114Beendigungswirkung einer Eventualkündigung kann im Feststellungsverfahren auf ein aufrechtes Dienstverhältnis nur bei entsprechendem Vorbringen berücksichtigt werden
Beendigungswirkung einer Eventualkündigung kann im Feststellungsverfahren auf ein aufrechtes Dienstverhältnis nur bei entsprechendem Vorbringen berücksichtigt werden
Der Kl war bei der Bekl als angestellter Geschäftsführer beschäftigt und wurde von dieser – ohne Einhaltung des betriebsverfassungsrechtlichen Vorverfahrens – am 5.12.2016 zum 31.3.2017 gekündigt. Mit Klage vom 16.12.2016 begehrte er die Feststellung, dass sein Dienstverhältnis über den 31.3.2017 hinaus aufrecht besteht. Das betriebliche Vorverfahren iSd § 105 Abs 1 ArbVG sei nicht eingehalten worden, obwohl er kein leitender Angestellter sei. Überdies wäre die Kündigung sittenwidrig. In eventu focht der Kl die Kündigung wegen eines verpönten Motivs und Sozialwidrigkeit an.
Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren statt, da der Kl nicht als leitender Angestellter zu qualifizieren und daher das Vorverfahren einzuhalten gewesen wäre.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil zur Gänze ab, ohne sich überhaupt mit der Mängelund Beweisrüge der Berufungswerberin zu beschäftigen. Aus einer Replik des Kl ergäbe sich unstrittig, dass er von der Bekl nach vorheriger Verständigung des BR mit Schreiben vom 30.12.2016 neuerlich zum 31.3.2017 gekündigt worden ist. Diese Kündigung fechte er mit einer weiteren, am 4.1.2017 eingebrachten Klage wegen Motiv- und Sozialwidrigkeit an. Hilfsweise begehre er die Feststellung des über den 31.3.2017 hinaus aufrechten Dienstverhältnisses wegen Sittenwidrigkeit. Da somit zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz jedenfalls eine rechtswirksame Kündigung zum 31.3.2017 vorliege, erweise sich die Feststellung des über den 31.3.2017 hinausgehenden Dienstverhältnisses als verfehlt. Aber auch dem Eventualbegehren sei der Boden entzogen, weil bei einer Qualifikation des Kl als leitender Angestellter im Parallelverfahren eine Anfechtungsmöglichkeit nicht gegeben wäre und bei Verneinung dieser Eigenschaft die (erste) Kündigung vom 5.12.2016 unwirksam wäre.
Der OGH erachtete die Berufungsentscheidung als korrekturbedürftig und gab dem gegen sie gerichteten Aufhebungsantrag des Kl statt. Er hielt fest, dass die Frage entscheidungsgegenständlich ist, inwieweit mit der Kündigung vom 5.12.2016 eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.3.2017 eingetreten ist. Durch den Verweis des Kl in seiner Replik auf die Eventualkündigung der Bekl hat er die Wirksamkeit dieser (zweiten) Kündigungserklärung nicht zugestanden, sondern nur auf die offenbar auch bei der Bekl bestehenden Zweifel über deren Rechtswirksamkeit hingewiesen. Auch die Bekl habe weder in erster noch in zweiter Instanz eingewandt, dass es durch die Eventualkündigung vom 30.12.2016 jedenfalls zu einer rechtswirksamen Beendigung zum 31.3.2017 gekommen wäre. Das Berufungsgericht hat daher nach Ansicht des OGH dem Kl zu Unrecht die Beendigungswirkung der Eventualkündigung entgegengehalten. Deren Rechtswirksamkeit ist im vorliegenden Verfahren auch gar nicht zu beurteilen, zumal über sie ein eigenes Verfahren anhängig ist. Die Entscheidung des Berufungsgerichts hat sich – so der OGH weiter – im Rahmen der wechselseitigen Tatsachenbehauptungen zu halten. Die Bekl hat aber nicht eingewendet, dass das Klagebegehren infolge der späteren (Eventual-)Kündigung nicht berechtigt sei.
Schließlich hielt der Gerichtshof noch fest, dass die Abweisung der Feststellungsklage auch nicht auf ein fehlendes rechtliches Interesse gestützt werden kann. Das Vorliegen des rechtlichen Interesses ist nur auf Grundlage der in erster Instanz aufgestellten Tatsachenbehauptungen und der daraus folgenden Tatsachenfeststellungen zu prüfen. Das bedeutet zugleich aber nicht, dass in jedem Stadium des Verfahrens – ohne Bindung an das Tatsachenvorbringen der Parteien – von Amts wegen zu erheben wäre, ob Tatsachen vorliegen, aus denen sich der Mangel ergeben würde.
ANMERKUNG DES BEARBEITERS: Der OGH judiziert in dieser E auf dem Boden der herrschenden, aus § 226 ZPO abgeleiteten sogenannten „zweigliedrigen Streitgegenstandstheorie“. Dieser zufolge wird der prozessuale Begriff des Streitgegenstands durch den Entscheidungsantrag (Sachantrag) und die zu seiner Begründung erforderlichen vorgebrachten Tatsachen (rechtserzeugender Sachverhalt) bestimmt. |
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