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Vertragsbediensteter verletzt Aufgriffsobliegenheit nach neuerlicher vorzeitiger Lösung des Dienstverhältnisses durch Arbeitgeber

MANFREDTINHOF
§ 96 Abs 2 Tiroler G-VBG 2012; § 863 ABGB

Im Vorprozess stellte das Arbeitsgericht fest, dass das zwischen dem vertragsbediensteten Kl und seiner AG mit Wirkung ab 21.8.2006 begründete Dienstverhältnis auch über die mit Schreiben des Bürgermeisters der bekl Marktgemeinde vom 24.3.2011 ausgesprochene Entlassung hinaus aufrecht fortbesteht. In letzter Instanz wies der OGH die außerordentliche Revision der Bekl mit Beschluss vom 27.8.2015 zurück. Bereits mit Schreiben vom 17.1.2014 hatte die Bekl aber neuerlich die vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses gem § 96 Abs 2 lit a des Tiroler G-VBG ausgesprochen. Unmittelbar nach Ende des Vorprozesses verlangte der AN die Wiedereinstellung und versuchte273die Gemeinde von ihrer Meinung abzubringen, dass das Dienstverhältnis beendet sei. Die Gemeinde blieb aber bei ihrer dem AN mehrmals mitgeteilten Rechtsansicht, dass das Arbeitsverhältnis seit 17.1.2014 rechtswirksam aufgelöst sei. Auch der erneuten Aufforderung des AN vom 4.7.2016, binnen sieben Tagen zu bestätigen, dass das Dienstverhältnis nach wie vor aufrecht sei, kam die AG nicht nach. Erst am 20.9.2016 brachte der AN schließlich die gegenständliche Klage auf Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses über den 17.1.2014 hinaus ein.

Das Erstgericht wies die Klage auf Grund der späten Einbringung wegen Verletzung der Aufgriffsobliegenheit des Kl zurück. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Auch der OGH wies die außerordentliche Revision des Kl gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts zurück.

Das Höchstgericht führte aus, dass eine während eines Kündigungs- bzw Entlassungsanfechtungsverfahrens ausgesprochene Eventualbeendigung, dh eine solche, die für den Fall der Unwirksamkeit der ersten Auflösungserklärung ausgesprochen wird, grundsätzlich zulässig ist. Ist diese Kündigung oder Entlassung rechtsunwirksam, so ist eine Feststellungsklage (auf Feststellung des aufrechten Bestands des Dienstverhältnisses) zu erheben.

Nach stRsp kann ein Fortsetzungsanspruch wegen behaupteter Unwirksamkeit einer Auflösungserklärung nicht zeitlich unbegrenzt geltend gemacht werden. Vielmehr bedingt das Klarstellungsinteresse auch des AG eine Aufgriffsobliegenheit des AN, sein Interesse an der Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses ohne Aufschub gegenüber dem AG geltend zu machen. Der Anspruch auf Fortsetzung des Dienstverhältnisses muss daher innerhalb angemessener Frist durch Klage (Feststellungsklage oder Rechtsgestaltungsklage) geltend gemacht werden. Die zeitliche Grenze für die rechtzeitige Geltendmachung des Fortsetzungsanspruchs ist unter Bedachtnahme auf § 863 ABGB zu ziehen. Es ist zu beurteilen, ob das Verhalten des AN als stillschweigendes Einverständnis mit der Beendigung oder als Verzicht auf die Geltendmachung der Unzulässigkeit der Beendigung aufzufassen ist. Zur Beurteilung der Unverzüglichkeit ist ein angemessener, zur Erkundung und Meinungsbildung objektiv ausreichender Zeitraum heranzuziehen. Es kommt nicht nur auf die Dauer der Untätigkeit, sondern auch darauf an, ob der AN triftige Gründe für sein Zögern ins Treffen führen kann. Diese Grundsätze gelten auch für Vertragsbedienstete. Aufgrund des langen Zuwartens mit der Klage – wofür keine triftigen Gründe vorgebracht werden konnten – hat der AN im gegenständlichen Fall die Aufgriffsobliegenheit verletzt.