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Betreuungsteilzeit für Kinder im Volksschulalter

FLORIANMOSING (GRAZ)
  1. Weder das Mutterschutzgesetz (MSchG) noch das Väter-Karenzgesetz (VKG) schließen die Anwendung des § 14 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) aus. Derjenige, der ein Kind betreut, kann sich daher immer dann, wenn die (engeren) Voraussetzungen des MSchG bzw VKG nicht vorliegen, jedenfalls auf § 14 AVRAG berufen.

  2. Auch Betreuungspflichten für gesunde Kinder im Volksschulalter sind vom Anwendungsbereich des § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG (nunmehr § 14 Abs 1 Z 2 AVRAG; vgl BGBl I 2018/100BGBl I 2018/100) erfasst.

  3. Für die Anwendung des § 14 AVRAG ist es unerheblich, ob geeignete Betreuungseinrichtungen zur Verfügung stehen oder die Betreuung an andere Dritte übertragen werden könnte.

Die Kl war bei der Bekl bzw deren Rechtsvorgängerin von 10.7.1995 bis 31.3.2017 angestellt. Bis 31.10.2003 war sie mit 40 Wochenstunden vollzeitbeschäftigt. Am 15.12.2003, 15.1.2005 und 15.9.2006 wurden ihre drei Kinder geboren. Nach dem Ende der Karenz war die Kl von 15.4.2009 bis 31.5.2016 mit 10 Wochenstunden (unstrittig an zwei Tagen je 5 Stunden vormittags) und von 1.6.2016 bis zur einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses mit 14 Wochenstunden (unstrittig an einem Tag 8 Stunden und an einem Tag 6 Stunden, wobei ab 26.9.2016 nur die Lage der Arbeitszeit an den beiden Tagen geringfügig geändert wurde) teilzeitbeschäftigt. Durchschnittlich arbeitete die Kl in ihrem Dienstverhältnis bei der Bekl 25,5 Wochenstunden.

Die Kl ist seit März 2011 Alleinerzieherin. Das zweitgeborene Kind kam mit Klumpfüßen zur Welt und wurde nach einer Operation mit Orthesen versorgt. Der Grad der Behinderung betrug vorerst 60 % und beträgt seit 2013 30 %. Die Kl absolvierte mit ihrem Kind zahlreiche Termine beim Orthopäden und Physiotherapeuten. Außerdem nahmen alle drei Kinder Musikschultermine wahr und die Kl half ihnen beim Lernen und bei den Hausübungen.

Neben einer – hier nicht mehr revisionsgegenständlichen – freiwilligen Abfertigung aufgrund eines Sozialplans zahlte die Bekl der Kl auf Basis eines von der Kl zuletzt bezogenen monatlichen Bruttoentgelts inklusive anteiliger Sonderzahlungen von 1.798,15 € unter Zugrundelegung der zuletzt ausgeübten Teilzeitbeschäftigung im Ausmaß von 14 Wochenstunden eine Abfertigung von 10 Monatsentgelten iHv 17.981,50 €.

Die Kl begehrte von der Bekl 19.307,76 € sA, darin enthalten der noch revisionsgegenständliche Betrag von 7.240,41 € sA an Differenz zwischen der ihr zustehenden gesetzlichen Abfertigung auf Basis einer Vollzeitbeschäftigung (§ 14 Abs 4 AVRAG [Anm: nunmehr § 14 Abs 3 AVRAG; vgl BGBl I 2018/100BGBl I 2018/100]) und der von der Bekl auf Basis einer Teilzeitbeschäftigung von 14 Wochenstunden ausbezahlten Abfertigung. Nach Ablauf der Elternteilzeit sei ein Teilzeitarbeitsverhältnis begründet worden, damit die Kl den notwendigen Betreuungspflichten gegenüber ihren Kindern nachkommen könne. Die persönlichen, familiären Umstände der Kl sowie die Notwendigkeit, die Vollarbeitszeit wegen der Kinderbetreuung auf Teilzeit einzuschränken, seien der Bekl bekannt gewesen.

Die Bekl bestritt das Klagebegehren und beantragte Klagsabweisung. Für die Anwendung des § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG sei Voraussetzung, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses der Teilzeitvereinbarung beiden Arbeitsvertragsparteien bewusst gewesen sei, dass die AN auch nach der Elternteilzeit die Teilzeit zur Betreuung ihrer Kinder benötige. Dies treffe hier nicht zu, weil sich die Kinder der Kl zum Zeitpunkt der zuletzt abgeschlossenen Teilzeitvereinbarung vom 22.9.2016 bereits im 11., 12. bzw 14. Lebensjahr befunden und damit das 7. Lebensjahr längst überschritten hätten. Die von der Kl geschilderten Betreuungspflichten seien für schulpflichtige Kinder üblich. § 14 AVRAG knüpfe aber an eine Pflegefreistellung iSd § 16 UrlG an und für eine solche bestehe kein Anlass.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. [...]

Das Berufungsgericht gab der nur gegen die Abweisung eines Betrags von 7.240,41 € sA gerichteten Berufung der Kl Folge und dem Klagebegehren in diesem Umfang statt. [...]

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil der OGH zur Betreuungsnotwendigkeit eines 7- bis 14-jährigen Kindes im Zusammenhang mit der Herabsetzung der Normalarbeitszeit nach § 14 AVRAG noch nicht Stellung genommen habe.

Hierzu hat der OGH erwogen:

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Sie ist jedoch nicht berechtigt.

Nach § 15h Abs 1 MSchG hat die DN bei Vorliegen der weiteren – im Revisionsverfahren nicht strittigen – Voraussetzungen (Z 1-3) einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung längstens bis zum Ablauf des siebenten Lebensjahres oder einem späteren Schuleintritt des Kindes. Der Zweck der Elternteilzeit besteht darin, der DN ausreichend Zeit zur Kinderbetreuung zu gewähren (8 ObA 15/12gPkt 2.2; 9 ObA 158/16z Pkt 2.).451

Nach § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG kann zwischen dem AG und dem AN mit nicht nur vorübergehenden Betreuungspflichten von nahen Angehörigen iSd § 16 Abs 1 letzter Satz UrlG, die sich aus der familiären Beistandspflicht ergeben, auch wenn kein gemeinsamer Haushalt gegeben ist, die Herabsetzung der Normalarbeitszeit vereinbart werden. Hat die Herabsetzung der Normalarbeitszeit nach § 14 Abs 2 AVRAG zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses kürzer als zwei Jahre gedauert, so ist bei der Berechnung einer ua nach dem AngG zustehenden Abfertigung die frühere Arbeitszeit des AN vor dem Wirksamwerden der Vereinbarung nach Abs 2 zugrunde zu legen. Hat die Herabsetzung der Normalarbeitszeit nach Abs 2 zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses länger als zwei Jahre gedauert, so ist – sofern keine andere Vereinbarung abgeschlossen wird – bei der Berechnung einer ua nach dem AngG zustehenden Abfertigung für die Ermittlung des Monatsentgelts vom Durchschnitt der während der für die Abfertigung maßgeblichen Dienstjahre geleisteten Arbeitszeit auszugehen (§ 14 Abs 4 Satz 1 und 2 AVRAG). Weder das MSchG noch das VKG schließen die Anwendung des § 14 AVRAG aus. Derjenige, der ein Kind betreut, kann sich daher immer dann, wenn die (engeren) Voraussetzungen des MSchG bzw VKG nicht vorliegen, jedenfalls auf § 14 AVRAG berufen (9 ObA 38/06p; 9 ObA 60/06y; 9 ObA 41/17w.Pkt 1.). Liegen die Voraussetzungen der Elternteilzeit nicht mehr vor, dazu gehört auch das Überschreiten der Höchstdauer, kommt § 14 AVRAG zur Anwendung, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen. Wird also die Maximaldauer überschritten, endet zwar die Besserstellung nach dem MSchG, jedoch kann § 14 AVRAG nahtlos folgen (Binder, DRdA 2007, 463 [467]; Mosing, Ausgewählte Rechtsfragen der Elternteilzeit, ASoK 2018, 362 [365 f]; Thöny, Die Teilzeitbeschäftigung 110; aA Rauch, ZAS 2007/19, 126 [128]).

Nach gefestigter Rsp ist auch die im Familienrecht begründete Betreuungspflicht für gesunde Kinder vom Anwendungsbereich des § 14 AVRAG erfasst. Eine Verpflichtung des DN, die Betreuung an Dritte zu übertragen, besteht auch dann nicht, wenn geeignete Betreuungseinrichtungen zur Verfügung stehen (RIS-Justiz RS0121020). Jedenfalls bei noch nicht schulpflichtigen Kindern und damit jener Altersgruppe („bis zum Ablauf des siebenten Lebensjahrs“), für die der Gesetzgeber im MSchG bzw VKG die Betreuungsbedürftigkeit unterstellt, kann auch ohne Hinzutreten weiterer Umstände von einer iSd § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG relevanten Betreuungspflicht der Eltern ausgegangen werden (9 ObA 38/06p; 9 ObA 60/06y; 9 ObA 41/17wPkt 1.; zustimmend Binder, DRdA 2007, 463 [466]; Pfeil, DRdA 2008/3 [37]).

Die Bekl bestreitet nicht, nach Ende der Karenz eine Elternteilzeitvereinbarung mit der Kl abgeschlossen zu haben. Ob man hier von einer Elternteilzeitvereinbarung nach § 15h Abs 1 MSchG, an die sich eine nach § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG anschloss oder von einer Vereinbarung nach § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG für den gesamten Zeitraum der Teilzeitbeschäftigung der Kl ausgeht, ist im konkreten Fall im Ergebnis irrelevant. Entscheidend ist nur, ob beiden Parteien bewusst war, dass die Kl auch nach der Elternteilzeit (14.4.2013) bzw zum Zeitpunkt der letzten Teilzeitvereinbarung am 22.9.2016 die (weitergeführte) Teilzeit zur Betreuung ihres Kindes wünschte und benötigte. Dies ist nämlich für die Annahme einer Vereinbarung nach § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG als ausreichend anzusehen (9 ObA 41/17w.Pkt 3.).

Davon ist hier aber auszugehen. [...] Es bleibt nun zu prüfen, ob auch bei den Kindern der Kl nach Vollendung des 7. Lebensjahres von einer iSd § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG relevanten Betreuungspflicht ausgegangen werden kann. Diese Frage wurde in der E 9 ObA 38/06p ausdrücklich offen gelassen.

Die Betreuungspflicht des nahen Angehörigen muss sich nach dem Gesetzestext aus einer familiären Beistandspflicht ergeben. Die familiäre Beistandspflicht gegenüber Kindern ergibt sich aus der Pflicht zur Obsorge der Elternteile gegenüber ihren Kindern (§ 158 iVm § 160 ABGB) (9 ObA 38/06p; Pfeil, DRdA 2008/3 [38]). Die Pflege des minderjährigen Kindes umfasst besonders die Wahrnehmung des körperlichen Wohles und der Gesundheit sowie die unmittelbare Aufsicht, die Erziehung, besonders die Entfaltung der körperlichen, geistigen, seelischen und sittlichen Kräfte, die Förderung der Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes sowie dessen Ausbildung in Schule und Beruf (§ 160 Abs 1 ABGB). Der Umfang von Pflege und Erziehung hängt vom Alter und von der Entwicklung des Kindes ab; die Betreuung ist umso intensiver, je jünger das Kind ist. Während bei Kleinkindern die Pflege im Vordergrund steht, steht bei älteren Kindern die Erziehung, der seelische Beistand und die Unterstützung in der Schule im Fokus der Obsorge (vgl Gitschthaler in Schwimann/Kodek4 § 160 ABGB Rz 2; Fischer-Czermak in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 160 Rz 2 f).

Auch die familiäre Beistandspflicht gegenüber einem gesunden Kind, das noch die Volksschule besucht, erfordert normalerweise eine Betreuung des Kindes iSd § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG, die mit einer Vollzeitbeschäftigung des betreuenden Elternteils häufig nicht so leicht in Einklang gebracht werden kann. Kinder, die noch die Volksschule besuchen, benötigen gewöhnlich bereits ab Mittag eine Aufsicht, für längere Zeit allein zu Hause sich selbst will man sie nicht überlassen. Kinder brauchen in diesem Alter gewöhnlich nicht nur (auch noch) eine entsprechende Pflege, sondern vielfach auch Hilfe und Unterstützung im Rahmen der schulischen Aufgaben.

Da jedenfalls das jüngste drittgeborene Kind der Kl auch noch zum Zeitpunkt des Abschlusses der letzten Teilzeitvereinbarung die Volksschule besuchte und die Kl als Alleinerzieherin darüber hinaus noch zwei weitere (ältere) Kinder zu betreuen hatte, hat das Berufungsgericht zutreffend der Abfertigungsberechnung nach § 14 Abs 4 Satz 2 AVRAG die Teilzeitvereinbarung der Kl iSd § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG zugrunde gelegt.

Ob die Anwendung des § 14 Abs 2 Z 2 AVRAG auch bei Kindern über das Volksschulalter hinaus bis zum 14. Lebensjahr grundsätzlich, also ohne Hinzutreten452 besonderer Umstände, zu bejahen ist (so Pfeil, DRdA 2008/3 [39]), braucht hier nicht näher untersucht werden. [...]

Der unbegründeten Revision der Bekl war daher nicht Folge zu geben. [...]

ANMERKUNG

Die gegenständliche E beschäftigt sich erneut mit der Betreuungsnotwendigkeit eines Kindes iZm einer Herabsetzung der Normalarbeitszeit nach § 14 AVRAG. Bislang hat der OGH (9 ObA 38/06p Arb 12.623 =

, 463 [Binder] = infas 2006 A 81; OGH9 ObA 60/06yDRdA 2008/3, 35 [Pfeil] = RdW 2007/110, 102 = ZAS 2007/19, 126 [Rauch]; OGH9 ObA 41/17w Arb 13.423 = ecolex 2017/493, 1194 = RdW 2017/518, 705) eine Betreuungsnotwendigkeit bei nicht schulpflichtigen Kindern bejaht. Nunmehr geht er davon aus, dass eine solche auch für die Volksschulzeit gegeben sein kann (vgl auch OGH 17.12.2018, 9 ObA 102/18t).

1.
Betreuungspflichten iSd § 14 Abs 1 Z 2 AVRAG

Nach § 160 Abs 1 ABGB umfasst die Pflege des minderjährigen Kindes besonders die Wahrnehmung des körperlichen Wohles und der Gesundheit sowie die unmittelbare Aufsicht, die Erziehung, besonders die Entfaltung der körperlichen, geistigen, seelischen und sittlichen Kräfte, die Förderung der Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten sowie dessen Ausbildung in Schule und Beruf. Betreuungshandlungen an heranwachsenden Kindern sind daher vielschichtig und verändern sich im Laufe der Zeit. In den frühen Jahren stehen beispielsweise Körperhygiene, Aufsicht und Erziehung im Vordergrund, später spielen insb seelischer Beistand und Unterstützung in der Schule/bei der Ausbildung eine Rolle. Insofern überrascht es daher nicht, dass das Höchstgericht Betreuungspflichten nicht nur bis zur Schulpflicht, sondern auch während der Volksschulzeit als gegeben sieht.

Erneut unbeantwortet mangels Entscheidungsrelevanz blieb die Frage, ob die Anwendung des § 14 Abs 1 Z 2 AVRAG auch bei Kindern über das Volksschulalter hinaus bis zum 14. Lebensjahr grundsätzlich, also ohne Hinzutreten besonderer Umstände, zu bejahen ist.

Die Gesetzesstelle selbst spricht nur von „nicht nur vorübergehenden Betreuungspflichten“. Im Vorblatt der ErläutRV (886 BlgNR 20. GP 74) ist von „besonderen Betreuungspflichten“, an späterer Stelle (ErläutRV 886 BlgNR 20. GP 97) nur mehr von der Betreuung naher Angehöriger die Rede. Aus diesem Grund geht der OGH in nunmehr stRsp (vgl hierzu die eingangs zitierte Rsp) von einer weiten Auslegung des Begriffs der Betreuungspflichten aus. Dagegen spricht auch nicht der Umstand, dass in den Materialien an der bereits erwähnten Stelle von „besonderen Betreuungspflichten“ die Rede ist. Regelungszweck (Erleichterung der flexiblen Arbeitsgestaltung des Arbeitslebens, ohne die arbeitsrechtliche Stellung der AN zu verschlechtern), Gesetzeswortlaut („vorübergehende Betreuungspflichten“) und der sonstige Wortlaut der Materialien (es finden nur mehr die Betreuung und keine besonderen Betreuungspflichten Erwähnung) sind dahingehend zu deuten, einer nichteinschränkenden Interpretation den Vorzug zu geben (OGH.9 ObA 38/06p Arb 12.623 = DRdA 2007/46, 463 [Binder] = infas 2006 A 81; OGH9 ObA 60/06yDRdA 2008/3, 35[Pfeil] = RdW 2007/110, 102 = ZAS 2007/19, 126 [Rauch]). Eine solche Sichtweise entspricht auch der überwiegenden Rechtsansicht innerhalb der Lehre (vgl etwa Holzer/Reissner, AVRAG2 [2006] § 14 Rz 8; Binder/Mair in Binder/Burger/Mair, AVRAG3 [2016] § 14 Rz 12; Pfeil in Neumayr/Reissner [Hrsg], Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht3 [2018] § 14 AVRAG Rz 7). Dementsprechend müssen „nur“ Betreuungspflichten und keine besonderen Betreuungspflichten vorliegen. Daraus folgt mE auch, dass sich eine Betreuungsverpflichtung nicht mit besonderen Umständen paaren muss, damit die Rechtsfolgen des § 14 AVRAG eintreten. Besondere Umstände würden nämlich wieder zu besonderen Betreuungspflichten führen. Würde man solche verlangen, wäre wieder nur ein reduzierter Anwendungsbereich der Gesetzesstelle gegeben.

Die Betreuungspflicht des nahen Angehörigen muss sich nach dem Gesetzestext des § 14 Abs 1 Z 2 AVRAG aus einer familiären Beistandspflicht ergeben. Die familiäre Beistandspflicht gegenüber Kindern ergibt sich aus der Pflicht zur Obsorge der Elternteile gegenüber ihren Kindern (§ 158 iVm § 160 ABGB). Damit bleibt erneut offen (vgl Arb 12.623OGH9 ObA 38/06p = DRdA 2007/46, 463 [Binder] = infas 2006 A 81; OGH9 ObA 60/06yDRdA 2008/3, 35 [Pfeil] = RdW 2007/110, 102 = ZAS 2007/19, 126 [Rauch]; OGH.9 ObA 41/17w Arb 13.423 = ecolex 2017/493, 1194 = RdW 2017/518, 705; OGH.17.12.2018, 9 ObA 102/18t), ob der OGH auch dann eine Anwendung der Gesetzesstelle bejahen würde, wenn keine rechtlich verfestigte Beistandspflicht vorliegt (idS überzeugend die Lehre; vgl Jabornegg, Arbeitsrechtliche Aspekte des ASRÄG 1997, in Jabornegg/Resch [Hrsg], Rechtsfragen des ASRÄG 1997 [1998] 37; Holzer/Reissner, AVRAG2 § 14 Rz 8; Binder/Mair in Binder/Burger/Mair, AVRAG3 § 14 Rz 12; Pfeil in Neumayr/Reissner [Hrsg], Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht3 § 14 AVRAG Rz 6).

Die sich aus der Obsorge ergebenden Rechte und Pflichten enden – wenn man von § 174 ABGB absieht – erst mit der Volljährigkeit des Kindes (§ 183 ABGB). Bis zu diesem Zeitpunkt kann daher mE auch eine Herabsetzung der Arbeitszeit nach § 14 Abs 1 Z 2 AVRAG vereinbart werden, sofern entsprechende Betreuungshandlungen wahrgenommen werden. Eine solche Auslegung erscheint auch stimmig in Hinblick auf § 16 Abs 1 Z 2 UrlG, welche einen Freistellungsanspruch zum Zwecke der Kindesbetreuung regelt. Der dort verwendete Kindesbegriff wird ebenfalls weit ausgelegt. Es wird lediglich auf das Verwandtschaftsverhältnis abgestellt, eine Altersgrenze ist idZ überhaupt irrelevant (vgl hierzu etwa Kollros, Probleme bei der Betreuungsfreistellung, ZAS 2000, 1 ff; Gerhartl453, Urlaubsrecht [2015] § 16 Rz 43; Reissner in Neumayr/Reissner [Hrsg], Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht3 § 16 UrlG Rz 17).

Betreuungsteilzeiten nach § 14 AVRAG können daher sowohl die Volksschulzeit, als auch die Vollendung des 14. Lebensjahres des Kindes überdauern. Eine solche Auslegung schützt den Großteil jener – in der Praxis nicht selten vorkommenden – Fälle, in denen ein Elternteil nach dem Ende einer Elternteilzeit bis zur Matura des Kindes in einer Teilzeitbeschäftigung verbleibt, die der Kindesbetreuung geschuldet ist. Oftmals wollen nämlich Eltern auch nach dem Volksschulabschluss eine Lernunterstützung bieten oder einen Überblick über die Nachmittagsaktivitäten oder den sozialen Umgang ihres Kindes haben (vgl idZ auch Pfeil in seiner Besprechung zu OGH9 ObA 60/06yDRdA 2008/3, 39). Mündige Minderjährige sind in diesem Lebensabschnitt auch mit besonders vielen neuen Lebenssituationen konfrontiert, welche das Erwachsenwerden mit sich bringt und die es zu verarbeiten gilt. Gerade deswegen sind in dieser Zeit oftmals ein besonderer seelischer Beistand und ein geregelter Tagesablauf hilfreich. All diese Maßnahmen können mit Hilfe einer Arbeitszeitreduktion nach § 14 Abs 1 Z 2 AVRAG oftmals besser wahrgenommen werden. Das eine solche auch dann vereinbart werden kann, wenn eine Betreuung an Dritte ausgelagert werden könnte, ist ebenfalls verständlich. Schlussendlich wird die Betreuung durch einen Elternteil im Regelfall stärker dem Kindeswohl dienen und häufig auch dessen Willen entsprechen (§ 160 Abs 3 ABGB; vgl idZ auch Binder in seiner Besprechung zu OGH9 ObA 38/06pDRdA 2007, 466).

3.
§ 14 Abs 1 Z 2 AVRAG und Elternteilzeit

Erneut lag dem Anlassfall die Konstellation zugrunde, dass Arbeitsvertragsparteien eine weiter andauernde Teilzeitbeschäftigung über den Zeitraum einer möglichen Elternteilzeit hinaus vereinbaren. In solchen Fällen besteht bei einer späteren abfertigungsauslösenden Beendigung für den DG das Risiko, dass eine Abfertigung nach § 14 Abs 3 AVRAG zu berechnen ist. Auch dann, wenn kein ausdrücklicher Hinweis auf die tatsächlich weiterbestehenden Betreuungspflichten von Seiten des AN erfolgt ist, aber selbige dem AG zumindest aus den Begleitumständen bekannt sein mussten. Wie das Höchstgericht idZ treffend mit Verweis auf die überwiegende Lehrmeinung anmerkt, liegt der Grund für eine mögliche Kombination dieser begünstigten Teilzeitformen darin, dass weder MSchG noch VKG die anschließende Anwendung des § 14 AVRAG ausschließen. Wenn der AG dieses Risiko nicht tragen will, darf er dem andauernden Teilzeitwunsch des AN nicht zuzustimmen. Eine Herabsetzung der Arbeitszeit nach § 14 Abs 1 Z 2 AVRAG muss nämlich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut vereinbart werden, ein Rechtsanspruch besteht nicht. Stimmt der AG dennoch einer solchen Arbeitszeitherabsetzung zu, kann die Abfertigungsberechnung nach § 14 Abs 3 AVRAG durch Vereinbarung beeinflusst werden; allerdings nur dann, wenn die Betreuungsteilzeit die Dauer von zwei Jahren überschreitet. Die Lehre geht idZ davon aus, dass die abweichende Vereinbarung günstiger als die gesetzlich vorgesehene Durchschnittsberechnung sein muss (vgl Jabornegg, Arbeitsrechtliche Aspekte des ASRÄG 1997, in Jabornegg/Resch [Hrsg], Rechtsfragen des ASRÄG 1997, 36; Binder/Mair in Binder/Burger/Mair, AVRAG3 § 14 Rz 18). Der Grund hierfür läge darin, dass sich das Gesetz ausdrücklich als Modifikation der zwingenden Abfertigungsregelung nach AngG (bzw ArbAbfG oder GAngG) verstehe (Jabornegg, Arbeitsrechtliche Aspekte des ASRÄG 1997, in Jabornegg/Resch [Hrsg], Rechtsfragen des ASRÄG 1997, 36). Der OGH (8 ObA29/18zDRdA-infas 2018/197, 357 = ecolex 2019/34, 70 = RdW 2018/549, 72) teilt diese Rechtsansicht und verweist zusätzlich auf die Unabdingbarkeit nach § 16 AVRAG. Damit aber die Unabdingbarkeit nach § 16 AVRAG schlagend wird, müsste § 14 AVRAG im betreffenden Vereinbarungszeitraum einen Mindestanspruch vermitteln. Dies ist aber nicht der Fall, vielmehr erklärt die Gesetzesstelle die Abfertigungsberechnung für dispositiv. Nur wenn die Vereinbarungsmöglichkeit nicht genützt wird, greift die Durchschnittsberechnung des § 14 Abs 3 AVRAG. Modifiziert ist die „normale“ Abfertigungsberechnung auch schon dadurch, dass in den ersten zwei Jahren der Laufzeit jedenfalls die frühere Arbeitszeit einer allfälligen Abfertigungsberechnung zugrunde zu legen ist. Der Gesetzestext spricht zudem nur von einer anderen und keiner günstigeren Vereinbarung, die Materialien verschweigen sich (ErläutRV 886 BlgNR 20. GP 96 f). ME ist es daher auch zulässig, dass eine solche abweichende Vereinbarung wieder auf die gesetzlichen Mindeststandards des AngG (bzw ArbAbfG oder GAngG) „zurückkehrt“. Diese dürfen nicht unterschritten werden, weil die Intention des Gesetzgebers keinesfalls eine Schlechterstellung des AN im Vergleich zu einer „normalen“ Abfertigungsberechnung war. Sinnentkleidet ist eine Betreuungsteilzeit auch dann nicht; es besteht immer noch ein Motivkündigungsschutz oder alternativ dazu der Anspruch auf eine „Kündigungsentschädigung“ (§ 15 AVRAG), wenn die Betreuungsteilzeit die Zweijahresgrenze überschreitet.

Eine günstigere Abfertigungsberechnung nach § 14 Abs 3 AVRAG kommt auch dann nicht zum Tragen, wenn die anhaltende Arbeitszeitreduktion nicht mehr durch Betreuungspflichten motiviert ist. In diesem Fall sollte der AG aber für eine ausreichende Beweisbarkeit Sorge tragen, weil die frühere Elternteilzeit das Gegenteil nahelegt.

Im Gegensatz dazu ist es rechtlich unzulässig, die Nichtanwendung des § 14 AVRAG zu vereinbaren, obwohl der Zweck einer Arbeitszeitherabsetzung bekanntermaßen in der Kindesbetreuung liegt. Wie bei der Elternteilzeit (OGH.8 ObA 15/12g ecolex 2012/258, 634 =

infas 2012 A 65
= RdW 2012/446, 424; OGH.9 ObA 20/16f.Arb 13.305 = ecolex 2016/277, 615 = RdW 2016/375, 493) führt das Vorliegen des schutzauslösenden Merkmals zu den damit verbundenen Rechtsfolgen, ohne dass selbige durch Vereinbarung abbedungen werden könnten. Ein anderes Ergebnis wäre mit dem Zweck einer454Schutzgesetzgebung nicht vereinbar. Dasselbe hat auch dann zu gelten, wenn durch eine anderslautende Vereinbarung das gesetzliche Schutzniveau reduziert wird. Dies wäre dann der Fall, wenn zum Zwecke der Kindesbetreuung anstatt einer Elternteilzeit nach MSchG bzw VKG eine Herabsetzung der Arbeitszeit nach § 14 Abs 1 Z 2 AVRAG vereinbart werden würde. Da die Elternteilzeit auch die speziellere Regelung zur Kindesbetreuung ist, findet dieses Ergebnis auch in den allgemeinen Regeln zu Normenkonkurrenz Deckung. Es ist dem OGH daher zuzustimmen, dass im Anlassfall diese Einordnungsfrage irrelevant war, will man sie aber dennoch beantworten, geht die Elternteilzeit einer Herabsetzung der Arbeitszeit iSd § 14 Abs 1 Z 2 AVRAG vor.