127Rückzahlung von Kinderbetreuungsgeld: Gewährung einer längeren als 14-tägigen Leistungsfrist durch das Gericht zulässig
Rückzahlung von Kinderbetreuungsgeld: Gewährung einer längeren als 14-tägigen Leistungsfrist durch das Gericht zulässig
Die Kl bezog anlässlich der Geburt ihres Sohnes am 17.11.2015 für den Zeitraum vom 28.1. bis 9.6.2016 das pauschale Kinderbetreuungsgeld nach § 3 KBGG. Im Zeitraum vom 4.12.2015 bis 25.8.2016 war sie mit Hauptwohnsitz einer betreuten Mutter- Kind-Einrichtung in der Wohneinheit Top 230 gemeldet. Obwohl sie gemeinsam mit ihrem Kind in dieser Wohneinheit lebte, war der Sohn dort irrtümlich erst ab 10.6.2016 gemeldet. Davor war das Kind (ab 4.12.2015) in der von der Kl zuvor benutzten Wohneinheit – unter Top 235 – gemeldet.
Mit Bescheid widerrief die Bekl die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes mit der Begründung, dass die Kl mit ihrem Kind im Anspruchszeitraum nicht an derselben Adresse hauptwohnsitzlich gemeldet gewesen sei und verpflichtete die Kl zur Rückzahlung von € 1.053,41.
Das Erstgericht wies das auf Feststellung des Nichtbestehens eines Rückforderungsanspruchs gerichtete Klagebegehren (unbekämpft) ab und verpflichtete die Kl zur Rückzahlung des geforderten Betrages. Für die Rückzahlung setzte das Gericht unter Berufung auf § 89 Abs 4 ASGG eine Leistungsfrist bis 31.10.2022. Das Berufungsgericht wies die auf § 31 Abs 4 letzter Satz KBGG gestützte Berufung der Bekl ab. Der OGH folgte der Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach § 31 Abs 4 KBGG die Befugnis der Gerichte zur Festsetzung einer längeren als in § 409 Abs 1 Zivilprozessordnung (ZPO) vorgesehene Leistungsfrist nicht ausschließe und wies die ordentliche Revision der Bekl ab.
Nach § 89 Abs 4 ASGG ist einem Kl der Rück(kosten) ersatz an den Bekl aufzuerlegen, wenn in einer Rechtsstreitigkeit nach § 65 Abs 1 Z 2 die Klage mit der Begründung abgewiesen wird, dass eine Rückersatz- oder Kostenersatzpflicht besteht. Hierbei ist die Leistungsfrist unter Berücksichtigung der Familien-, Einkommens-, und Vermögensverhältnisse des Kl nach Billigkeit zu bestimmen. Insoweit kann das Gericht die Zahlung auch in Raten anordnen. Nach § 89 Abs 4 Satz 2 ASGG hat das Gericht unabhängig davon, ob der bekämpfte Bescheid über die Einräumung derartiger Erleichterungen abgesprochen hat, von Amts wegen sowohl die Leistungsfrist als auch die Ratenzahlung vom Amts wegen zu prüfen.
Aus dem Klammerzitat „Z 6–8“ in § 65 Abs 1 Z 2 ASGG war abzuleiten, dass auch in Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche auf Kinderbetreuungsgeld oder auf Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld die Rückerstattung in Teilbeträgen in die Kompetenz der Gerichte fiel. Abweichend von § 89 Abs 4 ASGG wurde mit der KBGG-Novelle BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53 dem § 31 Abs 1 KBGG ein letzter Satz angefügt (ebenso § 7 Abs 3 vorletzter Satz FamZeitbG), wonach die Befugnis der Gerichte zur Anordnung einer Ratenzahlung in Rechtsstreitigkeiten nach dem KBGG explizit ausgeschlossen und in die ausschließliche Zuständigkeit des Krankenversicherungsträgers im nachgeschalteten Verwaltungsverfahren verwiesen wurde. Nach dem Wortlaut der Regelung trifft dies jedoch nicht auf die in § 89 Abs 4 ASGG enthaltene Befugnis zu, eine von § 409 Abs 1 ZPO abweichende – längere als 14-tägige – Leistungsfrist nach Billigkeit zu bestimmen.
Die im Gesetzestext nicht erwähnte Festsetzung einer Leistungsfrist nach Billigkeit („Stundung“) bzw der Ausschluss der Gewährung einer längeren als der 14-tägigen Leistungsfrist finden sich lediglich 224 in den Gesetzesmaterialien zu § 31 Abs 4 KBGG. Dort wird – ohne weitere Begründung – davon ausgegangen, dass auch für die Festsetzung einer längeren Leistungsfrist nunmehr eine ausschließliche Kompetenz der Krankenversicherungsträger bestehe. Wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat, sollen die Gesetzesmaterialien das Verständnis einer unklaren Gesetzesstelle zwar fördern; sie sind aber weder das Gesetz selbst noch interpretieren sie dieses authentisch, weshalb ein im Gesetz nicht einmal angedeuteter Rechtssatz auch nicht im Weg der Auslegung Geltung erlangen kann.
Dem Argument der Bekl, sowohl bei der Ratenvereinbarung als auch bei der Stundung handle es sich – wirtschaftlich betrachtet – um zwei einander gleichzusetzende Arten von Zahlungserleichterungen, ist entgegenzuhalten, dass diese Gleichstellung nicht zwingend zutreffen muss. Es bestehen rechtliche Unterschiede insofern, als bei der Festsetzung einer längeren Leistungsfrist die Fälligkeit hinausgeschoben wird und die Verjährung nicht zu laufen beginnen kann (§ 1478 ABGB), während bei einer Ratengewährung der Rückzahlungsauftrag sukzessive fällig und vollstreckbar wird.
Diese rechtlichen Unterschiede führen aber entgegen der Ansicht der Bekl nicht dazu, dass ein Größenschluss geboten wäre, da ein solcher das planwidrige Fehlen einer gesetzlichen Regelung voraussetzt. In § 31 Abs 4 letzter Satz KBGG müsste also eine echte Lücke bestehen. Eine solche liegt aber nicht vor: In § 89 Abs 4 letzter Satz ASGG ist als mögliche Zahlungserleichterung nicht nur eine Ratengewährung, sondern auch die Verlängerung der Leistungsfrist genannt, weshalb dem Gesetzgeber der KBGG-Novelle BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53 die Möglichkeit der Verlängerung der Leistungsfrist nicht entgangen sein konnte. Hat er es dennoch unterlassen, eine entsprechende Regelung vorzusehen, ist auszuschließen, dass diese Regelung planwidrig unvollständig geblieben ist. Zusammenfassend findet die Ansicht, seit der KBGG-Novelle BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53 sei den Gerichten in Streitigkeiten über die Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld nicht nur die Gewährung von Ratenvereinbarungen verwehrt, sondern auch die Gewährung einer längeren als der 14-tägigen Leistungsfrist, keine Rechtsgrundlage.