentar nicht nur die jeweiligen gesetzlichen Regelungen systematisch und detailreich aufarbeitet, um der Praxis die zum Verständnis und zur konkreten Anwendung notwendigen Informationen zu vermitteln, sondern auch zum Weiterdenken und zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung anregt. Damit stellt sich der Zeller Kommentar weiterhin als grundlegender und umfassender Arbeitsbehelf dar, der vor allem auch eine verlässliche und detailreiche erste Orientierung im stets unübersichtlicher werdenden Geflecht von ausufernder Gesetzgebung, kollektiver Normsetzung und Rechtsanwendung durch Gerichte sowie Verwaltungsbehörden bietet und damit für alle unentbehrlich ist, die sich in welcher Funktion immer mit Fragen des Arbeitsrechts befassen.