110Entgeltansprüche aus vor Insolvenzeröffnung erworbenen, nicht verbrauchten Zeitguthaben sind Insolvenzforderungen
Entgeltansprüche aus vor Insolvenzeröffnung erworbenen, nicht verbrauchten Zeitguthaben sind Insolvenzforderungen
Zeitguthaben stellen Überstunden dar, die in einer bestimmten Periode erbracht werden. Die Qualifikation von Überstunden als Insolvenz- oder Masseforderung hängt grundsätzlich davon ab, ob die Leistung, die den Anspruch begründet, vor oder nach Konkurseröffnung erfolgte. Bei einem Zeitguthaben besteht zunächst die Möglichkeit, es während des nach Insolvenzeröffnung aufrechten Vertragsverhältnisses in natura zu verbrauchen. Die grundsätzliche Möglichkeit, diese Überstunden auch durch Zeitausgleich abgegolten zu bekommen, ändert an diesem Umstand nichts und bietet keine Grundlage für eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Überstunden im Hinblick auf ihre Qualifikation als Massebzw Insolvenzforderung.
Mit Beschluss des LG Wels vom 10.2.2017 wurde über das Vermögen der Firma S GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und der Bekl zum Insolvenzverwalter bestellt. Am 8.3.2017 erfolgte die Schließung des Unternehmens. Zwei AN hatten aufgrund einer im Betrieb bestehenden Gleitzeitregelung Anspruch auf Zeitausgleich für in der Zeit von 1.9.2016 bis 10.2.2017 erbrachte Arbeitsleistungen im Ausmaß von 44,75 bzw 50 Stunden und begehrten dafür Insolvenz-Entgelt von der IEF-Service GmbH. Sie waren in der Zeit zwischen Insolvenzeröffnung und Unternehmensschließung auf einer Baustelle eingesetzt und konnten ihr Zeitguthaben nicht mehr verbrauchen. Der Anspruch auf Zeitausgleich wurde von der IEF-Service GmbH anerkannt und im Umfang von € 1.759,- ausbezahlt. Die IEF-Service GmbH brachte in weiterer Folge Klage gegen den Insolvenzverwalter ein und begehrte den von ihr auf die Zeitguthaben geleisteten Betrag. Das vor Insolvenzeröffnung erworbene Zeitguthaben stelle keine betagte, mit der Insolvenzeröffnung fällig werdende Geldforderung dar, sondern sei, wenn es nicht konsumiert werden könne, als Masseforderung zu qualifizieren.
Der Bekl bestritt und brachte vor, dass es sich bei Entgeltansprüchen aus nicht verbrauchten Zeitguthaben um Insolvenzforderungen handle.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Insolvenzeröffnung lasse ein bestehendes Zeitguthaben unberührt. Wenn es in der Folge nicht konsumierbar sei, sei es als Masseforderung zu qualifizieren, weshalb der Anspruch zu Recht bestehe. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der dagegen gerichteten Revision des Bekl wurde Folge gegeben.
„1. Unstrittig sind die Forderungen der Arbeitnehmer der Schuldnerin nach § 11 Abs 1 IESG auf die Klägerin übergegangen. Inwieweit diese Forderungen Masseforderungen sind, richtet sich daher nach der Einordnung der Arbeitnehmerforderung nach den maßgeblichen Bestimmungen der IO.
2. Gemäß § 46 Abs 1 Z 3 IO sind Masseforderungen unter anderem die Forderungen der Arbeitnehmer auf laufendes Entgelt für die Zeit nach Konkurseröffnung. […]
3. Der Begriff ‚laufendes Entgelt‘ ist im weiteren Sinn zu verstehen. Allgemein werden dazu die zeitbezogenen Ansprüche des Arbeitnehmers gezählt, die ihm für die Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft als Erfüllung des zweiseitigen Arbeitsvertrags zustehen. Zum Entgelt des Arbeitnehmers gehört daher nicht nur das eigentliche Gehalt, sondern auch alle übrigen ordentlichen und außerordentlichen Leistungen zusätzlicher Art (vgl 8 ObA 11/08p). Das laufende Entgelt ist für die Periode ab Insolvenzeröffnung nach dem Anwartschaftsprinzip im Verhältnis des Anspruchszeitraums vor und nach Insolvenzeröffnung aliquot zu errechnen. Nicht maßgeblich ist das Stichtagsprinzip, das heißt, ob Ansprüche zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits erworben wurden oder fällig sind […]. So sind sowohl die laufenden Bezüge in dem Zeitraum vor und nach Insolvenzeröffnung zu 201 teilen, als auch etwa die Sonderzahlungen teilweise Insolvenzforderung und teilweise Masseforderung (vgl 8 Ob 30/95).
4. Die Parteien eines Arbeitsvertrags können anstelle einer Überstundenvergütung in Geld Zeitausgleich vereinbaren. Die mit BGBl I 1997/46 novellierte Bestimmung des § 10 AZG macht deutlich, dass die Rechtsnatur des Anspruchs zunächst in einem Entgeltanspruch für geleistete Überstunden besteht, der sodann im Wege einer Leistung an Zahlung statt (§ 1414 ABGB) durch Zeitausgleich abgegolten werden soll (RIS-Justiz RS0051632 [T8]). Zeitausgleich stellt nicht bloß das Synonym für eine ‚entgeltneutrale Ruhezeit‘ dar, sondern ist vielmehr eine bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht (RIS-Justiz RS0109976). Die Vereinbarung, dass Zeitguthaben erwirtschaftet werden können und durch Zeitausgleich abzubauen sind, führt letztlich nur zu einer anderen Verteilung der Arbeitszeit, ohne dass die Gewährung eines auf der Normalarbeitszeit anzurechnenden Freizeitausgleichs ein zusätzliches Entgelt für die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft darstellen könnte (9 ObA 11/13b). Damit werden zunächst in einer Periode über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus Leistungen erbracht, ohne dass ein höheres Entgelt bezahlt wird, in der Folgeperiode, für die Zeitausgleich vereinbart wird, wird bei gleichem Entgelt eine geringere Arbeitsleistung geschuldet. Wird durch Beendigung des Arbeitsverhältnisses der vereinbarte Zeitausgleich unmöglich, so tritt anstelle des Zeitausgleichs wieder die ursprüngliche Entgeltforderung.
5. Der Beklagte geht davon aus, dass bereits mit Insolvenzeröffnung der Anspruch auf Zeitausgleich in Geld umzuwandeln ist. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Durch die Insolvenz des Arbeitgebers wird das Arbeitsverhältnis nicht beendet. Dieses bleibt vielmehr, solange es zu keiner wirksamen Beendigung (§ 25 IO) kommt, aufrecht. Damit erfolgt aber auch mit Insolvenzeröffnung keine Umwandlung allfälliger Zeitguthaben in Geldforderungen. Diese Zeitguthaben können vielmehr auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in natura verbraucht werden (vgl RIS-Justiz RS0120934; Sundl
in Reissner
[Hrsg], Arbeitsverhältnis und Insolvenz5 § 3a IESG Rz 19). Erst wenn das Arbeitsverhältnis in der Folge beendet wird, kommt es zu einem Geldanspruch des Arbeitnehmers.
6. Sundl
(aaO) geht davon aus, dass, soweit der Zeitausgleich durch Arbeitsstunden nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben worden sei, der umgewandelte Geldanspruch als Masseforderung gemäß § 46 Z 3 IO zu qualifizieren sei, soweit er durch Arbeitsstunden vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben worden sei, sei der Anspruch als Insolvenzforderung gemäß § 51 Abs 1 IO zu qualifizieren. Auch Reissner
(in Neumayr/ Reissner
, ZellKomm3 § 46 IO Rz 7) verweist darauf, dass Mehr- und Überstundenabgeltungen – wie laufendes Entgelt allgemein – mit der Erbringung der zusätzlichen Arbeitsleistung entstehen und dementsprechend zu qualifizieren seien. Werde als Abgeltung Zeitausgleich festgelegt, so komme es – zumindest vorerst – zu keinem Entgeltanspruch, sodass auch keine insolvenzrechtliche Forderungsqualifikation vorgenommen werden könne. Erst wenn sich der Naturalanspruch während des Insolvenzverfahrens – zB durch Beendigung des Arbeitsverhältnisses – in einen Geldanspruch wandle, stelle sich die Frage der Forderungsqualifikation, die sich danach orientiere, wie die Arbeitsleistungen, auf welche die nunmehr in Geld fällige Zeitguthabensabgeltung zurückgehe, zeitlich gelagert gewesen sei. Diese Ansicht vertreten auch Holzer/Reissner
in Reissner
(Hrsg), Arbeitsverhältnis und Insolvenz § 46 IO Rz 9.
[…]
8. Wie dargelegt stellen Zeitguthaben Überstunden dar, die in einer bestimmten Periode erbracht werden. Die Qualifikation von Überstunden als Insolvenz- oder Masseforderung hängt grundsätzlich davon ab, ob die Leistung, die den Anspruch begründet, vor oder nach Konkurseröffnung erfolgte. Bei einem Zeitguthaben besteht (zunächst) die Möglichkeit, dass es während des auch nach Insolvenzeröffnung aufrechten Vertragsverhältnisses in natura verbraucht wird. Mit der Konsumation von Zeitausgleich kommt es dann zu einer bezahlten Freistellung von der Arbeitspflicht. In einem solchen Fall wird das laufende Entgelt für eine Leistung nach Insolvenzeröffnung geschuldet, die geringere Arbeitspflicht ändert daran nichts. Es handelt sich daher um eine Masseforderung. Dagegen stellt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts die Erbringung der normalen Arbeitsleistung, wenn kein Zeitausgleich konsumiert wird, keine Mehrleistung nach Insolvenzeröffnung dar. Das bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses für das nicht verbrauchte Zeitguthaben zu bezahlende Entgelt wird daher für Leistungen geschuldet, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens (zusätzlich zur normalen Arbeitsleistung) erbracht wurden. Die grundsätzliche Möglichkeit, diese Überstunden auch durch Zeitausgleich abgegolten zu bekommen, ändert an diesem Umstand nichts und bietet keine Grundlage für eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Überstunden im Hinblick auf ihre Qualifikation als Masse- bzw Insolvenzforderung. Dies entspricht auch dem Prinzip, laufende Bezüge in den Zeitraum vor und nach Insolvenzeröffnung danach zu zerlegen, wann die entsprechende Gegenleistung des Arbeitnehmers erbracht wurde. Richtig ist, dass damit dem Insolvenzverwalter eine gewisse Dispositionsbefugnis hinsichtlich des Abbaus des Zeitguthabens eröffnet sein kann (vgl aber auch etwa § 19 Abs 4 AZG). Die gegenteilige Lösung hätte jedoch zur Folge, dass Zeitguthaben aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung, auf die der Insolvenzverwalter überhaupt keinen Einfluss hat, zumeist als Masseforderung anzusehen wären. Der Verbrauch von Zeitguthaben kann vom Insolvenz-202 verwalter regelmäßig nicht einseitig angeordnet werden.
9. Dieses Ergebnis steht auch nicht in Widerspruch zu den […] Entscheidungen 8 ObA 24/05w und 8 ObA 86/05p, da in diesen Fällen jeweils die Arbeitsleistung bzw die Zahlung des vereinbarten Entgelts für Perioden nach Konkurseröffnung zu beurteilen waren. Soweit die Entscheidung 9 ObA 50/12m dahingehend verstanden werden könnte, dass Zeitguthaben vor der Insolvenzeröffnung in jedem Fall, wenn sie in der Folge nicht konsumiert wurden, als Masseforderungen zu qualifizieren sind, wird diese Rechtsansicht nicht aufrechterhalten.“
Gem § 11 Abs 1 IESG gehen die gesicherten Ansprüche der AN gegen den AG bzw gegen die Insolvenzmasse – soweit sie nicht bestritten sind – mit der Antragstellung auf den Insolvenz-Entgelt- Fonds (IEF) über. Sind die gesicherten Ansprüche gem § 1 Abs 5 IESG im Insolvenzverfahren anzumelden, findet der Forderungsübergang mit der gerichtlichen Anmeldung statt. Die IEF-Service GmbH nimmt nach erfolgter Auszahlung des Insolvenz- Entgelts Regress an der Insolvenzmasse. Das Ausmaß des Regresses hängt davon ab, ob es sich bei den übergegangenen Forderungen um Insolvenz- oder Masseforderungen handelt. Masseforderungen sind nach Maßgabe der Masse zu 100 % zu ersetzen, während Insolvenzforderungen lediglich im Ausmaß einer allenfalls auszuschüttenden Quote befriedigt werden. Im Anlassfall sind die Forderungen der AN unstrittig auf die Kl übergegangen. Inwieweit diese Forderungen aber Masseforderungen und dem IEF somit zur Gänze aus der Insolvenzmasse zu ersetzen sind, richtet sich nach den einschlägigen Bestimmungen der Insolvenzordnung (IO).
Gem § 46 Abs 1 Z 3 IO stellen die Forderungen der AN auf laufendes Entgelt für die Zeit nach Insolvenzeröffnung Masseforderungen dar. Beendigungsansprüche sind gem § 46 Abs 1 Z 3a IO dann als Masseforderungen zu qualifizieren, wenn das Beschäftigungsverhältnis vor Insolvenzeröffnung eingegangen worden ist und danach – jedoch nicht nach § 25 IO – durch den Insolvenzverwalter gelöst wurde oder das Arbeitsverhältnis durch den AN gelöst wird, sofern die Beendigung auf eine Rechtshandlung oder ein sonstiges Verhalten des Insolvenzverwalters – insb die Nichtzahlung des Entgelts – zurückzuführen ist. Als Insolvenzforderungen sind Ansprüche aus der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gem § 51 Abs 2 Z 2 IO hingegen dann zu bezeichnen, wenn das Beschäftigungsverhältnis nach § 25 IO oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht nach § 25 IO vom AN gelöst wird und dies nicht auf eine Rechtshandlung oder ein sonstiges Verhalten des Insolvenzverwalters zurückzuführen ist.
Da die Beschäftigungsverhältnisse im Anlassfall unstrittig nach § 25 IO beendet wurden, können die verfahrensgegenständlichen Forderungen nur dann als Masseforderungen qualifiziert werden, wenn sie als „laufendes Entgelt“ für die Zeit nach Insolvenzeröffnung anzusehen wären.
Im Gegensatz zu anderen Rechtsbereichen (vgl § 49 ASVG, § 25 EStG und § 74 Abs 1 Z 6 StGB) kennt das Arbeitsrecht keine allgemein gültige Definition des Entgeltbegriffs. Lehre und Rsp beschreiben den Begriff sehr allgemein. Es wird darunter jede Art von Leistung, die der AN für die Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft erhält, verstanden. Der Begriff „laufendes Entgelt“ ist daher in einem weiten Sinn zu verstehen. Zum Entgelt des AN gehört daher nicht nur das eigentliche Gehalt, sondern auch alle übrigen ordentlichen und außerordentlichen Leistungen des AG, sofern diese dem AN als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft zustehen.
Die insolvenzrechtliche Qualifikation des laufenden Entgelts als Insolvenz- oder Masseforderung erfolgt nach dem Anwartschaftsprinzip. Es kommt nicht darauf an, ob die Ansprüche bereits zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung erworben wurden oder fällig sind. Es ist somit nicht das Stichtagsprinzip maßgeblich. Sowohl die laufenden Bezüge als auch die Sonderzahlungen sind in den Zeitraum vor und nach Insolvenzeröffnung zu teilen und somit teils als Insolvenzforderung und Masseforderung (vgl8 OGH 16.11.1995, Ob 30/95) zu qualifizieren.
Werden Arbeitsleistungen erbracht, die über die Normalarbeitszeit hinausgehen, sind diese Überstunden gem § 10 AZG mit einem Zuschlag von 50 % zu entlohnen. Anstelle der Abgeltung in Geld kann auch Zeitausgleich vereinbart werden. Die so aufgebauten – finanziell nicht abgegoltenen – Zeitguthaben können zu einem späteren, durch Vereinbarung festzulegenden Zeitpunkt in Freizeit konsumiert werden. Zeitausgleich stellt somit eine bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht dar.
Wird durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der vereinbarte Zeitausgleich unmöglich, tritt anstelle des Zeitausgleichs wieder die ursprüngliche Entgeltforderung.
Durch die Insolvenz des AG wird das Arbeitsverhältnis nicht beendet. Mit Insolvenzeröffnung findet daher auch nicht zwangsläufig eine Umwandlung allfälliger Zeitguthaben in Geldforderungen statt. Die Zeitguthaben können vielmehr auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch in natura verbraucht werden. Erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsteht der Anspruch des AN auf Abgeltung der geleisteten Überstunden.
Bis zur vorliegenden E war unklar, ob Zeitausgleichstunden, die sowohl vor als auch nach Insol-203 venzeröffnung geleistet worden sind, nach dem Zeitpunkt der Arbeitsleistung in Konkurs- und Masseforderungen aufzuteilen sind, oder ob sie – unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Entstehung – entweder zur Gänze als Insolvenz- oder Masseforderungen zu qualifizieren sind.
Der OGH war mit der Frage der insolvenzrechtlichen Qualifizierung von Zeitguthaben bisher lediglich im Zusammenhang mit Ansprüchen aus Altersteilzeitvereinbarungen befasst (sieheOGH 16.11.2005, 8 ObA 24/05w undOGH 13.7.2006, 8 ObA 86/05p). In der OGH-E vom 22.10.2012, 9 ObA 50/12m, wurde unter Bezugnahme auf 8 ObA 86/05p nur darauf verwiesen, dass ein Zeitguthaben keine betagte, mit der Insolvenzeröffnung fällig werdende Geldforderung darstelle, sondern als Masseforderung zu qualifizieren sei, wenn es in der Folge nicht konsumiert werden könne. In dieser E war allerdings vorrangig die Frage der Rechtsqualität der Bindungswirkung der Forderungsfeststellung in der Insolvenz zu behandeln, nicht die Qualifikation der Forderung als solche.
In der vorliegenden E hat der OGH nun Folgendes klargestellt: Zeitguthaben stellen Überstunden dar. Ihre Qualifikation als Insolvenz- oder Masseforderung hängt davon ab, ob die Arbeitsleistung vor oder nach Konkurseröffnung erfolgt ist. Die grundsätzliche Möglichkeit, diese Überstunden auch durch Zeitausgleich abgegolten zu bekommen, ändert daran nichts. Die abzugeltenden Zeitausgleichsstunden sind somit den laufenden Bezügen gleichgestellt. Dieses Ergebnis steht nicht in Widerspruch zu den zitierten OGH-Entscheidungen 8 ObA 24/05w und 8 ObA 86/05p, da in diesen Fällen jeweils die Arbeitsleistung bzw die Zahlung des vereinbarten Entgelts für Perioden nach Konkurseröffnung zu beurteilen waren.
Der OGH distanziert sich jedoch ausdrücklich von der in der E 9 ObA 50/12m angedeuteten Rechtsansicht, wonach Zeitguthaben, die vor der Insolvenzeröffnung entstanden sind und nicht konsumiert werden konnten, in jedem Fall als Masseforderungen zu qualifizieren sind. Diese Rechtsansicht wird dezidiert nicht aufrechterhalten.
Im hier zu beurteilenden Anlassfall stammen sämtliche Zeitguthaben aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung. Das Klagebegehren war daher abzuweisen und der Revision Folge zu geben.