147Berechtigter vorzeitiger Austritt während Altersteilzeit: Vereinbarte Kündigungsentschädigung in Höhe des Vollzeitgehalts bei Insolvenz gesichert
Berechtigter vorzeitiger Austritt während Altersteilzeit: Vereinbarte Kündigungsentschädigung in Höhe des Vollzeitgehalts bei Insolvenz gesichert
Der Kl war von 1.2.2002 bis zu seinem vorzeitigen Austritt gem § 25 IO am 17.11.2017 bei der späteren Insolvenzschuldnerin als Lagerarbeiter beschäftigt. Am 19.12.2016 schloss der Kl eine Altersteilzeitvereinbarung, mit der die wöchentliche Normalarbeitszeit ab 1.2.2017 von 40 auf 20 Stunden herabgesetzt wurde. Weiters wurde vereinbart, dass die Kündigungsentschädigung im Fall einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch unberechtigte Entlassung oder durch vorzeitigen berechtigten Austritt auf Basis der Arbeitszeit vor der Herabsetzung zu berechnen sei. Am 9.11.2017 wurde ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des AG eröffnet. Die IEF-Service GmbH sprach die Kündigungsentschädigung nur auf Basis der 20 Stunden zu, der darüber hinausgehende Betrag wurde abgewiesen.
Sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht gelangten zu dem Ergebnis, dass die vereinbarte – gegenüber dem gesetzlichen Anspruch erhöhte – Kündigungsentschädigung nach dem IESG gesichert ist. Der OGH bestätigte diese E.
Intention des Gesetzgebers ist, alle Einzelvereinbarungen, die eine unkontrollierte Belastung des Insolvenz-Entgelt-Fonds (IEF) bewirken könnten, der Höhe nach zu begrenzen. Abgesehen von den ausdrücklich im Gesetz genannten Sicherungsausschlüssen sind Vereinbarungen oder Verhaltensweisen, durch die das Risiko im Insolvenzfall missbräuchlich auf den IEF überwälzt werden soll bzw durch die eine sonst nicht bestehende Verpflichtung des IEF begründet werden soll, diesem gegenüber gem § 879 Abs 1 ABGB nichtig. Der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs wird danach bestimmt, ob die gewählte Vorgangsweise einem Fremdvergleich standhält.
Gem § 1 Abs 3 Z 2 lit b IESG gebührt kein Insolvenz- Entgelt für Ansprüche, die auf einer Einzelvereinbarung beruhen, die in den letzten sechs Monaten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossen wurde, soweit die Ansprüche über den durch Gesetz, KollV oder BV zustehenden Anspruch oder die betriebsübliche Entlohnung hinausgehen oder auf sonstigen Besserstellungen beruhen, wenn die höhere Entlohnung sachlich nicht gerechtfertigt ist.
Mit der Frage der Höhe der Bemessungsgrundlage der Kündigungsentschädigung bei Altersteilzeit hat sich der OGH bereits in der E 8 ObS 26/05i vom 19.12.2005 auseinandergesetzt. In diesem Fall kam der OGH zum Ergebnis, dass für die Bemessung der Kündigungsentschädigung das während der Altersteilzeit gebührende Entgelt samt Lohnausgleich heranzuziehen sei. Aus der genannten E ergibt sich allerdings nicht, dass nach dem IESG jedenfalls nur eine auf dieser Grundlage berechnete Kündigungsentschädigung gesichert ist, betont der OGH darin doch, dass der dortige Kl eine sachliche Rechtfertigung für die erst zwei Monate vor Insolvenzeröffnung – und somit innerhalb des Zeitraums des § 1 Abs 3 Z 2 lit b IESG getroffene – vertragliche Vereinbarung einer höheren als der gesetzlich zustehenden Kündigungsentschädigung nicht aufgezeigt habe.
Im Anlassfall ist die vom Kl geltend gemachte Kündigungsentschädigung kein nach dieser Gesetzesstelle ausgeschlossener Anspruch, weil die zugrunde liegende Vereinbarung rund elf Monate vor der Insolvenzeröffnung und damit außerhalb des verpönten Zeitraums geschlossen wurde.
§ 3 Abs 3 IESG bestimmt, dass der Berechnung des Insolvenz-Entgelts für gesicherte Ansprüche nur die gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfristen unter Bedachtnahme auf die Kündigungstermine und die gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen zugrunde zu legen sind. Der OGH hat bereits ausgesprochen, dass der Zweck dieser Bestimmung in der Begrenzung der gesicherten Ansprüche liegt. Demnach ist das Ausmaß der gesicherten Ansprüche für die Zeit bis zum Ablauf der gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfristen und Kündigungstermine beschränkt. Eine einzelvertraglich vereinbarte Verlängerung der Kündigungsfrist kann keine anspruchserhöhende Wirkung haben (RIS-Justiz RS0077437; OGH 25.11.2016, 8 ObS 15/16p). Diese Bestimmung nimmt jedoch nicht generell jede die AN-Seite begünstigende Vereinbarung über die Höhe der Kündigungsentschädigung, konkret über die heranzuziehende Bemessungsgrundlage bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, von der Sicherung nach dem IESG aus.
Im vorliegenden Fall ist eine sittenwidrige Inanspruchnahme des IEF nicht ersichtlich, da mit der Vertragsauflösung auch die Altersteilzeitvereinbarung ihre Wirkung verliert und damit weitergehende Nachteile für den Kl – insb der Verlust des Privilegs der Abfuhr der Sozialversicherungsbeiträge auf Basis der Arbeitszeit vor der Herabsetzung – verbunden sind. Diese Rechtsauffassung ist nach Ansicht des OGH auch deswegen gut vertretbar, da der Zuschlag gem § 12 Abs 1 Z 4 IESG271 für den Kl auch während der laufenden Altersteilzeitregelung nach der Beitragsgrundlage vor Herabsetzung der Normalarbeitszeit gezahlt wurde (§ 2 Abs 1 AMPFG iVm § 44 Abs 1 Z 10 ASVG). Die Revision wurde daher zurückgewiesen.