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Zwingende Durchschnittsberechnung des Abfertigungsanspruches bei Arbeitszeitverkürzung gemäß § 14 Abs 2 AVRAG

GREGORKALTSCHMID
OGH 19.7.2018, 8 Ob A 29/18z

Der Kl war von 8.10.1984 bis zur Kündigung durch die Bekl zum 30.6.2017 als Lagerleiter beschäftigt. Mit Vereinbarung vom 28.2.2015 setzten die Parteien die wöchentliche Normalarbeitszeit des Kl von 38,5 Stunden auf 29 Stunden herab. Weiters erklärte sich der Kl in dieser Vereinbarung damit einverstanden, dass künftige Abfertigungsansprüche gem § 23 AngG nur nach dem jeweiligen Teilzeitentgelt auf Basis von 29 Stunden berechnet würden und es zu keiner Durchschnittsbetrachtung aller maßgeblichen Dienstjahre komme. Der Kl erhielt eine gesetzliche Abfertigung auf Basis des zuletzt bezogenen Bruttomonatlohns.

Mit seiner Klage begehrte der Kl € 10.171,24 sA an Abfertigungsdifferenz, weil § 14 Abs 4 AVRAG einseitig zwingend zugunsten des AN sei und er357damit nicht wirksam auf die Berechnung der Abfertigung nach dem Durchschnittsprinzip verzichten habe können.

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren mit ebendieser Begründung übereinstimmend statt. Der OGH gab der Revision der Bekl nicht Folge.

Er begründete seine Entscheidung folgendermaßen:

§ 16 AVRAG ordnet an, dass alle Rechte, die dem AN aufgrund der §§ 2 bis 15a AVRAG zustehen, durch Arbeitsvertrag oder Normen der kollektiven Rechtsgestaltung weder aufgehoben noch beschränkt werden können. Die Regelungen des AVRAG sind insofern relativ zwingend, als nicht zum Nachteil des AN davon abgewichen werden kann. Abweichende Regelungen zB im Arbeitsvertrag sind also nur zulässig, soweit sie für den AN günstiger als die Anordnungen im Gesetz sind.

§ 14 AVRAG wurde ua mit dem Ziel ins Gesetz eingefügt, „AG und AN eine flexible Gestaltung des Arbeitslebens zu erleichtern, ohne aber die arbeitsrechtliche Stellung der AN zu verschlechtern“. Vor diesem Hintergrund modifiziert § 14 Abs 4 AVRAG die Abfertigungsregeln nach AngG, Arbeiter-Abfertigungsgesetz (ArbAbfG) und Gutsangestelltengesetz (GAngG) bei Herabsetzung der Normalarbeitszeit durch Vereinbarung nach § 14 Abs 2 AVRAG: Gem § 14 Abs 4 Satz 1 AVRAG hat eine solche Vereinbarung keine negative Auswirkung auf den Anspruch auf Abfertigung – insb auch nach § 23 AngG –, wenn die Herabsetzung der Normalarbeitszeit weniger als zwei Jahre gedauert hat. Hat sie – wie hier – zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits länger als zwei Jahre gedauert, so ist nach § 14 Abs 4 Satz 2 AVRAG – sofern keine andere Vereinbarung abgeschlossen wird – bei der Berechnung einer nach dem AngG, dem ArbAbfG oder dem GAngG zustehenden Abfertigung für die Ermittlung des Monatsentgelts vom Durchschnitt der während der für die Abfertigung maßgeblichen Dienstjahre geleisteten Arbeitszeit auszugehen.

Aus § 16 AVRAG folgt, dass eine „andere Vereinbarung“ nur eine für den AN im Vergleich zu der in § 14 Abs 4 Satz 2 AVRAG angeordneten Durchschnittsbetrachtung günstigere Regel sein kann. Da sich § 14 Abs 4 AVRAG explizit als Modifikation der Abfertigungsregeln nach AngG (bzw ArbAbfG oder GAngG) versteht, liegt insoweit eine nach § 16 AVRAG vor Verschlechterungen geschützte Rechtsposition des AN vor.

Die Vorinstanzen haben daher die zwischen den Parteien anlässlich der Herabsetzung der Normalarbeitszeit getroffene Vereinbarung, wonach künftige Abfertigungsansprüche unter Abbedingung einer Durchschnittsbetrachtung aller maßgeblichen Dienstjahre gem § 23 AngG nur nach dem jeweiligen Teilzeitentgelt auf Basis von 29 Stunden berechnet werden, zutreffend als unwirksam beurteilt.