124Keine exakte Deckung zwischen Freistellung und Bezugsdauer des Familienzeitbonus erforderlich
Keine exakte Deckung zwischen Freistellung und Bezugsdauer des Familienzeitbonus erforderlich
Der Anspruch eines unselbständig erwerbstätigen Vaters auf Familienzeitbonus geht nicht dadurch verloren, dass der mit dem DG vereinbarte Zeitraum der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit wenige Tage über den Bezugszeitraum des Familienzeitbonus hinausgeht.
Der Kl steht seit 1.10.2015 als Angestellter in einem Dienstverhältnis. Aus Anlass der Geburt seiner Tochter am 12.5.2017 vereinbarte er mit seinem DG, dass das Dienstverhältnis vom 12.5. bis einschließlich 12.6.2017 (= 32 Kalendertage) zum Zweck der Inanspruchnahme von Familienzeit iSd Familienzeitbonusgesetzes (FamZeitbG) karenziert wird. Der Kl beantragte bei der bekl Wiener Gebietskrankenkasse die Gewährung von Familienzeitbonus ab 12.5.2017 für eine Bezugsdauer von 28 Tagen (somit bis einschließlich 8.6.2017). Der Kl erbrachte im Zeitraum von 12.5. bis einschließlich 12.6.2017 tatsächlich keine Arbeitsleistung und bezog in diesem Zeitraum kein Entgelt. Mit Bescheid vom 3.1.2018 wies die Bekl diesen Antrag mit der Begründung ab, dass die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs 1 Z 3 iVm § 2 Abs 4 FamZeitbG nicht erfüllt seien.
Das Erstgericht hat dem Kl Familienzeitbonus anlässlich der Geburt seines Kindes für den Zeitraum von 12.5. bis 8.6.2017 zugesprochen. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl keine Folge.
Der OGH ließ die Revision der Bekl zu, erachtete sie aber für nicht berechtigt.
„1.1 Als Familienzeit im Sinne des § 2 Abs 4 Fam- ZeitbG versteht man den Zeitraum zwischen 28 und 31 Tagen, in dem sich ein Vater aufgrund der kürzlich erfolgten Geburt seines Kindes ausschließlich seiner Familie widmet und dazu die Erwerbstätigkeit unterbricht, keine andere Erwerbstätigkeit ausübt, keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung sowie keine Entgeltfortzahlung aufgrund von oder Leistungen bei Krankheit erhält. […]
1.3 Das FamZeitbG selbst definiert den in § 2 Abs 4 FamZeitbG enthaltenen Begriff der ‚Unterbrechung‘ der vor Bezugsbeginn tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeit (§ 2 Abs 1 Z 5 Fam- ZeitbG) nicht. Aus dem Gesetzeszweck und dem Gesamtzusammenhang lässt sich aber entnehmen, dass die Erwerbstätigkeit während des Bezugszeitraums zur Gänze zu unterbleiben hat. Entsprechend der Definition der Familienzeit in § 2 Abs 4 FamZeitbG muss der Vater die Erwerbstätigkeit zum Beispiel durch Inanspruchnahme von Sonderurlaub unterbrechen oder sein Gewerbe ruhend melden und dem Krankenversicherungsträger die entsprechenden Nachweise vorlegen. […]
2.1 Ein gesetzlicher Anspruch auf Gewährung von Familienzeit lässt sich aus dem FamZeitbG nicht ableiten […]. Unselbständig erwerbstätige Väter, die den Familienzeitbonus beziehen wollen, müssen sich daher um eine entsprechende Freistellungsvereinbarung mit ihren Arbeitgebern bemühen […]. […]
5.1 Der Standpunkt der Revisionswerberin, Familienzeit liege nur unter der Voraussetzung vor, dass der Vater seine bisherige Erwerbstätigkeit exakt für die gewählte Dauer des Familienzeitbonus- Bezugszeitraums von 28, 29, 30 oder 31 Ta-216gen unterbricht und nach dem beantragten Bezugsende die Erwerbstätigkeit unmittelbar am folgenden Tag (‚taggenau‘) wieder tatsächlich ausübt, läuft darauf hinaus, dass ein Vater, der den Familienzeitbonus in Anspruch nehmen will, mit seinem Arbeitgeber keine über die gewählte Anspruchsdauer hinausgehende unbezahlte Freistellung vereinbaren darf (selbst wenn diese wie im vorliegenden Fall nur einige Tage umfasst), weil er ansonsten den Anspruch auf Familienzeitbonus zur Gänze verliert. Dem Kläger käme somit nach der Rechtsmeinung der beklagten Partei kein Anspruch auf Familienzeitbonus zu, weil er mit seinem Dienstgeber Familienzeit nur in der Zeit vom 12.5.2017 bis 8.6.2017 vereinbaren hätte dürfen.
5.2 Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Nach § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG ist Voraussetzung für den Anspruch auf Familienzeitbonus, dass der Vater in den letzten 182 Tagen ‚unmittelbar‘ vor Bezugsbeginn durchgehend eine kranken- und pensionsversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit ausgeübt hat. Eine Bestimmung, wonach – gleichsam spiegelbildlich – diese Erwerbstätigkeit ‚unmittelbar‘ (taggenau) nach Bezugsende bzw Ende der Familienzeit (wieder) ausgeübt werden muss, um von einer Unterbrechung bzw einer Familienzeit im Sinne des Gesetzes sprechen zu können, ist im FamZeitbG nicht enthalten:
5.3 Die mit der Wortinterpretation zu beginnende Gesetzesauslegung ergibt, dass die in § 2 Abs 4 FamZeitbG enthaltene Definition der Familienzeit eine bereits erfolgte bzw gewährte Freistellung von der Arbeitspflicht durch den Dienstgeber im gewählten Anspruchszeitraum voraussetzt, ohne dass auf die zeitliche Dauer dieser Freistellung Bezug genommen wird. Insbesondere findet sich in § 2 Abs 4 FamZeitbG kein Beisatz, aus dem hervorginge, dass ein Vater – bei sonstigem gänzlichen Anspruchsverlust – seine bisherige Erwerbstätigkeit exakt nur für die Dauer des gewählten Familienzeitbonus-Bezugszeitraums (also für 28, 29, 30 oder 31 Tage und nicht länger) unterbrechen dürfe. Ein in diesem Sinn klarstellender Beisatz (etwa ‚nicht länger‘ oder ‚exakt für die Dauer des gewählten Familienzeitbonus-Bezugszeitraums‘) fehlt. Die von der beklagten Partei in diesem Sinn geforderte exakte Deckung von Bezugsdauer und (der mit dem Dienstgeber vereinbarten) Freistellung mit der Konsequenz, dass bei fehlender Deckung dem Zeitraum der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit zur Gänze die Qualifikation als Familienzeit im Sinne des § 2 Abs 4 FamZeitbG abzusprechen wäre, ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch dem Bedeutungszusammenhang des § 2 Abs 4 FamZeitbG. 5.4 Auch aus dem Hinweis in den Gesetzesmaterialien, die Erwerbstätigkeit müsse ‚im Anschluss an die Familienzeit‘ weitergeführt werden, lässt sich nichts anderes ableiten. Dieser Hinweis ist im Zusammenhang damit zu lesen, dass eine Beendigung der zuvor ausgeübten Erwerbstätigkeit oder der Beginn einer anderen Erwerbstätigkeit als der zuvor ausgeübten zum Anspruchsverlust führen soll (besonders angesprochen wird in den Materialien der Fall der ungerechtfertigten Beendigung des Dienstverhältnisses durch den Dienstgeber unmittelbar im Anschluss an das Bezugsende des Familienzeitbonus). Eine Bezugnahme auf die hier relevante Frage, welche Auswirkungen sich auf den Leistungsanspruch ergeben, wenn der Anspruchszeitraum geringfügig kürzer ist als die Dauer der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit, erfolgt nicht.
5.5 Wenn in den Gesetzesmaterialien weiters festgehalten wird, die gewählte Anspruchsdauer von 28, 29, 30 oder 31 Tagen sei nicht veränderbar, die Anspruchsdauer könne also nicht verlängert, verkürzt, verschoben etc werden (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 3), bezieht sich dies ausschließlich auf die Wahl des Bezugszeitraums (und nicht auf die mit dem Arbeitgeber getroffene Freistellungsvereinbarung). Die hier relevante Frage bleibt damit ebenfalls unerörtert. […]
6.2 Dass in dem Antragsformular ausdrücklich darauf hingewiesen wird, die Dauer der Familienzeit müsse dem beantragten Familienzeitbonus exakt entsprechen, ist nicht maßgeblich, weil mittels Formularvordrucken der in § 2 FamZeitbG eingeräumte Anspruch auf Familienzeitbonus nicht eingeschränkt oder gar aberkannt werden kann.
7. Zutreffend zeigt die Revisionswerberin auf, dass eine Versicherungslücke entstehen kann, wenn der Zeitraum, für den Familienzeitbonus beansprucht wird, kürzer ist als der Zeitraum, in dem der Vater mit seinem Dienstgeber die Familienzeit (die Unterbrechung seiner sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit) vereinbart hat. Dieser Effekt lässt aber nicht die Schlussfolgerung zu, dass zwingend eine zeitliche Deckung zwischen dem Zeitraum der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit und dem Zeitraum des Anspruchs auf Familienzeitbonus gegeben sein müsste, damit überhaupt der Familienzeitbonus bezogen werden kann.
8. Gegen das von der beklagten Partei angestrebte Auslegungsergebnis spricht im Übrigen auch der Zweck des Familienzeitbonus: Dem Vater soll ermöglicht werden, seine Partnerin nach der Geburt bei der Pflege und Betreuung des Neugeborenen bestmöglich zu unterstützen; dafür soll er, wenn er seine Erwerbstätigkeit aus diesem Grund unterbricht, eine finanzielle Unterstützung für eine ununterbrochene Anspruchsdauer von 28 bis 31 Tagen erhalten. Das dafür angebotene Zeitfenster zeigt, dass die Unterstützung durch den Vater innerhalb eines 91-tägigen Zeitraums ab der Geburt als gesellschaftlich wertvoll angesehen wird. Die Reduktion des Anspruchszeitraums auf 28 bis 31 Tage hat demnach allein fiskalische Gründe. Kommen Dienstgeber und Dienstnehmer überein, die Erwerbstätigkeit eine gewisse Zeit länger als den Bezugszeitraum zu unterbre-217chen, wird der Wert der unterstützenden Tätigkeit des Vaters nicht geschmälert.“
Mit der vorliegenden E trifft der OGH eine weitere Klarstellung zur neuen Rechtslage nach dem FamZeitbG (BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53). Im Konkreten hatte er die Rechtsfrage zu klären, ob das FamZeitbG eine zeitgleiche (taggleiche) Deckung von Bezugsdauer und der mit dem DG vereinbarte Freistellung verlange, mit der Konsequenz, dass bei fehlender Deckung der Familienzeitbonus zur Gänze abzulehnen wäre.
Im gegenständlichen Fall hatte der Kl als unselbständig Erwerbstätiger eine Freistellungsvereinbarung mit seinem AG dahingehend getroffen, dass für die Inanspruchnahme der Familienzeitbonus der Entgeltanspruch und die Pflicht zur Arbeitsleistung vom 12.5. bis 12.6.2017 ruhen sollte. In der Folge hat er beim Krankenversicherungsträger die Gewährung von Familienzeitbonus für 28 Tage (somit für den Zeitraum von 12.5. bis 8.6.2017) beantragt. Zu beurteilen hatte der OGH daher die Frage, ob die Legaldefinition der Familienzeit in § 2 Abs 4 FamZeitbG – wie die Bekl meint – dahin zu verstehen ist, dass der Anspruch auf Familienzeitbonus eine „exakte Deckung“ der Bezugsdauer mit der mit dem DG vereinbarten Freistellung in dem Sinn voraussetzt, dass die beantragte Bezugsdauer nicht kürzer sein darf als die vereinbarte Freistellung.
Der OGH stellt fest, dass in den Gesetzesmaterialien darauf kein Bezug genommen wird. Ebenso bieten die Kommentierungen hier keine zufriedenstellende Lösung. Bemerkenswert ist hier, dass Holzmann-Windhofer (in Holzmann-Windhofer/Weißenböck, Kinderbetreuungsgeldgesetz [2017] 287) ohne nähere Begründung ausführt, dass die Familienzeit nicht länger und nicht kürzer andauern dürfe als der Familienzeitbonus-Anspruchszeitraum, somit 28, 29, 30 oder 31 Tage. Die Erwerbstätigkeit müsse am Tag nach dem Ende der Familienzeit wiederaufgenommen und tatsächlich ausgeübt werden, andernfalls werde der Anspruch vernichtet. Die Bekl stützt ihre Ablehnung auf diese Ansicht. Burghofer-Ehrnhofer (Kinderbetreuungsgeldgesetz und Familienzeitbonusgesetz3 [2017] § 2 FamZeitbG Rz 14) führt hingegen aus, dass es sich bloß aus dem Informationsblatt sowie der Anlage 1 zum Antrag auf Familienzeitbonus (und nicht aus dem Gesetz) ergebe, dass es infolge des Erfordernisses der lückenlosen Fortsetzung der bloß unterbrochenen Erwerbstätigkeit nicht möglich sein solle, direkt an eine Familienzeit eine Karenz oder sonstige Freistellung anzuschließen. Dazu führt der OGH aus, dass der Hinweis in einem Antragsformular keine Rechtsgrundlage dafür sein könne, den in § 2 FamZeitbG eingeräumten Anspruch auf Familienzeitbonus einzuschränken oder gar abzuerkennen.
Nach Ansicht des OGH ergibt die zunächst mit der Wortinterpretation zu beginnende Gesetzesauslegung, dass die in § 2 Abs 4 FamZeitbG enthaltene Definition der Familienzeit eine bereits erfolgte bzw gewährte Freistellung von der Arbeitspflicht durch den DG im gewählten Anspruchszeitraum voraussetzt, ohne dass auf die zeitliche Dauer dieser Freistellung Bezug genommen wird. Auch findet sich insb in § 2 Abs 4 FamZeitbG kein Beisatz, aus dem hervorginge, dass ein Vater – bei sonstigem gänzlichen Anspruchsverlust – seine bisherige Erwerbstätigkeit exakt nur für die Dauer des gewählten Familienzeitbonus-Bezugszeitraums (also nicht länger) unterbrechen dürfe. Weiters führt der OGH aus, dass ein in diesem Sinn klarstellender Beisatz (etwa „nicht länger“ oder „exakt für die Dauer des gewählten Familienzeitbonus-Bezugszeitraums“) fehlt.
Zusammenfassend zieht der OGH den Schluss, dass sich die von der Bekl geforderte exakte Deckung von Bezugsdauer und vereinbarter Freistellung mit der Konsequenz, dass bei fehlender Deckung dem Zeitraum der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit zur Gänze die Qualifikation als Familienzeit iSd § 2 Abs 4 FamZeitbG abzusprechen wäre, weder aus dem Wortlaut noch dem Bedeutungszusammenhang des § 2 Abs 4 FamZeitbG ergebe. Somit geht der Anspruch eines unselbständig erwerbstätigen Vaters auf Familienzeitbonus nicht dadurch verloren, dass der mit dem DG vereinbarte Zeitraum der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit wenige Tage über den Bezugszeitraum des Familienzeitbonus hinausgeht.