SchobertDie reine Beitragszusage – Überlegungen zur Stärkung der arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung
Duncker & Humblot Verlag, Berlin 2017, 305 Seiten, € 89,90
SchobertDie reine Beitragszusage – Überlegungen zur Stärkung der arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung
Das vorliegende Werk wurde an der Bucerius Law School, Hochschule für Rechtswissenschaft, Hamburg als Dissertation angenommen. Es stammt aus der Feder von Larissa Schobert und wurde von Prof. Dr. Matthias Jacobs betreut. Ausgezeichnet wurde die Arbeit mit dem KLIEMT.Arbeitsrecht-Dissertationspreis 2017 für die beste an der Bucerius Law School entstandene arbeitsrechtliche Dissertation. Dabei widmet sich die Autorin einem Thema, das der Verfasserin dieser bescheidenen Besprechung sehr am Herzen liegt, nämlich der Stärkung der zweiten Säule der Altersvorsorge (siehe nur Glowacka, ASoK 2016, 433), vor allem zur Erreichung eines höheren Versorgungsniveaus, wobei sich Schobert in ihrer Untersuchung auf arbeitgeberfinanzierte kapitalgedeckte Modelle beschränkt. Dabei liegt der Fokus auf der zum 1.1.2018 mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz in das deutsche BetrAVG (Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung – Betriebsrentengesetz) implementierten sogenannten reinen Beitragszusage. Bei dieser verpflichten sich AG zugunsten der AN zur Leistung eines bestimmten Beitrages zur Finanzierung ihrer betrieblichen Altersversorgung; sobald dieser Beitrag erbracht wird, trifft AG keine weitere Verpflichtung („pay and forget“). Das Veranlagungsrisiko verbleibt demnach beim AN, AG trifft weder eine Ausfallhaftung noch eine Anpassungsprüfungspflicht. Eine derartige Zusage kann nur in den Durchführungswegen der Direktversicherung, der Pensionskasse oder des Pensionsfonds versprochen werden, nicht jedoch über die sogenannte Unterstützungskasse. Überraschenderweise waren derartige Zusagen bis 2018 vom BetrAVG rechtlich ungeregelt, weswegen unklar war, ob steuerliche Begünstigungen zum einen und AN-Schutzbestimmungen des BetrAVG (insb Unverfallbarkeit der Rentenanwartschaften, Einschränkung der Abfindbarkeit und Übertragbarkeit, Insolvenzsiche-287rung, Grenzen der Änderung und Beendigung) zum anderen griffen oder ob derartige Zusagen der privaten Altersversorgung zuzurechnen waren. Reine Beitragszusagen unterscheiden sich von beitragsorientierten Leistungszusagen, die bereits vor 2018 explizit gesetzlich als arbeitgeberfinanzierte Zusageart anerkannt waren, dadurch, dass bei letzteren die spätere Leistung zu jedem beliebigen Zeitpunkt genau bestimmbar ist. Eine Besonderheit dieses nunmehr durch das BetrAVG geregelten Modells ist, dass es ausschließlich über Tarifverträge gestaltet werden darf (§§ 1 Abs 2 Nr 2a, 21 ff); nichttarifgebundene AG und AN können im Wege arbeitsvertraglicher Inbezugnahme, uU über BV auf tarifvertraglicher Grundlage oder bei Allgemeinverbindlicherklärung am neuen Betriebsrentenmodell teilhaben. Die Autorin nimmt die Neuerungen zum Anlass zu ermitteln, wie reine Beitragszusagen idealiter zu behandeln wären.
Das erste Kapitel widmet sich den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und einem Problemaufriss. Dabei wird die Rolle der betrieblichen Altersversorgung allgemein thematisiert und die gegenwärtige Verbreitung und die damit verbundenen Probleme dargestellt. Das zweite Kapitel skizziert die Gründe für die Einführung der neuen reinen Beitragszusage (arbeitgeberseitig: höhere Haftungstransparenz, niedrigerer Verwaltungsaufwand sowie bessere Bilanzkennziffern und arbeitnehmerseitig: Wahrscheinlichkeit eines Betriebsrentenversprechens, höhere Mobilität sowie Teilhabe an der Kapitalmarktentwicklung), die Möglichkeiten und Grenzen der Gestaltung (insb diskriminierungsfreie Zusage, Änderungen nur unter den engen Voraussetzungen des Drei-Stufen-Modells) sowie deren systematische Einordnung, in Abgrenzung zu anderen arbeitgeberfinanzierten Zusagearten des BetrAVG. Das dritte Kapitel stellt die reine Beitragszusage nach bisheriger Rechtslage dar und konkludiert, dass das BetrAVG aF hierauf weder direkt (aufgrund systematischer Unstimmigkeiten) anwendbar war, noch analog (mangels planwidriger Regelungslücke) zur Anwendung gelangen konnte, bevor im vierten Kapitel die Charakteristika der reinen Beitragszusage de lege lata nach BetrAVG nF beleuchtet werden. Die Autorin kritisiert in diesem Zusammenhang vor allem die prominente Rolle der Tarifvertragsparteien, den damit einhergehenden Ausschluss der Betriebspartner sowie die unzureichende Einbindung der Tarifaußenseiter. Besonders hervorzuheben ist der ihres Erachtens vorliegende Verstoß des § 1 Abs 2 Nr 2a BetrAVG – der bestimmt, dass reine Beitragszusagen nur durch oder aufgrund eines Tarifvertrages begründet werden können – gegen die negative Koalitionsfreiheit aus Art 9 Abs 3 GG (siehe S 121 ff).
Im fünften und letzten Kapitel vor der Zusammenfassung der Ergebnisse, das zirka die Hälfte der Arbeit ausmacht, wird ein Modell de lege ferenda erläutert. Die Autorin entwickelt eingangs einen Maßstab, an dem beitragsorientierte Betriebsrentenversprechen gemessen werden können – AN-Schutz, Eignung zur Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung und Verfassungskonformität – und wendet es am US-amerikanischen Betriebsrentenrecht an, um zu prüfen, ob die dort vorhandenen Mechanismen ins deutsche Recht übertragen werden können, was sie im Ergebnis – bis auf die Anforderung der Mindestzahl von privilegierten AN für die Inanspruchnahme der steuerlichen Begünstigungen – für überflüssig erachtet. Die hierfür notwendige Fachexpertise verdankt Schobert einem Forschungsaufenthalt an der Harvard Law School in Cambridge, Massachusetts. Um dem entworfenen Maßstab aus AN-Schutz, Eignung zur Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung und Verfassungskonformität Rechnung zu tragen und die Risiken der betrieblichen Altersversorgung (insb Insolvenz des AG bzw des Versorgungsträgers, Langlebigkeit des Versorgungsberechtigten und Inflation) zu minimieren, müssten nach Auffassung der Autorin die Durchführungswege bei der reinen Beitragszusage auf Direktversicherungen und Pensionskassen beschränkt werden. Pensionsfonds genießen größere Anlagefreiheiten, das Anlagerisiko ist demnach weniger abgesichert, bei reinen Beitragszusagen können Pensionsfonds in keiner Phase der Vermögensanlage Zinsgarantien versprechen. Abgesehen davon müsste ihres Erachtens das Auszehrungs- und Anrechnungsverbot aus § 5 BetrAVG im Vergleich zu Leistungszusagen erweitert werden, sodass AN nicht nur die Risiken der Kapitalanlage tragen, sondern ihnen auch die Chancen zugutekommen. Die übrigen arbeitsrechtlichen Normen des BetrAVG müssten derart angewendet werden, dass nicht der AG, sondern die durchführende Versorgungseinrichtung Adressat der jeweiligen Normen ist.
Formal ist positiv hervorzuheben, dass Schobert am Anschluss an jedes Unterkapitel eine Zusammenfassung der Ergebnisse stellt, was einem ersten Überblick zuträglich ist. Inhaltlich ist ausdrücklich zu bemerken, dass die Autorin nicht nur abstrakt ein Regelungsmodell skizziert, sondern die aus ihrer Sicht erforderlichen Änderungen verschiedener Normen des BetrAVG im Wortlaut entwickelt (siehe S 274 ff). So würde Schobert beispielsweise den bereits erwähnten § 5 BetrAVG derart ergänzen, dass das Versorgungsvermögen aus der einen Beitragszusage nicht gekürzt werden darf. Der Einschätzung der Auswahlkommission des oben erwähnten Dissertationspreises, wonach die Autorin an zahlreichen Stellen juristisches Neuland betritt, bemerkenswerte Erkenntnisfortschritte erzielt und durch ihren rechtsdogmatischen Tiefgang besticht, kann uneingeschränkt gefolgt werden. Abschließend ist nur zu betonen, dass es sich beim vorliegenden Buch unzweifelhaft um eine weit überdurchschnittliche Dissertation handelt.288