BockInvestorenvereinbarungen zur Sicherung von Arbeitnehmerinteressen. Ein Beitrag zur Lehre vom Koalitionsvertrag
Duncker & Humblot Verlag, Berlin 2018, 377 Seiten, € 109,90
BockInvestorenvereinbarungen zur Sicherung von Arbeitnehmerinteressen. Ein Beitrag zur Lehre vom Koalitionsvertrag
Veränderungen der Gesellschaftsstruktur von Unternehmen haben oft weitreichende Folgen für die Interessen der in deren Betrieben beschäftigten AN. Anders als bei einem Betriebsübergang („Assett Deal“) bleibt in solchen Fällen („Share Deal“) der AG formal unverändert. Besondere gesetzliche Regelungen zum Schutz der AN-Interessen bestehen nicht, obwohl von solchen Investitionen, Übernahmen und Beteiligungen mannigfaltige Gefährdungen für die AN in den betroffenen Betrieben ausgehen. Häufige Risiken sind zB,275 dass die InvestorInnen die Kennzahlen des Zielunternehmens heben wollen, um es sodann gewinnbringend weiter zu veräußern, oder dass das Zielunternehmen in den eigenen Unternehmensverbund des Investors eingegliedert werden soll. In der Folge könnten Standorte geschlossen oder umfangreiche Rationalisierungsmaßnahmen forciert werden. InvestorInnen, die auf diese Weise Gewinnmaximierung betreiben, werden zu Recht als „Heuschrecken“ bezeichnet.
Investorenvereinbarungen sollen die Interessen der AN absichern. Die deutsche Rechtspraxis kennt derartige Vereinbarungen, beispielsweise die die zwischen ACS und der Industriegewerkschaft BAU und jene zwischen der Firma Schaeffler und der Industriegewerkschaft Metall. Sie werden in der vorliegenden umfangreichen und tiefgründigen Untersuchung von Christian Bock umfassend dargestellt und rechtlich geprüft.
Im Mittelpunkt der Monographie stehen die rechtlichen Instrumente, die für solche Vereinbarungen zur Verfügung stehen, deren mögliche Inhalte, die Grenzen, die von der Rechtsordnung der Gestaltungsfreiheit gesetzt werden, die verschiedenen Formen solcher Verträge und nicht zuletzt dankenswerter Weise auch die Frage ihrer Durchsetzung mittels Arbeitskampfes. Schon der Untertitel weist darauf hin, dass dem Typus des „Koalitionsvertrages“ besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Bock unterscheidet zum einen unter dem Aspekt der Vertragsparteien zwischen Vereinbarungen zwischen Investor und Gewerkschaft und Vereinbarungen zwischen Investor und Zielgesellschaft. An Instrumenten stehen der Tarifvertrag, der Koalitionsvertrag und der Schuldvertrag zur Verfügung.
Hervorzuheben ist vor allem die umfassende und tiefschürfende Auseinandersetzung mit dem Koalitionsvertrag. Dabei handelt es sich um außertarifliche Sozialpartnervereinbarungen. Konstatiert wird eine Zunahme solcher Vereinbarungen und damit einhergehend eine verstärkte rechtsdogmatische Auseinandersetzung mit dieser auf den ersten Blick eher ungewöhnlichen Variante an Kollektivvereinbarungen. Mit diesem Instrument können Regelungen in Bereichen getroffen werden, für die der Tarifvertrag nicht in Frage kommt, weil etwa die Regelungsbefugnis fehlt oder sich die formalen Anforderungen beim Tarifvertrag als Hindernis erweisen. Verfassungsrechtlich besteht in Deutschland eine Gewährleistung solcher außertariflichen Regelungskompetenzen (was auch für Österreich zutrifft!). Das Tarifsystem kann, wie Bock richtig betont, keineswegs als ausschließliche Form der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen angesehen werden. Grundlage des Koalitionsvertrages ist für Deutschland Art 9 Abs 3 GG (Grundgesetz). Daraus ergeben sich in weiterer Folge auch gewisse Grenzen dieses Instrumentariums.
Im Ergebnis wird vertreten, dass der Koalitionsvertrag ein eigenständiger Vertragstypus ist, mit eigenständigen Rechtswirkungen und einer eigenständigen Schrankensystematik. Ermöglicht ist eine koalitionsvertragliche Einigung über alle Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen iSd Art 9 Abs 3 GG, allerdings nur mit schuldrechtlicher Wirkung. Der Kreis möglicher Vertragspartner ist deutlich weiter als nach dem TVG (Tarifvertragsgesetz). Hauptschwäche des Koalitionsvertrages ist es, dass Verpflichtungen zu Lasten Dritter nicht geregelt werden können. Das schließt Verbandsverträge praktisch aus. Es handelt sich also meist um „firmenbezogene“ Regelungen. Hinsichtlich der Bindung an höherrangiges Recht (zB Gesetzesrecht, Unionsrecht) sind für den Verfasser die Grenzen enger gezogen als beim Tarifvertrag, aber weiter als beim Schuldvertrag.
Der Schuldvertrag kann herangezogen werden, wenn eine Materie dem Begriffspaar der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen nicht zugeordnet werden kann. Er unterliegt keinen Restriktionen in personeller und sachlicher Hinsicht, es genügt das Vorliegen von Rechtsfähigkeit bei den Vertragspartnern. Auf der für den Schuldvertrag geltenden verfassungsrechtlichen Grundlage von Art 2 Abs 1 GG ist inhaltlich die Regelungsmacht, unter Beachtung der allgemeinen zivilrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Schranken, unbegrenzt. Allerdings muss nach Bock auf die Abschlussfreiheit geachtet werden, was zu Einschränkungen bei der kampfweisen Durchsetzung von Forderungen führt.
Besonderes Augenmerk verdienen die Ausführungen zu den inhaltlichen Möglichkeiten und Grenzen der verschiedenen Formen von Investorenvereinbarungen. Der Tarifvertrag kommt für deren typische Regelungsinhalte – wegen der Beschränkungen des § 1 Abs 1 TVG – kaum in Frage. Den InvestorInnen wiederum kommt eine Koalitionseigenschaft nicht zu. Der Koalitionsgegner der AN-Seite ist nach materialen Gesichtspunkten zu ermitteln.
Ein umfangreicher Abschnitt des Buches ist den zulässigen Regelungsgegenständen einer Investorenvereinbarung gewidmet. Dabei wird auf die aktienrechtliche Kompetenzordnung umfassend eingegangen. Ausführlich geht hier es um die Grundrechtspositionen des Investors als Schranken für bestimmte (uU auch erstreikbare) Regelungen: Berufs- und Unternehmerfreiheit, Vertragsfreiheit, Eigentumsfreiheit. Vor allem sei dabei zu beachten, dass das erworbene Anteilseigentum an der Zielgesellschaft eine von Art 14 Abs 1 GG geschützte Rechtsposition darstellt. Weitgehende Beschränkungen der wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit können sittenwidrig sein. Dem Vertragspartner müssen nach Ansicht des Verfassers substanzielle eigene Entscheidungsspielräume im geschäftlichen Bereich verbleiben. Bei den hier getroffenen Abwägungen schlägt eine deutlich wirtschaftsfreundliche Auslegung – gegen weitergehende Regelungsmöglichkeiten – durch. Dass die Wertschöpfung fast ausschließlich von den AN getragen wird, ist an dieser neoliberalen, in Deutschland aber herrschend gewordenen Deutung der Grundrechte spurlos vorbeigegangen. IdS soll Art 14 Abs 1 GG einen beeinträchtigungsfreien Kernbereich der Herrschaft des Anteilseigentümers absichern.
Ausführlich und geradezu spannend werden in der Folge exemplarische Regelungsgegenstände erörtert, zB der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen, Standortzusagen, Investitionszusagen, Gewinnverwendungsfragen, Verbot eines Rechtsformwechsels, Entsenderechte einer AN-Vertretung, Bestimmung von ArbeitsdirektorInnen usw. Zu all diesen Fragen wird dem Leser eine gründliche und sorgfältige Analyse geboten. Die Beispiele zeigen, dass diese Instrumente auch für Österreich vermehrt eingesetzt werden sollten und übrigens auch eine dogmatische Untersuchung der bestehenden Möglichkeiten und Grenzen im österreichischen Rechtsraum sinnvoll wäre. Die Rechtsgrundlagen276 sind allerdings in Österreich deutlich andere und bieten nach meiner Einschätzung mehr Gestaltungsräume als in Deutschland.
Die Fragestellungen der Untersuchung wären ohne die Erörterung arbeitskampfrechtlicher Fragen unvollständig. Grundsätzlich bejaht Bock die Erkämpfbarkeit von Koalitionsverträgen. Diese seien in der Nähe des Tarifsystems angesiedelt. Art 9 Abs 3 GG schließt tarifunfähige Koalitionen nicht vom Recht auf Führung von Arbeitskämpfen aus.
Im 3. Teil der Monographie werden Investorenvereinbarungen zwischen Investor und Zielgesellschaft behandelt. Dabei geht es wiederum um die Sicherung von Standorten und Arbeitsstandards. Im Mittelpunkt dieser Fragestellung steht das Aktienrecht, insb dessen Kompetenzgefüge. Ziele solcher Vereinbarungen sind Planungssicherheit und die Vermeidung von Konflikten mit den Belegschaften. Insofern können zwischen Investor und Zielgesellschaft durchaus gleichlaufende Interessen vorliegen. Aktienrechtlich bestehen hier (ebenfalls) nicht unerhebliche Hindernisse.
Zusammenfassend sei festgestellt, dass die breite monographische Untersuchung eines viel zu wenig beachteten Randphänomens im kollektiven Arbeitsrecht einen ausgezeichneten Einblick in Instrumente einer Sicherung der AN-Interessen in einer marktradikal globalisierten Entfesselung des Geldkapitals bietet. Der Verfasser hat sich vor allem gründlich und auf hohem theoretischen Niveau mit den grundrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Vorfragen auseinandergesetzt. Das Buch bietet viel Stoff zum Nachdenken, auch für die österreichische Arbeitsrechtspolitik und kollektive Rechtsgestaltung.