141Additivfachausbildung: Keine Rechtfertigung der mehrfachen Befristungsverlängerung
Additivfachausbildung: Keine Rechtfertigung der mehrfachen Befristungsverlängerung
Die Bekl ging mit dem Kl ein von 2.7.2007 bis 1.7.2009 befristetes Dienstverhältnis zum Zweck der Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin ein. Ab Aufnahme in den Dienst war der Kl zunächst als Turnusarzt und später als Assistenzarzt tätig. Im Jänner 2009 beantragte der Kl zum Zweck der Ausbildung zum Facharzt für Lungenkrankheiten die Verlängerung des Dienstverhältnisses bis 1.10.2013. Diese wurde mit Schreiben der Bekl vom 13.2.2009 bewilligt. Nach Abschluss seiner Ausbildung zum Facharzt für Lungenkrankheiten bereits Ende April 2013 trat der Kl an den Abteilungsvorstand mit der Frage heran, ob er in ein Dauerdienstverhältnis übernommen werden könne. Der Abteilungsvorstand erklärte dem Kl, dass er sich zunächst eine weitere Spezialisierung im Fachgebiet durch Absolvierung einer zusätzlichen Ausbildung erwarte. Der Kl stellte daraufhin am 20.6.2013 den Antrag auf Verlängerung seines befristeten Dienstverhältnisses bis 30.4.2016, weil er eine weitere Ausbildung im Additivfach pneumologische Intensivmedizin machen wollte. Mit Schreiben der Bekl vom 9.7.2013 wurde das Dienstverhältnis des Kl bis 30.4.2016 erneut verlängert. Am 17.11.2015 ersuchte der Kl schriftlich um Übernahme in ein unbefristetes Dienstverhältnis. In der Sitzung der Dauervertragskommission am 12.2.2016 wurde das Ansuchen des Kl auf Übernahme in ein unbefristetes Dienstverhältnis abgelehnt. Das Ergebnis der Entscheidung der Dauervertragskommission wurde dem Kl am 15.2.2016 zur Kenntnis gebracht.
Der Kl begehrte mit der am 29.2.2016 eingebrachten Klage die Feststellung, dass zwischen der Bekl und ihm ein über den 30.4.2016 hinausgehendes unbefristetes Dienstverhältnis bestehe. Es liege ein Kettendienstvertrag vor, der als unbefristeter Dienstvertrag anzusehen sei. Sein Dienstverhältnis habe zwar auch der gesetzlich vorgeschriebenen Ausbildung zum Erwerb der Berufsberechtigung Facharzt gedient, der Kl habe diese Berufsberechtigung jedoch bereits mit 30.4.2013 erlangt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl nicht Folge. Die außerordentliche Revision des Kl wurde vom OGH als zulässig und berechtigt erachtet.
Das Dienstverhältnis unterliegt unstrittig der Wiener Vertragsbedienstetenordnung (VBO) 1995. § 2 Abs 5 VBO 1995 enthält die Einschränkung auf eine einmalige Verlängerung befristeter Dienstverhältnisse um maximal ein Jahr. Dies wird in Satz 2 leg cit noch durch die Anordnung verstärkt, dass das Dienstverhältnis als von Anfang an auf unbestimmte Zeit eingegangen gilt, wenn es über den Verlängerungszeitraum hinaus fortgesetzt wird. Eine über die engen Schranken des § 2 Abs 5 VBO 1995 hinausgehende (allenfalls auch mehrfache) Verlängerung eines befristeten Dienstverhältnisses ist zulässig, wenn das Dienstverhältnis „auch der gesetzlich vorgeschriebenen Ausbildung zum Erwerb einer Berufsberechtigung dient“. Auf diese Ausnahmebestimmung stützt sich die Bekl hier.
Der auf den vorliegenden Sachverhalt zur Anwendung gelangende § 8 Abs 1 ÄrzteG 1998 idF BGBl I 2010/61BGBl I 2010/61 eröffnete über die Facharztausbildung hinaus die Möglichkeit, „eine ergänzende spezielle Ausbildung auf einem Teilgebiet eines Sonderfaches in der Dauer von mindestens drei Jahren, die in den für das jeweilige Teilgebiet des betreffenden Sonderfaches anerkannten Ausbildungsstätten und im bezeichnungsrelevanten Teilgebiet des betreffenden Sonderfaches auf einer genehmigten Ausbildungsstelle zu erfolgen hat
“, zu absolvieren. Gemäß dem mit der 5. ÄrzteG-Novelle, BGBl I 2003/140, eingefügten – damals – letzten Satz des § 8 Abs 1 leg cit handelt es sich bei einer ergänzenden speziellen Ausbildung auf dem Teilgebiet eines Sonderfachs um eine spezielle Ausbildung im Rahmen eines Sonderfachs („Additivfach“).
Mit der ÄrzteG-Novelle 2014, BGBl I 2014/82BGBl I 2014/82, wurde die ärztliche Ausbildung reformiert und die Möglichkeit des Erwerbs eines Additivfachs beseitigt. Stattdessen wurden in die Facharztausbildung integrierte Module und gem § 11a ÄrzteG 1998 die Möglichkeit einer Spezialisierung nach abgeschlossener Ausbildung vorgesehen. Weder eine Spezialisierung noch eine Additivfachausbildung führen allerdings zu einer besonderen Berufsberechtigung. Berufsrechtlich dürfen auch Ärzte des jeweiligen Sonderfachs, die nicht ein diesbezügliches Additivfach abgeschlossen haben, die im jeweiligen Teilgebiet umfassten Tätigkeiten ausüben. Die Absolvierung einer ergänzenden speziellen Ausbildung bringt daher keine zusätzliche Berufsberechtigung, sondern weist den jeweiligen Arzt nur als besonderen Spezialisten gegenüber Dritten aus.
§ 31 Abs 3 ÄrzteG 1998 ordnet an, dass Fachärzte ihre fachärztliche Berufstätigkeit auf ihr Sonderfach zu beschränken haben. Die vom Erstgericht zitierte Bestimmung des § 31 Abs 3 Z 4 ÄrzteG 1998 idF BGBl I 2009/62BGBl I 2009/62 nimmt hiervon nur Fachärzte in Ausbildung in einem Additivfach aus, sofern diese Ausbildung an einer für ein anderes Sonderfach anerkannten Ausbildungsstätte erfolgt, diese Ausbildungsstätte aber auch als Ausbildungsstätte für das angestrebte Additivfach anerkannt ist. Mit Einführung der Z 4 leg cit sollte nur eine Erleichterung in der Ausbildung eröffnet und die Möglichkeit der Vermittlung der Ausbildungsinhalte in einem Additivfach durch den Wegfall der bisher hemmenden Sonderfachbeschränkung, die 263hinsichtlich dieser Tätigkeit aber sachlich nicht gerechtfertigt scheint, erweitert werden.
Das bedeutet, dass die Ansicht der Vorinstanzen und der Bekl, die vom Kl begonnene Ausbildung im Additivfach Intensivmedizin im Rahmen des Sonderfachs Lungenkrankheiten habe auch „zum Erwerb einer Berufsberechtigung“ gedient, nicht richtig ist. Die zweite Verlängerung des befristeten Dienstverhältnisses ab 1.10.2013, nachdem der Kl seine Facharztausbildung bereits im April 2013 abgeschlossen und sechs Monate als Facharzt gearbeitet hatte, ist nicht mehr durch die Ausnahmebestimmung des § 2 Abs 5 Satz 1, 2. Halbsatz VBO 1995 gedeckt. Eine vom Wortlaut nicht gedeckte Ausdehnung des § 2 Abs 5 VBO 1995 auf vom Erwerb einer Berufsberechtigung losgelöste Ausbildungsverhältnisse kommt nicht in Betracht.
Da der Kl die Klage noch vor Ablauf der letzten Befristung mit 30.4.2016 eingebracht hat, unmittelbar nachdem ihm die Entscheidung der Dauervertragskommission bekannt gegeben worden war, kann ihm auch keine Verletzung der Aufgriffsobliegenheit angelastet werden. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte der Kl noch damit rechnen, wenigstens nach dem 30.4.2016 einen unbefristeten Vertrag zu erhalten.