119Kein Unfallversicherungsschutz eines Religionslehrers beim Abhalten einer Messe während der Sommerferien
Kein Unfallversicherungsschutz eines Religionslehrers beim Abhalten einer Messe während der Sommerferien
Der Kl ist römisch-katholischer Priester und Religionslehrer an einer öffentlichen Schule; im Rahmen der Lehrtätigkeit ist er voll sozialversichert (ASVG). Nachdem der Kl am ersten Tag der Schulferien auf Ersuchen eines Vereines für dessen Mitglieder eine „private“ Messe abgehalten hatte, erlitt er beim Verlassen des Hauses durch einen Sturz eine Schulterverletzung.
Der Kl begehrte im erstinstanzlichen Verfahren die Anerkennung der Verletzung als Folge eines Arbeitsunfalles, in eventu die Gewährung von Leistungen aus der UV. Die Unterinstanzen wiesen die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass das Abhalten einer Messe für Vereinsmitglieder in keinerlei örtlichem, zeitlichem oder ursächlichem Zusammenhang mit der unfallversicherungsgeschützten Lehrtätigkeit stehe. Der OGH erklärte die Revision für zulässig, sah sie aber als nicht berechtigt an.
Nach § 5 Abs 1 Z 7 ASVG sind Priester der katholischen Kirche von der Vollversicherung nach § 4 ASVG hinsichtlich der Seelsorgetätigkeit und der sonstigen Tätigkeit ausgenommen, die sie in Erfüllung ihrer geistlichen Verpflichtung ausüben, wenn sie nicht in einem Dienstverhältnis zu einer anderen Körperschaft als ihrer Kirche stehen. Der wesentliche Grund für die Ausklammerung von Priestern aus dem Versicherungssystem des ASVG gegen die Lebensrisiken Krankheit, Unfall und Alter liegt in dem typischerweise fehlenden Schutzbedürfnis dieser Personen aufgrund bestehender Ansprüche auf Unterhalt gegen ihre kirchliche Gemeinschaft, zu denen auch die Sorge im Fall der Krankheit und eines Unfalls zählt.
Strittig war im vorliegenden Fall, ob das Unfallereignis der – nicht unfallversicherten – Tätigkeit des Kl als Priester oder seiner – unter Unfallversicherungsschutz stehenden – Tätigkeit als Religionslehrer zuzurechnen ist.210
Nach der Generalklausel des § 175 Abs 1 ASVG setzt ein Arbeitsunfall voraus, dass er in örtlichem, zeitlichem und ursächlichem Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung steht. Die Handlungen des Versicherten müssen nach der Rsp sowohl nach objektiven als auch nach subjektiven Kriterien einen inneren Zusammenhang zwischen der die Versicherung begründenden Beschäftigung und dem Unfallereignis erkennen lassen. Objektiv besteht ein Zusammenhang dann, wenn ein Außenstehender die gesetzte Handlung als Ausübung der geschützten Tätigkeit ansehen kann; dies sind primär Handlungen, die als Erfüllung des Arbeitsvertrages gelten und die der AG aufgrund seiner Weisungsbefugnis vorgeben kann. Zusätzlich muss der Versicherte die Handlungen mit der Intention setzen, seinen Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis nachzukommen, sodass auch die subjektive Seite erfüllt wird. Entscheidend ist nach der Rsp immer eine Gesamtbetrachtung der Umstände.
Im vorliegenden Fall kann auch nach der Ansicht des OGH kein ausreichender Zusammenhang mit der Lehrtätigkeit gesehen werden. Der Kl ist weder in den Räumlichkeiten des Gymnasiums noch am Weg zur oder von der Schule gestürzt; es fehlt auch der zeitliche Zusammenhang, weil sich der Unfall nach Beginn der Sommerschulferien ereignete. Ebenso fehlen Anhaltspunkte dafür, dass die Messe im Auftrag der Schule („Schulmesse“) oder im Rahmen einer schulbezogenen Veranstaltung abgehalten worden wäre. Die Messe fand somit weder in Ausübung der versicherten Tätigkeit als Religionslehrer statt noch wurde sie in dieser Intention zur Erfüllung einer Pflicht aus dem Vertragslehrerverhältnis abgehalten.
Der Kl meint, ein Arbeitsunfall liege dennoch im Hinblick darauf vor, dass ihm die Befähigung und Ermächtigung zur Ausübung der Tätigkeit eines Religionslehrers von der zuständigen kirchlichen Behörde entzogen werden könnte, wenn er seine priesterlichen Pflichten, zu denen nach dem Codex Iuris Canonici (CIC) das tägliche Lesen der Messe gehöre, verletzen sollte. Er verweist dabei auf § 4 Abs 2 Religionsunterrichtsgesetz, wonach eine Gebietskörperschaft eine Person als Religionslehrer nur anstellen darf, wenn sie dazu von der zuständigen kirchlichen Behörde ermächtigt erklärt wird. Nach Ansicht des OGH können jedoch die priesterliche Seelsorgetätigkeit und die damit verbundenen Verpflichtungen und Empfehlungen, wie jene täglich eine Messe abzuhalten, den Unfallversicherungsschutz der Vertragslehrertätigkeit nicht in der gewünschten Weise erweitern. Den zuständigen kirchlichen Behörden steht es frei, die nach § 4 Abs 2 Religionsunterrichtsgesetz erteilte Ermächtigung auch wieder zu entziehen; bei einem als Vertragsbediensteten angestellten Religionslehrer gilt dies als Kündigungsgrund. Die Gründe für eine Entziehung der Ermächtigung sind im Religionsunterrichtsgesetz nicht geregelt, weil dies eine rein innerkirchliche Angelegenheit darstellt. Somit bezieht sich auch die Befürchtung des Kl, bei Nichtbefolgung der Empfehlung zur täglichen Zelebration der Messe könne ihm die Ermächtigung zur Anstellung als Religionslehrer entzogen werden, auf eine innerkirchliche Angelegenheit. Unfallversicherungsrechtlich wird mit diesem Vorbringen jedoch keine sachliche Verknüpfung zwischen dem nach Abhaltung der Messe geschehenen Unfall und der Vertragslehrertätigkeit hergestellt. Dass der Kl die „private“ Messe (allenfalls) aus dem Motiv abgehalten hat, der im CIC enthaltenen Empfehlung zur täglichen Zelebration nachzukommen, ist zur Begründung des Unfallversicherungsschutzes nicht ausreichend.
Der Unfall des Kl am Weg nach dem Abhalten einer Messe kann somit nicht der Lehrtätigkeit, sondern muss dem Bereich der Seelsorgetätigkeit eines katholischen Priesters zugeordnet werden und ist daher vom Schutzbereich der UV nach dem ASVG nicht erfasst.