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Familienzeitbonus: Nicht die Geburt löst die Meldepflicht aus, sondern die tatsächliche Unterkunftnahme im gemeinsamen Haushalt

MURATIZGI

Weder das Familienzeitbonusgesetz (FamZeitbG) noch das Meldegesetz bieten für die in der Revision vertretene Ansicht, die Geburt eines Kindes löse die Meldepflicht aus, eine Grundlage. Dies gilt auch für den von den Vorinstanzen eingenommenen Rechtsstandpunkt, die Meldepflicht entstehe mit dem Beginn des Bezugszeitraums des Familienzeitbonus. Vielmehr knüpft auch für das neugeborene Kind die Meldepflicht an die in § 3 Abs 1 MeldeG normierten Tatbestände an, in aller Regel daher an die Unterkunftnahme iSd § 3 Abs 1 MeldeG.218

SACHVERHALT

Der Kl und seine Lebensgefährtin sind seit 1.6.2015 an der gemeinsamen Wohnadresse gemeldet. Am 24.6.2017 wurde ihre Tochter geboren. Der Kl befolgte die in einem „Wegweiser für frisch gebackene Eltern“ vorgegebenen Schritte zur Abholung der Geburtsurkunde am Standesamt und Anmeldung der Tochter genau und ohne jegliche Verzögerung. Er vereinbarte zum frühestmöglichen Termin (28.6.2017) den ersten freien Termin am Standesamt (11.7.2017), den er auch wahrnahm. Die hauptwohnsitzliche Meldung der Tochter an der gemeinsamen Wohnadresse erfolgte am 11.7.2017. Am 19.9.2017 beantragte der Kl bei der bekl Gebietskrankenkasse (GKK) die Zuerkennung des Familienzeitbonus für seine Tochter rückwirkend ab 3.7.2017 in der Dauer von 28 Tagen bis 30.7.2017. Als Hauptwohnsitz gab er die gemeinsame Wohnadresse an.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Mit Bescheid vom 17.11.2017 wies die bekl GKK diesen Antrag ab, weil ein gemeinsamer Hauptwohnsitz des Kl und der Tochter erst ab 11.7.2017 vorgelegen sei, weshalb die Voraussetzung des gemeinsamen Haushalts gem § 2 Abs 1 Z 4 Fam- ZeitbG nicht erfüllt sei.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Klage begehrt der Kl die Zuerkennung eines Familienzeitbonus für den Zeitraum vom 3.7. bis zum 30.7.2017 für seine Tochter. Der Kl habe den frühestmöglichen Termin für die Anmeldung der Tochter wahrgenommen. Die zehntägige Frist für eine nachträgliche Anmeldung sei nicht ab Geburt, sondern ab Beginn der Familienzeit zu berechnen.

Die Bekl wandte dagegen ein, dass sich aus der von § 3 Abs 1 MeldeG geregelten dreitägigen Frist zuzüglich der von § 2 Abs 6 Kinderbetreuungsgeldgesetz (KBGG) vorgesehenen zehntägigen Frist eine 13-tägige Toleranzfrist für die Anmeldung des Kindes ergebe, die aber im konkreten Fall am 7.7.2017 bereits abgelaufen gewesen sei. Auf ein Verschulden des Kl komme es nicht an.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Wesentlichen mit der Begründung statt, dass die Frist für die Meldung nicht schon mit der Geburt des Kindes, sondern vom beantragten Bezugsbeginn – hier der 3.7.2017 – zu rechnen sei. Davon ausgehend sei die Meldung rechtzeitig erfolgt.

Das Berufungsgericht gab der von der Bekl erhobenen Berufung nicht Folge und begründete seine E zusammenfassend damit, dass die Frist für die Meldepflicht des Kindes gem § 3 Abs 1 MeldeG an die Unterkunftnahme in einer Wohnung anknüpfe. Die Vorinstanzen gehen somit von der Rechtzeitigkeit aus, da die Anmeldung des Kindes innerhalb der zehntägigen Toleranzfrist des § 2 Abs 3 Satz 2 FamZeitbG erfolgte.

Die Revision der Bekl erachtet der OGH für zulässig und auch für berechtigt.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„1.2 […] Der Familienzeitbonus ist jedoch auch an die Voraussetzung geknüpft, dass sich der Vater im gesamten von ihm gewählten Anspruchszeitraum in Familienzeit befindet. Ein anteiliger Anspruch auf Familienzeitbonus ist vom Gesetzgeber nicht vorgesehen (§ 2 Abs 1 Z 3 FamZeitbG, 10 ObS 109/18d). […]

2.2 Das mit BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53 geschaffene Familienzeitbonusgesetz enthält keine Regelung, aus der hervorginge, zu welchem Zeitpunkt ein Kind an der gemeinsamen Wohnadresse ‚hauptwohnsitzlich‘ zu melden ist (§ 2 Abs 3 Satz 1 FamZeitbG). § 2 Abs 3 Satz 2 FamZeitbG regelt lediglich, dass eine höchstens bis zu 10 Tagen verspätet erfolgte Hauptwohnsitzmeldung des Kindes an der Wohnadresse des gemeinsamen Wohnsitzes nicht schadet.

2.3 In den Gesetzesmaterialien zum Familienzeitbonusgesetz findet sich in diesem Zusammenhang lediglich der Hinweis (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 2): ‚Anspruchsberechtigt sind nur Väter, die sich in Familienzeit befinden und die alle anderen Anspruchsvoraussetzungen erfüllen, dazu gehören […] auch der Lebensmittelpunkt der Familie in Österreich, der gemeinsame Haushalt der Familie an einer Wohnadresse (auf Dauer angelegtes Zusammenleben in einer Wirtschafts- und Wohngemeinschaft samt identer Hauptwohnsitzmeldungen aller Familienmitglieder an dieser Wohnadresse) […]‘.

2.4 Bereits die Vorinstanzen haben zutreffend darauf hingewiesen, dass mit dem BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53 eine wortidente Bestimmung zu § 2 Abs 3 Satz 2 FamZeitbG auch in § 2 Abs 6 Satz 2 KBGG geschaffen worden ist. Die Gesetzesmaterialien führen zu dieser Bestimmung aus (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 4): ‚Es wird eine großzügige Nachsichtfrist bei der verspäteten Hauptwohnsitzmeldung des Kindes an der Wohnadresse geschaffen.‘

2.5 Es entspricht Rechtsprechung und Schrifttum, dass das Kinderbetreuungsgeldgesetz auf den melderechtlichen Hauptwohnsitzbegriff abgestellt und nicht auf jenen des Art 6 Abs 3 B-VG […].

2.6 Unter Berücksichtigung des vergleichbaren Regelungszwecks von § 2 Abs 6 KBGG und § 2 Abs 3 FamZeitbG ist auch im Anwendungsbereich des § 2 Abs 3 FamZeitbG davon auszugehen, dass diese Bestimmung auf den Hauptwohnsitzbegriff des § 1 Abs 7 MeldeG 1991, BGBl 1992/9 (in der Folge: MeldeG), abstellt.219

3.1 Das Meldegesetz verknüpft das Entstehen der Meldepflicht mit der Tatsache der Aufnahme oder Aufgabe einer Unterkunft (§ 2 Abs 1 MeldeG, Grosinger/Szirba, Melderecht6, 79). […] Die Unterkunftnahme beginnt mit dem erstmaligen widmungsmäßigen Gebrauch der Unterkunft und hängt bloß von objektiven, äußeren (faktischen) Umständen ab […].

3.2 Wer in einer Wohnung Unterkunft nimmt, ist innerhalb von drei Tagen danach bei der Meldebehörde anzumelden (§ 3 Abs 1 MeldeG). Die Frist endet mit Ablauf des dritten Tages nach jenem Tag, an dem die Unterkunftnahme erfolgte […].

3.3 Weder das Familienzeitbonusgesetz noch das Meldegesetz bietet daher für die in der Revision vertretene Ansicht, die Geburt eines Kindes löse die Meldepflicht aus, eine Grundlage. Dies gilt allerdings auch für den von den Vorinstanzen eingenommenen Rechtsstandpunkt, die Meldepflicht entstehe mit dem Beginn des Bezugszeitraums des Familienzeitbonus. Vielmehr knüpft auch für das neugeborene Kind die Meldepflicht an die in § 3 Abs 1 MeldeG normierten Tatbestände an, in aller Regel daher an die Unterkunftnahme im Sinn des § 3 Abs 1 MeldeG.

4.1 Gemäß § 12 Personenstandsgesetz 2013, BGBl I 2013/16BGBl I 2013/16 (PStG), kann anstelle einer Anmeldung gemäß § 3 Abs 1 MeldeG anlässlich der Eintragung einer Geburt (§ 10 PStG) unter Anschluss eines entsprechend vollständig ausgefüllten Meldezettels das Kind im Weg der Personenstandsbehörde bereits vor Unterkunftnahme angemeldet werden. Die Personenstandsbehörde hat diesfalls für die für den Wohnsitz zuständige Meldebehörde die Meldedaten dem Bundesminister für Inneres im Wege eines Änderungszugriffs auf das Zentrale Melderegister zu übermitteln (§ 12 Satz 2 PStG).

4.2 Dies dient nach den Gesetzesmaterialien der Verwaltungsvereinfachung und stellt für den Bürger eine Verbesserung im Sinn des One Stop Shop Gedankens dar (ErläutRV 1907 BlgNR 24. GP 8). § 12 PStG erleichtert die Anmeldung des Kindes. Sie ist nach dieser Bestimmung schon mit der Anzeige der Geburt bei der Personenstandsbehörde (§ 9 PStG) und im Weg über diese unter Anschluss eines entsprechend vollständig ausgefüllten Meldezettels möglich. […] Wird die von § 12 PStG verlangte Vorgangsweise eingehalten, so ist die Personenstandsbehörde verpflichtet, das Kind anzumelden, dies allenfalls sogar bereits vor Aufnahme der Unterkunft durch das Kind an der gemeinsamen Wohnadresse des Vaters und des anderen Elternteils.

4.3 § 12 PStG ermöglicht den Eltern somit eine Anmeldung des Kindes über die Personenstandsbehörde, welche die nach dem Meldegesetz bei der Bezirksverwaltungsbehörde vorzunehmende Anmeldung unter bestimmten Voraussetzungen ersetzt. Im Gegensatz zu § 3 Abs 1 MeldeG wird keine Pflicht zur Meldung innerhalb einer bestimmten Frist begründet. Für die hier zu beurteilende Auslegung des Begriffs ‚verspätet erfolgte Hauptwohnsitzmeldung‘ in § 2 Abs 3 FamZeitbG ist somit nur § 3 Abs 1 MeldeG maßgeblich. […]“

ERLÄUTERUNG

Mit der vorliegenden E trifft der OGH eine weitere Klarstellung zum FamZeitbG. Im Konkreten hatte er sich mit der Frage auseinanderzusetzen, innerhalb welchen Zeitraums das neugeborene Kind mit den/dem Eltern(-teil) zum gemeinsamen Hauptwohnsitz anzumelden ist und ob diese Meldeverpflichtung bereits mit der Geburt zu laufen beginnt.

Der OGH weist zunächst in der E auf den Umstand hin, dass § 2 Abs 3 Satz 1 FamZeitbG keine Regelung enthält, die einen Zeitraum festlegt, bis wann die Anmeldung zu erfolgen hat. Er führt dazu aus, dass die Bestimmung in § 2 Abs 3 Satz 2 FamZeitbG lediglich regelt, dass eine höchstens bis zu zehn Tagen verspätete Hauptwohnsitzmeldung des Kindes an der Wohnadresse des gemeinsamen Wohnsitzes keine nachteilige Konsequenz hat. Dabei verweist er auch auf die wortgleiche Bestimmung des § 2 Abs 6 Satz 2 KBGG. Der OGH führt weiters aus, dass nach stRsp und Lehre das FamZeitbG sowie das KBGG auf den melderechtlichen Hauptwohnsitzbegriff des § 1 Abs 7 MeldeG abstellt.

Die Verpflichtung, ein Kind nach der Geburt anzumelden, leitet er aus § 3 Abs 1 MeldeG ab und stellt – bezogen auf das FamZeitbG – auf die tatsächliche Unterkunftnahme des Kindes an derselben Wohnadresse ab, an der der Vater und der andere Elternteil mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt leben (§ 2 Abs 1 Z 4 FamZeitbG). Hierbei ist wiederum wesentlich, dass gem § 3 Abs 1 MeldeG innerhalb von drei Tagen nach Unterkunftnahme des Kindes in der Wohnung an der gemeinsamen Wohnadresse die Anmeldung vorzunehmen ist, wobei die Bestimmung des § 2 Abs 3 Satz 2 Fam- ZeitbG eine zehntägige Toleranzfrist zusätzlich einräumt. Schließlich schadet eine nach Ablauf der Frist des § 3 Abs 1 MeldeG und höchstens bis zu zehn Tagen verspätet erfolgte Hauptwohnsitzmeldung des Kindes an der gemeinsamen Wohnadresse nach dieser Bestimmung nicht.

Da die Vorinstanzen keine Feststellungen darüber getroffen hatten, ab welchem Zeitpunkt im konkreten Fall ein gemeinsamer Haushalt iSd § 2 Abs 1 Z 4 iVm § 2 Abs 3 FamZeitbG bestand, hat der OGH der Revision Folge gegeben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung zurückverwiesen. Dabei sollen die Vorinstanzen auch klären, ob eine Anmeldung des Kindes im Weg der Personenstandsbehörde gem § 12 PStG erfolgte. In diesem Fall ist die Anmeldung (§ 4a Abs 1 MeldeG iVm § 12 PStG) erfolgt, sobald der Personenstandsbehörde der vollständig ausgefüllte Meldezettel vorliegt.220

Für den Fall, dass eine Anmeldung des Kindes nicht gem § 12 PStG erfolgte, sind nach dem OGH Feststellungen über die tatsächliche Unterkunftnahme des Kindes an der gemeinsamen Wohnadresse mit den Eltern zu treffen. Erst danach lasse sich beurteilen, ob die erst am 11.7.2017 erfolgte Anmeldung – unter Berücksichtigung der Fristen des § 3 Abs 1 MeldeG und des § 2 Abs 3 Satz 2 Fam- ZeitbG – fristgerecht erfolgte.

Zusammenfassend gelangt der OGH zu dem Ergebnis, dass den Eltern im Grunde ab dem der Unterkunftnahme folgenden Tag insgesamt eine Frist von 13 Tagen für die noch ausständige Anmeldung des Kindes am gemeinsamen Hauptwohnsitz zur Verfügung steht.