FröbDie Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Arbeitsrecht

Springer Verlag, Heidelberg 2018, 372 Seiten, kartoniert, € 59,99

BARBARATROST (LINZ)

Das Buch, das als Dissertation an der Friedrich-Schiller-Universität Jena im Jahr 2017 approbiert wurde, trifft thematisch einen Nerv – also den „Zeitgeist“, wenn man so will – und muss wohl, was Inhalt und Wirkung betrifft, auch genau an den Erfordernissen, um einem immer stärker um sich greifenden „Zeit(un)-geist“ Herr zu werden, gemessen werden. Wäre nämlich der Maßstab nur ein wissenschaftlicher, so dürfte die Rezension auch gleich hier enden: Dieses Werk ist wissenschaftlich gründlich, durchdringt vorhandenes Material – nicht nur juristisches, sondern auch sozialwissenschaftliches – dankenswert genau und liefert eine solide Basis für weitergehende, aufbauende Forschungen. Dem wäre ansonsten nichts hinzuzufügen.

Weil aber die Schlagworte aus dem Titel keine bloß akademischen sind, sondern vielmehr solche, die im wahrsten Sinne des Wortes „die Straße“ zu beherrschen drohen, muss die Frage gestellt werden, ob die hier betrachtete juristische Materie an sich sowie die Auseinandersetzung des Autors mit derselben potentiell geeignet sind, der Lösung von Problemen der Zeit einen Schritt näher zu kommen. Das Buch behandelt Rechtsvorschriften – § 80 I Nr 7 Hs 2 BetrVG, § 88 Nr 4 Hs 2 BetrVG, § 99 II Nr 6 BetrVG und § 104 S 1 BetrVG – und sogleich wird die ältere Leserin an Grundsatzdiskussionen erinnert, welche in den Siebziger- und frühen Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts, an der Wurzel des Diskriminierungsthemas an sich also (seinerzeit praktisch ausschließlich Grundhaltungen zur Behandlung geschlechtsbezogener Spezifika), geführt worden waren: Sind Rechtsvorschriften überhaupt geeignet, demokratiepolitisch bedenkliche Meinungen, Geisteshaltungen, Grundeinstellungen effizient einzudämmen und deren gesellschaftsschädliche und die Menschenwürde beeinträchtigende Auswirkungen in Schach zu halten oder gar auszurotten? Oder aus heutiger Sicht anders gefragt: Ist der Umstand, dass sich während der vergangenen vier (!) Jahrzehnte zwischendurch ein bisschen etwas zugunsten der Gleichbehandlung der Geschlechter verbessert hat, primär den Rechtsvorschriften gedankt? Oder doch eher einzelnen Personen in Betrieben und vor allem (politischen) Institutionen, welche durch ihr Leben an sich entsprechend positiven Einfluss geübt haben?

Die oben zitierten Rechtsvorschriften mit dem Fokus „Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ gehen in ihren Anfängen auf das Jahr 2001 zurück, bestehen also gegenwärtig seit 18 Jahren – etwa jenem Zeitraum, innerhalb dessen europaweit so genannte „rechte“ Parteien einen Aufschwung bis zur staatstragenden Macht erfahren haben. Aber Achtung! Bevor man in Zukunft Begriffe wie „rechts“, „rechtsradikal“ „rechtsextremistisch“, „rassistisch“ und ähnliche mehr auszusprechen gedenkt, empfiehlt es sich, bei Christoph Fröb (ab S 7) eingehend nachzulesen: Die landläufig bekannten Begriffe scheinen sich doch zum Teil sehr wesentlich von dem zu unterscheiden, was die sozialwissenschaftliche Forschung hierzu ergründet und die juristische Terminologie daraus gemacht hat. In diesem Zusammenhang sei vor allem auf die auf dem aristotelischen Ansatz beruhende faszinierende Diskussion der Frage nach Gemeinsamkeiten von „rechtem“ und „linkem“ Extremismus und die daraus gewonnene Erkenntnis hingewiesen, dass Extremismus im einen wie im anderen Fall die Ablehnung der fundamentalen Prinzipien des Verfassungsstaates voraussetze (S 7 bis 12), während „radikal“ demgegenüber lediglich eine278 Kompromisslosigkeit im Ansatz beschreibe. Überspitzt könnte man formulieren: Wer „radikal“, und sei es auch mit noch so „extremen“ Mitteln, „für“ die Grundfesten des Verfassungsstaates eintritt, kann niemals ein „Extremist“ sein – ein Ergebnis philosophischer Gedankenspiele, das durchaus auch nachdenklich machen könnte. Schon aus diesem kleinen Ausschnitt erklärt sich, warum Fröb allein der Abklärung der Begriffe aus sozialwissenschaftlicher und juristischer Sicht immerhin 76 Seiten einräumt und auch später, zB im Kontext der Einfügung der diesem Thema gewidmeten Normen in die Betriebsverfassung, mit Kritik an der terminologischen Ungenauigkeit Anderer nicht spart (so zB S 169, insb FN 1015).

Unmittelbar im Anschluss an die terminologische Feinmechanik wird es arbeitsrechtlich (und gesellschaftspolitisch) höchst spannend (S 83 ff): Art 3 III 1 Var. 9 GG verbietet die Benachteiligung aufgrund der politischen Anschauung – jedweder? Hier erfahren LeserInnen, dass es einen Unterschied mache, ob man die politische Anschauung bloß hat oder auch äußert bzw betätigt. Es gehe also um die „Zuweisung und Ausübung von Macht vor allem im Staat...“, was Fröb zu der Auffassung führt, dies wäre im betriebsverfassungsrechtlichen Kontext nicht relevant, obwohl die von ihm zitierten Autoren (FN 495) in der Fortsetzung des Zitats durchaus neben staatlicher Macht auch von (nur) gesellschaftlicher Macht sprechen. Auf S 87 bringt der Autor das Dilemma auf den Punkt: „Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind keine Meinungen, wiewohl es rassistische und fremdenfeindliche Meinungen gibt.“ (Interessant hierzu übrigens die Ausführungen zur Rechtfertigung der Meinungseinschränkung gem Art 5 II GG, S 89 ff). Und spätestens nach dieser Erkenntnis wird man neugierig, welche Antworten allenfalls das Betriebsverfassungsrecht gibt, wenn derartige „Meinungen“ (welche keine sind) zwar nicht staatstragend, aber doch betriebsverfassungsrechtlich – nämlich als Faktor gesellschaftlicher Macht – relevant werden. Tatsächlich findet man auf S 238 ff die Folgen erörtert, welche sich (insb auf der Grundlage des § 23 I 1 BetrVG) an ein rassistisches oder fremdenfeindliches Verhalten von Betriebsratsmitgliedern oder einem gesamten Betriebsratskollegium knüpfen. Die folgenden Seiten führen deutlich vor Augen, dass (auch) das Betriebsverfassungsrecht für eine wechselseitige Kontrolle – BR gegenüber AG, AG gegenüber BR(-Mitglied), BR und AG gegenüber AN, Gewerkschaft gegenüber BR ... – Sorge getragen hat.

Nach gründlicher Lektüre scheint es aber, als habe man im gesamten Konstrukt des Schutzes vor Rassismus und Fremdenfeindlichkeit dennoch einen Aspekt übersehen: Was passiert, wenn Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zur gesellschaftlichen Macht werden? Anhand des Beispiels des Betriebsverfassungsrechts vereinfacht dargestellt: Eine mehrheitlich rechte (radikal-rechte, ja womöglich gar rechtsextreme) Belegschaft wählt einen sich selbst als rassistisch und fremdenfeindlich deklarierenden BR – und das Ganze findet Billigung durch den AG. Eine Antwort auf diese Frage gibt weder das Betriebsverfassungsrecht noch der Autor. Vielmehr schlägt an verschiedenen Stellen immer wieder der unerschütterliche Glaube an den „guten“ BR durch (vgl zB S 170 ff, wo im Zusammenhang mit der Vertretungslegitimation von der Belegschaft als einem „Zwangsverband“ die Rede ist), welcher den einzelnen fehlbaren AN in seinem Verhalten korrigiert.

Die eingangs angerissene Frage nach dem Beitrag des Autors zur Lösung des gesellschaftlichen Problems lässt sich am Ende leicht beantworten: Die vorliegende Studie hat Denkanstöße gegeben und ist geeignet, Diskussionen auf den Weg zu bringen und voranzutreiben – mehr sollte man, gesellschaftspolitisch betrachtet, von einer Dissertation gar nicht erwarten. Ob aber – und hiermit zur zweiten Frage – die gegenständlichen Rechtsvorschriften, namentlich jene des Betriebsverfassungsrechts, die effiziente Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit bewerkstelligen können, hängt wohl von Voraussetzungen im Tatsächlichen ab: Bleiben die berufenen Institutionen untätig, so werden die Normen ineffektiv; werden die berufenen Institutionen selbst rassistisch und fremdenfeindlich unterwandert, so muss sich das (hier: betriebsverfassungsrechtliche) System zur Bekämpfung dieser „Meinungen, die keine sind“ als gescheitert betrachten.