121Wochengeld-Schutzfristfall bei verspäteter Gesundmeldung beim Arbeitsmarktservice
Wochengeld-Schutzfristfall bei verspäteter Gesundmeldung beim Arbeitsmarktservice
Eine Beendigung des Pflichtverhältnisses durch Verletzung der Meldepflichten gegenüber dem AMS ist den in § 122 Abs 3 Satz 2 ASVG genannten schädlichen Beendigungsarten nicht gleichzuhalten und ist somit nicht mit dem Ausschluss vom Anspruch auf Wochengeld zu sanktionieren.
Die Kl bezog vom 2.9.2016 bis 3.3.2017, vom 23.3. bis 8.4.2017 sowie vom 16.4. bis 25.4.2017 Arbeitslosengeld. Am 1.3.2017 langte bei der bekl OÖ Gebietskrankenkasse (GKK) eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung wegen Krankheit, mit einem voraussichtlichen Ende am 8.3.2017 bei durchschnittlicher Krankenstandsdauer, ein. Die Kl erhielt ab 4.3.2017 Krankengeld. Die Kl kümmerte sich um keine Verlängerung des Krankenstands und auch nicht um eine Gesundmeldung, obwohl die Medikamente wirkten. Schließlich wurde sie am 13.3.2017 von der Bekl aufgefordert, eine Gesundmeldung vorzulegen. Die Meldung wurde am 15.3.2017 erstattet, das Ende der Arbeitsunfähigkeit mit 14.3.2017 angegeben. Dabei wurde nicht angekreuzt, dass eine Krankenstandsbestätigung auch an den DG übersandt werden sollte; somit übermittelte die Bekl dem AMS keine Bestätigung. Da das gemeldete Arbeitsunfähigkeitsende das durchschnittliche überschritt, konnte die Bekl die elektronische Gesundmeldung nicht bearbeiten. Die Kl erhielt daher am 21.3.2017 eine schriftliche Verständigung, dass eine Gesundmeldung durch einen Arzt zu erfolgen habe. Die Kl suchte erst am 30.3.2017 ihren Arzt auf. Das Ende der Arbeitsunfähigkeit wurde zum 13.3.2017 gemeldet. Die Bekl korrigierte das Ende der Arbeitsunfähigkeit und die Kl erhielt bis 13.3.2017 Krankengeld. Sie meldete sich beim AMS am 23.3.2017 als arbeitsfähig und erhielt ab diesem Tag Arbeitslosengeld.
Die Kl wurde in weiterer Folge schwanger und bekam am 12.7.2017 ein Kind. Sie beantragte daraufhin bei der Bekl die Gewährung eines täglichen Wochengeldes im gesetzlichen Ausmaß ab 12.7.2017.
Die Bekl lehnte mit Bescheid vom 18.9.2017 den Antrag der Kl auf Wochengeld mit der Begründung ab, dass die Pflichtversicherung mit 25.4.2017 (dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld) ge-212 endet habe. Der Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft (12.7.2017) liege mehr als sechs Wochen danach. Der Beginn der 32. Woche vor dem Eintritt eines Versicherungsfalls (30.11.2016) falle zwar in den Zeitraum der Pflichtversicherung, die Kl habe aber eine Unterbrechung des Leistungsbezugs und damit das Ende der Pflichtversicherung durch ihr eigenes Verhalten herbeigeführt, da sie nach der Arbeitsunfähigkeit die Meldung unterlassen habe. Damit seien weder die Voraussetzungen des § 122 Abs 2 Z 2 noch des § 122 Abs 3 ASVG erfüllt. Gegen diesen Bescheid erhob die Kl Klage.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, dass die nicht rechtzeitige Meldung der Arbeitsfähigkeit beim AMS und die dadurch bedingte Unterbrechung des Leistungsbezugs eine „schädliche Beendigung“ iSd § 122 Abs 3 Satz 2 ASVG sei. Diese Bestimmung sei zwar nur bedingt auf den Fall übertragbar, da sie die Beendigungsgründe zwar taxativ aufzähle, aber von einem bestehenden Dienstverhältnis ausgehe. Es sei daher zu prüfen, ob die Kl das Pflichtversicherungsverhältnis ohne besonderen Grund von sich aus beendet habe. In diesem Fall habe die Kl jegliche Sorgfalt vermissen lassen, indem sie sich weder um eine Gesundmeldung noch um eine Meldung beim AMS bis 23.3.2017 gekümmert habe. Die Meldeverpflichtung hätte der Kl bekannt sein müssen.
Das Berufungsgericht teilte diese Rechtsansicht und gab der Berufung der Kl nicht Folge. Der OGH gab der Revision der Kl Folge und bestätigte den Anspruch auf Wochengeld; die Rechtssache wurde zur Verfahrensergänzung betreffend die Höhe des Wochengeldes an das Erstgericht zurückverwiesen.
„1.1 § 122 Abs 3 ASVG regelt eine Verlängerung des Versicherungsschutzes für jene Fälle, in denen der Versicherungsfall der Mutterschaft (Beginn der achten Woche vor Entbindung: § 120 Z 3 ASVG) nach Beendigung der Pflichtversicherung eintritt. […]
1.3 Der Schutzfristfall des § 122 Abs 3 ASVG eröffnet somit den Anspruch auf Wochengeld auch solchen werdenden Müttern, bei denen zwar bei Eintritt ihrer Schwangerschaft, nicht aber bei Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft eine aufrechte Pflichtversicherung bestand (10 ObS 37/15m). Diese Bestimmung dient vor allem familienpolitischen Zwecken: Dadurch soll der Anspruch auf Leistungen aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft auch bei Ausscheiden der Arbeitnehmerin aus dem Arbeitsverhältnis während der Schwangerschaft aufrecht erhalten werden, sofern die Schwangerschaft während des Bestands der Pflichtversicherung eingetreten ist, und zwar unabhängig davon, wann die Pflichtversicherung endet (10 ObS 123/15h, SSV-NF 30/4). […]
2.2 Divergierende Standpunkte vertreten die Parteien zu der Frage, ob eine sogenannte ‚schädliche Beendigungsart‘ nach § 122 Abs 3 Satz 2 ASVG vorliegt. […]
2.2.4 Das Gemeinsame der schädlichen Auflösungsarten liegt darin, dass die Auflösung des Dienstverhältnisses der Arbeitnehmerin zuzurechnen ist oder sie durch Herstellung des Einvernehmens mit dem Arbeitgeber über die Auflösung daran mitwirkt. Es kommt aber nicht ausschließlich darauf an, ob die Initiative zur Auflösung des Dienstverhältnisses von der Dienstnehmerin ausgegangen ist, sondern vielmehr auch darauf, ob für diese einseitige Auflösung des Dienstverhältnisses durch die Dienstnehmerin ein rechtlich anerkannter Grund vorgelegen ist (10 ObS 123/15h).
[…]
3.1 Analogie setzt eine Gesetzeslücke voraus. Diese ist gegeben, wenn die Regelung eines Sachbereichs keine Bestimmung für eine Frage enthält, die im Zusammenhang mit dieser Regelung an sich geregelt werden müsste. Das Gesetz ist in einem derartigen Fall, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie ergänzungsbedürftig, ohne dass eine Ergänzung einer vom Gesetzgeber gewollten Beschränkung widerspricht (RIS-Justiz RS 0008866; vgl RS0008845).
3.2 Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll nur eine der Versicherten vorwerfbare einseitige (Kündigung, Entlassung) oder eine im Einvernehmen mit dem Dienstgeber herbeigeführte Beendigung der Pflichtversicherung den Anspruch auf Wochengeld ausschließen.
3.3 Hier fehlt jeder Konnex zu einem Dienstverhältnis. Die Klägerin hat ihre Meldepflichten gegenüber dem AMS verletzt und sich nicht zeitgerecht um eine Gesundmeldung gekümmert. Ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhte nach § 16 Abs 1 lit a AlVG während des Bezugs von Krankengeld (4.3. bis 13.3.2017). Aufgrund der verspäteten Gesundmeldung bezog sie erst wieder ab 23.3.2017 Arbeitslosengeld. In der Zwischenzeit war der Bezug von Arbeitslosengeld unterbrochen und die Krankenversicherung zufolge § 6 Abs 1 iVm Abs 2 AlVG nicht aufrecht.
3.4 Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, eine Verletzung von Meldepflichten gegenüber dem AMS mit dem Ausschluss vom Anspruch auf Wochengeld sanktionieren zu wollen, wenn der zwischenzeitige Wegfall der Pflichtversicherung in keinem Zusammenhang mit privatrechtlichen Erklärungen oder Verhalten der an einem Dienstvertrag Beteiligten steht. Für den hier relevanten sorglosen Umgang mit Meldepflichten sieht das AlVG selbst eine Sanktion vor: Erfolgt die Wiedermeldung nicht binnen einer Woche nach Ende des Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraums, gebührt das Arbeitslosengeld erst wieder ab dem Tag der Wiedermeldung (§ 46 Abs 5 letzter Satz AlVG). […]“ 213
Hauptgegenstand dieser E war, ob die Beendigung des Pflichtverhältnisses durch Verletzung der Meldepflichten gegenüber dem AMS den in § 122 Abs 3 Satz 2 ASVG genannten schädlichen Beendigungsarten gleichzuhalten ist und ob es dadurch zu einem Ausschluss vom Anspruch auf Wochengeld kommt.
Nach den Bestimmungen des § 122 Abs 3 ASVG sind Leistungen aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft unter bestimmten Voraussetzungen auch nach Beendigung der Pflichtversicherung zu gewähren: Der Beginn der 32. Woche vor dem Versicherungsfall der Mutterschaft – Beginn der achten Woche vor der Entbindung gem § 120 Z 3 ASVG – muss in die Zeit der Pflichtversicherung fallen, außerdem gilt eine Wartezeit, wonach die Pflichtversicherung mindestens 13 Wochen bzw drei Kalendermonate ununterbrochen bestanden haben muss. Die Schutzfristverlängerung ist von der Regelung für Versicherungsfälle der Krankheit (§ 122 Abs 2 ASVG) abweichend, denn wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, ist es gleichgültig, wie lange der Zeitraum zwischen dem Ende der Pflichtversicherung und dem Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft beträgt. Diese Erstreckung des Versicherungsschutzes gilt jedoch nicht, wenn die Pflichtversicherung auf Grund einer einvernehmlichen Lösung des Dienstverhältnisses, einer Kündigung durch die Dienstnehmerin, eines unberechtigten vorzeitigen Austrittes oder einer verschuldeten Entlassung der Dienstnehmerin geendet hat (§ 122 Abs 3 Satz 2 ASVG).
Im vorliegenden Fall fehlt jedoch jeglicher Konnex zu einem Dienstverhältnis. Es ist unstrittig, dass die Kl während des Bezugs von Arbeitslosengeld pflichtversichert war. Ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhte nach § 16 Abs 1 lit a AlVG während des Bezugs von Krankengeld (vom 4.3. bis 13.3.2017). Dadurch, dass sich die Kl nicht zeitgerecht um eine Gesundmeldung kümmerte, verletzte sie zwar ihre bestehenden Meldepflichten und bezog erst wieder ab 23.3.2017 Arbeitslosengeld. In der Zwischenzeit (vom 14.3. bis 22.3.2017) war der Bezug von Arbeitslosengeld unterbrochen und die KV gem § 6 Abs 1 iVm Abs 2 AlVG damit nicht aufrecht. In der vorliegenden E stellt der OGH fest, dass dieser durch die Kl selbst ausgelöste Wegfall der Pflichtversicherung – aufgrund der Verletzung von Meldepflichten gegenüber dem AMS – aber in keinem Zusammenhang mit einem privatrechtlichen Dienstvertrag steht und somit die in § 122 Abs 3 Satz 2 ASVG taxativ aufgezählten Ausschlusstatbestände – oder „schädlichen Beendigungsarten“ – betreffend Wochengeldanspruch für diese Fälle nicht anwendbar sind.
Zudem sieht das AlVG bei Verletzung von Meldepflichten eine eigene Sanktion vor, indem es eine Weitergewährung von Arbeitslosengeld erst wieder ab dem Tag der Wiedermeldung ermöglicht (§ 46 Abs 5 letzter Satz AlVG). Die Verneinung eines Wochengeldanspruches auch in solchen Fällen wäre eine nach dem § 122 Abs 3 Satz 2 ASVG nicht vorgesehene Sanktionierung, die nicht einmal im Wege der Analogie erweitert werden könnte, da eine solche Ergänzung einer vom Gesetzgeber gewollten Beschränkung widerspräche.