145Anspruch auf Insolvenz-Entgelt nur bei tatsächlichem Arbeitsantritt
Anspruch auf Insolvenz-Entgelt nur bei tatsächlichem Arbeitsantritt
Die in § 1 Abs 2 IESG angeführten Ansprüche aus einem „Arbeitsverhältnis“ entstehen grundsätzlich erst ab dem tatsächlichen Antritt der Arbeit. Die bloße Bereitschaft zum Arbeitsantritt wird nicht mit der Arbeitsbereitschaft iSd Rsp gleichgesetzt.
Der Kl schloss mit der später insolventen Gesellschaft am 29.4.2014 einen „Vertrag über gewerberechtliche Geschäftsführung und Dienstvertrag“. Aufgrund seiner einschlägigen Befähigung sollte er die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers mit einem Arbeitszeitausmaß von 20 Wochenstunden übernehmen. Es wurden keine bestimmten Dienstzeiten oder konkreten Leistungen vereinbart. Der Kl erbrachte nach dem 29.4.2014 keinerlei Arbeitsleistungen für die Gesellschaft, wäre aber grundsätzlich dazu bereit gewesen. Von der Gesellschaft wurde er nicht zur Arbeitsleistung aufgefordert. Der Kl versuchte ab Anfang Juni 2014 vergeblich, mit der Gesellschaft in Kontakt zu treten. Mangels Gehaltszahlung wandte er sich an die Arbeiterkammer, die am 9.7.2014 ein Forderungsschreiben an die Gesellschaft richtete und mangels Reaktion im Namen des Kl am 22.7.2014 dessen vorzeitigen Austritt erklärte.
Das Berufungsgericht ging davon aus, dass die Ansprüche des Kl nicht nach § 1 Abs 2 IESG gesichert sind, da der Kl seine Tätigkeit nicht aufgenommen und das Dienstverhältnis nicht angetreten hat.
„[…] 2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt (RS0115454 = 8 ObS 141/01w, 8 ObS 5/03y mwN) dargelegt, dass die in § 1 Abs 2 IESG angeführten Ansprüche aus einem ‚Arbeitsverhältnis‘ grundsätzlich erst ab dem tatsächlichen Antritt der Arbeit entstehen (vgl im Übrigen auch VwGH.2013/08/0222 mwN).267Ein dem vorliegenden Sachverhalt ähnlicher Fall war schon Gegenstand der Entscheidung zu .8 ObS 5/03y. Dort wurde ein befristeter Arbeitsvertrag abgeschlossen, jedoch kein konkreter Antrittszeitpunkt vereinbart, sondern der Arbeitnehmer sollte dazu auf einen Anruf des Arbeitgebers warten, der aber nicht erfolgte. Obwohl der Arbeitnehmer innerhalb eines Monats mehrmals im Büro des Dienstgebers vergeblich wegen des Dienstantritts nachgefragt hatte, beurteilte der Oberste Gerichtshof die geltend gemachten Ansprüche als nicht gesichert. Er hielt dazu fest, dass die Funktion der Entgeltleistung als Gegenleistung des Arbeitgebers für die Überlassung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers bei einem derartigen Sachverhalt nicht verwirklicht sei. Die bloße Bereitschaft zum Arbeitsantritt wurde nicht mit der Arbeitsbereitschaft im Sinne der Rechtsprechung gleichgesetzt.
3. Wann von einem Arbeitsantritt im Sinne dieser Rechtsprechung auszugehen ist, kann naturgemäß nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls beurteilt werden und stellt damit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 12 ZPO dar.
4. Hier waren konkrete Tätigkeiten und Arbeitszeiten – über die Wiederholung der für die Erlangung der Gewerbeberechtigung notwendigen verba legalia hinaus – weder im Vertrag vereinbart, noch wurde der Kläger je zu einer Leistung aufgefordert oder hat diese erbracht. Er hat bis zu seinem Austritt keine Anstalten unternommen, den Verpflichtungen eines gewerberechtlichen Geschäftsführers nachzukommen, beispielsweise sich näher über den beabsichtigten Betrieb und das Personal zu informieren, Zugang zur Betriebsstätte zu begehren und allenfalls die operativen Geschäftsführer in gewerblicher Hinsicht zu beraten. Ein konkreter Dienstantritt konnte nicht festgestellt werden. Es war den Vertragsparteien unbenommen, schon für die Zeit ab Antragstellung bei der Gewerbebehörde eine Entgeltvereinbarung zu treffen, schließlich konnte der Kläger seine Gewerbebefähigung in dieser Phase nicht mehr anderweitig verwerten. […]“
Anspruch auf Insolvenz-Entgelt haben gem § 1 Abs 1 IESG AN, freie DN iSd § 4 Abs 4 ASVG, Heimarbeiter und ihre Hinterbliebenen sowie ihre Rechtsnachfolger von Todes wegen für die nach Abs 2 gesicherten Ansprüche, wenn sie in einem Arbeitsverhältnis (freien Dienstverhältnis, Auftragsverhältnis) stehen oder gestanden sind. Der AN-Begriff des § 1 Abs 1 IESG ist ident mit jenem des Arbeitsvertragsrechts des ABGB. Demnach ist AN, wer ausdrücklich (schriftlich oder mündlich) oder schlüssig (durch entsprechendes Verhalten) einen Arbeitsvertrag abgeschlossen hat und sich somit durch einen privatrechtlichen Vertrag gegen Entgelt zur Erbringung von Arbeitsleistungen für einen anderen in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet hat. Nach der „Vertragstheorie“ ist der Arbeitsvertrag das begründende Element des Arbeitsverhältnisses. Nach der „Eingliederungstheorie“ hingegen erfolgt die eigentliche Begründung des Arbeitsverhältnisses erst durch die Eingliederung in die Organisation des Betriebes.
Für den Bereich des IESG dürfte der OGH auf die Eingliederungstheorie abstellen. In der OGH-E 8 ObS 141/01w vom 25.6.2001 führte er aus, unter dem Begriff „Arbeitsverhältnis“ iSd § 1 Abs 2 sei erst der Zeitraum ab Arbeitsaufnahme zu verstehen. Die faktische Aufnahme der Tätigkeit sei auch das wesentliche Anknüpfungskriterium für den Beginn des Versicherungsverhältnisses nach dem ASVG. Im Hinblick auf die Symmetrie von Beitragsleistung und Sozialversicherungsleistung seien Schadenersatzansprüche, die ihre Entstehung schon vor Aufnahme der Arbeitsleistung haben, wie zB solche aus einem unberechtigten Rücktritt vom Arbeitsvertrag, nicht von der Sicherung nach dem IESG erfasst. Der vom OGH zitierten E 8 ObS 5/03y vom 26.6.2003 lag ein dem Anlassfall vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde. Auch hier hatte der OGH die geltend gemachten Ansprüche als nicht gesichert beurteilt, da die bloße Bereitschaft zum Arbeitsantritt nicht mit der Arbeitsbereitschaft iSd Rsp gleichzusetzen sei.
Der OGH hat somit bereits wiederholt dargelegt, dass die in § 1 Abs 2 IESG angeführten Ansprüche grundsätzlich erst ab dem tatsächlichen Antritt der Arbeit entstehen. Demnach sind Ansprüche durch den Insolvenz-Entgelt-Fonds nur dann gesichert, wenn das Arbeitsverhältnis überhaupt angetreten wurde. Wann von einem Arbeitsantritt auszugehen ist, kann nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. Im Anlassfall waren weder konkrete Tätigkeiten oder Arbeitszeiten vereinbart noch wurde der Kl je zu einer Arbeitsleistung aufgefordert. Der Kl hat bis zu seinem Austritt auch keine Anstalten unternommen, den Verpflichtungen eines gewerberechtlichen Geschäftsführers nachzukommen. Ein konkreter Dienstantritt konnte daher nicht festgestellt werden.268