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Rückzahlungsverpflichtung für vertragswidrig einbehaltene Trinkgelder

DAVIDKOXEDER

Die Bekl betreibt an verschiedenen Orten in Österreich Spielstätten, an denen Pokerspiele im Lebendspiel stattfinden. Der Kl war bei der Bekl vom 1.5.2014 bis 5.3.2016 als Spielleiter an einem Wiener Standort mit einem monatlichen Bezug von € 480,- brutto als Vollzeitkraft beschäftigt. Auf das gegenständliche Dienstverhältnis war kein KollV anwendbar. In Art 16 Z 2 des Dienstvertrages wurde festgehalten, dass das aus seiner Tätigkeit realisierte Trinkgeld ausschließlich dem Kl zustand. Aufgrund der „Vorgabe der Bekl hatten jedoch die Spielleiter einen Geldbetrag pro halber Stunde (pro Tisch) zu zahlen; diese Beträge wurden von der Bekl über die Floormen (Spielinspektoren) eingenommen. Es existierte keine Abmachung unter der Belegschaft, wonach das Tischgeld an die Mitarbeiter ohne Kundenkontakt (und daher ohne die Möglichkeit, selbst Trinkgeld zu erhalten) verteilt werden sollte.

Mit seiner Klage begehrte der Kl die Rückzahlung des von ihm an die Bekl auf deren ausdrückliches Verlangen rechts- und vertragswidrig abgegebenen Teils seiner Trinkgelder (sogenanntes Tischgeld). Beide Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren übereinstimmend statt.

Der OGH wies die außerordentliche Revision der Bekl mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig zurück.

Der Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach die – Art 16 des Dienstvertrags widersprechende – Einhebung eines Teils der Trinkgelder des Kl rechtsgrundlos erfolgte, ist nach Ansicht des OGH zu folgen. Daran ändert auch der Verweis der Bekl nichts, wonach es schlüssige Vereinbarungen ohne explizit ausgesprochene Erklärungen gebe.

Bei der Frage, ob eine konkludente Willenserklärung vorliegt und welchen Inhalt sie möglicherweise hat, handelt es sich grundsätzlich um eine Einzelfallentscheidung, sie begründet somit im Allgemeinen keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung. Darüber hinaus hat eine im Betrieb herrschende Übung keine eigene Normkraft und kann nur auf rechtsgeschäftlichem Weg von Bedeutung sein. In diesem Zusammenhang führt der OGH in seiner rechtlichen Beurteilung weiters aus, dass eine konkludente Zustimmung des Kl zu dem von der Bekl behaupteten Trinkgeldverteilungssystem schon deshalb nicht vorliegen kann, weil die Bekl dieses System nicht nachgewiesen hat. Zudem konnte die Bekl keine Anhaltspunkte vorweisen, die den Schluss zuließen, dass ihre Mitarbeiter untereinander eine Vereinbarung über die Aufteilung des Tischgeldes hätten schließen oder ohne Zutun der Bekl freiwillig eine entsprechende innerbetriebliche Übung hätten etablieren wollen.

Abschließend hält der OGH noch fest, dass nicht schon deshalb eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung vorliegt, weil gleiche oder ähnliche Auslegungsfragen in mehreren Verfahren zu lösen sind. Der OGH ist ausschließlich als Rechtsinstanz zur Überprüfung von Rechtsfragen tätig. Der Umstand, dass die Vorinstanzen in mehreren ähnlich gelagerten Verfahren zu divergierenden Tatsachenfeststellungen gelangten, kann nicht dem OGH zugeführt werden.