Fuchs/MarholdEuropäisches Arbeitsrecht

5. Auflage, Verlag Österreich, Wien 2018 XXVI, 634 Seiten, gebunden, € 99,–

STELLAWEBER (SALZBURG)

Das Handbuch Europäisches Arbeitsrecht ist nunmehr in der fünften Auflage erschienen. Es wurden die Auswirkungen der aktuellen Entwicklungen der EU auf das europäische Arbeitsrecht und die seit der Veröffentlichung der Vorauflage im Jahr 2014 neu ergangene Rsp des EuGH eingearbeitet. Vor allem in den Bereichen des Antidiskriminierungsrechts, Arbeitszeit- und Urlaubsrecht sind zahlreiche Entscheidungen ergangen.

Das Handbuch ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil werden die Funktion und die Aufgabe des europäischen Arbeitsrechts erläutert. Mit dem größten Umfang beschreibt der zweite Teil die Regelungsbereiche des europäischen Arbeitsrechts, beginnend mit dem Recht der Freizügigkeit der AN, über das Individualarbeitsrecht und das kollektive Arbeitsrecht, bis zum Arbeitsschutzrecht. Das europäische Arbeitskollisionsrecht bildet den dritten Teil und wurde in dieser Auflage von Michael Friedrich überarbeitet. Durch diesen stimmigen Aufbau wird einerseits die Systematik des europäischen Arbeitsrechts sehr verständlich dargestellt und andererseits dessen Relevanz für das innerstaatliche Arbeitsrecht verdeutlicht.

Ausgangspunkt des ersten Teils ist der historische Hintergrund der Freizügigkeit der AN und die Entwicklung der Europäischen Union. Aufgrund der verheerenden Auswirkungen des zweiten Weltkrieges entstand der Wunsch nach einer europäischen Gemeinschaft, die zur Friedenssicherung beiträgt und auch eine Brücke zwischen Deutschland und Frankreich herstellt. So wurde die erste wirtschaftliche Kooperation europäischer Staaten, die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, gegründet. Auch bei der Umsetzung einer Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft war der Gedanke der Friedenssicherung nach wie vor präsent, aber sehr wohl auch das Ziel eines gemeinsamen Marktes, der in Wettbewerb mit den USA und Japan treten kann. Untrennbar mit einem gemeinsamen Markt ist das grenzüberschreitende Arbeiten verbunden. Deshalb wurde die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft begründet, die die Hindernisse für den freien Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr beseitigen soll.

In den folgenden Kapiteln beschreiben die Autoren sämtliche Funktionen und Einflussbereiche der283 EU auf das Arbeitsrecht, wie das kollektive europäische Arbeitsrecht, das Arbeitsschutzrecht, die sozialen Grundrechte, den Einfluss der europäischen Beschäftigungs-, Wirtschafts- und Stabilitätspolitik und viele mehr, bis schließlich ein Ausblick in die Zukunft des europäischen Arbeitsrechts gegeben wird: Obwohl Wettbewerbsverzerrungen befürchtet wurden, wurde eine Harmonisierung des Arbeitsrechts der einzelnen Mitgliedstaaten nur in einzelnen Angelegenheiten (zB gleiches Entgelt für Männer und Frauen, bezahlter Urlaub) geschaffen. Das europäische Arbeitsrecht hat also fragmentarischen Charakter. Nichtsdestotrotz hat die EU bedeutende Normen erlassen, die wichtige Bereiche des Arbeitsrechts beeinflusst haben.

Die Autoren bemängeln allerdings einen Stillstand dieser Gesetzgebung seit dem Jahr 2002. Seither sind zwar auch einige Rechtsakte ergangen, allerdings waren diese häufig bloße Aktualisierungen bereits bestehender Normen ohne bedeutsame inhaltliche Änderungen, meist gaben Entscheidungen des EuGH Anlass zu diesen Neuregelungen. Lediglich die RL 2008/104/EG über Leiharbeit bildet eine Ausnahme dieser Stagnation. Allerdings wurde das Prinzip der Gleichbehandlung nach Art 5 RL 2008/104/EG durch die unterschiedlichen Vorstellungen der Mitgliedstaaten eingeschränkt. Verschiedene Faktoren, wie die Schwierigkeiten des Entscheidungsprozesses, den nötigen Konsens von 28 Mitgliedstaaten zu erreichen, tragen zu dieser stockenden Entwicklung bei. Mit der Einführung der Säule sozialer Rechte hat die Kommission versucht, die Arbeitsrechtsentwicklung zu fördern und zumindest einer Resignation entgegenzuwirken. Da aber seit 17 Jahren kein Rechtsakt mehr erlassen wurde, kommt dem EuGH umso größere Bedeutung zu. Zusätzlich ist das europäische Arbeitsrecht aufgrund des Austritts Großbritanniens aus der EU Schwierigkeiten ausgesetzt. Immerhin sind viele Meilensteine des europäischen Arbeitsrechts, wie die Grundfreiheit der AN-Freizügigkeit, die Dienstleistungsfreiheit, sämtliche Errungenschaften des europäischen Arbeitsrechts (zB Betriebsübergangsregelungen) und das kollektive europäische Arbeitsrecht durch den Brexit gefährdet. Den Autoren ist es in diesem Kapitel gelungen, auf die Gefahren und Probleme aufmerksam zu machen, denen das europäische Arbeitsrecht aktuell ausgesetzt ist. Aus der Kritik der Autoren ergibt sich, dass im europäischen Arbeitsrecht momentan primär der EuGH richtungsweisend tätig wird. Daher sollen im Folgenden zwei aktuelle Entscheidungen des EuGH herausgegriffen werden, die in dieses Handbuch eingearbeitet wurden.

Verstößt ein AG gegen das Gleichbehandlungsgebot von Männern und Frauen in Entgeltangelegenheiten und gibt es dafür keine Rechtfertigung, so steht dem diskriminierten AN ein Anspruch auf Beseitigung der Ungleichbehandlung zu. Außerdem sind gem Art 18 RL 2006/54/EG innerstaatlich noch Schadenersatz- und Entschädigungsansprüche für Verstöße gegen die umgesetzten Gleichbehandlungsgebote vorzusehen. Nach der in das Handbuch neu eingearbeiteten EuGH-E vom 17.12.2015, C-407/14 (Rs Arjona Camacho), besteht keine Verpflichtung, einen Strafschadenersatz vorzusehen, wenn es innerstaatlich keine entsprechende Grundlage gibt. Es soll jedenfalls der tatsächlich entstandene Schaden ersetzt werden und zwar auf abschreckende und dem erlittenen Schaden angemessene Art und Weise. Damit setzt der EuGH ein deutliches Zeichen, Strafen im Zivilrecht entgegenwirken zu wollen.

Auch der Schutz vor den Folgen von Massenentlassungen ist eine Entwicklung des europäischen Arbeitsrechts. Die Abgrenzungskriterien des Betriebs vom Unternehmen hat der EuGH bereits in der Rs C-449/93(Rockfon) entwickelt. In der aktuellen Rs C-80/14(USDAW)überließ der EuGH deshalb die Entscheidung, ob zwei Einzelhandelsketten, die Entlassungen vorgenommen haben, als gesonderte Betriebe zu sehen sind, dem vorlegenden nationalen Gericht. Er äußerte sich aber in dieser Entscheidung zur Umsetzung von Art 1 Abs 1 lit a Z ii der RL 98/59/EG: In Art 1 Abs 1 lit a RL 98/59/EG ist der Begriff der Massenentlassung definiert, wobei Z ii die zweite Variante der Massenentlassungen enthält. Hier wird auf einen Zeitraum von 90 Tagen abgestellt, in dem mindestens 20 AN eines Betriebes entlassen werden müssen, damit Massenentlassungen vorliegen. Außerdem normiert die RL, dass diese Berechnung von der Zahl der in einem Betrieb beschäftigten AN unabhängig ist. Dazu hat der EuGH klargestellt, dass für diese Berechnung zwar nicht alle AN eines Unternehmens heranzuziehen sind, aber sehr wohl die AN des betroffenen Betriebes.

Der Systematik des Handbuches entsprechend werden die Entscheidungen gut erklärt, auch die Auswahl der Urteile ist sehr gelungen. An manchen Stellen würde man sich noch Hinweise in Bezug auf die innerstaatliche Bedeutung der EuGH-Judikatur wünschen.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass dieses Handbuch das Europäische Arbeitsrecht umfassend darstellt und die Relevanz der europäischen Rechtsetzung im Arbeitsrecht verdeutlicht. Trotz der zahlreich eingearbeiteten Judikate, Richtlinien und Verordnungen bietet das Werk einen guten Überblick über sämtliche Regelungsbereiche des europäischen Arbeitsrechts und enthält außerdem noch zahlreiche Details. In der Neuauflage wurden wieder aktuelle Entscheidungen einbezogen. Besonders spannend ist der Ausblick in die Zukunft des europäischen Arbeitsrechts, beispielsweise in Bezug auf die Auswirkungen des Brexit. Durch den systematischen Aufbau wird dem Leser diese komplexe Thematik näher gebracht. Es werden deshalb nicht nur PraktikerInnen, sondern auch interessierte StudentInnen angesprochen. Insgesamt ist dieses Werk sehr gut gelungen.