WorschBesonderheiten im Theaterarbeitsrecht
Verlag des ÖGB, Wien 2018, 168 Seiten, kartoniert, € 29,90
WorschBesonderheiten im Theaterarbeitsrecht
Bei dieser Publikation des ÖGB-Verlags, der seine Tradition der Betreuung dieses Rechtsgebietes damit weiter wahrnimmt, handelt es sich ursprünglich um eine Diplomarbeit mit dem Fachgebiet des Theaterarbeitsgesetzes (TAG). Der Rezensent muss auch offenlegen, dass er einer der Autoren des Kommentars des TAG im ÖGB-Verlag ist. Aufgrund der Affinität zu diesem Rechtsgebiet ist die Freude, dass nun eine weitere kritische Behandlung dieses Themas und der im Kommentar geäußerten Rechtsmeinungen vorliegt, groß. Worsch leistet mit ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag, das Theaterarbeitsrecht weiter zu entwickeln und in der Rechtsordnung zu verorten.
Die Autorin behandelt ausgewählte Sonderregelungen des TAG, denen vergleichbare Bestimmungen des allgemeinen Arbeitsrechtes gegenübergestellt sind. So stehen der Geltungsbereich, das Recht auf Beschäftigung wie das besondere Beendigungsrecht und die sogenannte Nichtverlängerung im Fokus der Untersuchung.
Die Autorin ist aufgrund ihrer familiären Herkunft eng mit dem Theater verbunden und ist daher Insiderin, was die tatsächlichen Verhältnisse der Arbeitsbeziehungen am Theater betrifft und kennt die wirtschaftlichen, künstlerischen und arbeitsrechtlichen Notwendigkeiten und Bedürfnisse der betroffenen Personen und Unternehmen daher aus erster Hand.
Es verwundert den Rezensenten daher nicht, dass sie das „heiße Eisen“ der Beendigungssystematik von Bühnendienstverträgen angreift.
Worsch prüft hierbei eingangs die Thematik von unzulässigen Kettenbefristungen – Theaterarbeitsverhältnisse sind nach dem Gesetzeswortlaut des § 24 Abs 3 TAG immer befristet – und kommt zum Schluss, dass unzulässige Kettenbefristungen immer zu einem aufrechten Arbeitsverhältnis führen müssten, da an sonsten die „Konsequenz eines unzulässigen Kettendienstverhältnisses der Verlust des Arbeitsplatzes
“ wäre. Die Autorin kritisiert hier die Kommentarmeinung, dass eine unzulässige Kettenbefristung immer im Beendigungssystem des TAG aufzulösen ist. Dies führt im Rahmen der Thematisierung einer unzulässigen (zB untersaisonalen) Kettenbefristung dazu, nachdem Theaterarbeitsverhältnisse zumindest auf das Saison ende befristet sind, dass eine Kündigungsentschädigung bis zu diesem Zeitpunkt zusteht bzw zumindest im Rahmen eines Rechts auf Beschäftigung ein aufrechtes Arbeitsverhältnis bis zu diesem Zeitpunkt besteht. Würde man diese Systematik außer Acht lassen, wäre kein Gleichlauf zwischen unzulässig befristeten Bühnendienstverträgen und in der gesetzlichen Systematik zulässigen (also auch befristeten) Bühnendienstverträgen gegeben und mE der Pfad der verfassungskonformen, sachgerechten Interpretation verlassen worden (zur Anwendbarkeit der Nichtverlängerungserklärung siehe unten).
Folgendes Beispiel mag die Rechtsfolgen der Rechtsmeinung der Autorin verdeutlichen:
Wird ein Bühnendienstvertrag ohne Zeitangabe abgeschlossen, ist dieser automatisch gesetzlich befristet und läuft mit Saisonende aus. Wird jedoch innerhalb der Saison für eine gleichartige künstlerische Tätigkeit dreimal ein Bühnendienstvertrag abgeschlossen, liegt eine unzulässige Kettenbefristung vor und der Bühnendienstvertrag verlängert sich bis zum Saisonende. Würde die Rechtsfolge im letzten Fall ein unbefristetes Bühnendienstverhältnis sein (was gegen die ausdrückliche gesetzliche Anordnung anzunehmen wäre), käme es nicht zu einer Gleichstellung zu einem im Vergleich rechtskonformen Vertrag, sondern zu einer Ausdehnung der Rechtsposition – vergleichbar eventuell mit der Funktion eines Strafschadens, wozu sich im TAG und im Rahmen des Schadenersatzprinzips des § 1162b ABGB kein Anhaltspunkt findet. Zusätzlich wäre dieses Bühnendienstverhältnis nicht kündbar, da die Mög-282lichkeit der Kündigung eines Bühnendienstverhältnisses gesondert vereinbart werden müsste (§ 25 TAG). Fraglich ist, ob man dann nicht Abhilfe in den arbeitsrechtlichen Bestimmungen des ABGB finden könnte. Aufgrund der Subsidiarität der 3. Teilnovelle des ABGB sind diese Bestimmungen aber subsidiär gegenüber Sonderarbeitsrecht. Daher werden aufgrund der Ausdifferenziertheit des Beendigungssystems des TAG die Kündigungsbestimmungen der §§ 1159 ff ABGB nicht zur Anwendung kommen können.
Überdies muss bei dieser Konstellation § 27 TAG beachtet werden, dass bei Bühnendienstverträgen, die für mindestens ein Jahr Dauer abgeschlossen sind bzw über diese Dauer bestehen müssten, die Notwendigkeit einer Nichtverlängerungserklärung vorsieht, deren Nichtabgabe zur automatischen Verlängerung des Bühnendienstvertrages um eine Saison führt. Wären zusätzliche Befristungsvereinbarungen im Bühnendienstvertrag nichtig, käme es im entsprechenden Fall ebenfalls zu einer Verlängerung des Bühnendienstvertrages.
Im Folgenden befasst sich Worsch mit dem Charakter der Nichtverlängerungserklärung und kommt zum Schluss, dass diese mit einer Kündigung gleichzusetzen sei. Dieser Rechtsansicht ist jedenfalls zuzustimmen, lässt sich mE das Beendigungssystem des TAG als Sonderkündigungsrecht zu einem Termin im Jahr im Zusammenhang mit einer unionsrechtskonformen Interpretation zur RL 1999/70/EG (RL zur Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge) argumentieren.
Ohne ein solches Beendigungssystem sind auch im künstlerischen Bereich, wie die jüngste E des EuGH zum italienischen Bühnenrecht zeigt (EuGH 25.10.2018, C-331/17, Sciotto/Opera di Roma), ohne Umsetzung einer der in der Richtlinie geforderten Maßnahmen Kettenbefristungen als unzulässig angesehen.
Im Bereich der Nichtverlängerungserklärung ist die Gretchenfrage, ob eine Anfechtung der Nichtverlängerungserklärung gem § 105 ArbVG, also aufgrund des allgemeinen Kündigungsschutzes, möglich ist. Die herrschende Meinung geht davon aus, dass aufgrund des Grundrechts der Freiheit der Kunst für Bühnenmitglieder iSd TAG diese Kündigungsbekämpfungsmöglichkeit nicht offensteht. Worsch sieht diesen Ansatz aber als zu weitgehend an und argumentiert, dass ein Ausschluss von der Anfechtungsmöglichkeit von künstlerisch planenden Personen wie IntendantInnen zur Berücksichtigung des Grundrechtes ausreichend wäre. Ob diesfalls dann aufgrund einer eventuell leitenden Stellung iSd ArbVG eine Anfechtungsmöglichkeit im Rahmen des allgemeinen Kündigungsschutzes überhaupt offensteht, ist zwar einzelfallabhängig, führt aber von der grundsätzlichen Frage der Vornahme einer Grundrechtsabwägung weg zur arbeitsverfassungsrechtlichen Abwägung, die das TAG in sein Beendigungssystem nicht einbezieht.
Man befindet sich in diesem Bereich natürlich im Rahmen einer Abwägung, die bei unterschiedlicher Gewichtung der Argumente auch verschieden ausfallen kann. ME zeigt sich an der Thematik deutlich das Fehlen sozialer Grundrechte in unserer Verfassung, weil ansonsten bereits auf Grundrechtsebene eine Abwägung erfolgen müsste und nicht auf Gesetzesebene mühsam eine Argumentation zur Wahrung von AN-Rechten gefunden werden müsste. Der Rezensent selbst findet die augenblickliche Situation unbefriedigend. Da aber bis dato keine rechtskräftige Entscheidung auch in erster Instanz vorliegt, liefert Worsch gute Argumente für zukünftige Rechtsgänge vor Gericht.
Auch wenn nicht jeder Rechtsansicht der Autorin gefolgt wird, ist vorliegende Publikation anregend frisch sowie mutig gehalten und liefert ausreichend Diskussionsstoff im Bereich des Theaterarbeitsrechts und ist lesenswert und spannend.